Jump to content

[Sieben] -Prolog: Das Erbe-


-TIE-
 Share

Recommended Posts

Lawrence Foyle

- Little Ashbury Castle, Erdgeschoß -

 

Angesichts der regelrecht in die Knochen kriechenden Kälte kommt es mir wie eine Ewigkeit vor, bis sich die Haustüre endlich öffnet und so atme ich erleichtert auf als das Gesicht von Matthews Butler vor mir erscheint. Mein Atem verursacht kleine Wolken, meine Kleidung ist inzwischen unangenehm klamm und meine Fingerspitzen fühlen sich bereits etwas taub an. "Mr. Frinton, guten Abend! Entschuldigen sie bitte die späte Störung, aber ich müsste in einer dringenden Angelegenheit mit Matthew sprechen. Ist er gerade verfügbar?"

 

Ich muss es mir verkneifen unruhig von einen Fuß auf den anderen zu treten. Dem im Weidekorb gefangenen Kater scheint die Warterei in der Kälte ebenfalls nicht gefallen zu haben, ich merke wie er unruhig wird. Dazu macht sich bei mir das schlechte Gewissen breit, da ich in die Schatulle geblickt hatte. Meine Neugier geziemt sich für einen Gentleman, als den ich mich gerne sehe, keineswegs und wird eines Tages noch mein Ruin sein.

 

Ein Schlüssel für was? Und diese seltsame Brosche... Nicht das was ich erwartet hätte. Aber was erwartet man schon von einem derart reiselustigen und geheimnisvollen Mann, der nie selbst in Erscheinung trat? Ungewöhnlich ist es allemal. Einer neuer Fall, in einer Reihe von sich niemals gleichenden,

 

Innerlich muss ich schmunzeln, ich muss ein wahrhaft komisches Bild abgeben, mit meinem eleganten Gehrock, dem passenden zylinder, eingeschneit, ausgefroren und Aufgepackt wie ein einfacher Dienstbote.

  • Like 3
Link to comment
Share on other sites

Julius A. Frinton

- Little Ashbury Castle, Erdgeschoß -

 

"Mister Foyle." Ich verbeuge mich leicht. Auf das Entgegennehmen einer Visitenkarte kann ich bei einem alten Freund wie Foyle es ist verzichten. "Bitte kommen Sie herein. Darf ich Ihnen Mantel, Hut und Gepäck abnehmen?" Ich schließe die Tür hinter Foyle und nehme alles in Empfang, was er mir aushändigen möchte. "Bitte folgen Sie mir. Ich werde sehen ob Master Richmoore heute noch empfängt."

Ich führe den Besucher ins Kaminzimmer, lege etwas Holz im Feuer nach und postiere Mr. Foyles Gepäck und Kleidung so, dass sie trocknen kann und zugleich sicher verwahrt sind. Dann begebe ich mich in Richtung Zimmertür und öffne eine kleine Anrichte auf der volle Karaffen und leere Gläser stehen, Cognac, Armagnac, Whisky. "Bitte bedienen Sie sich, Sir." Anschließend entferne ich mich, schließe die Tür hinter mir und begebe mich ins Obergeschoß, um Master Richmoore von dem Besuch seines alten Freundes in Kenntnis zu setzen.

 

Lediglich in einem Zimmer im Obergeschoß brennt Licht, ich bleibe vor der Tür stehen und klopfe leise an, warte darauf hereingerufen zu werden.

Edited by 123
  • Like 2
Link to comment
Share on other sites

Matthew William Richmoore

- Little Ashbury Castle, Salon, 1. Stock -

 

Das Klopfen lässt mich zusammenzucken, wie ein Kind das bei einem Streich erwischt worden ist. Nur handelt es sich hier nicht um einen Streich.

 

Ich stehe leise auf, lösche das Licht am Sekretär und kehre zum Sessel zurück. Das Licht der Leselampe ist hell genug für die vertraute Strecke. Ich setze mich und antworte leise "Ja? Was gibt es, Frinton?" Meine Stimme klingt noch immer verschlafen und etwas rau, da ich seit Stunden kein Wort mehr gesprochen habe. Ich sehe das Buch am Boden, will mich danach bücken, entscheide dann aber es an Ort und Stelle zu lassen. "Kommen Sie doch herein." 

