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[At your Door] Kapitel IX -Nebenplot-: Hitzeflimmern


-TIE-
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Wie eine Dunstglocke liegt der Smok über der Stadt der Engel, die Sonne sticht. Ihre grellen Strahlen heizten die Stadt auf, zwischen den Straßenschluchten von Downtown scheint die Luft selbst in Flammen zu stehen. Neben den Gerüchen der Abgase liegt ein beißender Gestank nach Unrat und Müll in der Luft. Berge von Müllsäcken stapeln sich an den Straßenecken. Die Müllabfuhr ist im Streik und tausende Tonnen von Abfällen bleiben in der sterbenden Stadt zurück.

 

Ihr Kadaver wird von der Sonne aufgebläht und wie Maden in ihren Eingeweiden wuseln die Menschen in ihr herum. Sie schmiegen sich an den Kadaver als hätten sie noch eine Chance, als würde die Stadt sie noch länger nähren.

 

Mit den Müllbergen sind die niederen Tiere in die Stadt gekommen, Insekten, Ratten und Aasfresser, die Zeitungen berichten von Kojotenrudeln die aus der Wüste in die Stadt gezogen sind weil das Nahrungsangebot so reichhaltig ist. Immer wieder wird von Übergriffen auf Kinder berichtet die den Rudeln zu nahe gekommen sind. Der Großraum Los Angeles stirbt einen langsamen Hitzetot, wenn nicht bald kühleres Wetter kommt steht der Infarkt kurz bevor.

 

-

 

Mr. Jatik steht an der Panoramascheibe, weit oben, über all dem Chaos unter ihm. Nachdenklich. Er wirkt verändert, selbst seine Mitarbeiter können nicht sagen was es ist. Er war vorher schon so voller Energie, aber jetzt strahlt er förmlich als stünde er wie die Stadt in Flammen. Wenn es überhaupt möglich ist leuchtet sein silbriges Haar noch stärker als früher wenn die Sonne darauf fällt. Kein Heiligenschein mehr, ein Krone aus Feuer. Sein Ausflug nach Europa hat ihm sichtlich gut getan.

 

"Mr. Jatik..." hinter ihm ertönt die zaghafte Stimme der Empfangsdame. Heute trägt sie einen Rock aus Wildleder und eine passende rote Bluse dazu, ihre dunklen Haare sind zu Zöpfen geflochten und ihr Füße stecken in weichen Mokassins. Der Silberschmuck an ihrem Handgelenk hebt sich angenehm von ihrer gebräunten Haut ab. "...sie sind jetzt da!"

 

Mr. Jatik dreht sich um, gerade in dem Augenblick als die Tür aufgeht. Gerade hatte er noch an sein Team gedacht, sie sind verschwunden, das hat ihm Kopfzerbrechen bereitet, kein Hinweis wo sie sein könnten, im Hotel waren sie seit Tagen nicht, keine Nachricht, keine Berichte und auch ihr Auto ist nirgendswo aufgetaucht. Eine Überprüfung der Flughäfen hat nichts ergeben, genauso wenig die Bahn oder die Busse. Sie scheinen die Stadt nicht verlassen zu haben, aber sie sind wie vom Erdboden verschluckt, wie dieser Simon Tate. Mr. Jatik zwingt sich zu einem perlweißen Lächeln.

 

Aus dem Aufzug treten Ms. Novescu und ein ekelerregend fetter Typ mit kahlem, runden Schädel, irgendeine Größe aus der Filmbranche, Mr. Jatik wundert sich das neben diesem Typen überhaupt noch Platz für seine Geschäftsführerin in dem Fahrstuhl war.

 

Claris Novescu trägt ein hübsches Kostüm das viel Bein frei lässt, aber ganz gegen seinen Ruf hat der Dicke nur Augen für Robert Jatik. Sie fixieren ihn, kalt wie die Augen eines Fisches, abschätzend, fast wirken sie wie Glaskugeln in einer Maske, so bar jeden Lebens. Auf eine merkwürdige Art und Weise schien der Fette viel mehr Platz in dem Raum einzunehmen als er nach seiner, wenn auch immensen, Körperfülle hätte einnehmen dürfen.

 

"Mr. Jatik..." sagt Claris "...Mr. Reinhard, ihr Termin. Ich lasse sie zwei dann mal allein!" Abschätzend, lächelnd, in den Händen einen Aktendeckel blickt sie den beiden hinterher wie sie in Robert Jatiks Büro verschwinden. Dann drehte sie sich um, den Kopf stolz erhoben, sichtlich zufrieden mit sich und der Welt, und ging in Richtung ihres eigenen Büros. Die anderen Angestellten gingen ihr aus dem Weg.

