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[In Via Flaminia] Prooemium: Res gestae [Einleitung: Was bisher geschah ...]


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Wir befinden uns in Rom, der Stadt, die als einzige diesen Namen verdient.

Mit jedem Tag, der verstreicht, dehnt sich das Imperium weiter aus.

Jeden Tag wächst der Ruhm des Kaisers. Jeden Tag wächst der Reichtum seiner Bürger.

Doch mit jedem Tag des Erfolges nähert sich das Reich seinem Untergang.

Nichts existiert ewig. Es kommt der Tag, da wird das Feuer der Vestalinnen erlöschen.

 

Heute? Morgen?

Oder liegt der Ursprung des Untergangs vielleicht schon in der Vergangenheit ...

Edited by Dis Pater
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Der Ursprung eines Unterganges liegt garantiert in der Vergangenheit begründet. Solch eine Säufernase kommt nicht über Nacht. Dazu ein Greisenhintern. Unverkennbar. Schrumpelig, ausgedörrt, unansehnlich. Ein kleines nacktes Männlein mit üppiger Körperbehaarung, dürrem und zugleich augenscheinlich untrainiertem Körper betritt das Atrium, reckt Gesicht und Gemächt in die ersten Sonnenstrahlen des Tages; die leicht zitternden Hände auf die Hüften gestützt, und selbige weit nach vorne geschoben, als präsentiere Priapus seine Pracht, doch von Pracht kann hier nicht die Rede sein. Die Vorderseite steht in Bezug auf Schönheit und Knackigkeit der rückwärtigen in nichts nach. Grunzen, Würgen, Schleim-Hochziehen, ein freundlich grüßender Wink zu jemanden in den Schatten, ohne jedoch das sonstige Gebaren zu ändern.

 

"ARES! ARES!"

 

Heute machst du Frühsport alter Mann, Früchte und Nüsse zum ientaculum (Frühstück), danach gehst du ...

 

"Ares, einen Eimer, schn..., nein, zwei Eimer, schneeell."

 

Unschöne Augenblicke später sitze ich auf einem Eimer, einen eckelhaften Geschmack im Mund.

 

"Bring mir Mulsum, ich glaube ich bin heute krank, zumindest bis zum Mittag. Das Training muss leider ausfallen, ich fühle mich ..." ein Blick auf die gefüllten Eimer, "... nicht ganz beisammen. Aber trainier du für mich mit, ich steige dann morgen ein, schade, dass es heute nicht klappt, ich hatte mich echt drauf gefreut mal wieder etwas zu machen."

 

Wer saufen kann, kann auch arbeiten, hätte mein Vater jetzt gesagt, recht hat er, aber wenn du heute Mittag anfängst reicht das auch noch.

 

"Sag' dem Mädchen sie soll mein Bett aufschütteln... und ein wenig Öl zur Morgenpflege bringen, ich bin verspannt."

 

Gute Vorsätze waren da, du kannst dir nichts vorwerfen, und jetzt musst du erstmal wieder hochkommen. Eine Mütze Schlaf, ein Schluck Medizin, entspannen. Voluntaria insania (freiwilliges Verrücktsein), recht hat Seneca in seinen Briefen, aber es war nötig, du musstest gestern trinken, für deinen Ruf, für deine Familie, für Rom. Ja, du hast Rom vertreten und die Ehre des imperiums verteidigt, indem du diesem Barbaren gezeigt hast, dass ein echter Römer einem Barbaren in allen Belangen überlegen ist, auch im Suff und du bist ein echter Patrizier, wie konnte dieser Wurm es wagen dich zu fordern?! Du hast Roms Ehre verteidigt, verteidigt in der Spelunke "Zur keuschen Callisto", du bist ein Held, Servius Aternius Bibulus, ein römischer Held.

 

"ARES! Wo bleibt das mulsum!?"

Edited by 123
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Spurius Aternius Ares kennt das allmorgendliche Prozedere, welches in unschöner Regelmäßigkeit auf die Gelage seines Herren folgt. Wer saufen kann, kann auch arbeiten, hätte auch sein Vater gesagt - doch Ares war nie in die Verlegenheit gekommen, diesbezüglich eine Wahl zu haben.