  • Like 2
Link to comment
Share on other sites

Julius A. Frinton

- Little Ashbury Castle, Salon, 1. Stock -

 

Ich trete ein. Nehme den Raum wahr ohne mich auffällig umzublicken, egal ob es etwas zu sehen gibt oder nicht, es geht mich nichts an beziehungsweise erst in dem Moment in dem mein Dienstherr es wünscht. "Master Richmoore. Mr. Foyle ist so eben eingetroffen und möchte Sie gerne sprechen; er sagte es handele sich um eine dringende Angelegenheit. ... Er hat einige seltsame Gegenstände dabei, unter anderem einen Korb mit einer Katze darin, Sir. Was soll ich ihm ausrichten?"

 

Ich warte die Antwort ab, halte die nächsten Fragen schon bereit, doch alles muss der Reihe nach passieren.

 

Ja. Wo wollen Sie ihn empfangen, Sir? Soll ich etwas zu Essen für ihn mit anrichten, Sir? Sehr gerne, Sir. Jawohl. Leichte Verneigung. Frinton ab.

 

Das Durchgehen der Möglichkeiten hilft mir mich auf die Aufgabe zu konzentrieren. Dadurch nehme ich meinem Gegenüber die Möglichkeit aus meinen Gedanken zu lesen, eine Eigenheit, die Mr. Mycroft Holmes im Diogenes Club nur zu gerne an neuem Personal demonstrierte. An einem simplen Blick, Augenaufschlag oder Wegsehen konnte er die persönlichsten Dinge über jemanden Herausfinden, ohne je direkt mit der Person gesprochen zu haben. Als ich bei unserem ersten Zusammentreffen Opfer seiner Deduktionen wurde, entlockte er mir meine schwere Verletzung und meine Rolle als Quasi-Waisenkind; ich war von seinen Methoden beeindruckt. Das Schachspiel und der alte Cavendish vertieften die Lektionen in vorausschauendem Denken und so rattert mein Geist die Möglichkeiten runter, so banal und vielfach wiederholt sie auch sein mögen.

 

Der Fehler steckt im Detail, Frinton.

 

Ich warte also auf die Entscheidung von Master Richmoore, blicke mit ausdruckslosem Gesicht auf einen Teil zwischen Oberkörper und Kopf meines Lohnherren; meine Aufmerksamkeit gilt ihm, Druck baue ich selbstredend durch direkten Augenkontakt nicht auf.

Edited by 123
  • Like 2
Link to comment
Share on other sites

Matthew William Richmoore

- Little Ashbury Castle, Salon, 1. Stock -

 

Foyle? Was will er zu so später Stunde noch hier? Bei diesem Wetter? Ich zaudere. Eigentlich will ich niemanden sehen. Ich wollte auch Julius nicht mehr sehen. Leise das Haus verlassen und dann mit einem Knall diese Welt. Daraus wird wohl nichts.

 

Ich bleibe einige Sekunden stumm, dann beschließe ich den Schein zu wahren und diesen Besuch noch zu empfangen. Lawrence hat sich auch einen Abschied verdeint, auch wenn er nicht weiß, dass es einer wird.

 

"Ich komme in Kürze nach unten. Dort brennt sicherlich das Feuer, ich bin eingenickt und hier dürfte es etwas kühl sein für eine Unterredung. Mr. Foyle ist bestimmt an etwas Wärme gelegen, nach der Fahrt zu uns. Julius, setzen Sie bitte etwas Tee auf und Fragen Sie Mr. Foyle ob er etwas zu Speisen wünscht. Für mich bitte eine Kleinigkeit, ich habe heute keinen so großen Appetit. Ich werde ich fünf Minuten zu ihm stoßen."

 

Ich warte bis Julius den Raum verlassen hat, dann gehe ich zum Sekretär, verstaue die Waffe und blicke in das erstarrte Gesicht von Isabelle. "Gedulde dich noch einen kurzen Moment, meine Geliebte. Bald bin ich bei dir. Bei euch. Für immer." Sanft streiche ich über ihr Haar, ein Lächeln umspielt meine Züge.

