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Ein weiterer Spielbericht zu den BdW


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Hi Leute,

 

da ich ohnehin relativ ausführliche Zusammenfassungen für die Seite unserer Kampagne auf Obsidian Portal schreibe, dachte ich mir, dass ich diese eigentlich auch hier crossposten könnte. In diesem Sinne hier die Berichte zu den fünf bisherigen Spielabenden. Da sie auch als Rekapitulation für die Spieler über die bisherigen Geschehnisse zu Beginn einer Sitzung dienen, liefern sie mehr als einen nüchternen Abriss der Geschehnisse, sondern versuchen ein gewisses Maß an Atmosphäre zu schaffen. Grundsätzlich habe ich bisher zwei relativ starke Anpassungen vorgenommen, die ich lieber im Vorfeld erwähne, um den Leser nicht zu irritieren:

 

a) Starkweather ist kein inkompetenter Volltrottel, sondern im Grunde vom Schlage eines Ernest Shackleton, also ein herausragender Führer und Krisenmanager, aber kein Mensch für die Details Mit ein paar chauvinistischen Attitüden, die sich aber spätestens nach dem Brand und der Bewährung der Damen in der Expedition legen. 

 

B) Ich habe den Roerich-Plotstrang wieder eingebaut. Ganz ehrlich: Warum um alles in der Welt wurde der gestrichen? Mit ihm ergibt soo vieles Sinn und sämtliche Geschehnisse in New York können zu einem halbwegs runden Abschluss gebracht werden.

 

Egal, genug der Vorrede:

 

 

Erster Spielabend

 

Eine Expedition in die Antarktis. Eine Expedition ins ewige Eis. Eine Expedition zu den letzten weißen Flecken der Erde. Das Miskatonic-Gebirge. Höher als alles, was der Mensch je gesehen hat. Ewiger Ruhm und ein Eintrag in den Geschichtsbüchern wird denjenigen sicher sein, die das Wagnis auf sich nehmen und diese letzte Festung der Natur bezwingen. Und vielleicht werden sie dabei auch noch endlich herausfinden, was es war, das ihren Vorgängern nicht nur (im besseren Fall) jeden Kampfeswillen sondern gleichsam nicht wenigen wagemutigen Forschergeistern das Leben raubte. 

James Starkweather und William Moore haben gerufen und die Glücksritter und Abenteurer, die Wissenschaftler und Chronisten – sie kamen. Journalisten, Ärzte, Piloten, Entdecker: Diese Expedition lockte sie in den Mittagsstunden des heißen New Yorker Sommers 1933 ins Hotel Amherst. In harten Gesprächen unter sechs Augen wurde jedem noch so tollkühnen Draufgänger auf den Zahn gefühlt, auch den Herren Blavatski und Whapner und den Damen Levinson und Enfield. Der Flugzeug-Ingenieur George Thorpe trifft dabei auf längst verloren geglaubte Kriegsbekanntschaften in Gestalt des Luftasses Ralph Dewitt. Der mitte dreißigjährige kanadische Polarführer Peter Sykes schmettert während des Wartens auf seine Unterredung mit den beiden Expeditionsführern Gilbert & Sullivan-Songs und auch der offenherzige Arzt und Hobbykletterer Richard Greene  macht sich nach dem Ende der Bewerbungsgespräche nicht unbeliebt und lädt sogleich die für die Expedition extra aus Großbritannien angereiste Medizinerkollegin Catherine Enfield zu einer kleinen Rundreise durch Neuengland ein. Ein Versuch der Aufmunterung bei einem gemeinsame Kaffee aller an diesem Tag interviewten, nachdem zumindest Mr. Starkweather so gar nicht überzeugt von Ms. Enfields Ersteindruck war - fast so, als hätte er nach einem kurzen Blick bereits alle notwendigen Schlüsse gezogen, was alle anderen potentiellen Expeditionsteilnehmer überraschte, hatten sie in ihren Gesprächen James Abercrombie Starkweather doch als tatendurstigen, jovialen und überaus fairen Menschen kennengelernt. Und selbst wenn er wohl in seinem Frauenbild ein wenig altmodisch sein mochte – die Kriegsberichterstatterin Rachel Levinson hatte er doch auch an Bord des Teams begrüßt?

Warum Moore und Starkweather demgegenüber den ruhigen, aber leicht beunruhigend wirkenden Charme des Charles Blavatski erlagen und damit einen jungen, eher mäßig fitten Metaphysiker mit die Antarktis nehmen, ist ihnen wohl selbst nicht ganz klar. Direkt nach seiner Abreise aus New York in seine akademische Heimat Arkham vergrub sich der Student in Recherchen und versuchte mehr über die letzte Expedition, die doch von seiner Heimatuniversität ausgegangen war, in Erfahrung zu bringen. Die Einsicht in entsprechende Unterlagen verbat ihm der Bibliothekar der Miskatonic, Prof. Armitage jedoch ebenso wie den Zugang zu gewissen uralten Folianten, die nach Ansicht von Blavatskis Doktorvater entscheidendes Geheimwissen bargen, das unter anderem auch die befremdlichen Funde fossiler und keiner gängigen Taxonomie entsprechender Pflanzenkorpora erklären könnte, auf die die Miskatonic-Expedition gestoßen war. So blieben nur die Presseberichte, welche bereits hinreichend waren, um die eigene Motivation zur Reise an den Südpol zu hinterfragen: Mehrere Mitglieder in einem gewaltigen Schneesturm in den Hängen des gerade erst entdeckten Gebirges verstorben, andere vermisst. Die Rückkehrer vermieden die Öffentlichkeit oder fielen direkt dem Wahnsinn anheim wie der junge Danforth, der in eine Nervenheilanstalt eingeliefert werden musste…