 

Der zweckmäßig gekleidete mehr oder weniger-Sklave hat den Mund entsprechend voller schnippischer Entgegnungen, als er die hundserbärmlich stinkenden Eimer fortträgt, doch auch sein Schädel ist noch gehörig dumpf von Vorabend. Die Zunge dümpelt fett und träge in seinem Mund, welcher noch immer von diesem pelzigen Geschmack gefüllt ist, den kein klares Wasser zu vertreiben vermag und der ihn zusätzlich anspornt, einfach unter leisem Murren zu tun, was man ihm aufträgt. Seine Augen brennen vom mangelnden Schlaf, während er Bibulus's Anweisungen Folge leistet und es ist mehr die Routine als achtsame Koordination, welche ihn einen Fuß vor den anderen setzen lässt.

 

"Mulsum", knurrt er vor sich hin, während Bibulus' drängende Rufe durch das Atrium hallen. "Pulsum würde dir besser bekommen, Väterchen!", klagt er sich selbst, obwohl er nie in einer Legion gedient und das allmorgendliche, heiße Essigwasser, welches die Männer abhärten soll, nur aus Erzählungen kennt. Aber über andere urteilt es sich doch immer weitaus leichter, als über sich selbst ...

 

"Ich komme!", entgegnet er dann entsprechend lautstark, schnappt sich das vorbereitete Tablett und trägt es hinaus in den sonnenbeschienenen Innenhof, wo sein Herr schon ungeduldig wartet.

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Servius Aternius Bibulus

- In Bibulus cubiculum -

 

"ARES!" lautes Rufen aus dem cubiculum (Schlafzimmer). "Schaff sie hier raus." Ich bin puterrot angelaufen, stehe mit umgehängter Decke in der Tür. Hinter mir, neben dem Bett ihres Herrn, kniet eine Sklavin, eine hübsche junge Frau, die für allerlei Aufgaben im Haushalt gebraucht wird; klein, zierlich, dunkelhaarig, hübsch aber unauffällig, ihre Hände glänzen von Öl, ihr Blick ist nicht so furchtsam wie man bei dem Geschrei hätte erwarten können.

 

Ich baue mich in der Tür auf und fahre mit leiser, schneidender Stimme fort: "Sie kriegt nicht mal das ordentlich hin." Dabei öffne ich die Decke und sehe mit weit aufgerissenen, vorwurfsvollen Augen an meinem Greisenkörper herab. Unsicherheit liegt in der Luft. "Zeig' ihr wie es geht, Ares. Sie soll es nochmal üben, vielleicht reicht ihr Bemühen ja für dein Sklaven-fascis (fasces = Rutenbündel der Liktoren, hier metaphorisch) aus." In die Decke gehüllt wende ich mich einem Schemel zu, der neben einem mit einem Weinkrug versehenen Tisch steht. Ich nehme Platz und fordere Ares mit Blicken auf sich auf das vorgewärmte Bett zu setzen.

 

Xene, die Sklavin, verdreht die Augen, ein inzwischen bekanntes Spiel, in letzter Zeit mindestens einmal in der Woche. Bibulus widmet sich dem Inhalt des Kruges und einer Schriftrolle, die mit okkulten Symbolen verziert ist. Ab und an sieht er kontrollierend zum Treiben auf dem Bett hinüber, dann ein verstohlener Blick unter die eigene Decke, gefolgt von einem tiefen Schluck aus dem Becher. Die Chancen auf einen leiblichen Erben für das einstmals stolze Geschlecht der Aternier hängen tief und schlaff in diesen Tagen. Doch die Gedanken sind frei und Wein, Weib, Sinneseindrücke und die Erinnerungen an bessere Tage befeuern zumindest noch das Gemüt.

 

"Mens salax in corpore laxo." (Ein geiler Geist in einem schlaffen Körper.) murmele ich und leere den Becher in einem Zug.