 

Ich begebe mich in mein Zimmer, richte meine Kleidung und mein Haar, dann gehe ich nach unten.

Edited by Dark_Pharaoh
  • Like 2
Link to comment
Share on other sites

Julius A. Frinton

- Little Ashbury Castle -

 

"Sehr wohl, Sir." Ich verlasse den Raum und verstaue zunächst die Waffe wieder an ihrem angestammten Platz. Nichts geht mich mehr an als Unordnung und nichts ist fataler als ein Gegenstand, der - wenn man ihn braucht - nicht an seinem Platz zu finden ist. Bevor ich die Waffe zurücklege wische ich noch einmal über Griff und Lauf, Schmutz und Flecken sind hier ebensowenig geduldet, wie unerwünschte Besucher.

 

Danach öffne ich die Tür zum Kaminzimmer in dem Mr. Foyle wartet, als er mich ansieht und die Etikette meine Mittelung zulässt, beginne ich zu sprechen: "Master Richmoore wird gleich bei Ihnen sein. Ich werde dann das Abendessen servieren, wünschen Sie daran zu partizipieren? ... Haben Sie noch andere Wünsche, Sir?

 

Nach seiner Antwort werfe ich noch einen Blick auf den Kamin, das Feuer brennt ordnungsgemäß, hier muss ich nichts weiter tun; ich verlasse den Raum, gehe in die Küche und mache mich daran Tee zu übergießen und alles für das Mahl benötigte auf einem Servierwagen anzurichten.

 

Teller, Besteck, Tassen, die Speisen, ..., Teekanne samt Tee, Zitrone, Milch, Zucker, ... für alle Eventualitäten gewappnet.

Edited by 123
  • Like 3
Link to comment
Share on other sites

Lawrence Foyle

- Little Ashbury Castle, Erdgeschoß -

 

Dankbar nehme ich die Einladung zum Abendessen an und nehme im Kaminzimmer platz, schenke mir wie angeboten einen kleinen Schluck Cognac ein, weniger des Alkohols Willen, sondern eher um mich von innen zu wärmen. Doch die leichte Traurigkeit die mich umfangen hatte und mich immer noch wie ein Mantel umgibt, ähnlich wie die schweren grauen Wolken die London in ihrer eisigen Umarmung haben, will mich einfach nicht loslassen. Ein Scheideweg steht an, dessen bin ich mir immer sicherer.

 

Meine Hände umklammern eher unbewusst die Tasche mit dem Brief und der Schatulle. Dank des im Kamin prasselnden Feuers kehrt nach und nach wieder Wärme in meine tauben Glieder zurück. Mein Blick wandert unruhig durch das Zimmer, bleibt kurz am nun wieder zufrieden zusammengerollt daliegenden, samtschwarzen Kater hängen, der hier hoffentlich ein neues Zuhause gefunden hat, und wandert dann sogleich weiter durch das Zimmer.

 

Ich bin gespannt. Gespannt auf Matthews Reaktion, gespannt auf das Erbe, gespannt auf die Auswirkungen. Versuche nach außen hin ruhig zu wirken. In Gedanken lege ich mir bereits ein paar Sätze zurecht um Matthew von dem Tod seines Onkels zu berichten, während ich kerzengerade im Sessel sitze und der Dinge harre, die nun kommen mögen.

Edited by Ele
  • Like 3
Link to comment
Share on other sites

Matthew William Richmoore

- Little Ashbury Castle, Erdgeschoß -

 

Ich trete ein und gehe zielstrebig auf meinen Gast zu. Der Weg ist klar, doch auch in den letzten Momenten werde ich meinen Freunden gegenüber die Etikette wahren. "Lawrence, guten Abend. Was führt Sie zu so später Stunde noch nach Little Ashbury? Zudem bei dieser Eiseskälte?"

 

Als Foyle sich erhebt schüttele ich ihm die Hand, dann nehmen wir beide auf den Sesseln neben dem angenehm prasselnden Kamin Platz. Ich blicke Lawrence erwartungsvoll an. Überrascht stelle ich fest, dass sich eine gewisse Neugier einschleicht - und auch ein wenig ... Angst?

 

Neugier und Angst, vielleicht sind das auch die Gefühle, welche einen Todgeweihten vor seiner letzten Reise begleiten?

