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[Nightmare Bites] Kap.1 NP: UNTER 4 AUGEN


Der Läuterer
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"Vielleicht haben Sie Recht, Clive. Vielleicht sollte ich meine Frau nicht ausschliessen. Vielleicht war das alles ein grosser Fehler. Vielleicht sollte ich Matilde in meine Überlegungen einbeziehen. Vielleicht haben Sie wirklich Recht mit dem was Sie sagen."

 

Hans überlegt nur kurz. "Matilde? Hast Du kurz Zeit für uns?"

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Ich warte darauf, Matildes Schritte zu hören.

 

Mein Blick streift die Gegenstände auf dem Tisch. Ich hätte gerne einen Blick herein geworfen ... hätte mir Gewissheit verschafft, wer dort in der Änderungsschneiderei auf dem Boden lag: Opfer oder Täter, Schneider oder Verfolger?

 

Ich durchlaufe noch einmal kurz im Geiste die Geschehnisse dieses Tages von der Abreise in Cardiff bis zu diesem Gespräch. So viel ist geschehen ... so viele unerwartete Wendungen. Eigentlich wollte ich das Auktionshaus besuchen. Wir sind nicht einmal dazu gekommen, dieses Thema anzureißen. Morgen ist auch noch ein Tag. Ich sollte erschlagen sein. Erstaunlicherweise fühle ich keine Müdigkeit, sondern das Bedürfnis nach einem Bad, einer Rasur und frischer Kleidung.

 

Ich habe kein gutes Gefühl, was mich in der Pension erwarten wird. Ich muss nach dem Koffer sehen und nach Cainnech. Hier bin ich fehl am Platz, wenn Matilde einen Chance auf die Wahrheit haben soll. Vor mir wird ihr Hartmut sicher keine Geheimnisse offenlegen.

 

"Ich sollte jetzt wirklich in die Pension zurückkehren. Ein heißes Bad wird Wunder wirken. Ich bin schließlich nicht mehr der Jüngste, wie Sie wissen ..." Ich lächele kurz, aber nicht unfreundlich. Dann erhebe ich mich vom Stuhl.

 

"Ich möchte mich auch vergewissern, dass Cainnech nichts zugestoßen ist. Nur für den Fall, dass Sie mit Ihrer Befürchtung Recht behalten sollten."

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Hans erhebt sich ebenfalls und deutet mit der Hand auf das Sofa, auf dem Du sasst. "Bleiben Sie bitte, Clive. Das betrifft jetzt in erster Linie die jüngsten Ereignisse."

 

"Sagt Ihnen der Begriff Tcho-Tcho etwas?"

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"Setz Dich bitte zu uns, Matilde."

 

"Clive hat mir ins Gewissen geredet."

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Ich erwidere Matildes Blick, zucke aber nur mit den Schultern.

 

"Du hast nichts verpasst. Hartmut hat mich nur an ein paar Ereignisse aus meinem Leben erinnert."

 

An Hartmut gewandt füge ich hinzu:

 

"Mein Wissen über die Tcho-Tcho ist eher kümmerlich. Die Tcho-Tcho sollen boshafte Wesen sein, die auf einem Plateau in Tibet leben. Einem Bergführer zufolge beten sie finstere Götter an und bringen bereits ihre Kinder dazu, an schrecklichen Ritualen teilzunehmen. Manche beschreiben sie als Zwerge. Manche behaupten, die Tcho-Tcho würden sich unter die Menschen mischen. Es gibt Beschreibungen, wonach die Tcho-Tcho Mischwesen sind, nur zur Hälfte Mensch. Nicht wie eine Chimäre, sondern ... aus einer unnatürlichen Verbindung hervorgegangen. Andere Beschreibungen sehen in ihnen Wesen von außerhalb dieser Welt oder Zeit.

 

Aber ich denke, ich bin nie einem von ihnen begegnet.

 

Das Wesen, mit dem wir es heute in der Änderungsschneiderei zu tun hatten, war jedenfalls kein Tcho-Tcho."

Edited by Joran
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"Sie kennen sich sogar recht gut aus, Clive, besser als ich dachte. Sagen Sie also bitte nicht, dass Ihr Wissen über die Tcho-Tcho kümmerlich sei. Mit dem was Sie wissen, sind Sie ja fast schon ein Experte in Sachen Tcho-Tcho."

 

"Dass sich die Tcho-Tcho unter die Menschen mischen würden, ist übrigens korrekt. Ihr ursprüngliches Siedlungsgebiet ist Indochina. Einige von ihnen folgen zu bestimmten Zeiten aus unbekannten Gründen, Lemming-artig dem Lauf der Sonne und ziehen gen Westen weiter und lassen sich dort nieder. Sie leben schon länger in den grossen Städten Europas. Also auch hier in London."