 

-

 

Am anderen Ende der Stadt sitzt Stacy auf der Veranda des Strandhauses sie ist die ganze Nacht auf den Beinen gewesen und hat die Stadt abgesucht. Sie hat in der Vermisstenabteilung des LAPD´s gesessen und wird morgen wieder dort sitzen denn ihre beste Freundin und Mitbewohnerin ist verschwunden, spurlos als hätte sie nie existiert. Kein Lebenszeichen, kein Anruf, keine SMS oder sonst ein Lebenszeichen und das wo sie doch gerade einen so wichtigen Durchbruch erreicht hatte. Man hatte ihr geglaubt. Wie hatte sich Stacy für Sarah gefreut, dann diese komische Anruf von Sarah sie soll aus der Stadt verschwinden, ein paar Tage oder auch eine Woche, aber irgendwann hat sie es bei ihren Eltern nicht mehr ausgehalten, sie war zurück, Sarah war weg.

 

Wenn sie nicht bei der Polizei saß und versucht irgendjemand für den Fall zu interessieren druckte sie Vermisstenplakate aus und heftete sie an Ampel- und Laternenpfähle, hing sie überall dort aus wo Menschen sie sehen konnten in der Hoffnung das irgendjemand sie gesehen hat. Anfänglich war sie noch voller Hoffnung, das sich alles aufklären würde, jetzt jedoch kamen immer nur mehr Anrufe von Leuten die Sarah irgendwo gesehen haben wollten und fragten wie viel Geld es für einen Hinweis geben würde.

 

Stacy war so unendlich wütend auf diese Schmarotzer. Die ganze Stadt schien verrückt geworden zu sein, die Hitze, die Müllabfuhr, die Wasserprobleme, wenn sie es nicht besser wüsste könnte man meinen das LA auf eine Katastrophe zusteuerte und Sarah da irgendwie mit drin hing. Vor ihr am Strand spielten ein paar Kinder und kühlten sich in den Wellen des Pazifiks. Stacy drückte ihre Zigarette aus und ging zurück in´s Haus, hier draußen war es einfach zu heiß und drinnen konnte sie lieber noch ein paar Plakate ausdrucken um sie später, wenn es kühler wurde zu verteilen, diesmal vielleicht in Santa Monica. Stacy wusste nur eins, so schnell würde sie nicht aufgeben! Sie schaute kurz auf als ihr Handy summte, eine WhatsApp Nachricht, Absender unbekannt das Bild zeigte lediglich ein weißes Kaninchen. "Nur Spinner unterwegs..." murmelte Stacy leise und ordnete die Ausdrucke. Um das Handy würde sie sich später kümmern.

 

-

 

In ihrem Büro hatte Arlin zwei Ventilatoren aufgebaut die ihr ständig einen Strom lauwarmer Luft zufächelten, ihre Füße mit den rot lackierten Fußnägeln tauchte sie in regelmäßigen Abständen in eine flache Schüssel mit Wasser, das jetzt allerdings schon genauso warm war wie die stickige Luft. An einer Wand stapelten sich leere Wasserbehälter. Seitdem der Trinkwasserspiegel so weit gesunken war das nur noch die tiefsten Brunnen der Stadt Frischwasser führten war es wichtig sich mit Wasser einzudecken, da manchmal für Stunden nur noch eine braune, stinkende Brühe aus den Wasserhähnen kam. Unglaublich aber wahr, das gleiche galt für das Stromnetz. Die auf Hochtouren arbeitenden Klimaanlagen reizten das System bis über seine Grenzen aus und dann fiel der Strom ganz aus. Wenn das geschah wurde es schrecklich heiß in den Gebäuden. Auch jetzt schon bildete sich ein dünner Schweißfilm auf Arlins Haut und ihre dünnen Arme klebten an der Schreibtischunterlage fest. Immer wieder starrte sie das Telefon an als wenn das dazu führen würde das sich irgendjemand melden würde. Ihr war egal ob es Jimmy, Vivian oder auch Michael war, Hauptsache es kam überhaupt ein Lebenszeichen rein. Seufzend schüttelte sie den Kopf und stand auf. Auf dem Gang saßen zwei Ermittler vom FBI die genau das fragen würden. "Wo sind Jimmy, Vivian und Michael..." nun gut vielleicht nicht genauso dachte Arlin, sicherlich förmlicher, mit mehr Nachdruck und ihre Antwort würde den zweien, einem farbigen und einem Iren der es selbst jetzt noch schaffte blass auszusehen, nicht gefallen. Sie macht die Tür auf und bat die zwei in ihr Büro "Kommen sie bitte..."

