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King of Chicago Brettspiel


Guest Maö
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Guest W.Corbitt

Hi

 

Eigentlich eine Kritik für die studentische Onlinezeitung Psychotopia, eine Zeitung, der Redaktion nur aus Psychologie-Studenten besteht (brr) , für die ich schreibe, aber es ist ja sicherlich thematisch gesehen auch für euch hier interessant.

 

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ItÆs 10 p.m. on a Friday night. The streetlights glare on the rainy wet pavement and casts gloomy shadows in a dark side alley in downtown Chicago. Almost hidden a lonely car sits humming silently. Inside four well dressed, but hard looking men are checking their guns, their ammo, and the plan of attack one last time. ôMake it bloody boysö their boss had told them. TheyÆve never let him down before and tonight is going to be no different. ôLetÆs hit them hard!ö Jack Knife whispers. ôCleaner, you get rid of the bastards out front. Fat Tony

- you work the floor... Mad Dog and I will do the wet work upstairsö. The Cleaner knocks the cork off a bottle of bootleg scotch as he tosses his cigarette butt out the window. He takes a hard, long drink and groans indifferently. ôYou fellows just sit tight and enjoy the show. I feel like an evil son of a bitch tonightö he says with that stone grinder voice of his. The Cleaner wanders off into the darkness, with his tool of the trade, a tommy-gun, hidden underneath his coat. The men back in the car silently thank God, that he placed The Cleaner on their side of this neverending strife to become the King of Chicagoà

 

Wer dachte, dass Erpressung, Schie?ereien und kaltblütige Morde keinen Spa? machen, der kann sich schnell eines besseren belehren lassen. Denn seit der Spielemesse Essen 2006, also Oktober, ist nach langerwarteter Zeit endlich das Brettspiel King of Chicago käuflich zu erwerben - und es ist schmutziger, als sich jeder von Sehnsucht nach Freiheit erfüllter, im Knast sitzender, die verdienten Furchen in der Hand zählender Gangster der 20er Jahre hätte wünschen können. äBet your bottom dollar you lose the blues in Chicagoö, wusste schon Frank Sinatra, und Recht hatte er, äthey do things that they donÆt do on Broadwayô. Genau. Denn wer sich in Chicago voreilig zum König aufspielt, der landet schnell bei den Fischen. Der Lake Michigan ist nicht weit ...

 

Hintergrund

Worum geht es bei King of Chicago? Nun, der Name ist Programm. Wer es schafft, das grö?te Verbrechersyndikat in der Windigen Stadt, wie sie genannt wird, aufzubauen, der hat das Spiel gewonnen. Das spiel hei?t allerdings King - und nicht Kings - of Chicago, und so kann natürlich, wie es sich für eine anständige Monarchie gehört, nur einer König sein. Es geht also nicht nur darum, den exklusivsten Schuppen, die tollsten Mädchen, das beste Bier der ganzen Stadt zu haben, sondern auch, es vor anderen zu verteidigen und die Ressourcen der Gegenspieler im Keim zu ersticken. Dazu schickt man mal eben The Cleaner und die Jungs rüber und lässt sie äsaubermachenô, besticht die Bullen, schlie?t übergangsweise Allianzen und versucht nachher, der erste zu sein, der dem anderen in den Rücken fällt.

 

http://www.psychotopia.net/fotos/koc/Cleaner.jpg

 

System

Etwa 120 Minuten - das erste Spiel mag hier gut und gerne doppelt so lange dauern, andere wiederum bereits nach 60 Minuten vorbei sein, denn wenn man nicht verhindert, dass sich ein Spieler eine Powerbase aufbaut, ist es fast unmöglich, ihn im Late Game zu stoppen - versuchen bis zu 5 Spieler gleichzeitig, ihre herrschende Hand um den Sündenpfuhl Chicago zu legen, und dabei kommt es natürlich zu gewissen Konflikten. Denn nicht nur der Platz ist beschränkt, sondern auch die Ressourcen. Denn alles dreht sich nur darum, wer das grö?te Kuchenstück abbekommt: Alkohol, Mädchen und Handlanger, die heilige Dreifaltigkeit des Gangsterlebens. Mit diesen drei Ressourcen lassen sich drei verschiedene Gewerbe aufziehen: Bars, Bordelle und Casinos, wobei für jeweils einen Gewerbetyp ein Ressourcentyp von höherer Bedeutung ist, als die beiden anderen.

