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[Bühne in Weiß] Kapitel 4: "Am nächsten Morgen" (NP)


Blackdiablo
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'Jeder Mensch, nicht nur der Dichter, erfindet seine Geschichten - nur daß er sie, im Gegensatz zum Dichter, für sein Leben hält.'

 

- Max Frisch

 

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Die Hütte

 

[Eintritt von allen aus dem NP "Letztes Aufgebot"]

 

Ihr seid nicht alleine, sie alle sind hier, Seelen?, Trugbilder?, Menschen?, Erinnerungen?, sie stehen neben euch, bewundern euer Werk, bewundern ihr Werk.

 

Wir haben es geschafft, denkt Johnson neben euch erleichtert. Jetzt ist es endlich vorbei.

 

Und jede Beute wird mein Gesicht tragen. Eine anderer Gedanke. Meine Seele wird nur Dir gehören.

 

Ist das so? Kannst du damit leben?

 

Zusammenhangslos, zu verleugnen, ohne Sinn und Zweck.

 

Schwer atmend blickt ihr euch an. Eure Waffen sind noch heiß. Der Geruch von verbranntem Pulver liegt noch in der Luft.

 

Und am wichtigsten ist, dass ihr das milde Morgenlicht der Sonne durch den Spalt der Bodenluke scheinen seht, welches euch beruhigend und wohlgesonnen entgegen blinzelt.

 

Ja, ihr habt es geschafft.

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Ich drehe mich zu Solomon, und lächele ihn an, zufrieden.

 

"Wir haben es geschafft!" sage ich leicht euphorisch.

 

Ich umarme ihn, und küsse ihn leidenschaftlich. Als würde kein andere geben.

 

Als würde meine Seele ihm gehören.

 

Ich küsse ihn weiter, und weiter.

 

Wir haben es geschafft, Hans! denke ich.

 

Wer? Hans? Was mache ich da?

 

Ich löse mich plötzlich von ihm.

 

"Bitte verzeih mir" murmele sichtlich überrascht.

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Als ich gerade antworten will, und die Euphorie grimm erwidern will, presst sie ihre Lippen auf meine.

 

Fassungslosigkeit überkommt mich, Überraschung, Verwirrung.

 

Für einen Moment weicht dem Schlachtenlärm, den Schüssen, ein warmes Gefühl, Nähe. Es ist lange her seit ich so etwas gespürt habe, bevor die Stille wieder einsetzt.

 

Eine Person die mir in den Armen liegt, mich küsst, es ist bestimmt fast 20 Jahre her. Trotz des Schweißes und Schmutzes der auf ihr liegt zieht mich ihr betörender Geruch in den Bann.

 

Dann löst sie sich von mir.

 

"Nein.. Ich..", ich streiche ihr sanft den Arm.

 

"Es ist okay. Wir haben es geschafft.", ich versuche zu lächeln.

 

"Lass uns Ellie und den Doc suchen, okay?", ich gehe zur Klappe und schlage sie mit einer Wucht auf, die Pistolen weiterhin gezogen, Finger am Abzug, als ich die Treppen in die Küche hochsteige.

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Die Küche gleicht einem Schlachtfeld. Die Vögel bedecken alles, der Rest ist mit Federn verhüllt. Einige der Kadaver sind zerquetscht worden wie Safkartons und haben ihr Inneres über den Boden vergossen. Die Wand vor euch ist nicht mehr wirklich existent. Von dem Ding, das dies vollbracht hat, fehlt jede Spur.

 

Draußen scheint tatsächlich die Sonne und bildet einen beinahe abartigen Kontrast zu dem Inneren der Hütte. Aus der Ferne dringt nun deulicher das feine Ticken der Standuhr.

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Wie aus einer Trance erwachend, schreckt Cypher hoch. Unten das Ticken der Uhr (Der Hörsinn ist wieder da!), vor ihm die Leiche der jungen Dame.

 

"Ich wäre Ihre Ophelia, hm? Klingt eigentlich ganz verlockend, Mr. Cypher."

 

Wieder kriechst du zurück. Du erkennst, dass du kaum etwas erkennst. Deine normale Wahrnehmung ist wieder hergestellt. Nichts ist Grau, alles schön angestrichen und normal. Aus dem Loch der Dachluke dringt ein Faden Sonnenlicht.