 

-

 

Die Beerdigung war ein Qual. Der Friedhof war wie eine Ausuferung der Hölle selbst, jedenfalls wenn man daran glaubte das die Hölle heiß war. Dr. Morton Leem stand am Rande der Trauergemeinschaft, er war nur als offizieller Vertreter und langjähriger Arbeitgeber von Miss Sylvia Fabila seiner Empfangsdame hier. Die Hitze flimmerte über den Gräbern und Miss Fabila´s Familie war zahlreich vertreten, ein kleiner, für die Gäste aufgebauter Pavillon spendete etwas Schatten, und trotzdem war es fast unerträglich heiß, was niemanden davon abhielt schwarz zu tragen. Kleine Wasserflaschen waren das Accessoire der Stunde und gehörten wie die Armbanduhr oder die Damenhandtasche zum ständigen Begleiter der Menschen in diesen Tagen. Dr. Leem machte da keine Ausnahme. Er hatte Kopfschmerzen, schon seit Tagen und die Hitze machte ihm sehr zu schaffen, er trank viel und dachte noch viel mehr nach über das was passiert war und wie es nur dazu kommen musste das er zu dieser Beerdigung gehen musste. Noch dazu hatten die Behörden Miss Fabila´s Leichnam erst nicht freigeben wollten, das alles hatte mit den Ereignissen in dem stillgelegten Labor für Tierversuche zu tun, dem schwarzen Tag für Zymvotec und jetzt war auch noch seine Fähigste Mitarbeiterin verschwunden, diejenige die vielleicht so etwas wie Licht in die Angelegenheit hätte bringen können Sarah Collins hatte die Erde verschluckt und war nicht gewillt sie wieder freizugeben. Keiner konnte ihm weiterhelfen, keiner hatte sie gesehen, nicht mal ihre Mitbewohnerin.

 

Vor seinen Augen wurde der Sarg von Miss Sylvia Fabila in die trockene Erde gelassen. Sie war am 17.06.2015 verstorben, an einer Überdosis Fentanyl. Eine Ära am Empfang von Zymvotek ging zu Ende und Dr. Leem vermisste sie jeden Tag mehr, so wie er auch Sarah vermisste. Er hatte sich nichts mehr gewünscht als das sein Leben auf seine alten Tage ruhiger werden würde, aber es sah nicht danach aus als würde das in nächster Zeit passieren.

 

-

 

Der Tag ging zu Ende und ein riesiger goldener Glutball hing über den dunklen Wogen des Pazifiks, die Luft flimmerte und verzerrte die Größe der Sonne in´s unermessliche. Es sah fast so aus als wäre sie viel näher an der Erde als sie hätte sein dürfen. Der Smok, der Staub die Luftverschmutzung färbten den Himmel in ein tiefes Rot.

 

Ashlyn bekam davon nichts mit, die Luft in dem Zimmer war abgestanden, sie roch nach Zigarettenqualm, Kaffe und Staub. Es war dunkel das einzige Licht kam von den Bildschirmen die vor ihren Augen flimmerten. Im fahlen Licht der Monitore ließ sich erahnen das der Raum viel größer war als es auf den ersten Blick aussah. Kabel und Leitungen reflektierten schwach das Licht, rote Lichtaugen blinkten an summenden Serverbänken. Immerhin war es hier drin fast schon kalt wenn man daran dachte das draußen fast vierzig Grad waren, und das obwohl die Sonne schon unterging. Sie blickte ihrem Bruder über die Schulter, ihre Arme auf den Griffen seines Rollstuhls abgestützt an den er seit seiner Kindheit gefesselt war.

 

"Hast du was...?" fragt sie ihn leise ihre Hand spielte mit dem Becher Kaffee den sie in der Hand hielt. "Definiere WAS!" war die einsilbige Antwort und sie verdrehte die Augen. "Komm schon hör auf mit den Spielchen, du weißt genau was ich meine!" Ein heiseres lachen kam von der schmalen Gestallt in dem Rollstuhl, die Augen blickten wie gebannt auf die Zahlenkolonen auf den Monitoren, mit klackern flogen die Finger über die Tastatur. "Nein nichts, nichts wie in überhaupt nichts, oder auch gar nichts, absolute Informationswüste da draußen, nur Nullen keine Einsen. Keine Kontobewegungen, keine Buchungen, keine Aktivitäten auf den E-Mailkonten, selbst das Mobilfunknetz ist tot was sie angeht, ich denke..."

 

"Sag nichts!" unterbrach ihn Ashly "Such einfach weiter ich versuch´s noch mal bei dieser Stacy!" Sie hielt ein abgerissenes Plakat hoch auf dem ein Bild von Sarah Collins zu sehen war, mit der Bitte um Mithilfe bei der Suche und dem Hinweis Infos unter einer dort abgedruckten Handynummer zu hinterlassen.