 

Ich verjage diese Gedanken und konzentriere mich wieder auf meinen Gast.

  • Like 2
Link to comment
Share on other sites

Erstaunt stellst du fest das sich unter das prasseln des Kamins ein tiefes, zufriedenes Schnurren mischt. Dann fällt dein Blick auf den Weidenkorb in dem der schwarze Kater sich zusammengerollt hat, sein Kopf ist dabei so verdreht das es aussieht als würde er auf dem Rücken liegen, du kannst die kleinen, nadelspitzen Zähne sehen die sich an seinen Lefzen vorbeigeschoben haben. Wie kleine elfenbeinfarbene Dolche heben sie sich von dem seidig schwarzen Fell ab. Ein wachsames grünes Auge ist auf dich gerichtet und ein wenig fühlst du dich von dem Tier beobachtet. Dann streckt sich das Tier und seine Pfoten drücken sich gegegen das Gitter des Korbes bevor er sich wieder zusammenrollt und weiter das Prasseln des Kaminfeuers mit seinem Schnurren untermalt.

 

Todesgedanken und schwarze Katzen, kann das gutgehen?

Edited by -TIE-
  • Like 2
Link to comment
Share on other sites

Lawrence Foyle

- Little Ashbury Castle, Erdgeschoß -

 

"Matthew, es freut mich außerordentlich, dass sie trotz der späten Stunde noch etwas Zeit für mich finden." Ich denke an die in meinem Geist bereits geformten Zeilen, bemerke, dass ich eine Einleitung vergessen habe und beschließe mich dazu direkt zum Thema zu kommen. Darum herumreden wird nichts bringen und Matthew wird es mir gewiss verzeihen wenn ich so mit der Tür ins Haus falle. Meine Stimme ist ruhig und fest, meine Miene ernst.

 

"Das Wetter ist tatsächlich alles andere als angenehm, aber ich wollte wegen dieser Sache nicht warten. Matthew, ich möchte nicht lange darum herumreden. Ich habe heute eine Depesche aus Gibraltar erhalten, dazu den Kater und diese Tasche." Eine dezente Geste in Richtung der Sachen begleitet diesen Satz. "Sir Isiah Mcnay war an Bord des Schiffes Demeter, der Dreimaster ist Mitte November leider in einem Sturm gekentert. Ich möchte ihnen mein tiefstes Beileid bekunden, ihr Onkel ist dem Schreiben zufolge dabei ums Leben gekommen."

 

In diesen Momenten hasse ich meinen Beruf. Es ist nie schön jemanden den Verlust eines Angehörigen zu berichten, selbst wenn es jemand ist den man nie persönlich traf. Matthew hat ihm viel zu verdanken, die Zukunft ist ungewiss, wird sich aber hoffentlich in den nächsten Minuten klären. An dieser Stelle verstumme ich und erwarte besorgt seine Reaktion. Meine Hände umklammern nach wie vor die Tasche. Ihr Inhalt, so klein und unscheinbar er nach außen auch wirken mag, wird bald alles weitere klären und möglicherweise sogar nachhaltig Matthews Zukunft beeinflussen.

  • Like 3
Link to comment
Share on other sites

Matthew William Richmoore

- Little Ashbury Castle, Erdgeschoß -

 

Vor mir beginnt sich alles zu drehen. Der eisige Griff des Todes, er windet sich wieder zu meinem Herzen.

 

Der Dreimaster ist in einem Sturm gekentert.

 

Die Worte hallen nach, wieder und wieder.

 

Allmächtiger Vater, warum. Warum strafst du mich? Wieder und wieder? Was habe ich dir angetan, welche Sünde wiegt so schwer. Du hast mir Isabelle genommen. Robert. Und nun Isiah. Ich werde mich nie von Angesicht zu Angesicht bei ihm bedanken können.

 

Verzweiflung, Trauer und Wut ringen in meinem Gesicht um die Vorherrschaft.