 

"Das auffälligste Merkmal der Tcho-Tchos ist ihr Körperbau. Sie sind kleinwüchsig, aber stämmig. Sie haben einen länglich geformten Schädel mit einem abgeflachten Gesicht und breiter Stirn, schräg stehenden Augen mit weitem Augenabstand unter stark hervortretenden Augenwülsten. Sie haben eine flache und breite Nase, sowie tief sitzenden Ohren und einem kurzen Hals. Also nicht unbedingt das, was man hierzulande als Schönheitsideal bezeichnen würde."

 

"Wissen Sie, was das Wort 'Tcho' bedeutet, Clive?"

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"Nein, wie gesagt, meine Kenntnisse basieren auf Hörensagen und alten Schriften. Da es sich um Mischwesen handeln soll und die Beschreibungen - etwa zur Größe - sehr unterschiedlich ausfallen, habe ich vermutet, dass es sich bei den Tcho-Tcho überhaupt nicht um ein homogenes Volk handelt, sondern um Mischlinge, die in Abhängigkeit von ihrem individuellen Stammbaum, mal mehr und mal weniger menschliche Züge tragen.

 

Die Verbreitung der Tcho-Tcho bis nach Europa ist mir neu, es verwundert mich aber auch nicht wirklich. Die Distanzen zwischen den Kontinenten werden dank des technischen Fortschritts immer bedeutungsloser.

 

Aber Sie scheinen diesen Wesen bereits begegnet zu sein, wie ich aus Ihrer Beschreibung schließe?"

Edited by Joran
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"Nun."

 

"Auf tibetisch bedeutet 'tcho' schwarze Magie. Und die Doppelung des Wortes gibt dem Ganzen den Zusatz von stark, viel oder mächtig."

 

"Und nein."

 

"Ich habe nie einen Tcho-Tcho leibhaftig zu Gesicht bekommen. Aber es gibt Nachbildungen von ihnen."

 

"Ich habe mein Wissen zuerst einmal, ebenfalls wie Sie, aus alten Büchern. Und dann ist da noch George Rogers. Der Mann war ein Mitarbeiter von Madame Tussaud. Es kam wohl zu Streitigkeiten und so machte er ein eigenes Museum auf. Ein Wachsfigurenkabinett voller schockierender Dinge. Sein Gruselkabinett befindet sich in der 155 Southwark Street, in der Nähe der Kreuzung zur Southwark Bridge Road."

 

"Das ist eine typische Londoner Skurrilität. Eine dieser Extravaganzen. Als Sehenswürdigkeit kann man es wohl schwer bezeichnen. Matilde hat es bestimmt auch noch nicht gesehen."

 

"Nun ja. In den Räumlichkeiten wird die blutige Geschichte Englands thematisiert. Dabei geht es um die Zeit der Grossen Pest von London, um den Grossen Brand von London, um Jack the Ripper, Sweeney Todd, Bloody Mary und Alexander Bean. Und er hat eine bemerkenswert ausgestattete Folterkammer. Zudem noch Kreaturen, die den Albträumen von Wahnsinnigen entsprungen zu sein scheinen. Unter anderem eine Tcho-Tcho Gruppe."

 

"Ich muss irgendwo in meinen Unterlagen ein Foto davon haben."

 

Hans erhebt sich. "Entschuldigen Sie mich bitte kurz. Matilde... Clive... Ich bin gleich zurück." Dann verlässt er das Nebenzimmer und man hört ihn seinen Aktenschrank durchsuchen.

Edited by Der Läuterer
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Zunehmend fühle ich mich von Hartmut auf den Arm genommen.

 

Ich beobachte Matilde. Ich versuche Ihre Gedanken zu entschlüsseln.

 

"Worauf will Hartmut nur hinaus?

 

Weder kann ich einen Bezug zu den Ereignissen des heutigen Tages erkennen,

noch sehe ich wie Hartmuts Vortrag Matildes Fragen beantworten könnte,

noch verstehe ich, warum irgendetwas hiervon vor Matilde geheim gehalten werden sollte.

 

Ein Wachsfigurenkabinett, das erstellt wurde, um aus dem Gelüst des Pöbels nach Gruselmomenten Kapital zu schlagen? Ist das Hartmuts Ernst? Soll das das große Geheimnis sein, das Hartmut lüften will?

 

Quid pro quo? Soll ich Hartmut hierauf mit ein paar Gruselgeschichten aus meiner Heimat antworten?