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Auch Ares kennt die Umtriebe des Alten nur zu gut. Ebenso dessen fortschreitende Impotenz - eine wirklich äußerst suboptimale Kombination, um die er seinen Herren nicht beneidet.

 

Dennoch ist er natürlich mehr als nur angetan von den Ausschweifungen, in die ihn Bibulus seit nunmehr zwei Jahren immer wieder involviert. Nicht, dass Ares nicht selbst genug Eisen im Feuer hätte, aber das hier war eine ganz andere Liga!

 

Er, der immer dachte, nichts könne ihn schocken - der alte Bibulus hat ihn ein ums andere Mal mit Szenen konfrontiert, in denen er zum Schuljungen mit roten Ohren mutierte.

 

Nicht jedoch heute. Das hier ist mittlerweile Routine, wie er überrascht und zugleich äußerst selbstzufrieden feststellt. Derart Routine, dass seine Gedanken beim Stichwort "Fasces" spontan der Szene entgleiten und in seiner Vergangenheit als Liktor unter Bibulus' Bruder Spurius Aternius Gallus schwelgen. Das waren gute Tage - die würdevollsten, die er je erleben durfte, denkt Ares, während seine Toga zu Boden gleitet.

 

Kurz darauf zerren ihn taktile Reize unnachgiebig zurück ins Hier und Jetzt.

 

Er senkt seinen Blick und begegnet Xene's. Sie verzieht einen Mundwinkel, Ares zuckt unmerklich die Schultern. Beide kennen das Spielchen. Er schaut dabei aus dem Fenster und plant sein anstehendes Training in der Arena ... zumindest einige Augenblicke lang.

Edited by MazeBall
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Servius Aternius Bibulus

- In Bibulus' cubiculum -

 

Während Ares beschäftigt ist, blicke ich ab und zu von der Lektüre auf, kontrolliere das Treiben und spreche halblaut in den Raum.

 

"Klienten empfangen ... ts ts ts ... das da immer noch so viele kommen, in der Zeit kannst du trainieren gehen, Ares. Sich auf dem Forum blicken lassen und eine Einladung zur cena (Abendessen) abgreifen."

 

Die Einladungen gingen runter, seit dein Weinkonsum so massiv gestiegen ist, aber die Tatsache, dass du jetzt der pater familias bist, steuert gegen diese unschöne Entwicklung sehr gelegen gegen.

 

"Ein Abstecher in eine Buchhandlung, mal sehen, ob es was neues gibt, vielleicht mal eine Kräuterfrau suchen oder in den Priapustempel oder einen Auguren oder Haruspex oder so etwas befragen. Was meinst du Ares, wer bei einem fascinum laxum (schlaffes Glied) am ehesten helfen kann. Ich gehe von impotentia ex maleficio (Impotenz durch einen Schadenszauber/Fluch) aus, also auch mal eine Liste meiner Feinde aufstellen, merkst du dir das auch alles, Ares? Dann Prandium (Mittagessen), Thermen, Studium und cena. Zum Abschluss des Tages dann hoffentlich ein Vollrausch... oder ich bleibe nüchtern und wir fangen morgen mit dem Training an oder wir bereiten selbst einen Zauber gegen meinen Fluch vor, ich habe da ein paar interessante Rezepte, die du mal verkosten könntest, aber wo kriegen wir heute noch ein Elefantenscrotum und ein Nashornhorn her, morgen vielleicht. Du siehst, wir haben viel zu tun, also sieh' zu du alter Taugenichts. WERD FERTIG! Außerdem ist mein Krug leer und Xene soll ihn auffüllen. Hopp Hopp. Erst der Wein Mädchen, anziehen kannst du dich später immer noch, ich warte nicht gerne. Los los los."

Edited by 123
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Ares hatte in den vergangenen gut 700 Tagen ausgiebig Gelegenheit, um die meisten Marotten seines trinkfreudigen Herren kennen zu lernen - und einen Umgang damit zu finden. Das Erteilen von Anweisungen während des lieblosen Aktes gehört allerdings noch immer nicht dazu.

 

Manchmal kommt er sich dabei vor wie ein Zuchtbulle - eine Erinnerung an seinen vergreisenden Züchter, wie der Kreislauf des Lebens funktioniert. Oder funktionieren sollte.