 

Matthew, du wolltest diese Welt verlassen! Und jetzt zürnst du dem Herrn, weil er Isiah zu sich gerufen hat und du dich nicht bedanken konntest? Das ist deine Sünde! Dein Selbstmitleid. Der Freitod. Der Gedanke daran. Die Wege des Herrn sind unergründlich. Und ob ich auch wanderte durch ein dunkles Tal. Mag es noch so lang und dunkel sein.

 

Der Dreimaster ist in einem Sturm gekentert.

 

Dreimaster, Drei, Isabelle. Robert. Isiah. Aber du bist noch da. Und Julius. Lawrence. Drei.

 

Während mir still ein paar Tränen ganz unverholen die Wange hinunter laufen, von denen ich aber keine Notiz nehme, treibt meine Seele auf dem unruhigen Ozean, der meine Gefühlswelt widerspiegelt. Erinnerungen prallen wie Wellen gegen das Schiff meiner Seele. Die lachende Isabelle. Die Gesichter, welche meine Fantasie von Robert und meinem Onkel gezeichnet hat. Der Krieg. Die weiße Feder. Lawrence, als er sie, sichtlich beschämt, zurückgenommen hat. 

 

Ich spüre Julius rechts hinter mir, an seiner angestammten Stelle stehen. Spüre seine Kraft. Auch er hat die Worte vernommen. Ich spüre seine Trauer. Seine Sorge. Um mich. Ich spüre die gleichen Gefühle bei Lawrence. Sie sorgen sich um mich. Fühlen mit mir. Teilen diesen Moment mit mir. Stehen mir zur Seite.

 

Felsen in der Brandung. Sichere Häfen im Sturm.

 

Ich spüre wie der Steuermann das schlingernde Schiff auf Kurs bringt, den Wellen trotzt. Ich sehe die schwarzen Wolken, wie sie tief und drohend über ihm hängen. Doch ich sehe auch einen hellen Riss, hinter dem die Sonne wartet. Schwach und kraftlos, vergänglich wie eine Knospe welche sich im Frühling ihren Weg durch den letzten Schnee kämpft.

 

Das Tal ist noch immer finster. Der Weg noch immer lang. Aber ich kann einen Pfad erahnen. Schmal, steinig und riskant, aber er ist da.

 

"Danke." Dieses mehr gehauchte, denn gesprochene Wort zerreißt die Stille. Die irritierten Blicke von Lawrence, ja selbst von Julius sehe ich nicht. Ich fühle meinen Onkel in diesem Moment hier im Raum. Sein letztes Geschenk. Er zeigt mir einen Ausweg. Wirft mir ein rettendes Seil zu.

 

Bin ich stark genug, es zu ergreifen? Mich zurück aus der Dunkelheit zu kämpfen? Die Zeit wird es zeigen.

 

Dann lichtet sich der Nebel, ich sehe die Wandvertäfelung deren Farbe an manchen Stellen bereits abblättert. Die Wandteppiche, verblichen und aufgrund der sparsamen Beleuchtung in den Schatten halb verborgen. Die Vorhänge, stets gereinigt aber ebenfalls ausgewaschen und alt.

 

Ich erblicke das Gesicht von Lawrence.

 

"Danke ... für Ihre Anteilnahme. Und Ihre Bemühungen mich sogleich zu unterrichten."

 

Ich sammle mich, wahre jetzt wieder Anstand und Etikette. Wische mir verstohlen die Tränen aus dem Gesicht, deren feuchte Spuren ich jetzt erst bemerke. Dann stehe ich auf, hole drei Gläser und von ganz hinten eine staubige Flasche edlen Whisky, dessen Inhalt nur noch für drei Gläser reicht. Der beste Tropfen im ganzen Haus. Ein Geschenk zur Verlobung, von meinem Vater.

 

Ich nehme aus den Augenwinkeln wahr, wie Julius diese Aufgabe übernehmen will, stets aufmerksam. Mit einer unauffälligen Geste meiner rechten Hand halte ich ihn davon ab und fülle die Gläser, trage sie zu dem kleinen Tisch bei den Sesseln. Eines schiebe ich zu Lawrence. Dann wende ich mich meinem Butler, meinem Freund, zu. "Mr. Frinton ... Julius ... mein werter Onkel hat uns auf diesen gemeinsamen Weg geführt. Daher erheben bitte auch sie ein Glas auf sein Andenken mit uns."