 

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Klar, dass man für ein Casino weniger Mädchen braucht, als für ein Bordell, dafür umso mehr Croupiers und Aufpasser. Die Hauptressource für eine Bar ist - wer hätte es gedacht - Alkohol, sodass dieser in grö?eren Mengen vorhanden sein muss, um eine derartige Lokalität zu errichten. Zum Glück ist Chicago ein nach seines gleichen suchender Moloch, sodass diese Ressourcen niemals ausgehen können. Sie tauchen in unregelmä?igen Abständen hier und da auf und warten auf jemanden, der sich ihrer annimmt. Am richtigen Ort, zur richtigen Zeit sein...

Nur wie? Der Spieler selbst, der Syndikatsboss also, kutschiert pausenlos in einem Ford Model T (oder einem ähnlichen Modell aus den Roaring Twenties) über den düsteren Spielplan, ständig auf der Suche nach abrufbaren Ressourcen, neuen Möglichkeiten Schutzgeld zu erpressen, sich zu beweisen, um mehr Ansehen in den Stra?en zu erlangen - oder auf der Flucht, entweder vor der Polizei oder einem anderem Spieler. Dumm nur, dass so einem Auto schnell mal ein äUnfallô passieren kann, oder die Polizei bei einer äzufälligenô Routinekontrolle feststellt, dass das Rücklicht beschädigt ist, und den Wagen damit beschlagnahmen muss. Vorsicht ist also geboten, denn nichts ist so gefährlich wie ein alter Hund, dem man sein Revier streitig macht.

 

Siegpunkte

Das Spiel wird, in ganz ähnlicher Weise wie bei Die Siedler, durch Siegpunkte gewonnen - wer als erstes 10 Punkte angesammelt hat, der hat automatisch gewonnen. Siegpunkte können in erster Linie durch das Errichten eines Gewerbes erlangt werden. Dabei gibt es drei verschiedene Grö?en für die Schuppen, die man eröffnet. Eine kleine Absteige, gibt lediglich einen Punkt, ein mittelgro?es Gewerbe schon zwei, und eine Lokalität von der Grö?e eines Palastes drei.

 

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Das Problem daran ist nur: Es wird nicht unbemerkt an den anderen Spielern vorbeigehen, wenn man sich ein Bordell von der Grö?e des Pentagons bauen lässt, und Neider hat die Stadt viele. So ein unbemerktes Feuer ist eine schlimme Sache, und kann schnell entfacht werden, ohne, dass es jemand rechtzeitig bemerkt. Alle Gewerbe können von allen Spielern angegriffen und übernommen werden - und damit auch die Siegpunkte. Das bedeutet, dass man sehr vorsichtig mit seinen angesammelten Ressourcen umgehen muss, damit man nicht ständig die Bars und Casinos anderer Spieler bezahlt. Doch gibt es noch andere Möglichkeiten, Siegpunkte zu erlangen, zum Beispiel durch die sogenannte Street Credibility, also der gezollte Respekt. Hat man viele kleine Viertel der Stadt in seiner Hand und äschütztô die ansässigen Geschäfte vor plötzlichen ?berfällen, im Tausch für eine kleine, wirklich faire, Abgabe ihrer Einnahmen, so erlangt man Respekt. Wer das meiste Ansehen/den meistern Respekt angesammelt hat, der erhält einen Siegpunkt. Doch natürlich kann auch Ansehen streitig gemacht werden, so ist auch dieser Siegpunkt ein wackeliger.

 

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Die einzige Möglichkeit, einen äfestenô Siegpunkt zu bekommen, besteht darin, Aufträge zu erfüllen. Ein Zeuge muss dringend verschwinden, bevor er seine Aussage machen kann, ein Mitglied im Stadtrat steht gewissen Interessen im Weg, ein verschnürtes äPaketô muss von den Docks zum Metzger gebracht werden - all das sind die alltäglichen Dinge, die in Chicago erledigt werden müssen. Schafft man es, so einen Auftrag zu erfüllen, ohne von der Polizei oder anderen Spielern dabei unterbrochen zu werden - denn so etwas spricht sich ja herum -, erhält man nicht nur ein hübsches Sümmchen, sondern auch einen Siegpunkt, der unmöglich wieder geklaut, entfernt oder sonst auf irgendeine Weise den Pool des Spielers verlassen kann.