 

"Gnrrhh!", ist daher auch die erste Entgegnung, die er im Eifer des Gefechts zustande bringt. Als weitere Anweisungen folgen, ergänzt er ein "Ja...ghh!", später ein "Rhmm!" und zu unguter Letzt noch ein hörbar entnervtes: "Jahh, gleich!!"

 

Als er sich kurz darauf wieder behände in seine Tuchkleidung hüllt - Xene hat den Raum bereits wie aufgetragen im etwas wackligen Eilschritt verlassen - tritt er an Bibulus' Tisch heran. "Ich glaube, das ist alles Blendwerk. Herr.", knurrt er. Das letzte Wort kam ihm gegenüber Bibulus' Bruder irgendwie weitaus leichter über die Lippen. "Nashornhorn?! In Rom tummeln sich heute Scharlatane aus mehr Ländern, als wir unterworfen haben!"

 

"Wenn du mich fragst, ist das alles nichts gegen ein ordentliches Training in der Arena. Danach ein Ausdauerlauf über die sieben Hügel und zum Schluss einen Kilometer aufwärts gegen den Tiberstrom kraulen. DAS würde dich weitaus mehr beleben! Oder dich umbringen ..." Der Ex-Liktor grinst schief. "Aber den Versuch wäre es trotzdem wert!"

Edited by MazeBall
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Noctua
 
hwuu hwuu
 
Der kleine nackte Schwanz schmiegt sich um den kräftigen Schnabel.
 
hwee hwee

Schon jetzt lassen sich am feinen Daunenkleid des Kükens die Federohren erkennen. Hungrig verschlingt es die Maus, die noch immer einen Weg in die Freiheit sucht. Der junge Asio [Ohreule] quäkt die Mutter an und klettert mithilfe seiner starken Krallen und des Schnabels geschickt den Ast hinauf. Langsam dreht er seinen Kopf.

hwee hwee
 
Er richtet seine orange-glühenden Augen auf mich. Es öffnet den Schnabel. Ich schnalze. Der Asio dreht seinen Kopf zur Seite und betrachtet mich weiter. 14 gelenkige Halswirbel, scharfe Augen, achtsame Ohren. Minervas Wächter, Minervas Bote.
 
hwuu hwuu
  
Eine graue Feder gleitet zu Boden und die Mutter verschwindet in der tiefen Nacht. Ich greife nach der Feder, doch sie entgleitet mir. Ich blicke den jungen Asio wieder an. Sein Schnabel öffnet sich weiter. Etwas bewegt sich darin. Der Schwanz der Maus? Unmöglich...Ich kneife meine Augen zusammen. Ein zwigespaltener Schwanz? Was..?

Der Asio bäumt sich auf, seine noch unnützen Flügel spreizt er vom Körper. Er windet sich, dreht seinen Kopf fast im rechten Winkel ohne den Blick von mir zu lassen. Er würgt. Und würgt. Der zwigespaltene Schwanz bewegt sich noch immer in seinem Rachen. Wie ist das..? Ein letztes Aufbäumen und Würgen und der Asio lässt etwas zu Boden fallen. Etwas, das zu groß war für eine Maus. Er schüttelt sich und kraxelt zurück zu seinem Nest. Ich gehe vorsichtig einige Meter in Richtung seines Baumes.

Etwas packt mich. Eine Schlange. Ihr glatter Körper windet sich um mein nacktes Bein. Ihre gespaltene Zunge dicht an meiner Haut. Ich erstarre. Fraß der Asio..? Nein. Ich schaue hoch. Der Asio hat es sich in dem Nest niedergelassen und den Blick wieder auf mich gerichtet. Die Schlange kriecht mein Bein hoch. Ich versuche sie abzuschütteln. Sie zieht ihren Körper fester zusammen. Ihre Zunge kalt und betäubend auf meiner Haut. Ich greife nach ihrem Kopf, aber sie ist schneller. Und weiter windet sie sich mein Bein hoch, weiter, unter meine Tunika...Ich schreie und reiße die Schlange von meinem Bein.