Nicht locker lassend gelang es Blavatski letztlich Kontakt zum immer noch an der Universität lehrenden Prof. Frank Pabodie aufzunehmen, einer der wenigen, die die Tragödie im ewigen Eis überlebten und sich seitdem in Schweigen hüllten. Eindringlich warnte er mit einer seltsamen Leere im Blick den jungen Scholaren vor jenem verfluchten Kontinent, für den der Mensch nicht geschaffen worden sei und erlaubte ihm schließlich unter der Bedingung, dass er seine Expeditionsteilnahme noch einmal sorgsam durchdenken würde, Zugang zu der Archivzelle der Expedition tief in den Kellern der Miskatonic…

Die alten Schellackplatten*, die augenscheinlich Mitschnitte verschiedener Radioberichte über den Fortgang der Expedition erhielten, hinterließen ein Gefühl eisiger Kälte in den ramponierten und mit Unterlagen vollgestellten Tunneln unter der Universität, ebenso wie die zahlreichen Abbildungen diverser Fundstücke im Abschlussbericht des Expeditionsleiters Dyer. Doch man konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, dass irgendetwas fehlte. Konnte das wirklich schon alles gewesen sein? Die Zukunft würde es zeigen…

Während die einen sich in Archiven vor dem hellen Schein der Sonne im wärmsten August seit Beginn der Wetteraufzeichnungen abzuschirmen suchen, zieht es andere in die freie Natur und so unternimmt Chris Whapner gemeinsam mit Dr. Greene eine kleine Reise in die kanadischen Rocky Mountains zum Zwecke höhenmedizinischer Forschung, nachdem er seine kleine Reise durch Neuengland mit der reizenden Ms. Enfield (welche letztlich doch noch per Post von Prof. Moore zur Teilnahme an der Expedition bestätigt worden war) beendet hatte und dem Offizier und Abenteurer in dessen Heimatstadt Boston mit des Schicksals Fügung über den Weg lief.

Doch nunmehr nähert sich der Sommer seinem Ende und der Herbst beginnt. Alle bestätigten Expeditionsteilnehmer sind aufgefordert, sich am ersten September 1933 im Hotel Amherst einzufinden und der Blick der Öffentlichkeit richtet sich auf New York…

 

 

 

*Hierfür habe ich den ersten Teil des Hörbuchs zu den Bergen des Wahnsinns von der HPLHS genommen. Der passt absolut perfekt, sofern die eigene Runde halbwegs Englisch kann. 

Edited by aeq
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Zweiter Spielabend

 

Unsere Investigatoren haben sich der Einladung James Starkweathers gefügt und sind Anfang September des Jahres 1933 in den Big Apple, das Herz der vereinigten Staaten, den Moloch, den Inbegriff der modernen Großstadt, nach New York gereist. Nach einem Gespräch in der Lobby des Hotel Amhersts mit dem grausam entstellten aber netten Albert Gilmore, der sich als einer der Mechaniker der Expedition herausstellt, ist man einquartiert und gilt es nur noch einige letzte Vorkehrungen zu treffen: Maßnehmen für die Expeditionskleidung, medizinische Überprüfungen bei den Dr. Greene und Enfiled (die zu einer surreal grauenvollen Zahnexekution für Mr. Thorpe führt), Pressefotos, die fachmännisch von Ms. Levinson geschossen werden…

Die Reise beginnt, so könnte man zumindest meinen, doch bevor man tatsächlich in See stechen wird, sind doch noch so einige Vorbereitungen abzuhaken, die mehr Zeit in Anspruch nehmen, als man im ersten Moment gedacht hätte: Am Hafen wird das stolze Expeditionsschiff SS Gabrielle unter Führung des dauergestressten Mannschaftsleiters David Packard (immer in Begleitung muskelbepackter Träger mit mexikanischem Akzent) beladen und auch Chris Whapner und die Damen Levinson und Enfield müssen mit anpacken, die Fracht überprüfen und dergleichen mehr, um sicherzustellen, dass auch bloß nichts fehlt, wenn man New York dann schließlich verlässt. George Thorpe wiederum wird mit den anderen Piloten und Mechanikern, Dewitt, Longfellow, Houston und Miles ein paar Kilometer vor der Stadt die Flugzeuge in Empfang nehmen und auf ihre Funktionalität testen. Als die Fairchild dabei arge Schwächen aufweist und selbst Patrick Miles, der sie immerhin mitentwickelt hat, sagt, dass der Motorblock wohl ausgetauscht werden muss, ist er es, der durch Tatendrang und Improvisationstalent besticht und in einem Anfall erfinderischer Genialität den Tag rettet und den Motor funktionstüchtig bekommt, eine ingenieurstechnische Großtat, die in die Annalen des Flugzeugbaus eingehen wird, oder – wenn dies nicht der Fall sein sollte, doch zumindest in der Crew von sich reden macht.