 

Deine Schulter schmerzt, deine Hand auch, dein ganzer Körper ist eine Ansammlung brennender Nerven, das merkst du nun, da alles vorbei ist.

 

Vorbei? Wirklich?

 

Entsetzt starrst du zu Ellie. Und beinahe befürchtest du, dass sie sich jeden Augenblick wieder zu regen beginnt. Doch nichts. Sie ist tot. Die (weiße) Frau ist vergangen.

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Hilfe! Hilfe! Ich brauche Hilfe! Wir brauchen... "HILFE!" ...hier oben!

 

... Ton âme se trouvera seule,

Parmi les sombres pensées de la grise pierre tombale ...

 

Was ist hier nur los?

 

Ich blicke mich um. Zu meinen Füssen liegt meine Frau. "Steh auf, Geraldine, bitte."

 

... Personne, dans toute la foule, pour t'épier

A ton heure de secret ...

 

Die Helligkeit. Dieses gleissende Weiss. Es dringt hindurch. Das Weiss. Zwischen den Dachschindeln dringt es bis zu mir durch. Oh Gott. Es ist überall. Das Weiss ist überall. Es wird uns alle verschlingen.

 

[ Dein Seel` wird einstens einsam sein

in grauer Grabsgedanken Schrein -

kein Blick. der aus der Menge weit

noch stört` deine Abgeschiedenheit. ]

Edited by Der Läuterer
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... Garde le silence en cette solitude,

Qui n'est pas l'abandon, car alors ...

 

Mach Dich nicht lächerlich, Jean-Louis, Du benimmst Dich wie ein Kind. Beruhige Dich wieder. Du musst Dich nicht fürchten.

 

... Les esprits des morts qui étaient

Avec toi de leur vivant sont à nouveau ...

 

Wir müssen jetzt auf Dr. Cypher warten. Er wird kommen. Wir können nur auf ihn vertrauen. Er kann alles reparieren. Er ist doch Mechaniker. Er hat die Kunden gut bedient. Immer. Er hat sie auf und wieder zu gemacht. Und der Kunde war jedes mal so gut wie zuvor.

 

... Dans la mort, autour de toi, et leur volonté

Va te couvrir de son ombre: ne bouge pas ...

 

[ Sei still in jener Öde Weben,

das nicht Alleinsein ist - es sind

die Geister derer, die im Leben

vor dir gestanden, ganz gelind

nun wieder um dich - und ihr Wille

umschattet dich: darum sei stille. ]

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... La nuit, claire pourtant, se rembrunira.

Et, de leur suprême trône céleste ...

 

Hört bitte auf über mich zu reden, als sei ich nicht anwesend. Das ist respektlos. Das ist ABSOLUT respektlos und... "NICHT!" ...zu tolerieren. "Ich lasse mich nicht zwingen!" Und ich bin Arzt. Ein guter Arzt. Ich habe einen Titel. Ich bin Dr. med. "Ich bin ARZT."

 

... Les étoiles n'abaisseront plus sur nous

Leurs regards pleins de lumière, espérance donnée aux mortels ...

 

Oh Verzeihung, Dr. Cypher. Wussten Sie nicht, dass alle schlechten Eigenschaften eines Menschen sich innerhalb der Familie entwickeln? Das fängt mit Mord an und geht über Trunksucht bis hin zum Rauchen.

 

... Mais leurs globes rougeoyants, sans un rayon,

Paraîtront à ta lassitude ...

 

Ich rauche nicht, Mr. Cypher.

 

Und ich trinke nicht, Mr. Cypher.

 

... Étre un feu et une fièvre

Qui voudraient s'attacher à toi pour toujours ...

 

Dafür MORDE ich, Dr. Cypher. ICH morde, Jean-Louis. Es hat ALLES mit MIR begonnen. Ich bin der ANFANG und das ENDE zugleich. Ich BRINGE das Ende.

 

[ Die Nacht wird finster drücken -

kein Stern herniederblicken

vom hohen Thron im Himmelssaal,

nein, die glanzlos droben ziehn,

werden deinem müden Sinn

wie ein Fieber und ein Brennen

nun und nimmer Ruhe gönnen. ]

Edited by Der Läuterer
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Der Doktor ist ein Fleischer, Mr. Cypher. Ein Metzger. Er kontrolliert. Er überprüft. Er begutachtet. Er analysiert IHRE ARBEIT.