 
Noctuas Schlafzimmer 

"Bei den Göttern, da will man dir eine Freude machen." Schwitzend richtet Noctua sich auf und blickt in die tiefbraunen Augen einer spärlich bekleideten Frau, die ihre vollmundigen Lippen verzieht.
"Diana" flüstert Noctua.
"Wundervoll, Noctua, dass du wenigstens meinen Namen über deine Lippen gleiten lassen kannst". Sie wirft sich einen seidenen Mantel über, der eher der Umschmeichlung ihrer Kurven dient als dem Bedecken dieser, und stampft aus dem Schlafzimmer. Dabei rennt sie fast den kleinen rothaarigen Mann um, der einen Krug und einer Schale Weintrauben trägt. Albiorix, Noctuas Sklave - zumindest laut dem römischen Gesetz - aber vielmehr Noctuas Wegbegleiter und Vertrauter.
"Herr, die Auspicia bei Praetor Lucius soll bald beginnen." Albiorix reicht Noctua den Krug Wasser und stellt die Schale mit den Weintrauben an sein Bett, dabei bedacht Dianas zahlreiche Töpfchen und Phiolen nicht zu berühren.
"Praetor Lucius?"
"Die Hochzeit seines Sohnes findet heute statt."
Wieder so ein Tag. Wird der Sohn viele Söhne bekommen, wird die Ehe Macht und Reichtum vergrößern, werden die Götter freudig im Kreis tanzen weil zwei Sterbliche die Ehe schließen. Noctua überkommt die Übelkeit.
"Bring mir bitte noch etwas Käse und Honig, Albio. Ohne werde ich den Tag nicht überstehen können." Noctua greift nach den Weintrauben und wirft sich eine handvoll in den Mund. Die saure Süße weckt seine Lebensgeister und lässt die Erinnerung an die Schlange fast verblassen... 
"Und Albio?"
"Ja, Herr?"
"Sag Diana, dass sie der jungen Strix heute nur Küken zum fressen geben soll. Bloß keine Mäuse oder anderes Getier."
"Ja, Herr."
Der Sklave verlässt das Schlafzimmer, mit einem Augenrollen ob Noctuas Wünschen. Noctua seufzt, verzehrt eine weitere handvoll Trauben und beginnt sich für den Tag zu kleiden. Oh Minerva, hilf mir doch.

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Servius Aternius Bibulus


- Auf dem Weg zum Empfangszimmer in Bibulus' Haus -


 


Ich bin kaum wiederzuerkennen. Wie Kleider Leute verändern können. Von dem schlaffen Körper ist nichts mehr zu sehen, eine aufwendig drapierte Toga kaschiert alle Unansehnlichkeiten, die Haare sind ordentlich gelegt und duften von teurem Öl, das Kinn wacker gereckt, die Schultern imposant in Pose, die einstudierte Körperhaltung eines Patriziers. Und nichts anderes steht nun vor der Tür zum Empfangsraum, ein zwar kleiner und alternder aber klar erkennbarer pater familias einer römischen Patrizierfamilie. Ich will Ares gerade das Zeichen zum Öffnen geben, da halte ich inne, nähere mich ihm, ziehe den Kopf verschwörerisch zwischen die Schultern, flüstere:


 


"Nur bevor ich es vergesse, uns ist das Ankleiden eben dazwischen gekommen," ein böses Funkeln tanzt in den Augen, "wenn einer von uns den alten Vater Tiber mit körperlich-schwimmender Präsenz beehrt, dann bist du das. Entweder, weil ich dir ein Übungsstündchen unterhalb der Stadt verordne, um dich mit Unrat deinesgleichen planschen zu sehen, oder ohne weiteres Verlangen nach Luft, dann hast du dich vermutlich selbst wiedermal reingeritten und deine Gläubiger waren diesmal schneller als ich." Ein breites zufriedenes Grinsen, das jede Interpretation von Sympathie bis Drohung zulässt liegt auf meinem Gesicht. "Außerdem solltest du lieber dafür sorgen, dass ich nicht irgendwo als Wasserleiche ende, das sieht immer so nach Mord aus und du weißt was mit den Sklaven geschieht, wenn ein Sklave seinen dominus ermordet?!"