Währenddessen entgeht Ms. Levinson und Enfield nicht, dass die Frachtlisten nicht wenige Fehler aufweisen, teils seltsame Missverständnisse, teils wahrlich besorgniserregende, fehlende Objekte. Doch ganz gleich ob leere Marmeladengläser oder nicht mehr auffindbare Salzsäure, James Starkweather wittert Sabotage. Ein Eindruck, der sich nur noch weiter steigert, als die Presse am Morgen des 4. Septembers berichtet, dass niemand geringeres als Acacia Lexington, die millionenschwere Erbin, ebenfalls eine Antarktis-Expedition plant und die „erste Frau am Südpol“ sein will. Starkweathers Respekt für die Frauen in seiner Mannschaft wächst ob dieser Neuigkeit in wenigen Nanosekunden ins Unermessliche und so steht er der versammelten Journaille gerne Rede und Antwort, dass er nicht nur eine, nein, zwei Frauen an den Südpol bringen wird – und das natürlich noch vor Lexington, denn der Start der Expedition ist auf den 9. September vorgezogen.

Damit sind es dann fünf Expeditionen, die im internationalen Polarjahr 1933 in die Antarktis  aufbrechen werden: Byrd, Elsworth-Balchen und Barsmeier-Falken, Lexington und Starkweather-Moore, doch nur Lexingtons Planungen tangieren die der SME, fast als wollte sie Starkweather provozieren. Dass zwischen den beiden irgendeine erklärte Feindschaft steht, ist offenkundig, doch darüber reden will die Expeditionsleitung nicht. Sowohl Starkweather als auch Moore blocken ab. 

Das verkürzte Zeitfenster stellt alle Expeditionsteilnehmer unter enormen Stress. Drohbriefe befremdlichsten Inhaltes erreichen die Expeditionsteilnehmer. Spielschulden, Barschlägereien: Die Schmierenpresse berichtet über die dunklen Flecken in Dewitts Vergangenheit.  Doch wenigstens gibt es eine gute Nachricht: Kapitän J.B. Douglas, der bereits die Expedition der Miskatonic als Captain der Arkham unterstützte, hat der Expeditionsleitung zugesagt, wie Moore den Investigatoren verschwörerisch mitteilt. Der Presserummel sei ihm jedoch verhasst und so soll diese Information fürs erste geheim bleiben. Sobald er jedoch in New York ist, bittet Moore darum, dass sie ihn in Empfang nehmen und betreuen.

Nun gut, es gibt noch eine zweite gute Nachricht: Irgendwann ist Feierabend und den nutzen nicht wenige Expeditionsteilnehmer um das New Yorker Nachtleben zu ergründen: Alan „Colt“ Houston findet im Paläontologen und Frauenheld Morehouse Bryce und seiner Clique bestehend aus dem Archäologen Charles Myers, dem dauerschüchternen Doktoranden Timothy Cartier und dem wegen seiner 21 Jahre von den anderen immer wieder aufgezogenen Assistenten Myers  Avery Giles Brüder im Geiste mit denen er ordentlich einen drauf macht, doch das Mädchen nimmt letztlich niemand anderes als Mr. Whapner mit nach Hause. Von da an sieht man ihn häufiger mit der jungen Französin Lucette Charlois, einer Sekretärin im Export-Import ihres Großonkels. Doch Glück in der Liebe, Pech im… Handwerk: Das Aufbauen der Hundekammern unter Führung des Polen Pulaszki wäre ohne ihn wohl schneller gegangen…

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Dritter Spielabend

 

Der 6. September 1933, 1 Uhr: Als Charles Blavatski aus unruhigen Träumen von Göttern und der Ewigkeit erwachte, fand er sich ohne Erinnerung an die jüngste Zeit in einem Bett im St. Marys Hospital in Arkham wieder. Seit mehr als 3 Wochen hatte er in einem komatösen Zustand, der die Ärzte vor Rätsel stellte, vor sich hin gedämmert, nachdem er Mitte August wirr vor sich hin brabbelnd in den Gängen der Miskatonic University gefunden worden war. Die Worte, die er vor sich hin sprach, konnte sie nicht mehr benennen, nur eines war ihr im Gedächtnis geblieben: Soffkott oder etwas dergleichen hatte er immer wieder gemurmelt. Doch nun war er erwacht und stellte mit einem Grausen fest, dass er sich eigentlich seit 5 Tagen in New York aufhalten müsste, was ihm zudem auch durch eine kleine Menge von höflichen Briefen Prof. Moores und einige zunehmend aggressiver werdende Telegramme Starkweathers begreiflich gemacht wurde, die sich in den vergangenen Tagen angesammelt hatten. Das Begleichen der Krankenhausrechnung stellte zum Glück genausowenig ein Problem dar wie die Finanzierung eines Ferngesprächs – aus unerfindlichen Gründen hatte er 100$ in zwei 50ern bei sich. So meldete sich Blavatski um 1.30 Uhr bei Mr. Starkweather zum Dienst, welcher ihm barsch mitteilte, dass er sich gefälligst in das nächste Verkehrsmittel zu schwingen habe, um nach New York zu kommen oder sich nicht länger als Teil der Expedition zu verstehen habe. Nachdem Prof. Moore sich den Hörer noch einmal reichen ließ und Blavatski ruhig mitteilte, dass Mr. Starkweather auf Grund eines unvorhergesehenen Schicksalsschlags gerade ein wenig unleidlich sei, machte sich dieser mit dem nächsten Taxi (die Rechnung ging auf Starkweather) nach New York.