 

... Voici, maintenant, des pensées que tu ne banniras pas ...

 

"Was haben Sie getan?"

 

... Voici, maintenant des visions qui ne s'évanouiront pas ...

 

Nichts. Nun ja, Nichts, was SIE nicht auch tun könnten. Oder getan haben? Haben Sie doch, oder? Seien Sie doch einmal ehrlich, Doktor.

 

... De ton esprit elles ne s'en iront ...

 

"ICH?!!!" ...habe NICHTS GETAN. Ich bin auch gar nicht hier. Ich liege in meinem Bett. Zuhause. Und schlafe. ICH. Ich SCHLAFE. "Das ist ein Albtraum." Ich schlafe und sündige nicht.

 

... Plus comme la goutte de rosée s'en va de l'herbe ...

 

[ Wähnen, das nicht zu verwinden,

Visionen, die nicht schwinden:

weichen werden sie von dir

nie mehr - wie der Tau vom Grase hier. ]

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... La brise, le souffle de Dieu, est au repos ...

 

Reden Sie keinen UNSINN. Shakespeare hat uns gelehrt, dass Mord der Wollust so nah ist, wie Rauch dem Feuer. Und Sie. Sie, Dr. Cypher, haben die Frau angesehen. SIE haben begehrt. Sie wollten Geraldine für sich. Und diese Frau hätte uns entzweit.

 

... Et la brume sur la colline ...

 

Wir sind doch aber zu dritt, oder?

 

... Pleine d'ombre, pleine d'ombre sans déchirure encore ...

 

Das ist doch nur eine Redensart, Jean-Louis. Führ Dich nicht auf wie ein Kind, ja? Verstanden?!!!

 

Ich nicke.

 

Aber Mr. Cypher hat seine Klinge tief ins Fleisch gestochen und es passte, wie angegossen. Auch ich hätte meinen Stahl gern in sie hinein gestossen.

 

... Est un symbole et un signe ...

 

Jean-Louis, Du bist ein richtig krankes Tier. Ein elendes, erbarmungswürdiges, verächtliches, abscheuerregendes, krankes Biest.

 

... La façon dont elle s'accroche aux arbres ...

 

Das hört sich fast so an, als hätten Dir die Leichen-Feiern mit kaltem Hühnchen nicht gefallen, oder Doktor?

 

... Un mystère d'entre les mystères ...

 

[ Die Luft - der Odem Gottes - schweigt -

auf dem Berg der Nebel steigt,

schattenhaft - flüchtig - doch ohne zu weichen:

dir ein Sinnbild und ein Zeichen -

wie er in den Bäumen schwingt,

Geheimnis in Geheimnis dringt! ]

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Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als die Philosophie sich träumt, Jean-Louis.

 

Halt Dein elendiges Maul, Hamlet. Hör auf, ständig auf Jean-Louis herumzuhacken. Du hältst Dich für so erhaben, Doktor. So allwissend. Nur weil Du studiert hast? Du arroganter Snob. Du trägst Deine Nase so hoch, dass Du bei Regen, ohne Schirm, ertrinken würdest. Und noch eine Kleinigkeit am Rande: Hamlet stirbt im letzten Akt sowieso. UND DIES I_S_T DER LETZTE AKT. Also ist alles, was DU hier und jetzt sagst, UNWICHTIG. Verstehst Du? VERSTEHST DU?!!!

 

Wenn zwischen Ihnen beiden so ein Einverständnis herrscht, frage ich mich immer sofort, wen ich nun schon wieder umgebracht habe, oder noch umbringen werde. Ich hasse Sie. Ich hasse Sie BEIDE. Ich hasse alle.

 

Diese... "Realität!" ...ist schal und freudlos, meine Herren.

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Ich werde es Ihnen ein weiteres Mal ruhig versuchen zu erklären: Wir werden alle sterben. "Alle werden wir hier sterben." Und ich bin nur dabei behilflich. Eine Art Sekundant. Oder nennen wir es Geburtshilfe? Ja. Genau. Ich helfe das Licht auf die Welt zu bringen. Das Licht der Offenbarung. Klar soweit?