 


"Desweiteren, halte ich - anders als mein militärisch brillianter aber sonst ... nichts schlechtes über Tote ... na, jedenfalls anders als mein Bruder - omina und ähnliches für überaus bedeutend, das ist ja auch einer der Gründe, ..." die Zurechtweisung von eben scheint schon wieder Meilen entfernt, jetzt spreche ich wieder offen mit Ares, ohne mein aufgesetztes Verhalten. Spreche mit ihm, wie mit einem Vertrauten. Der Geruch von Weihrauch, den ich im Laufe des Morgenritus auf dem Altar meiner Vorfahren entzündet habe, dringt in den Flur und umspielt uns wie eines der erwähnten Vorzeichen. "... weshalb ich mir hier bei einer Fachkraft Hilfe suchen will und diese ganzen Schriften konsultiere. Und nur weil ich das mit mehr Bildung und Ernsthaftigkeit als ein dahergelaufener Gladiator tue, der um Glück flehend an einem Phallus reibt und sich einnässt, wenn er eine Eule sieht, heißt das nicht, dass ..." Ich habe mich nun ein wenig in Rage geredet, Dignitas, Gravitas, alles verflogen, Flüstern, vergessen. Rein herkulischer Furor eines Bibliophilen, der über sein Leib und Magen Thema doziert und einen Unwissenden bekehrt, mit aufkommender Schnappatumng sezte ich wieder an, "... heißt das nicht, dass ... , ach was weiß ich denn, was das heißt, wenn ich das wüsste, dann müsste ich nicht dich elenden Terenz'schen Schmarotzer meine Sklavinen bespringen lassen."


 


Ein versöhnliches Lächeln, ich ordne meine Toga, atme durch und gebe das Zeichen die Tür zu öffnen.


 


Bibulus, du bist ein Vorzeigeexemplar eines Stoikers, stets ausgeglichen, auch Seneca wäre stolz auf dich, du bist ein römischer Held aus einer Patrizierfamilie, den Fluch wirst du schon noch bannen können, bleib ruhig und regle deine Angelegenheiten.


Edited by 123
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Ares reagiert auf Bibulus Drohungen so, wie er es in den letzten Monaten zumeist getan hat. Schweigend - schmunzelnd - nickend - dazu ein Blick der besagt: "Träum weiter, Väterchen. Wenn ich wollte, könnte ich dein Genick jederzeit mit zwei Fingern brechen. Außerdem wissen wir beide, wie verdammt nützlich ich für dich bin!".

 

Vielleicht ist es eine seltsame Form der Koabhängigkeit, die die beiden miteinander verbindet? Eine Art folie a deux, geboren irgendwo in der Schnittmenge aus Wein, Weib, Ruch und dem Mangel an eigenen Nachkommen? Für Außenstehende in jedem Fall ein weitgehend unsichtbares und absolut unmöglich zu begreifendes Band.

 

Zu Anfang war Ares noch voller Sorge gewesen, dass der Alte ihm wirklich antat, womit er drohte, doch entpuppten sich seine Worte bislang zumindest nurmehr als eine merkwürdige Spielart von Humor. Das stichelnde Gegifte eines Mannes, dessen Zunge das Einzige ist, was er auch im Alter noch zu kontrollieren vermag.

 

"Mein Herr", antwortet er schlussendlich auf dessen Wink hin, nicht mehr.

 

Aus seinem Munde klingen die Worte wie ein Witz. Augen blitzen im Dämmerlicht der noch geschlossenen Tür und unwillkürlich zuckende Gesichtsmuskeln, die ein keckes Grinsen nur mühsam zurückdrängen können, tun ihr Übriges. Ares weiß, dass er alles hat, was Bibulus sich für kein Geld der Welt kaufen kann. Er ist hier im Haus die personifizierte Kompensation an Lebenskraft & Virilität, Bibulus nur ein verblassender Schatten.