 

Ich nehme das letzte Glas, hebe es ein Stück an. "Auf Sir Isiah Mcnay, einen Retter aus großer Not. Möge der Herr seine Seele in seinen sicheren und friedlichen Hafen führen und in erheben zu seinen Engeln."

Edited by Dark_Pharaoh
  • Like 2
Link to comment
Share on other sites

Julius A. Frinton

- Little Ashbury Castle -

 

Die Nachricht trifft mich hart, wenngleich ich es mir - der Etikette folgend - zunächst nicht anmerken lassen kann. Ashbury Castle war in den letzten Monaten kein glücklicher Ort. Ich habe hier Dinge erlebt, die für einen Bürger des Empire nur schwer vorstellbar sind. Ich musste die Qualen und Leiden eines guten Mannes mit ansehen, konnte selten etwas Linderung bringen, nur selten Trost und Zuversicht spenden. Dass die Serie der Schicksalsschläge in diesen Mauern nicht abreißen will ist schlimm, dass mit Mcnay nun auch der letzte Silberstreif am Horizont verklingt wiegt umso schwerer. Der Tod eines guten Mannes, eines Briten, ist immer traurig, die persönliche Trauer, die dieser Tod in diese Hallen trägt ist erschütternd.

 

Ich nehme das Glas von Matthew mit einem leichten Nicken in Empfang. Bewusst verkneife ich mir ein Wie sie wünschen, Sir. Diese Reaktion hätte ich an den Tag gelegt, wenn ich mit dem Prozedere eigentlich nicht einverstanden wäre und so betonen wollte, dass ich lediglich dem Wunsch meines Dienstherren nachkomme, doch so ist es nicht. Nicht in diesem Fall. Nicht bei diesem Dienstherren. Nicht bei einem Freund. Ich trauere mit ihm, empfinde Stolz und Freude seine Trauer teilen zu können und eine Stütze in diesen schweren Zeiten sein zu können.

 

Auch ich erhebe mein Glas. "Amen."

 

Meine Gedanken sind bei den Verstorbenen. Es waren zu viele, zu gute, zu junge Menschen.

Edited by 123
  • Like 2
Link to comment
Share on other sites

Lawrence Foyle

- Little Ashbury Castle, Erdgeschoß -

 

Schweigend sitze ich da und gebe Matthew und auch Julius ein paar Momente um die Nachricht zu verdauen, um sich wieder zu fassen. Ich kann Matthews Tränen erkennen, stumme Zeugen seiner Gefühle und doch kann ich mir vermutlich nicht einmal Ansatzweise vorstellen was diese Nachricht für ihn bedeutet.

 

Wie ich diese Momente hasse, vor allem wenn sie mir so nahe gehen....Ich sollte dem Leben dankbar sein, dankbar für alles das ich habe. Ich bin mit so einem Glück gesegnet. Ich habe eine bezaubernde Frau, einen sich prächtig machenden Sohn, einen zuverlässigen Bruder und zu mir stehende Eltern. Und Matthew? Er hat viel verloren. Zu Viel. Viel zu viel. Das Leben nehm ihm alles. Fast alles. Er hat noch Julius und mich, und wir werden zu ihm stehen, ihm Kraft spenden.

 

Mein Blick wandert mit Matthew, der einen alten Whiskey holt, noch einmal durch den Raum, der schon bessere Tage gesehen hat, bleibt dann aber kurz am Fenster hängen, beim grau weißen Schneetreiben, das unsere Welt in ein Leichentuch hüllt und sie langsam in Kälte versinken lässt. Doch irgendwo wird wieder Licht auftauchen. Die Sonne ist immer noch da, nur momentan vor uns verborgen... Ich werde für Matthew da sein. Das hier ist nicht einer von vielen Fällen, nein, dieser Fall hebt sich durch die persönliche Komponente von den anderen ab. Ich nehme jeden einzelnen Klienten ernst und jede noch so kleine Angelegenheit und doch ist dies noch einmal etwas anderes.

 

Dann erhebe ich ebenfalls mein Glas. "Für Isiah Mcnay."