Am Morgen lasen auch Mr. Thorpe, Mr. Wheapner und die Damen Enfield und Levinson die Zeitung und stießen so auf den von Moore erwähnten „Schicksalsschlag“ in Form einer Todesanzeige: J.B. Douglas, Kapitän der Miskatonic, welcher für die SME verpflichtet worden war, starb in der Nacht in einer zwielichtigen Hafengegend. Was war passiert? Konnte selbst diese Tat Sabotage sein? Starkweather und Moore waren noch nicht zum Frühstück heruntergekommen und so begab sich Mr. Thorpe nach oben, wo die beiden jedoch von einem Pressekorps belagert wurden – absolut kein Durchkommen. Doch in all dem Trubel saß eine entspannte, etwas zerknittert wirkende Gestalt in einem Sessel und beobachtete das Geschehen: Lt. J.J. Hansen, wie er sich vorstellte, kam von der Mordkommission des NYPD und wollte den Investigatoren einige Fragen stellen, da sie, wie Mr. Thorpe ihm sogleich mitteilte, ja von Prof. Moore damit beauftragt worden waren, ihn zu betreuen, sobald er hier angekommen war. Dass er dabei erst heute hätte ankommen sollen, ist nur eine von zahlreichen Irritationen, die dieser Fall mit sich zu bringen schien. Doch da die beiden Herren und Damen die Fragen des Kommissar bereitwillig und ehrlich beantworteten (und dabei auch die Adresse des Hotels des Verstorbenen bekannt gaben) empfahl er sich sobald, um Starkweather und Moore einer Befragung zu unterziehen, jetzt, da sich die Pressemeute zerstreut hatte.

Im Heruntergehen begriffen kamen die vier nunmehr jedoch Mr. Blavatski entgegen, der gerade mit dem Taxi (und einigem Gebäck eines nahegelegenen Konditors) das Hotel erreicht hatte und für den Rapport bei Starkweather antrat. Genaueres über das, was ihm zugestoßen war, konnte er auch nicht sagen, wusste er doch selbst am wenigsten darüber, doch bevor sich eine intensivere Unterhaltung zu diesem Thema ergeben konnte, stand bereits Starkweather auf dem Gang, von der Polizei aus seinem eigenen Zimmer vertrieben und hielt Blavatski einen Appell, der sich gewaschen hatte, bevor er kryptisch anmerkte, dass jeder, der ein Interesse daran hätte, herauszufinden, was mit dem Kapitän passiert war, wohl nur eine Gelegenheit dazu bekommen würde, sich in seinem Hotel umzusehen, bevor er wieder von Hansen in das Zimmer hineingebeten wurde. Ebenfalls sprach er Mr. Wheapner auf seinen augenscheinlichen Status als Frauenheld an und hielt ihm die Morgenausgabe der New York Post vors Gesicht, in der auf Seite 3 ausführlich über sein Liebesverhältnis zu einer Italienerin Namens Lusetta Charloso berichtet wurde und dass er die Dame gefälligst ehelichen oder in den Wind schießen sollte, selbstverständlich im Sinne der Expedition. Zur großen Verwunderung aller Anwesenden schien er nunmehr ernsthaft ersteres zu konsiderieren.

Während Mr. Blavatski die üblichen Prozesse (Arzt, Einkleidung, Zahnarzt, Foto, etc.) über sich ergehen lassen durfte, Dr. Enfield David Packard wertvolle logistische Anregungen lieferte und Mr. Wheapner nunmehr also einen Verlobungsring zu kaufen auszog, machten sich Mr. Thorpe und Ms. Levinson auf dem schnellstmöglichen Weg auf zu der heruntergekommenen Absteige, in der der Kapitän residiert haben sollte. Die Polizei hatte den Raum bereits versiegelt, aber durch Charme und List gelang es Levinson sich (nachdem man eine Begegnung mit dem Schmierfink Nathaniel Hawke, der für einen nicht unwesentlichen Teil der verleumderischen Artikel über Mitglieder der Expedition verantwortlich gewesen war, zum Guten gewendet hatte) Zugang zum Zimmer des Kapitäns durch sein Fenster zu verschaffen: Ein einziges Chaos erwartete sie dort, augenscheinlich hatte jemand mit weniger Fingerspitzengefühl als die Spurensicherung den Tatort bereits durchsucht gehabt und neben diversen Indizien (darunter mehrere Telefonnummern) stieß sie insbesondere auf einen Brief, welcher vom Kapitän, an seinen Bruder gerichtet, noch nicht beendet worden war und in dem er von einem komischen Deutschen schrieb, der ihn verfolgte und alles über die Expedition der Miskatonic University und einen gewissen Pym herausfinden wollte…

Die Polizei rückte an, doch glücklicherweise konnten sich Thorpe und Levinson ungesehen vom Tatort entfernen. Als sie am Nachmittag den anderen von ihren Entdeckungen berichten erlebt Blavatski ein Flashback: Eine Gestalt mit deutschem Akzent, die ihm Bezahlung dafür verspricht, dass er ihr irgendwelche Dokumente aus irgendjemandes Büro brächte und die verschwörerisch davon spricht, dass er doch auch „ein Freund der Literatur sei, der seinen Pym gelesen hat“. Könnte dieser Deutsche der Täter gewesen sein? Seine Beschreibung passt jedenfalls auf die, die die Polizei für einen Mann herausgegeben hat, der am Tatort gesehen worden war. Als man am Abend beschließt, die Herberge des Kapitäns noch einmal aufzusuchen und mit dem schmierigen Rezeptionisten spricht, erzählt dieser nach einer erheblichen finanziellen Inzentivierung durch Blavatski alles, was er über den Deutschen weiß – zugegebenermaßen nicht viel. Aber einen Namen hat er parat: Anthony Sothcott. Und da erwischt es Blavatski noch einmal: Er ist sich sicher, dass es Sothcott war, der ihm den Auftrag gab, über die Tunnel in Armitages Büro einzubrechen und von dort alles zu holen, was Pabodie diesem zur Bewahrung überlassen hatte!