Edited by MazeBall
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Servius Aternius Bibulus


- In Abarix' Popina ([Wein-]Bar mit bescheidenem Speiseangebot) -


 


"Für meinen durchtrainierten Begleiter ein paar von den Fleischspießen in Rosmarienöl, er muss auf seine Linie achten. Ich nehme ein paar von den Würstchen und etwas Dinkelgrütze, danke. ... Ach, was soll's: noch ein paar Oliven, gekochte Eier, etwas gedämpftes Gemüse ..., bitte? Ja, mit Olivenöl. Schafskäse, ein paar von den Sardellen, Feigen, habt ihr Dorade? Eine reicht, ja. Und ein paar von den Zwiebelchen. Nein, nein, keine Eile, wir vertreiben uns die Wartezeit mit piperatum (Würzwein: Wein, Honig, Pfeffer, warm). Ach, wo wir beim Wein sind, wir nehmen noch einen Krug zum Essen, nicht zu stark verdünnt, eins zu sechs reicht, wir wollen ja noch was schmecken. Welchen ist mir egal, den besten den ihr da habt."


 


Bibulus lehnt sich entspannt zurück. Der Empfang der Klienten verlief ohne Überraschungen, auf dem Forum konnte er eine Einladung zu einem Hochzeitsbankett abgreifen, die Buchhandlung beglückte ihn mit ein paar neuen Spielsachen und der letzte Programmpunkt nach dem ientaculum (leichtes Mittagessen) für Ares bzw. prandium (üppiges Mittagessen) für Bibulus, sind die Thermen, die Erholung und viel nackte Haut versprechen.


 


"Hast du die Kleine gesehen, die das Essen bringt? Ihre ..., hui, wenn ich nochmal ein bisschen jünger wäre, ich sag' es dir, aber bald ... ja, ja, ... bald Ares."


 


Bibulus verstummt, fixiert den Raum, leckt sich die Lippen, bereitet den Greifprozess vor, dieser fordert seine volle Aufmerksamkeit, doch es lohnt sich. Augenblicke vor Ares hält er schon sein warmes piperatum in Händen. Probiert gierig, verbrennt sich die Lippen, flucht, trinkt weiter, dann entspannt der Körper sich, der Blick wird glasig, die Vorfreude auf das Essen setzt ein, jetzt wo das schlimmste Zittern runtergespült ist.


Edited by 123
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Ares entgegnet zunächst nichts, nur einmal knurrt er kaum hörbar, als sein Herr ihn erneut auf Zwangs-Diät setzt. Ansonsten vertreibt er sich die Zeit damit, dem alten Narziss zuzuhören und dessen Unfähigkeit zu studieren, weiblichen Rundungen und alkoholischen Heißgetränken zu widerstehen.

 

Nachdem Bibulus' Flüche verklungen sind, entgegnet er kurz und trocken: "Die Satyre in den Geschichten meiner Heimat erblassen im Angesicht deiner Geilheit, Herr." Dann trinkt er leise schlürfend von seinem piperatum und nimmt selbst erstmal mit Blicken Maß von der Rückseite der Bedienung. "Kräftige Waden...", murmelt er wertschätzend.

Edited by MazeBall
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Servius Aternius Bibulus


- In Abarix' Popina ([Wein-]Bar mit bescheidenem Speiseangebot) -


 


"Na wenn ich es immerhin in die Reihen des Dionysos schaffe ist doch alles gut." Mein Blick weilt milde auf Ares und ein sanftes Lächeln tanzt auf meinen Lippen. "Mal im Ernst, die Waden sind es, die dich an dem Mädchen reizen? Die Waden? Weil sie tüchtig für den Kampf wäre? Oder ist das einer dieser griechischen Geheimkulte, den nur Eingeweihte durchschauen? Oder pflegst du besondere Vorlieben, von denen ich bisher nichts wusste? Oder .. oder kennst du gar Techniken, die mit Hilfe der Waden ...?"


 


Das Fabulieren scheint mir Spaß zu bereiten. Eine Antwort mag kommen, wird aber nicht zwingend erwartet. Ich mustere die popina, das Mädchen, nippe an meinem Becher. Sehe zu Ares. Ich fühle mich wohl.