 

"Ich mein ja nur..." sagte die Person im Rollstuhl "...wenn ich nicht einen kompletten Fehler gemacht habe, was mir nie passiert wie du weißt, befand sich ihr Auto erst dort in den Bergen..." mit fliegenden Fingern erscheint ein Fenster auf dem Monitor und eine GPS Koordinate blinkte auf "...da ist aber nichts außer einem Briefkasten RFD Box 149, die Adresse von dieser Jennifer Armbuster und dann ein paar Stunden später kam das letzte Signal von dort..." der Kartenausschnitt veränderte sich und zeigte den Pazifik vier Meilen außerhalb der Küste "...völlig unmöglich, vielleicht Stimmen die Daten der Autovermietung nicht, aber das Büro hat den Wagen dort gemietet und auch bezahlt, hier..." ein weiteres Fenster legt sich über die Karte und in ein paar Zahlenreihen sind Kontobewegungen zu erkennen "...aber seit dem nichts mehr. Die Versicherung zahlt, das ist schon alles."

 

"Vielleicht sollte ich mich da mal umsehen?" Murmelte Ashlyn während sie eine weitere Nachricht an Stacy tippte. Auf die erste war keine Reaktion erfolgt. Diesmal war der Betreff eindeutig.

 

Ich weiß wo Sarah Collins zuletzt gesehen wurde.

 

Auch wenn es nur die verdammten Koordinaten, irgendwo vor der Küste von Kalifornien waren, war es nicht gelogen, jedenfalls nicht ganz. Ashlyn setzt sich in einen Bürostuhl und vor ihr erwachten ein paar weitere Monitore zum Leben.

 

"So Miss Armbuster, wenn sie da draußen sowas wie Internet haben dann wollen wir doch mal sehen was es herauszufinden gibt..."

 

Das klackern von Fingern auf einer Tastatur in der Dunkelheit ertönten.

 

-

 

Müde und von dem Tag erschöpft stolperte er dem U-Bahntunneln entgegen. Das Schild, das er mit dünnen Bändern die in sein Fleisch schnitten, über seinen kantigen Schultern trug scheuerte auf der Haut. Aber er hatte die Botschaft hinauszutragen. Tag für Tag, wie die anderen vor ihm und andere nach ihm. Die Schrift "God has sent his son" auf der alten Pappe war über die Tage und Wochen fast verblasst. Bald würde er sie nachmalen müssen, sonst würde keiner mehr die Botschaft vernehmen das der Heiland seinen Sohn zurück auf die Erde geschickt hatte um die seinen zu erlösen. Der Knabe konnte sie sehen, die Gestalten und Dämonen die sich unter den Menschen bewegten, mit ihnen sprachen und handelten und doch nicht als das erkannt wurde was sie waren, Monster. Sie kamen in die Stadt als Totenwache für den Kadaver, was einst Los Angeles gewesen war. Mehr denn je strömten aus der Wüste und allen Himmelsrichtungen nach Los Angeles. Etwas großes stand bevor, etwas das alles verändern würde. Waren die Tage der Menschheit gezählt?

 

Wie ein Segen umfing ihn die kühle Dunkelheit des U-Bahntunnels und seine ungelenken und scharrenden Schritte hallten von den Wänden wieder als er die Treppe hinunter ging. Bald würd er wieder bei der Bruderschaft sein und bei ihm.

 

-

 

Draußen brach eine weitere Nacht an. Die Spannung die Los Angeles zu zerreißen drohte war zum greifen nahe, sie hing in der Luft, in den Gebäuden, im Boden, ja in den Menschen selbst. Ein unterbewusstes vibrieren, wenn die Frequenzen sich decken würden...

 

Bald. Sehr bald.

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Im Streifenwagen kochte die Luft und immer wieder liefen Schweißtropfen von der Stirn in die Augen von Officer Wilson. Er blickt zu seinem Partner mit den Tattoo´s der Marines auf den Unteramen, selbst dieser harte Kerl der in Afghanistan geschwitzt hatte sah ausgemergelt aus. Unter der Schussicheren Weste juckte die Haut, da das T-Shirt nie trocken wurde und beide stanken wie die Schweine. Alles Duschen half nichts, der Geruch nach Schweiß hatte sich in die Westen eingebrannt, genauso wie die weißen Salzränder wo der Schweiß in den Stoff einsickerte. Harte Zeiten.