Die letzte Möglichkeit, relativ sichere, aber nicht wasserdichte, Siegpunkte zu erlangen, sind Gangster (nicht zu verwechseln mit den Handlangern, die eine der drei Ressourcen sind). Gangster sind das A und O in King of Chicago, denn sie machen sich die Hände schmutzig, wenn der Boss es befiehlt. Gangster schützen die eigenen Gewerbe, das Auto des Boss, können aber auch einen wohl überlegten Angriff auf ein anderes Gewerbe starten, eine sogenannte Business Attack, oder das Auto eines Gegenspielers attackieren - und es zu einem echten Drive-By Shooting kommen lassen. Für alle zwei Gangster, die man in seine Bande aufnimmt, erhält man einen Siegpunkt. Sterben Gangster oder werden sie verhaftet, so verliert man die Siegpunkte natürlich wieder.

 

Ballereien

In erster Linie werden Gangster jedoch nicht für die Siegpunkte angeheuert, sondern eher, um die Lokalitäten anderer Spieler zu übernehmen und die eigenen vor dem selbigen Schicksal zu schützen. Ersteres ist ganz einfach: Man packt seine Karre voll mit einer schie?wütigen Meute und schickt sie zu dem gewünschten Ziel. Dort lässt man sie aus dem Wagen, sie stürmen das Gebäude und ballern alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellt. So viel zur Theorie.

 

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Doch natürlich sind die anderen Spieler wachsam und werden ihre besten Einnahmequellen nicht unbewacht lassen. Daher verlaufen die meisten Versuche einer ?bernahme oft sehr blutig und sind mit vielen Verlusten verbunden. Denn manchmal können selbst die besten ?rzte der Stadt nichts mehr tun, und so ist es sehr wahrscheinlich dass man nach einer Schie?erei schlechte Nachrichten an die Angehörigen überbringen muss. Gelingt es dennoch, ein Gewerbe zu übernehmen, so erhält man sofort die Besitzkarte und die Siegpunkte, die es wert ist. Au?erdem wird am Ende der Runde abkassiert. Ka-tsching!

Ein Drive-By-Shooting verläuft ähnlich. Man rast mit seinem Auto dicht an dem eines anderen Spielers vorbei und liefert sich so lange einen Schusswechsel, bis ein Auto absolut fahruntüchtig ist und alle Gangster entweder tot oder krankenhausreif. Wird ein Auto zu klump geschossen kommt es in die nächste Werkstatt, wo es für den Rest der Runde zur Reparatur bleiben muss - der betroffene Spieler ist also praktisch handlungsunfähig.

 

Der lange Arm des Gesetzes

Drogen, Prostitution, Glückspiel, Schie?ereien, was hält eigentlich die Polizei davon, was in ihrer schönen Stadt so vor sich geht? Das entscheidet der Spieler, der am meisten Bestechungsgelder aufbringen kann. Am Ende einer Spielrunde, nachdem alle Einnahmen kassiert wurden, kann man nicht nur neue Gangster anheuern, sondern auch der Polizei eine gro?zügige Spende zukommen lassen. Der Spieler, der sich am meisten um das Wohl der Windigen Stadt sorgt, kontrolliert die Polizei - die ebenfalls eine Spielfigur auf dem Plan ist - für die nächste Runde. Was tut die Polizei so, wenn ihr langweilig ist? Klar, Routineüberprüfung. äHaben sie diesen Jungen schon einmal irgendwo gesehen?ô Ein mal pro Runde, kann man ein Gewerbe oder ein Auto ficken. Die Bullen schnüffeln ein bisschen rum, und wenn sie etwas interessantes entdecken, wird der Laden zugemacht und alle im Lokal/Auto befindlichen Gangster wandern ins Kittchen.

 

(Schnitt wegen Beitragslänge...)

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Guest W.Corbitt

Aufmachung

Der Spielplan ist liebevoll gemacht und von hoher Qualität. Das düstere Chicago der Roaring Twenties kommt gut rüber, alles wirkt sehr schummrig und man meint, das Geruchsgemisch von Urin und selbstgebranntem Schnaps stiege von dem Spielplan auf.

