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[Nightmare Files] Kapitel 7 - Immer a lll ein


Der Läuterer
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Ich versuche mich erneut zu erinnern.

 

"Matilde war nicht sehr viel kleiner als ich." Dieser Körper erscheint mir zu klein, um die Contessa zu sein.

 

Ich weiß nicht wovor ich mich mehr fürchte, vor dem, was ich da möglicherweise im Arm halte, oder vor den Konsequenzen einer falschen Entscheidung.

 

"Wenn ich schon nicht auf meinen Verstand zählen kann, versuche ich, meinen Empfindungen zu folgen und auf mein Glück zu vertrauen."

 

Ich versuche zu ergründen, welche Gefühle die körperliche Nähe in mir auslöst.

 

Ich empfinde nicht die wohlige Wärme des Körpers einer Frau. Die kalte Haut wirkt trotz der Geste eher abweisend, distanziert ... tot. Ich schaudere.

 

Aber die kalte Haut macht mir auch bewusst, dass mein Körper wärmer ist ... lebendiger?

 

Ich höre in mich hinein. Warte auf die Stimmen in meinem Innern.

 

Meine ständige Gefährtin schweigt unverändert, bleibt ungewohnt ruhig, nur ein sanftes Plätschern einer spiegelglatten See.

 

Und auch die andere Stimme, nach der ich mich mehr als jemals zuvor sehne, seit ich sie zum ersten mal vernommen habe, bleibt still.

 

"Bitte, helft mir!", klammere ich mich hilflos an einen Strohhalm.

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Der Kopf der Contessa liegt auf Deiner rechten Schulter. "Was geschieht hier?" Ihre Stimme klingt jung. Die Stimme ist höher als gewohnt. Höher als Du es in Erinnerung hast. Wie die eines Kindes. "Ich habe einen Zauber gewirkt." Sie drückt sich an Dich. "Ich hoffe, dass ich Erfolg hatte." Edited by Der Läuterer
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"Was für einen Zauber?", frage ich mit unverändert ruhiger Stimme.

 

Meine innere Unruhe wächst. "Würde Matilde so mit mir über das Wirken von Zaubern sprechen? Ich glaube nicht, dass ich mir einen Erfolg des Zaubers wünsche... Dies alles ist auf eine irritierende Weise wirklich und doch FALSCH."

 

"Wer ist dieses Wesen in Gestalt eines schwarzhaarigen Mädchens?" Ich spüre die feinen schwarzen Haare auf meiner Haut. Dünne schwarze Stränge, wie aus Finsternis gesponnen. Ich blicke auf die Haare herab, wie sie sich glatt und glänzend an mich schmiegen, mich umspielen und leicht meine Haut kitzeln ... und mit ihren tastenden Bewegungen ein Eigenleben zu führen scheinen ...

 

... und plötzlich flackert ein Bild in mir auf ... eine Vorahnung? ... oder nur die Reflexion einer Angst aus den unergründlichen Tiefen meiner vernarbten Psyche? ... das Bild erscheint so unerwartet, dass ich erschrocken zusammenzucke und mein Atem stockt ...

 

Ich reiße mich und meine Jacke von dem Wesen in meinem Arm los und mache einen schreckhaften Satz zur Seite. Mit weit aufgerissenen Augen starre ich das Wesen vor mir an.

 

(Bild: http://view.stern.de/de/picture/1813723/wald-maedchen-kleid-angst-horror-messer-gewalt-940.jpg

http: //view.Stern. de/de/Picture/1813723/wald-maedchen-kleid-angst-horror-messer-gewalt-940.jpg)

Edited by Joran
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"Den Zettel mit der Formel hatte Amanda bei sich." Die Contessa deutet auf das Blatt, das vor ihr auf dem Boden liegt.

 

Das blond-gelockte Kind hockt vor Dir in der Kammer. "Amanda hat es von den Ärzten gestohlen, nachdem sie sie belauscht hatte."