 

Der Notruf kam aus Pico River, nette Wohngegend, Officer Edge gefiel das, eine sehr amerikanische Gegend. Großzügige Einfamilienhäuser, die Stars n´ Stripes im Vorgarten wehten schlaf im Wind, aufgeräumte Straßen, nur die vertrockneten Grünanlagen schmälerten das Bild. Aber er hasste es jetzt schon dort anzukommen. Ein 148, häusliche Gewalt, wie so oft in den letzten Tage. Die Hitze machte die Leute verrückt, lies sie im wahrsten Sinne des Wortes den Verstand verlieren und durch drehen. Ein Wort gab das andere und aus Diebstahl wurde Raub, aus Raub, schwere Körperverletzung wenn das Opfer nicht gleich so wollte wie der Täter, aus Körperverletzung wurde Mord. Die Spirale der Gewalt drehte sich immer schneller in der Stadt und es war kein Ende in Sicht. Wann hatten ihre Bewohner endlich genug davon sich gegenseitig das Leben schwer zu machen.

 

Die Sirene heulte einmal auf und das Blaulicht ging an. Vor ihnen auf der Auffahrt waren schon die Rettungssanitäter und warteten hinter ihrem Auto. Sie rauchten. Die Polizisten bewunderten die Helfer. Auf der anderen Seite auf der Veranda stand ein Mann im Morgenrock, nackt, Blutspritzer zierten seinen bleichen Bauch und das Gesicht, er schrie etwas unverständliches vom "Land der Raketenwürmer" und die beiden wussten der Tag würde nicht gut enden. Laut Auskunft lebten in dem Haus fünf Personen, der Mann, seine Frau und drei Kinder, von denen aber nichts zu sehen war. Die Hände des Mannes waren an den Knöcheln aufgeplatzt und ebenfalls blutig. Tränen liefen über sein Gesicht als der Polizeiwagen auf die Auffahrt fuhr.

 

Die beiden Sanitäter standen auf als die Polizei auf den Hof fuhr, es würde gleich Arbeit geben. Parker, D. der jüngere der beiden bot seinem Kollegen wie immer ein Kaugummi an, das dieser wie immer dankend ablehnte, aber jeder brauchte ein Ritual. Markowski, der ältere hatte gerade den Koffer aufgenommen als hinter dem Wagen der bellende Schuss einer Schrotflinte zu hören war. 1:0 für das LAPD scherzten die beiden. Sie konnten sehen wie die Polizisten zur Veranda stürmten, Officer Edge hatte die Schrotflinte noch im Anschlag, dazu bereit jeder Zeit eine weiteres Gummigeschoss auf den verwirrten Mann abzuschießen.

 

In diesen Tagen hieß die Devise keine Risiken eingehen

 

-

 

Richard Slakes fühlte sich jeden Tag unwohler auf der Arbeit. Etwas war merkwürdig bei Full Wilderness, er hatte es schon viel früher gespürt. Als diese zivilen Ermittler aufgetaucht waren hatte er schon den Verdacht das etwas nicht stimmen würde. Der Überfall dann hatte ihn endgültig davon überzeugt das die Westküste nichts für ihn war. Brooklyn war sein Revier, aber er haderte noch mit sich. Seine Kündigung lag ausgedruckt in seinem Schreibtisch, aber irgendwie brachte er es nicht über sich sie abzugeben. Full Wilderness sah es nicht gerne wenn seine Schäfchen zu anderen Herden wechselten und Miss Novescu konnte richtig ungehalten werden. Wie immer würde sie dann an die gute Sache appellieren, wenn das nicht zog kam das Argument mit dem Geld "Sie wissen schon das sie bei anderen Firmen nicht mal die Hälfte dessen verdienen was wir ihnen hier überweisen..." Es war ihm einfach unangenehm, er mochte es nicht so unter Druck gesetzt zu werden.

 

Mit starrem Blick ging er an den beiden Wachen vorbei die von Aegis Defences Services hier abgestellt waren. Seit dem Überfall waren sie überall bei Full Wilderness, kontrollierten wer das Gebäude betrat und wer ging. Es waren Europäer und redeten kaum, sie kontrollierten nur. Das Gebäude glich mehr denn je einer Festung, die Einsatzfahrzeuge vor dem Eingang verstärkten den Eindruck nur. Mein Gott das hier ist LA und nicht Bagdad oder Kabul.

 

Als der Aufzug kam schüttelte Mr. Slakes noch einmal den Kopf, nickte dem kahlgeschorenen Riesen in Schusssicherer Weste noch einmal gezwungen aufmunternd zu und fuhr nach oben zu seinem Arbeitsplatz, den er jeden Tag mehr hasste.