Der Tag endet schließlich romantisch: Bei einem Dinner macht Chris Wheapner seiner Lucette nach nicht einmal einer Woche einen Heiratsantrag, welchen diese nach kurzem Zögern annimmt, was zuerst das ganze Restaurant und kurz darauf (dank der Beobachtungsgabe von Morehouse Bryce) die komplette Expeditionsmannschaft mit Jubel quittiert.

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Vierter Spielabend

 

Der Kapitän ist tot, es lebe der Kapitän! Nach dem plötzlichen Ableben des vermeintlich für die Expedition verpflichteten J.B. Douglas in den Morgenstunden des vorangegangenen Tages, kann Mr. Starkweather kurz nach Mitternacht am 7.September 1933 die Entwarnung geben: Ein gewisser Captain Vredenburgh würde die SME von nun an unterstützen und bilde zusammen mit dem ersten Offizier Turlow eine hervorragende Besetzung für den ehemals vakanten Führungsposten der S.S. Gabrielle.

Doch die Investigatoren haben anderes zu tun, als die Entscheidung Starkweathers zu bejubeln: Der Zeitplan ist eng gesteckt und nach wie vor müssen letzte Vorbereitungen getroffen werden. Der für die Logistik Zuständige David Packard treibt die Expeditionsteilnehmer unermüdlich an. Nachdem Starkweather eine größere Gruppe von arbeitslosen Hafen- und Fabrikarbeitern zusammengetrommelt hat, scheint sich die Lage ein wenig zu entspannen, doch dann ist es Peter Sykes, der die Aufmerksamkeit der SME beansprucht und auf eine allgemeine Anprobe der gerade angekommenen Polarausrüstung drängt. Hierbei macht insbesondere Charles Blavatski Bekanntschaft mit dem jungen Archäologie-Professor Charles Myers, welcher für einen Mann der Wissenschaft bemerkenswert undogmatisch mit den Thesen des Metaphysikers umzugehen weiß und ihn teils gar mit obskuren Wissen über angeblich seit Jahrzehntausenden verschollenen Städten in Afrika in ein Gespräch zu verwickeln weiß.

Währenddessen planen Dr. Enfield und Ms. Levinson ihren weiblichen Charme zu nutzen, um Acacia Lexington aus der Hinterhand zu locken und mehr darüber in Erfahrung zu bringen, ob sie bei den Sabotageakten der letzten Tage eine Rolle spielte oder nicht. Als Prof. Moore durch Zufall von ihrem Plan hört, ist er der Idee gegenüber nicht abgeneigt und bittet die Damen Lexington im Sinne der Expedition die aufrichtigsten Grüße zu schicken, nicht zuletzt um das durch die Linse der Medien noch verschärfte Konfliktverhältnis zwischen ihr und Starkweather ein wenig zu entspannen, da für derlei Animositäten im ewigen Eis kein Platz mehr sei. Für den Abend des nächsten Tages bekommen die beiden einen Termin in Lexingtons Villa.

Mr. Wheapner und Mr. Thorpe wiederum wollen nach sorgsam getaner Arbeit und Anprobe mehr über das Ableben des Kapitäns in Erfahrung bringen und besuchen den Tatort: Die heruntergekommene Hafenkaschemme „Purple Cup“, von der Douglas in seinen Notizen sprach, liegt ganz in der Nähe und so entscheidet man sich zu einem Besuch, der allerdings nicht viel zu Tage führt – die Matrosen sind schweigsam und feindselig, einzig ein verunstaltetes kleines Männlein ist bereit, ihnen zu erzählen, dass er sich noch daran erinnern könne, wie Douglas in der Nacht seines Todes mit drei Seeleuten lange und eindringlich über etwas sprach, wobei auch die Namen Lexington und Starkweather fielen…