 

http://40.media.tumblr.com/5e9e73d66b1781926bbc02a39f1f80a5/tumblr_nmoezqnRH91tcqhjho1_500.jpg

 

Amanda hebt das Blatt vom Boden hoch. "Sie hat gesagt, es würde das Haus vom Bösen befreien."

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"Es kann nicht sein! Das Blatt ist in meiner Jacke!"

 

Alles dreht sich in mir:

 

http://40.media.tumblr.com/5e9e73d66b1781926bbc02a39f1f80a5/tumblr_nmoezqnRH91tcqhjho1_500.jpg

 

http://img.welt.de/img/psychologie/crop127929502/6246939182-ci3x2l-w900/Disfigured-2-.jpg

 

http://view.stern.de/de/picture/1813723/wald-maedchen-kleid-angst-horror-messer-gewalt-940.jpg

 

Die Bilder tanzen einen wilden Reigen. Mein Herz schlägt schwer und hart. Ich spüre die Schlagader in meinem Hals schmerzhaft pulsieren. "Ist dies das ENDE?", frage ich mich.

 

"Dieser Zauber hat nicht funktioniert ... oder er hat NICHTS GUTES bewirkt!", speie ich der Amanda-Contessa-Gestalt mit den vielen Gesichtern vor mir entgegen.

 

Noch immer spüre ich die Kälte ihrer Haut an meinen Händen. Kälte wie im Reich der Schneekönigin.

 

http://m.rgbimg.com/cache1ocMRD/users/x/xy/xymonau/600/mqqg8ru.jpg

 

Und ich spüre kalten Schweiß, ich spüre die aufsteigende Übelkeit. Ich weiß, dass ich jetzt handeln muss, wenn ich noch etwas bewirken will.

 

Der Brieföffner gleitet wie von selbst aus dem Ärmel in meine Hand. Ich ergebe mich dem Wechsel der Trugbilder. Und kein Anderson ist hier, um mir in den Arm zu fallen.

 

"WAS SOLL ICH TUN?", brülle ich lautlos in mein Inneres, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten.

 

Panisch blicke ich auf ihre Füße, suche nach den Spuren der Verbrennung im altägyptischen Zimmer, suche nach der Schussverletzung, möchte dieses Laken hinfort reißen und nach dem Schlachtfeld suchen, das der Körper der Contessa sein soll. Ich brauche einen BEWEIS, ein ZEICHEN zumindest.

Edited by Joran
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Ungläubig reibst Du Deine Augen und fürchtest doch, was passieren könnte, wenn Du Deine Augen schliesst oder Deinen Blick abwendest und ihr den Rücken zudrehst. Das weibliche Geschöpf vor Dir ist nicht länger unbekleidet. Kein simples Bettlaken schützt ihren zarten Körper vor Kälte und Blicken. Sie trägt ein Kleid. Ein Kleid, wie es Abertausende zehn-jährige Mädchen in Europa tragen. "Wo ist Paul?"
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"Hast Du mir nicht zugehört? Ich habe ihn nicht gefunden! ... Irgendwo hier im Haus ... oder hinaus in die Nacht geschleift ... wenn Du es nicht weißt, Amanda, wer dann?"

 

Ich weiche langsam zurück und halte den Brieföffner schützend vor mich.

 

"Es kann nicht Matilde sein. Sie würde mich fragen, was ich mit dem Brieföffner will ... wovor ich Angst habe."

 

Ich wiederhole die Worte der Contessa an Lloyd:

 

"WAS BIST DU?"

 

Aber ich glaube es bereits zu wissen: Dieses schwarze, tastende Haar ...

 

"Warum tust Du uns das an? ... Warum tust Du es all diesen Menschen hier an? ... Du willst MICH und du willst IHN? Warum quälst Du all diese unwissenden Menschen?"

Edited by Joran
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Die kleine Amanda blickt sich um. "Mit wem redest Du?"

 

Dann schaut sie Dich wieder an. "Und wovor hast Du Angst? Ich tue Dir nichts."

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"Der Fluch ist nicht gebrochen. ... Was auch immer Du gemacht hast und wer auch immer Du bist, Kind, der Fluch ist NICHT gebrochen. Für mich ist alles unverändert. Für mich ist es NICHT vorbei.