 

Mr. Cypher?!!! Wie oft? Wie oft NOCH?!!! Wie oft noch muss ich Ihnen sagen, dass 'Klar soweit?' mein Satz ist? Klar soweit? KLAR SOWEIT?!!!

 

Sie überraschen mich.

 

"Danke!"

 

"Danke!"

 

Das war kein Kompliment.

 

Können wir weitermachen? Dr. Cypher? Immerhin befindet sich noch lebendiges, weibliches Material im Haus. Ein überaus attraktives Exemplar, um es genauestens zu spezifizieren. Faith gehört mir. Ich werde diese Kokotte bluten lassen. Ich werde ihr Blut unserem Messer zu schmecken geben. Und auch Jean-Louis wird seinen Spiess in sie hineintreiben dürfen.

 

Ersparen Sie sich die Mühe, Mr. Cypher. Diese Frau stellt keine Gefahr dar. Ich liebe sie nicht. Sie wird uns nicht trennen können.

 

Sie lügen, Dr. Cypher. Sie sind ein schlechter Lügner. Sie konnten noch nie lügen. Aber weshalb versuchen Sie es überhaupt? Sie wissen doch, dass ich Sie sofort durchschaue.

 

Helfen Sie doch endlich Doktor. Ellie stirbt, wenn sie keine Hilfe von Ihnen bekommt. Sie müssen sie retten!!! "BITTE!!!"

 

Reden Sie doch keinen Unsinn, Jean-Louis. Die dreckige, läufige Hündin hörte auf den Namen Geraldine. Sie hat bekommen, was sie verdient.

 

Flittchen, Dirne, Kurtisane. Egal. Ich will sie nehmen, so lange ihr Körper noch warm ist.

 

Ich schüttele den Kopf.

 

Niemand, den ich bislang behandelt habe, war noch irgendwie zu retten. Ich bin doch kein Amateur. Ich bin PROFI. Ein Künstler. Ein Genie. Ich kreiere Skulpturen in Fleisch. Aus menschlichem Müll. Moralischem Abfall. Abschaum. FRAUEN.

 

"Ich werde zertreten werden, wie eine graue, bleiche, fahle Made." Ich falle auf die Knie. Ich halte mir den Arm vor das Gesicht. Den Oberkörper auf die Schenkel abgelegt. Ich schluchze bitterlich. Mein Körper bebt. Ich zittere. Und warte. Was auch immer passieren mag. Worauf auch immer ich warte. "Niemand wird mich vermissen." Flüstere ich.

 

Jeder Weg endet. Irgendwann.

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Ich stapfe durch den Flur, die Vögel spicken den Boden, regen sich kaum. Ich stapfe durch diese Miniatur Berglandschaft, die Berge zerkrachen unter mir. Ich hinterlasse eine plane Wüste aus Knochen, statt Stein, Fleisch, statt Wiesen, Blut statt Tau.

 

Die Wände um mich herum eingerissen, zetrümmert, wie Ruinen.

 

Sonnenstrahlen bescheinen mich, ein Luftzug zieht durch, pfeift, es würde sich gut anfühlen wäre da nicht...

 

Verdammte Scheiße! Ich hätte sie nicht mit dem Verrückten gehen lassen sollen!

 

Ich nehme 2 Stufen auf einmal die Treppe zum Dachboden, oben angekommen bleibe ich stehen. Reiße die Augen auf.

 

Ich sehe Cypher, neben der toten Ellie, beide blutüberströmt, aus Ellie ragt ein Messer.

 

Nein...

 

"Nein! Wieso haben sie nicht..", mir fallen die Schnitte auf, alles erscheint Sinn zu machen.

 

Ich grinse, wölfisch, bitter, unbändiger Zorn in meinen Augen.

 

"Sie wollten sie wohl von Innen betrachten, hm?", ich knacke mit dem Hals, hebe beide Pistolen.


"Glauben sie so kranke Missgeburten wie sie sehen von Innen genauso aus wie diese unschuldige Frau!?", brülle ich.

 

"Aufstehen!", ich brülle weiter.

 

"Ganz langsam. Hände wo ich sie sehen kann.", sage ich ruhiger

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