 

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Jeder Spieler hat eine eigene Mappe, in der er von den anderen Spielern ungesehen sein Geld, Ressourcen, Aufträge und sonstige Aktionskarten aufbewahren kann. Gangster wie The Cleaner, Mad-Dog und The Dentist sind als einzelne Spielkarten gestaltet und sorgen oft für ein gro?es Amüsement, da sie untereinander auch verfeindet sind und spezielle Effekte bei einem Zusammentreffen auflösen. Etwas schade ist, dass auf den Karten nur eine Silhouette zu sehen ist, und kein individuelles Bild. Hier hätte man sich mal einen Nachmittag Zeit nehmen müssen, um aus alten Büchern Bilder herauszukopieren. Das Spielgeld erinnert etwas an Monopoly, erfüllt aber seinen Zweck, auch wenn man im Late Game das Gefühl hat, es ist ein wenig zu wenig davon da.

 

Besonderheiten

Die wirklich gro?e Besonderheit des Spiels ist das dealen. äNo tricks are too dirty in this struggle for power in the underworld of Chicago. As long as you uphold the æofficialÆ rules of the game, all kinds of trading, lending, hiring and blackmailing are allowed. Only your own morale sets the limits.ö So steht es auf Seite 1 des Regelheftes, und genau so ist es. Denn man kommt nicht drum herum, mit anderen Spielern zu handeln. Dabei geht es nicht nur um Ressourcen oder Geld, sondern auch um Versprechen und brüchige Allianzen. Du nimmst meinen Laden nicht auseinander, dafür hetze ich dir die Bullen nicht auf den Hals. So oder so ähnlich sehen viele Deals in jeder Spielrunde aus, denn jeder möchte natürlich so lange überleben, wie möglich. Die Polizei ist eines der besten Druckmittel, um Deals zu erzwingen. Denn - und hier wird es wahrhaftig psychologisch - ihre Fähigkeit selbst ist nicht so schlimm wie die blo?e Drohung damit. Niemand will es darauf ankommen lassen, dass der Laden zugemacht wird, also gibt man lieber klein bei und bezahlt dem Spieler zur Not ein wenig Geld oder gibt ein Versprechen ab - wobei man sich natürlich niemals daran halten muss. Das Problem daran, sich nicht an einen Deal zu halten, ist ganz einfach, dass man ab diesem Moment als Dealbrecher bekannt sein wird und die anderen Spieler nun nur noch sehr zögerlich neue Deals eingehen. Das richtige Timing beim Dealbrechen ist also gefragt. Unüberlegt sollte man nicht einem Spieler auf den Sack gehen, denn Rache ist ein Gericht, dass man am besten kalt serviert. Und auch wenn es nicht den Anschein haben mag, ein Gangsterboss aus Chicago vergisst niemals das Gesicht eines Feindes...

 

Fazit

Fazit? Das Spiel rockt! Zwar steht man zunächst im Spielegeschäft seiner Wahl und regt sich tierisch über den dreisten Preis von 50 Euro auf, kommt man dann aber nach hause, stellt man fest, dass 50 Euro WIRKLICH dreist sind, aber dies eine Investition ist, die sich verschmerzen lässt. Das Spiel hätte zwar für den Preis schon etwas besser gestaltet sein könnten (bei der Aufmachung ist m.E. das grö?te Manko die nur vom Kartentext zu unterscheidenden Gangsterkarten), aber nach der dritten oder vierten Partie ist das Spiel tatsächlich eine einzige Party. Es wird gemogelt, gelogen, getrickst, gedealt, das alles über den ganzen Tisch, kreuz und quer mit jedem Spieler, der sich dafür anbietet. Man ist teilweise viel länger mit dem äGeredeô beschäftigt, als mit dem tatsächlichen Spiel. Legt man dazu ein wenig Rat Pack oder ähnliche Musik auf und organisiert Whiskey kommt tatsächliche Casino-Stimmung auf. Also: King of Chicago ist ein fantastisches Spiel für Lügner, Betrüger und Rachsüchtige, und solche die es werden wollen. Für alle anderen: Bleibt an der Ostküste, ihr Pansies!

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