 

Wenn der Fluch gebrochen wäre, wo ist dann Mr. Anderson? Und wo sind all die anderen?

 

NEIN! Das hier ist nur ein weiteres Deiner sadistischen Spielchen! Wenn ein Zauber gewirkt wurde, dann kann er nur weiteres Übel gebracht haben.

 

Du bist NICHT die Contessa: Du siehst nicht aus wie Matilde! Du sprichst nicht wie Matilde! Und Du fühlst Dich nicht an wie Matilde! Matilde ist sanft und empfindsam, Du bist kalt wie der Tod!

 

 

Und Du verhältst Dich auch nicht wie ein Kind, hast es nie getan, seit ich Dich zum ersten mal getroffen habe. Ich habe Kinder gesehen, die Todesangst empfanden, immer und immer wieder. Nein, Du hattest keinen Moment Angst! Du hast diese Situation genossen. Hast es genossen, mit uns zu spielen und Deine Spottlieder zu singen. Du hast die Krankenakten gestohlen und zerrissen, hast den Aktendeckel mit Zeitungen auf den Stuhl gelegt, damit Matilde sich Hoffnungen macht, nur um sie dann mit den Fetzen der tatsächlichen Akte zu quälen. Du hast das Grammophon angestellt, um uns anzulocken und an der Nase herumzuführen. Nein, Du hattest keinen Moment Angst!

 

Wenn Du die Ärzte belauscht hättest, wenn Du das Blatt mit der Formel den Ärzten entwendet hättest, weil darin die Lösung für all dies liegen würde, warum wolltest Du uns dann in den Keller locken? Warum hast Du uns nicht sofort um Hilfe gebeten? Du kanntest die Contessa doch! Und Du hättest gewusst, welche Gefahren drohen.

 

Und wie sollte das alles zu Deinem Bruder passen? Du hast Deine Mutter im Stich gelassen! Du hast Deine Geschwister im Stich gelassen! Du hast lieber Deine Spielchen gespielt!

 

Und warum sollte der Fluch gerade Dich verschont haben?

 

Nein, diese ganze Geschichte stinkt zum Himmel!

 

ICH GLAUBE DIR NICHT!

 

Du bist böse, du bist die Dunkelheit! DU TRÄGST DAS HERZ DER FINSTERNIS IN DIR! Ich erkenne Dich, auch wenn Du meine Augen blendest!"

 

Während ich rede, weiche ich langsam weiter zurück. Nachdem ein ausreichender Abstand zwischen mir und dem Wesen ist, greife ich kurz in die Jackentasche und fühle nach dem Blatt, das ich eben eingesteckt habe, um mich zu vergewissern. Dabei lasse ich das Wesen nicht aus den Augen und halte den Brieföffner bereit.

 

"Wenn Du mir jetzt nicht beistehst, wird alles umsonst gewesen sein. Dann wird das Herz der Finsternis Deine Seele doch noch verschlingen!", flehe ich verzweifelt und denke an den leblosen, geschundenen Körper, den ich vor so vielen Jahren unter dem Kreuz bestattet habe.

Edited by Joran
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"Mein Name ist Contessa Matilde Livia Beatrice Caterina Visconti di Modrone." sagt Amanda mit energisch fester Stimme.
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Die Tasche ist leer. Frustriert registriere ich diesen weiteren Fehlschlag meiner Bemühungen.

 

"Das ist jetzt nicht mehr zu ändern! ... Ich muss eine Entscheidung treffen. Meine Verfassung legt nahe, dass ich nicht mehr lange die Kontrolle bewahre. Entweder ich ergebe mich in mein Schicksal ... und werde vermutlich enden wie die Schwester in der Empfangshalle ... oder ich versuche dieses Wesen zu töten und bringe möglicherweise ein unschuldiges Kind oder die Contessa um, ohne es zu wollen ..."

 

Unentschlossen versuche ich Zeit zu gewinnen ... ein knappes Gut, das mir nutzlos zwischen den Fingern zerrinnt ...