Im Amherst treffen Enfield und Levinson, die sich auf der Fahrt zum Hotel ein Taxi mit Moore teilen, einmal mehr auf den munteren Rezeptionisten des Hotels, der den Professor direkt auf das Paket ansprach, dass irgendein feiner Herr vorhin in seinem Zimmer abgegeben hatte. Moore war selbstverständlich zu jener Zeit am Dock gewesen – wer war also in sein Zimmer eingedrungen, hatte es ohne Rücksicht durchsucht und letztlich an seiner statt das Paket angenommen? Starkweather tobt und stellt Expeditionsteilnehmer als Wachtposten im Hotel auf (zuerst trifft es den ohnehin durch die schlechte Presse über ihn schon mitgenommenen Dewitt), bis er eine vernünftigere Sicherheitslösung organisiert hat und Moore muss erst einmal mit dem Schock des gewaltsamen Eindringens in seine Privaträume zurechtkommen - doch für die Investigatoren gibt es eine Spur: Der Bote hinterließ seinen Namen, sodass sie beim Blick ins Gästebuch feststellen können, dass es sich bei ihm um niemand geringeres als Nicholas Roerich handelte! Der weltbekannte Abenteurer, Philosoph und Esoteriker logiert zur Zeit (wie sich leicht in Erfahrung bringen ließ) im The Sherry-Netherland und so beschließen Enfield, Levinson und Blavatski ihm nach einer freundlichen Begrüßung am Telefon zu besuchen, um mehr über das Paket in Erfahrung zu bringen. Chris Wheapner begleitet sie, da er, um seiner jüngst Verlobten einen Besuch abzustatten, ohnehin in die gleiche Richtung müsste. Nur Thorpe bleibt zurück, um den nach einem Wutausbruch von Starkweather ein wenig labilen Dewitt wieder auf die Beine zu stellen.

Als das Taxi mit den vier Investigatoren schließlich das Netherlands erreicht und Charles Blavatski gerade die Straße überqueren will, sieht er schließlich das undenkbare: Roerich wird direkt vor dem Eingang des Hotels von einer hochgewachsenen Gestalt in einem Trenchcoat mit einer Waffe bedroht und in einen Wagen verfrachtet, vulgo entführt! Schnell rennt er zum Netherlands, um die Polizei telefonisch zu alarmieren, während die anderen drei dem italienischen Taxifahrer Anweisung geben, den Entführern zu folgen. Es entspannt sich eine gefährliche Fahrt durch Inner Manhattan, in dessen Rahmen Schüsse fallen, Polizeiwagen zu klump gefahren werden und man einem tödlichen Unfall nur knapp entgeht. Schließlich kann man dem Automobil bis zu einem schummrigen Lagerhaus an einem stillgelegten Teil des Hafens verfolgen. Roerich wird in das Gebäude geschafft und während Levinson und Enfield erneut versuchen so schnell wie möglich die Polizei zum Ort des Geschehens zu leiten, ist es Wheapner, der sich an das Gebäude heranschleicht und gerade noch sehen kann, wie sich einer der Entführer mit einem Päckchen unter dem Arm auf ein Motorboot schwingt und davonfährt. Aus dem Haus selbst kann er die eindeutigen Geräusche einer intensiven Befragung mit deutschem Akzent zu vernehmen: Um den Aufenthaltsort von Dyer und Danforth geht es, und um alles, was Roerich über die Vorgängerexpedition und einen gewissen Pym weiß. Viel ist das nicht und immer wieder sind Schläge zu vernehmen, die seine Zunge zu lockern jedoch nicht im Stande zu sein scheinen.  Schließlich kommt die Polizei und nach einer kurzen und intensiven Patt-Situation geben die verbliebenen Geiselnehmer auf, doch das Paket ist verschwunden…

Durch Zufall stößt auch J.J. Hansen zum Tatort hinzu und beglückwünscht die Expeditionsteilnehmer zu ihrem Engagement. Ihm entgeht nicht, dass einer der Täter bemerkenswert gut auf das Phantombild des Tatverdächtigen im Falle Douglas passt. Dass sein Name auch noch Sothcott ist, verringert das Verdachtsmoment nicht gerade.

Schließlich begibt man sich zu dritt mit dem leicht mitgenommenen Roerich zum Dinner, der Blavatski und den Damen mitteilt, was er weiß. So stammte das Paket von seinem entfernten Freund William Dyer, dem Leiter der Miskatonic-Expedition, der mit unbekanntem Ziel in die Südsee verzogen sei. Was genau es enthielte, konnte er jedoch nicht sagen. Irgendwann verabschieden sich Enfield und Levinson, doch Charles Blavatski bleibt ob der weltanschaulichen Nähe zu Roerich noch bis tief in die Nacht.

Als man Moore in der Lobby des Amherst, in der Thorpe gerade mit Dewitt und einigen anderen Monopoly spielt, die gesamte Geschichte berichtet, ist er außerordentlich irritiert und beginnt von den seltsamen Veränderungen zu berichten, die seine Kollegen und Freunde nach der Rückkehr aus der Antarktis durchgemacht hätten. Alle seien sie seltsam still geworden und insbesondere sein Verhältnis zu Dyer war nachhaltig gestört. Dass er ihm nun dieses Päckchen schickte… er weiß es nicht zu deuten, doch bleibt er fest entschlossen herauszufinden, was am Pol geschah…

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Fünfter Spielabend

 

Der 8. September 1933 verspricht ein ungemütlicher Tag zu werden. Bereits in den frühen Morgenstunden türmen sich Wolkenberge über der Stadt auf und ein kalter Wind fegt durch die Straßen Manhattans. Im behaglichen Inneren des Hotel Amherst merkt man davon selbstverständlich nicht sehr viel, während Professor William Moore nicht ohne Stolz in der Stimme berichtet, dass die Vorbereitungen für die Abreise fast abgeschlossen seien und sie, sofern nichts Unvorhergesehenes geschähe, am kommenden Tag kurz nach Sonnenaufgang New York Richtung Panama verlassen könnten. Die gute Stimmung verflüchtigt sich jedoch sogleich wieder, nachdem Moore die Anwesenden daran erinnert, dass der verstorbene Kapitän J.B. Douglas heute beigesetzt werden würde und James Starkweather und er sich freuen würden, wenn weitere Mitglieder der Expedition bereit wären, dem Ermordeten die letzte Ehre zu erweisen. Mr. Thorpe, Mr. Wheapner, sowie die Damen Enfield und Lewinson schließen sich, als diejenigen, die eigentlich für Kapitän Douglas Verantwortung getragen hatten, Moore und Starkweather an, nach kurzem Zögern stößt Ralph Dewitt zur Gruppe hinzu, der nach der Pressebarrage der letzten Tage hofft, dass ihn ein Friedhof auf andere Gedanken bringen würde.