 

-

 

Unter einem Freeway, im Schatten stand der Wagen von Jason Escapa, er selbst sitzt lässig im Fahrersitz, ein Softdrink in der Hand, auf dem Schoß eine Styroporbox mit Mama Ortegas Burritos. Aus einem Flachmann gießt er etwas Burbon in die Cola, jeder tut was er kann um mit der Situation klar zu kommen. Der Wagen ist staubig und der Lack stumpf. Immer wieder muss Jason an Michael denken. Das letzte Treffen ist noch nicht lange her und von Lt. Jackson hatte er erfahren das die Truppe um Michael LA für eine Landpartie nach Norden verlassen hat. Lt. Jackson ist wieder hier und ist stinksauer, sein Fall, seine Beweise und seine Gutmütigkeit wurde anscheinend auf´s übelste ausgenutzt. Wir teilen unserer Informationen hatten sie gesagt und jetzt nichts mehr. Jason weiß das da irgendwas nicht stimmt, aber wo soll man anfangen und wo soll man aufhören. Selbst dort rausfahren, aber was zur Hölle war da in Renuncion in so einem Bergkaff im Three River County.

 

Der Detective schaut zum gefühlten understen mal auf sein Handy, aber es war tot, keine neue Nachricht von Michael. Nur Judy hatte geschrieben, sie freute sich darauf wenn er heute Nachmittag vorbeikommen würde und Jason musste unwillkürlich lächeln. Die kleine war heiß und schien auf Polizeimarken zu stehen. Es war an der Zeit die Mittagspause zu beenden und etwas für die Stadt zu tun, und wenn es nur darum ging eine ihrer Einwohnerinnen glücklich zu machen. Röhrend sprang der Motor des Wagens an und als der Staub sich legte blieb eine Box mit halb verzehrten Burritos auf dem Asphalt zurück. Aus dem Schatten eines Abwasserrohres in der Nähe kam ein Coyote gekrochen, der dort den heißen Tag verbrachte. Er schnüffelte an der Verpackung und klappte sie dann mit der Schnauze auf.

 

Jeder tut was er kann um mit dieser Situation klarzukommen.

 

-

 

Abigail stand an der Musicbox, im Jacky´s Cold Drinks Hot Meals. Die Nachmittagssonne brachte die Staubpartikel hier drinnen zum Tanzen, träge hingen sie in den Lichtstrahlen die durch das Fenster herein vielen. Es war noch gar nicht solange her das wieder ein paar Fremde in die Stadt gekommen waren, wieder hatten sie sich nach dem Weg zu Farm von Simon Tate erkundigt, wieder waren sie gefahren, aber nicht zurück gekommen wie die Gruppe vor ihnen. Stattdessen waren noch mehr gekommen und für ein paar Tage hing eine Rauchwolke über den Bergen im Osten. Seit dem kam keiner mehr und fragte nach der Farm von Tate.

 

Sie spielte mit ihren Zöpfen als sie an den großen Blonden dachte der mit dem komischen Pärchen hier war, er war später dazukommen und irgendwie mochte sie ihn. Aber wie das so war wenn man in einer Bar arbeitete die irgendwo im nirgendwo lag. Menschen kamen, Menschen gingen und die meisten sah man nie wieder. Jacky hatte ihr die Serviette gegeben auf der der Blonde seine Nummer hinterlassen hatte, irgendwann hatte sie sich ein Herz gefasst, sie hatte angerufen, aber es ging immer nur die Mailbox ran. Die mechanische Stimme die verkündete "The Person you have called.." war ihr kleine Abendbeschäftigung geworden, aber irgendwann hatte sie begriffen das er nicht rangehen würde. Trotzdem, oder gerade deswegen  war es eine Träumerei und die Serviette mit der jetzt fast unleserlichen Telefonnummer steckte immer noch in ihrer Schürze.

 

Am Tresen putzte Jacky in einem "I <3 California" T-Shirt, das über ihren prallen Leib spannte, die Gläser. Für sie war jeder Tag gleich, Abigail wollte mehr, mehr als diese Bar, sie wollte LA die Stadt wo das Leben pulsierte. Sie konnte hören wie Pablo, der Koch in der Küche die Menüs des Tages vorbereitete als die Tür aufging.

 

Ein kleiner farbiger mit silbergrauen Bart betrat das Jacky´s. Er trug einen feinen schwarzen Anzug, viel zu fein für diese Gegend. Das Holz der Dielen unter seinen Füßen knarrte. Etwas das Abigail verwundert aufblicken lies, eigentlich knarrte der Boden nie, nur einmal als Arbeiter den schweren neuen Kühlschrank hier herein brachten hatte sie das schon mal gehört. Der kleine Geschäftsreisende sah gar nicht so schwer aus wie er so mit gemessenen Schritten durch die Bar ging um sich an den Tresen zu setzen. Abigail schnappte sich eine Karte und ging zu ihm um die Bestellung aufzunehmen. Sie nahm sich fest vor, irgendwann, in nächster Zeit würde sie nach Los Angeles fahren. Man lebte schließlich nur einmal. Ob sie den Blonden wiedersehen würde wusste sie nicht, aber LA war groß. Der Diamant hinter den Bergen.