 

"Aber ich sehe Dich nicht, Matilde! Ich sehe ein Kind, Amanda, ... oder eine Ausgeburt der grüne Hölle!

 

Und ich fühle Dich nicht!

 

Und ich höre nicht Deine Stimme, sondern die eines Kindes!

 

Die Namen mögen stimmen ... Du hast Dich mir jedenfalls als Matilde Stürmer, geborene Visconti, vorgestellt, nicht mehr ... aber, was bedeutet das schon? Amanda hat die Akte gestohlen und kennt nun nicht nur Deine persönlichen Daten, sondern alle möglichen intimen Einzelheiten Deines Lebens ... Deine Ängste und Träume ... einfach alles, was Du jemals einem Arzt erzählt hast.

 

Der Zauber kann diesen Ort nicht gereinigt haben, jedenfalls hat er MICH nicht von dem Fluch befreit, gleichgültig wer oder was Du bist! Es kommt nicht darauf an...

 

Entweder Du bist Matilde, dann haben die Schrecken für mich kein Ende, denn ich sehe Dich nicht und ich werde weiter in Furcht leben, immer unsicher, ob ich meinen Wahrnehmungen noch vertrauen kann. Es werden weiter unerklärliche Dinge um mich herum geschehen ... Menschen und Sachen erscheinen oder verschwinden oder verändern sich. Ich werde nie wissen, ob ich mich in der realen Welt oder einem Alptraum bewege. Bald werde ich auch nicht mehr wissen, was in meiner Vergangenheit tatsächlich geschah und welche Erinnerungen nur das Ergebnis von Traumbildern sind. Und dann werde ich mich selbst verlieren.

 

Und falls ich die richtigen Schlüsse aus dem ziehe, was ich sehe und höre, wenn Du also nicht Matilde bist, dann stehe ich einer finsteren Macht gegenüber, die ich allein nicht bezwingen kann. Vor der ich schon mein halbes Leben auf der Flucht bin. Dann hat der Fluch mich auch in seinem Griff.

 

Für mich gibt es hier keinen Ausweg!"

 

Erst als ich es ausspreche, gestehe ich mir die Ausweglosigkeit meiner Lage wirklich ein: "Ich habe verloren. Ich kann nicht töten, ohne sicher zu sein... Ich könnte nicht mit der Schuld leben. Und ich weigere mich, Objekt eines aussichtslosen sadistischen Spiels zu sein, wie eine Maus die von der Katze langsam zu Tode gequält wird, obwohl das Ende unweigerlich feststeht. Nach all diesen Jahren ist meine Flucht nun vorüber. Mein Weg ist gegangen. Er war lang und steinig. Ich habe alle Kräfte aufgeboten, die mir zur Verfügung standen. Und ich habe von allen, die mich auf diesem Weg begleitet haben, am längsten durchgehalten. Ich habe manche Etappensiege errungen. Jetzt macht es keinen Sinn mehr, weiter aufzubegehren. ... Sie werden auf mich warten, Ruairí und SIE und all die anderen. Gleichgültig ob es einen Himmel gibt. Nach den Begegnungen mit IHR und mit Ruairí bin ich mehr denn je überzeugt, dass der Tod nicht das Ende ist."

 

Traurigkeit überschwemmt mich wohlig, ein vertrautes Gefühl. Ich reiße alle Dämme ein und ergebe mich ihr, so bin ich auch jetzt nicht allein. Es ist nicht schwer, loszulassen. Ich spüre die Wand in meinem Rücken und sinke daran herab. Ich schließe die Augen und denke an den Geruch der Zedern in Maine. Ich versuche mich an das Gefühl der wärmenden Sonnenstrahlen und das Zirpen der Grillen zu erinnern. Ich meine, die ferne Stimme meiner Großmutter zu hören, die mich zum Essen ruft. "Ich komme! Ich bin gleich bei Euch ... und bis wir uns wiedersehen, halte Gott mich fest in seiner Hand! Er halte mich fest in seiner Hand!"

Edited by Joran
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