Nachdem die „Helden des gestrigen Tages“, welche Nicolas Roerich aus den Fängen der deutschen Entführer um Anthony Sothcott befreit haben, noch kurz einem etwas fahrig wirkenden jungen Mann von NBC ein Radiointerview über ihre Rolle in den Geschehnissen gegeben haben (wobei Mr. Blavatski jedoch unauffindbar ist), macht man sich auf den Weg: Es regnet in Strömen, als die kleine Gruppe in zwei Taxis zum Friedhof St. Brigit fährt. Viele sind nicht gekommen, um von Kapitän J.B. Douglas Abschied zu nehmen, zwei alte Seemänner, ein Mann in Anzug und ein dickerer Mann mit Bart von vielleicht 55 Jahren – Douglas‘ Bruder Philip. In einigen Metern Distanz macht Mr. Thorpe jedoch eine weitere Gestalt aus: Es ist niemand Geringeres als der Journalist Nathaniel Hawke, welcher für einen Gutteil der Schmierenpresse gegenüber der Expedition in den letzten Tagen verantwortlich ist. Er hält sich abseits, kritzelt aber jedes Wort, welches gesprochen wird, auf einen kleinen Notizblock, den er unter einem Baum vor Regen geschützt hält. Beim Anblick der Investigatoren zieht er sich jedoch schnell zurück: Zu lebendig sind seine Erfahrungen daran, was aufgebrachte Subjekte seiner „Recherchen“ mit ihm anstellen könnten.

Nach einer kurzen, uninspirierten Rede des Priesters kondolieren Moore und der ungewöhnlich ernste Starkweather dem Bruder des Verstorbenen, der Rest der Anwesenden folgt sogleich. Während Dr. Enfield kurz darauf ein Taxi nimmt, um zurück in die Innenstadt zu kommen, und sich dabei ein wenig mit Mr. Gerald Brackman, dem Anzugträger von der Beerdigung unterhält, der sich als Douglas Anwalt herausstellt und Dewitt noch eine Rechnung mit Hawke begleichen will, kommen die anderen Investigatoren mit Philip ins Gespräch und laden ihn zum Essen ein. Er scheint froh, jemanden zu haben, mit dem er reden kann und so vertraut er der Dame und den beiden Herren einige hässliche Geheimnisse über das Leben seines Bruders nach der Rückkehr aus der Antarktis an: Dass er wieder mit dem Trinken begonnen hatte und ihm zwei Finger fehlten, wie sein ganzes Gemüt von einer tiefen Schwermut durchdrungen war und er im Schlaf sprach und schrie. Philip hatte das Verhalten seines Bruders über Monate besorgt beobachtet und sich aus zahlreichen Fragmenten von kryptischen Äußerungen und den im Schlaf gesprochenen Worten seines Bruders, sowie vorangegangenen Funkmeldungen der Arkham ein Bild davon gemacht, was J.B. dort unten passiert sein mochte: Die Crewmitglieder, die der Schnee in die Raserei getrieben hat, und die aufeinander losgingen, der Matrose, der einfach aufs Schelfeis sprang und dessen Leiche man nie fand, seltsame kalte, schwarze, Steine, die plötzlich angespült wurden und die irgendetwas damit zu tun haben mochten, wie der Kapitän seine Finger verlor und nicht zuletzt Danforth, der junge Student und Expeditionsteilnehmer, der mit Dyer zusammen zum Rettungstrupp gehörte, welcher in Lakes Lager geschickt worden war und der seit seiner Rückkehr vollkommen wahnsinnig geworden zu sein schien und im Maschinenraum fixiert werden musste, damit sein Geschrei nicht die Moral der Crew vollkommen zersetzte.

„Die Falle, die Falle, die Falle… Gott ist gefangen!“, rief er nur immer wieder, unterbrochen von wahnsinnigem Lachen, bevor er irgendwann vollkommen verstummte.

Die drei Expeditionsteilnehmer lauschen den Schilderungen Philips schweigsam und mit Unbehagen. Irgendwann scheiden sich ihre Wege und sie fahren zurück in die Innenstadt, während Douglas noch einmal zum Grab seines Bruders will. Der Regen hat aufgehört und vereinzelt brechen Sonnenstrahlen durch das Wolkenmeer über New York.