 

Welches Ziel verfolgt Hartmut mit dem Verhör und diesen ... skuril anmutenden Belanglosigkeiten? Spielt er nur auf Zeit? Zu welchem Zweck?"

 

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Hartmut hiermit Matilde zufrieden zu stellen glaubt. ... Nun, wenn er nicht um Matilde kämpfen will ... ich habe meine Pflicht und Schuldigkeit getan ..."

 

"Matilde ...", setze ich an, verstumme aber dann. In diesem Moment kann ich nur hoffen, dass Matilde nichts unüberlegtes tut ... hoffen, dass sie klüger ist als ich es war und nicht alle Brücken hinter sich abbricht.

 

"Matilde, ich weiß nicht, was in den kommenden Tagen noch geschieht. Bevor ich wieder abreise, hätte ich Dir gerne noch etwas gegeben ... falls es nicht in der Zwischenzeit gestohlen worden ist. Ein etwas verfrühtes Geschenk zu Deinem Geburtstag. Was auch immer hier geschieht, wir sehen uns doch noch einmal? Versprich mir das bitte!", flüstere ich, während Hartmut noch im Nebenraum ist.

 

Erneut drängt mich ein ungutes Gefühl, zur Pension zurückzukehren. Aber mir ist klar, dass bereits zu viel Zeit vergangen ist, um zu verhindern, was immer dort vorgefallen sein könnte...

Edited by Joran
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"Jawohl."

 

Hans hat offensichtlich seinen Fund gemacht. Eine Schublade wird geschlossen. Schritte nähern sich.

 

"Hier. Das müsst Ihr Euch ansehen." Dann gibt er Euch ein altes Foto.

 

https://boardgamegeek.com/camo/7cc002f060829accf441d83f713a3192c11220d3/687474703a2f2f312e62702e626c6f6773706f742e636f6d2f5f456350496b53585f5849552f53755a52676362505070492f41414141414141414173632f39374b333554766c3146412f733332302f7463686f7463686f2d74726962652e6a7067

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Ich drehe mich zu ihm. Lächele ihn an.

“ein Geschenk? Für mich?”

Ich bin überrascht.

“wirst du schon wieder abreisen? Ich dachte..” dann verstumme ich.

“ich verstehe. Ich habe gehofft du würdest länger bleiben, aber vielleicht nach heute..ich hoffe wohl, wir sehen uns wieder. Aber ich kann dir leider es nicht versprechen...ich weiss nicht wie lange ich noch leben werde. Du weisst jetzt wieso. Es ist nur eine Frage der Zeit.”

Das sage ich ohne Drama.

Es ist eine reine Tatsache.

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"Moment mal, Clive. Sie wollen abreisen? Jetzt schon? Sie sind doch gerade erst in London angekommen. Matilde hat sich so auf Sie gefreut."

 

"Ist es meinetwegen?"

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"Nein, Sie haben mich falsch verstanden. Ich habe noch keine konkreten Reisepläne. Und es ist auch nicht wegen Ihnen, Hartmut.

 

Der eigentliche Grund meiner Reise war die Auktion ..."

 

"Das ist nicht die Wahrheit ... und das weißt Du!", denke ich, während ich Matilde ansehe.

 

"... aber welche Bedeutung hat die Auktion schon noch nach den heutigen Geschehnissen?

 

Wenn ich tatsächlich der Grund für die heutigen Übergriffe sein sollte ... wenn ich Euch in Gefahr bringe ... muss ich das ändern. Dann muss ich weiterreisen, wie ich es in der Vergangenheit getan habe.

 

Wenn die Angriffe hingegen Ihnen galten, werden Sie Ihre Familie möglicherweise aus London fortbringen wollen ... in ein sicheres Versteck ... ich würde Matilde gerne vorher noch etwas geben.

 

Das ist alles. Ich wollte mich eigentlich vergewissern, dass Matilde nicht London verlässt, ohne dass wir uns zuvor noch einmal sehen.", rutscht es mir heraus.

 

"Wie lange ich in London bleibe, hängt von den weiteren Ereignissen ab. Der heutige Tag hat uns gezeigt, dass wir vielleicht schnell handeln müssen. Mehr wollte ich nicht sagen!

 

Die Pension erscheint mir allerdings nicht mehr sicher. Ich sollte in ein anderes Hotel wechseln."

 

Sarkastisch setze ich hinzu: "Die Zimmerwirtin ... ist plötzliche Abreisen von mir ja schon gewohnt." Ich kann mir das Gesicht der Frau bildlich vorstellen.

Edited by Joran
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