 

Der farbige schien Abigail aufmunternd zuzulächeln. Ein Lächeln das sagte fahr nach Los Angeles Kleines. Dann begann er ein Lied zu summen während er auf sein Bier wartete

 

Mhhh Mh Mhhhhhhhh

"Hangman, hangman,
Slack your line,
Slack it just a while,
'Cause I think I see my papa comin',
Travelin' many a mile,
Travelin' many a mile.

 

Sein Summen hing schwer wie Rauch in der staubigen Luft von Jacky´s - Cold Drinks - Hot Meals.

 

-

 

Gall sah den Therapeuten vor sich mit unverhohlenem Abscheu an.  Er war rasiert und gewaschen worden, sogar seine Haare hatten sie geschnitten, aber zum Teufel sie hatten ihm seine rosa Brille weggenommen und seine Augen gewöhnten sich nur schwer an diese unverstellte Sicht auf die Dinge. Ihm fehlte dieser künstliche rosa touche dem die Brille allem gab was er betrachtete. Es war die fünfte Stunde und immer noch drehte sich das Thema um Galls Experimente und seinen Hang Tiere aufzuschneiden, auszunehmen nur um sie dann wieder neu zusammenzunähen. Egal wie Gall auch versucht hatte diesem eingebildeten Brillenträger, immerhin hatte er eine Brille wofür er den Therapeuten bewunderte, zu erklären versuchte, dass er die Lösung für die Stadt war und seine Tiere ihren Teil dazu beitragen würden, es lief immer auf die gleichen lächerlichen Fragen über seine Kindheit hinaus.

 

Ober er seine Mutter geliebt hatte, ob er Haustiere hatte...jedenfalls für eine Weile...war seine Antwort, aber egal was er auch versuchte sein Gegenüber war nie zufrieden. Die Medikamente die sie ihm gaben wahren scheußlich, er konnte nicht klar denken, sich nicht konzentrieren und spätestens nach einer halben Stunde fing er an von dicken Titten zu faseln, fast immer pünktlich dann wenn er gefragt wurde ob er seine Mutter geliebt hatte. Die Fragen nach seinem Vater waren irgendwie zu vernachlässigen.

 

Er war wieder ausfallend geworden, hatte schlimme Dinge zu dem Therapeuten gesagt, über sein Gesicht und die Form seiner Nase und was man damit alles machen könnte. Und so endete die Stunde wie viele andere in der psychologischen Abteilung des Metropoliten State Hospitals und er fand sich in seinem kargen Zimmer wieder.

 

Die Einrichtung war schlicht, einfach, um nicht zu sagen seiner nicht würdig. Still hockte sich Gall auf den Boden, immer in die selbe Ecke seiner Zelle. Dort saß er im Schneidersitz, vornübergebeugt, wippte im Oberkörper vor und zurück. Ein leises klopfen war zu hören, rhythmisch, immer wieder und wieder wurde ein kompliziertes Muster wiederholt. Die Schraube mit der Gall auf dem Boden klopfte hatte er schon vor Wochen aus dem Zimmer des Therapeuten mitgehen lassen, während einer seiner Wutanfälle war sie ihm aufgefallen, kurz bevor sie ihn am Boden fixierten und abführten. Er wusste was er damit tun sollte.

 

Tok..toktoktok...tok.tok.tok...tok...tok...tok...tok.tok.tok.tok...tok...tok..tok.

 

Die Überwachungskamera der Zelle übertrug keine Geräusche und der Wärter schüttelte nur den Kopf. Zuerst hatte es noch Aufsehen erregt wenn Gall dort saß, stundenlang, tagelang. Zuerst hatten sie gescherzt das er sich wohl einen runterholen würde, aber das war bei den Medikamenten die er bekam völlig unmöglich. So wurde es irgendwann langweilig dem wippenden Rücken von Harald Gall zuzusehen und das Interesse erlosch.

 

Tok..toktoktok...tok.tok.tok...tok...tok...tok...tok.tok.tok.tok...tok...tok..tok.

 

Pause.

 

Stille.

 

Seine Hand verharrte.

 

Stille.

 

TOK!

 

Harold Gall fing an zu lachen, er riss den Kopf in den Nacken und sein irres Lachen hallte in seiner Zelle wieder. Sie hatten geantwortet.

 

Bald. Sehr bald.

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  • 2 months later...