 

Wir trinken stumm, denken gemeinsam an Isiah. Sind gemeinsam für Matthew da. Ich wage es erst einmal nicht dieses Schweigen zu durchbrechen. Erst eine gefühlte Ewigkeit später, in der jeder seinen Gedanken nachhängt, fällt mir wieder das Gewicht der auf meinem Schoß liegenden Tasche auf. Ich öffne sie vorsichtig und nehme die beiden Gegenstände behutsam heraus.

 

"Das wurde für dich in unserer Kanzlei hinterlegt." Ich stehe auf und überreiche Matthew die geheimnisvolle Schatulle und den darauf liegenden Brief.

 

Für meinen Erben Matthew William Richmoore

 

Dann setze ich mich wieder und mustere ihn besorgt.

  • Like 3
Link to comment
Share on other sites

Matthew William Richmoore

- Little Ashbury Castle, Erdgeschoß -

 

Ich nehme die Gegenstände entgegen. Als mein Blick auf den Umschlag fällt nehme ich erst wirklich wahr, dass Lawrence mich nicht nur informieren wollte. Nein, er bringt mir ein Erbe. Die Hinterlassenschaft meines Onkels, den ich nie kennengelernt habe. Ich erinnere mich an einen damals jungen Mann, den ich bei meinem fünften Geburtstag einmal gesehen habe, aber das Bild ist durch die Nebel der langen Zeit und der kindlichen Unaufmerksamkeit verschwommen.

 

Ich denke nicht an Ashbury. Nicht an Geld. Ich möchte einen Blick auf den Mann erhaschen, der mich nach meiner Flucht nach London aufgefangen hat. Mir ein Heim gegeben hat, zu mir stand als mich alle anderen verlassen hatten. Mir Julius zur Seite gestellt hat. Ich bete darum, etwas aus dem Brief über den Menschen zu erfahren. Die Schatulle mustere ich kurz, doch der Umschlag hält mich in seinem Bann.

 

"Jul..." ich räuspere mich um meine trockene Stimme wieder zu beleben. "Julius, reichen Sie mir bitte den Brieföffner?" Kaum habe ich die Worte gesprochen, steht Julius neben mir, reicht mir den schweren Gegenstand, ein altes Familienstuck wie ich vermute, dass hier vergessen wurde. Ich fand ihn in der ersten Woche auf Ashbury. Die Form eines Schwertes, in dessen Knauf ein kleiner Rubin eingesetzt ist. Silberne Symbole ziehen sich über das Heft und die Klinge. 

 

Ich streiche mit dem Finger kurz über die Schrift.

 

Für meinen Erben Matthew William Richmoore

 

Langsam führe ich die scharfe Schneide an den Umschlag und öffne den Brief vorsichtig, fast ehrfurchtsvoll. Dann entnehme ich die Dokumente, atme die Anspannung hörbar aus und beginne damit die Schriftstücke zu lesen.

  • Like 2
Link to comment
Share on other sites

Die Dokumente aus dem Briefumschlag verströmen einen würzigen Duft nach Tabak als du sie aus dem Umschlag ziehst. Die Schrift darauf ist dünn, aber schwungvoll wie alles was dein Onkel geschrieben hat. Er schien nicht viel davon zu halten zu viel Tinte zu verschwenden, auch wenn man viel schreibt. Die Schrift ist noch nicht ganz so ausgereift wie in späteren Jahren, vielleicht ein wenig holprig kommt es dir beim lesen vor, dieses Testament muss schon vor langer Zeit geschrieben worden sein. Ein schnelles Blättern auf die letzte Seite zeigt aber das es erst 1885 von der Kanzlei Foyle notariell Beurkundet wurde. Spät, aber gültig, was du da in Händen hältst ist rechtens vor dem Gesetz der Krone. 

 

Matthew mein verehrter und treuer Neffe,

 

wenn dich dieser Brief erreicht weile ich nicht mehr auf dieser Erde...

 

Du liest Seite für Seite des Testaments, es ist sachlich abgefasst, keine Erklärungen warum er dich unterstützt, dir geholfen hat als alle anderen dich schon fallen ließen. Was schnell klar wird, du bist der Alleinerbe aller seiner Hinterlassenschaften. Seine Schwester geht leer aus.