 


Das Essen kommt. "Stell es einfach hin. Dann kann jeder sich nehmen, was er am liebsten mag, Mädchen." Als sie sich zum gehen wendet, kann ich mir eine flüchtige Berührung ihres prallen Hinterteils nicht verkneifen. Sie ist es gewohnt, es tut ihr nicht weh, ich werde ihr etwas mehr Geld geben, mir gefällt es. Mein Gesicht zeigt Sehnsucht und Melancholie, dann schüttele ich mich und wende mich dem Essen und Ares zu. Und dem Wein.


Edited by 123
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Warum muss Bibulus nur immer so weit ausholen? Während der Alte also seinen Monolog hält, schaut Ares ihn bloß ausdruckslos an. Er mag den Schwätzer ja, aber er weiß, dass es müßig wäre, irgendetwas zu entgegnen.

 

"Naja, der Vorbau ist schon auch nicht von schlechten Eltern", kommt ihm schließlich doch noch grinsend über die Lippen. Seine fachkundige Einschätzung bezieht er aus einer erneuten Studie des Mädchens.

 

Das Essen wird nicht minder freudig inspiziert und ohne Zögern greift der Ringer zu, um sich mindestens die doppelte Menge dessen einzuverleiben, was sein Herr so zu sich nimmt.

 

Beim Alkohol hingegen hält Ares sich zurück und befeuchtet sich nur gelegentlich an seinem Becher die Lippen, während Bibulus ohne Unterlass redet. Er will später noch den Staub der Arena schmecken, doch für den Augenblick genießt er die Ruhe der Mittagsstunden. Die Schänke ist nur mäßig besucht und seinem Herren droht hier sicherlich keine Gefahr.

 

"Wie viele kommen denn heute Abend?", greift er schließlich die Einladung zum Bankett auf. "Und ist jemand Bekanntes darunter?"

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Servius Aternius Bibulus


- In Abarix' Popina ([Wein-]Bar mit bescheidenem Speiseangebot) -


 


"Ich denke es werden eine Menge Gäste anwesend sein. Wenn man die Hochzeit seines ältesten Sohnes schon in die Zeit des eigenen Prätorenamtes legt, dann will man auch was bieten. Also viele Gäste, erlesene Speisen, kostspielige Geschenke und teure Weine."


Kommen die ersten Worte noch in dozierender Weise daher, beginnt bei den letzten ein Leuchten in meinen Augen aufzuscheinen.


"Wenn er sich richtig reinhängt, und nichts anderes erwarte ich vom alten Lucius eigentlich, dann sollte es Falerner, gefüllte Otternasen und etliche weitere Vergnügungen der gehobenen Kategorie geben. Ich möchte meinen, dass du heute Abend speisen wirst wie ein Gast des Trimalchio und du kannst es auch auf angemessene Weise mit deiner clara lingua graeca (klare griechische Zunge/[Aus-]Sprache) goutieren. Als zusätzliche Würze der ganzen Verquickung kommst du in den Genuss, dass du mit mir, deinem Herrn, dem der Petron'sche Encolpius nachempfunden scheint, die Feier besuchen darfst."


Während dieser vor Pseudogelehrsamkeit strotzenden Ansprache nehme ich immer mehr die gelernten Posen eines Redners ein; nur um danach völlig in mich zusammen zu sinken, vom Wein zu trinken und Ares anzustarren.


"Gib' mir mal das Garum. ... Alt werden ist sehr unschön sage ich dir, junger Mann. Nicht mal hintenrum über dich abziehen macht Spaß, schon gar nicht, weil am Ende wieder alles auf das eine Thema hinausläuft. Ich kann mich einfach auf nichts anderes konzentrieren. Vielleicht sollten wir mal verreisen? Oder hast du eine gute Idee für ... naja, du weißt schon wofür?"


 


Ich schiebe mir noch eine Olive in den Mund und sinniere vor mich hin, während ich Ares dabei zusehe, wie er eine Schüssel nach der anderen leert.


Edited by 123
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