Schweißperlen standen auf Abigails Stirn als sie aus dem Bus ausstieg und auf den Gehweg trat. Los Angeles, die Stadt der Engel hatte sie sich anders vorgestellt, ganz anders. An dem Moloch aus Unrat, Dreck und Hitze war so gar nichts glamouröses. Die Stadt stank, Berge von Müll stapelten sich in den Nebenstraßen und der Asphalt kochte unter der Hitze des Tages.

 

Geistesabwesend griff Abigail in ihre Tasche und holte eine Flasche Wasser heraus. Nicht mal zwanzig Minuten vorher hatte sie die Flasche gekauft, für fünf Dollar, eine Frechheit, aber eine eisgekühlte Frechheit, die jetzt lauwarm war wie sie enttäuscht feststellte. Sie schraubte den Deckel ab und nippte ein paar mal daran, das Wasser schmeckte nach Plastik, irgendwie abgestanden und warm. Ihr trockener Mund begrüßte die Flüssigkeit.

Hinter ihr setzte der Bus sich wieder in Bewegung und reihte sich in den Straßenverkehr ein, der beißende Geruch von Abgasen aus den Auspuffrohren des Busses mischte sich unter die Ausdünstungen des Mülls. Abigail schluckt und schlenderte langsam die Straße entlang. Sie hatte es nicht eilig, eigentlich wollte sie nur noch weg, zurück auf´s Land, raus aus der Stadt. Aber sie war hier noch nicht fertig und wenn sie ehrlich war, hatte sie überhaupt nicht mehr genügend Geld für die Rückfahrt. Sie hatte all ihr erspartes zusammengesammelt und Jacky auf Wiedersehen gesagt und den erstbesten Bus nach Los Angeles genommen. Sie war so aufgeregt, ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals als die Stadt in Sicht kam, aber der Aufregung war Ernüchterung und dann Frustration gefolgt.

 

Das kleine Zimmer in einer heruntergekommenen Pension hatte das meiste ihres Geldes aufgezehrt und das Essen den Rest. Jetzt war sie fast pleite und musste schleunigst Arbeit finden. Gedankenverloren spielte Abigails Hand mit der Serviette die sie immer dabei hatte. Er war nicht mehr rangegangen und inzwischen war die Telefonnummer nicht mehr zu lesen, aber irgendwie dachte sie, würde ihr dieses Stück Papier Glück bringen. Sie musste einfach Glück haben. Vor ihr an der Straßenecke tauchte die Adresse auf die sie gesucht hatte South Hill, Ecke West 8th Street. Die dunkel getönte Glasfassade des Restaurants hob sich deutlich von den sonst hellen Häusern um sich herum ab.

 

Abigail konnte Kellnern, das war es was sie die ganze Zeit bei Jacky´s gemacht hatte. Bestellungen entgegennehmen, Essen rausbringen, Abkassieren, sauber machen, an ganz wenigen Tagen mal in der Küche helfen. Sie musste ein wenig lächeln, wenn´s auch mit dem Collage nicht geklappt hatte, immerhin hatte sie etwas gelernt war ihr überall helfen würde. Aushilfen wurden immer und überall gesucht und für ein paar Dollar Kellnern zu gehen war bei weiten Angenehmer als andere Taten um ihr Geld zu verdienen. Wenn sie sparsam war und ein zwei Extraschichten in der Woche abgreifen konnte würde sie das Geld für die Rückfahrt schnell zusammen haben. Hoffentlich hatte Jacky noch keinen Ersatz gefunden, und hoffentlich nahm Jacky sie zurück. Innerlich straffte Abigail sich, wenn sie der Vergangenheit hinterher trauerte, oder nur daran dachte gleich wieder zu verschwinden würde man ihr hier nie einen Job geben.

 

Sie hatte die Anzeige an einem Laternenpfahl gesehen und abgerissen.

 

Black Dragon West

 

Neueröffnung August 1st. 2015 Los Angeles

 

Aushilfen gesucht. Tag und Nachtschicht. 8$/h

 

Mit einem, wie sie dachte, professionellen Lächeln auf den Lippen wischte sie sich noch einmal den Schweiß von der Stirn, tupfte sich mit einem Frischetuch das Gesicht ab und trat dann durch die Tür in die Klimatisierten Räume des Restaurants.

 

Das Frischetuch warf sie achtlos in einen Mülleimer der neben der Tür stand. Zusätzlich zu dem Großen Schriftzug in Neonreklame der auf der Glasfront prangte, und dem Logo, einem stilisierten asiatischen Drachen, mit einem Maul voller scharfer, spitzer Zähne, verkündete noch ein kleines, auch Hochglanz poliertes Messingschild neben der Tür wo sie gerade war.

 

Black Dragon West

 

Asian-black-dragon.png

 

Managing Director

Madeline Finley

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