 

...mein Anwesen Little Ashbury Castle habe ich bereits zu Lebzeiten verkauft. Der Kaufvertrag wird mit dem Tag meines Todes gültig und das Anwesen samt seiner Ländereien fallen in den Besitz von Dr. Timothy Peters...

 

Du traust deinen Augen kaum bei diesen Zeilen, verkauft, schon zu Lebzeiten, dein altes Heim, dein selbstgewähltes Asyl der Einsamkeit soll nicht länger dein Zuhause sein?

 

Deine Hände Zittern etwas während du weiterliest.

 

...meine gesamte Barschaft, inklusive des Verkaufserlöses für Little Ashbury Castle in Höhe von 45.000 Pfund Sterling vermache ich meinem Neffen Matthew William Richmoore. Des weiteren erhält er meine Gesellschafteranteile und damit die Besitzrechte in Mehrheit an der La Valenciana Silbermine in Guanajuato, Mexiko...

 

Ab hier folgten ein Paar Jahreseinträge die den Ertrag der Mine über die letzten Jahre auflisten. Auch wenn sie fast erschöpft zu sein scheint wirft sie, nach Abzug aller Unkosten und Transporte, Zölle und Ausfälle einen Reingewinn in Höhe von 1000 Pfund Sterling jährlich ab.

 

...zu guter letzte Vermache ich Matthew William Richmoore als Ausgleich zu dem Verkauf von Asbury Castle meine Londoner Stadtvilla Rivington House in der Castlewick Street No. 9...

 

Ein wenig Erleichterung macht sich in dir Breit, auch wenn der Gedanke wieder zurück nach London zu ziehen und die selbstgewählte Verbannung aufzugeben dich ein wenig ängstigt. Dann folgt die letzte Seite der Dokumente, unheilschwanger steht das Wort "Auflagen" über dem Text.

 

...das Erbe kann nur angetreten werden wenn sich der Erbe zu folgenden Punkten verpflichtet:

 

- Die Villa darf nicht veräußert, vermietet oder zur Pacht überlassen werden. Der Eigentümer muss sie an einen geeigneten Erben weitergeben, oder falls ein solcher nicht zur Verfügung steht, dafür sorgen das sich eine Stiftung um den Erhalt des Hauses kümmert

 

- Es dürfen keine baulichen Veränderungen an der Villa oder dem Grundstück vorgenommen werden, keine Modernisierungen, keine An- oder Ausbauten

 

- Die Haushälterin und ihre Nichte haben Lebenslanges Wohnrecht in der Villa

 

- Der Kater Noire ist Bestandteil des Erbes und darf bis zu seinem Tode ebenfalls in der Villa wohnen

 

Sollte das Erbe ausgeschlagen werden ist von der Kanzlei Foyle eine Stiftung zu gründen die sich über mein gesamtes Vermögen erstreckt und deren einziger Inhalt darin besteht die oben genannten Auflagen wortgetreu zu erfüllen. Zur Deckung der Ausgaben der Stiftung sind die Zinseinnahmen aus dem Vermögen und die Gewinne aus der Silbermine einzusetzen. Der Verkauf von Little Ashbury Castle bleibt hiervon unberührt und wird wie vertraglich vereinbart vollzogen, unabhängig davon ob das Erbe angetreten wird oder nicht.

 

Ziemlich strikte Auflagen was die die Villa angeht, da scheint dein Onkel ziemlich eigen zu sein, geht es dir durch den Kopf. Hoffentlich ist sie in einem besseren Zustand als das ein wenig vernachlässigte Little Ashbury Castle. Aber sollte man so ein Erbe annehmen, ist das Geld Entschädigung Genug für die Auflagen?

 

Zwischen den Blättern befand sich noch eine kleine Zusammengefaltete Notiz, welche du als letztes aufmachst. Die Handschrift hier ist zittrig und neueren Ursprungs. Vielleicht ist sie erst am Tag der notariellen Beurkundung hinzugefügt worden?

 

Matthew bitte lass größte Sorgfalt im Umgang mit dem Schlüssel walten und pass gut auf ihn auf. Er ist aus dem Stoff aus dem die Alpträume sind.

Edited by -TIE-
  • Like 2
Link to comment
Share on other sites

 Share

×
×
  • Create New...