Um 17 Uhr ist das Treffen von Dr. Enfield und Ms. Lewinson mit Acacia Lexington anberaumt. Mit dem Taxi macht man sich auf die weite Reise von Manhattan zu ihrer Villa nach Queens und wird von ihrem Sekretär bzw. Butler Richard, einer eher unterkühlten Gestalt, in ihr Arbeitszimmer geleitet, welches von drei Gemälden Nicolas Roerichs sowie einer seltsamen Landkarte umrahmt wird. Ein Fenster eröffnet den Blick auf einen wunderbar gepflegten japanischen Garten. Nach kurzer Wartezeit betritt Lexington den Raum und es entspinnt sich ein höfliches, wenn gleich nicht wirklich persönliches Gespräch: Die Damen hoffen durch offen zur Schau getragene Abneigung gegen Mr. Starkweather bei Acacia punkten zu können und auch, wenn sie ihnen in allen Punkten zustimmen mag (bzw. teilweise in ihrer Feindseligkeit gegenüber dem Leiter der SME die beiden noch weit in den Schatten stellt – sogar von einer Vergiftung Starkweathers spricht sie), ist sie vom Besuch der beiden irritiert und kann ihre Motivation nicht genau einordnen. Ms. Lewinsons Reden erwecken bei ihr den Eindruck, dass die beiden eventuell zu ihr überlaufen wollen, doch das weisen sie von sich und wenn dann erst auf dem ewigen Eis. Lexington interpretiert das als ein „sobald Starkweathers Expedition zusammenbricht, wollen wir von ihnen gerettet werden“, und ist davon nicht sonderlich angetan. Sie rät den beiden immer wieder ausdrücklich, dass sie, wenn ihnen an ihrem Leben gelegen sei, die SME verlassen sollten und ihre Sicherheit ansonsten ernstlich in Frage stünde. Könnte sie unter Umständen für die Sabotageakte der letzten Tage verantwortlich sein?

Am Abend kann Moore die frohe Botschaft verkünden, dass die Expedition nahezu aufbruchsbereit ist und das Schiff nach Plan in den Morgenstunden ablegen wird. Doch bevor die Investigatoren ihr Gepäck an Bord laden, versuchen sie dem Verschwinden von Mr. Blavatski auf die Spur zu kommen und rufen deshalb Nicolas Roerich an, welcher ihn zuletzt gesehen hatte. Dieser erklärt, dass Blavatski ihn kurz nach Sonnenaufgang verlassen hätte. Besorgt macht man sich auf den Weg zur S.S. Gabrielle, wo Decksoffizier Turlow die Expeditionsteilnehmer über ihre Kabinen informiert. Mr. Wheapner, Mr. Thorpe und Mr. Blavatski sind in einer Kajüte, die Damen in einer anderen. Und tatsächlich, dort sitzt Blavatski meditierend, anscheinend in einer Art Trance-Zustand. Dr. Enfield rät davon ab, ihn aufzuwecken und so rätselt man fürs erste über seinen Zustand, bevor kurz vor 22 Uhr eine gewaltige Explosion das Schiff erschüttert. Schnell versuchen sich alle einen Überblick zu verschaffen: Am Pier brennt es lichterloh, das Lagerhaus wird stetig zum Opfer der Flammen. Treibstofffässer explodieren immer wieder lautstark, überall finden sich Pfützen brennenden Benzins. Die Schauerleute und Hafenarbeiter fliehen den Ort des Geschehens. Doch am gefährlichsten wirkt eine Palette von fünf Fässern voller Gasolin, die gerade mit Hilfe des Krans auf das Schiff verladen werden sollten und bedrohlich zwischen dem Pier und dem Schiff hängen. Sollten sie sich entzünden und ebenfalls explodieren, wäre das Ergebnis fatal. Als Starkweather an Deck kommt und die Situation erfasst, fackelt er nicht lange und trommelt eine kleine Truppe um Mr. Wheapner und den Schlittenführer Pulaszki zusammen, um die Fässer mit Hilfe der Löschschläuche an Bord des Schiffes zu kühlen. Kapitän Vredenbourgh tut derweil alles, um das Schiff vom Hafen loszubekommen und Mr. Thorpe versucht zusammen mit dem bärengleichen Charlie Porter den Kran aus der Gefahrenzone zu bringen. Enfield und Lewinson haben zu diesem Zeitpunkt zusammen mit Dr. Greene bereits das Schiff verlassen und versuchen am brennenden Lagerhaus so gut es geht zu helfen. Verletzte Schauerleute retten sich aus den Gebäude, unter ihnen auch der verletzte Hidalgo Cruz, welcher allerdings hustend nach drinnen zeigt und in gebrochenen Englisch begreiflich zu machen versucht, dass der Chef der Expeditionslogistik Dave Packard immer noch da drin wäre. Greene und die beiden Damen zögern nicht lange und springen in das Flammenmeer. Gemeinsam gelingt es ihnen den ohnmächtigen Packard aus dem Inferno zu ziehen, wobei Greene sich schwere Verbrennungen am Bein zuzieht, da er in eine Pfütze entzündeten Benzins tritt. Ms. Lewinson erkennt dabei zwischen den dichten Rauschschwaden eine Gestalt auf der anderen Seite der Flammen, in ihrer Hand ein Kanister – Der Brandstifter? Sie nimmt die Verfolgung auf und es gelingt ihr die Gestalt in einem Handgemenge festzunageln. Gemeinsam mit dem vom gerade ablegenden Schiff an Land gesprungenen Wheapner schaltet sie ihn aus. Polizei und Feuerwehr rücken an und man identifiziert den Täter als den Kleinkriminellen Jerry Polk, dem ein rothaariger Mann namens Doyle 500 Dollar geboten hat, wenn er die beiden Docks der Expeditionen in Brand setzen würde. Mr. Wheapner eilt schnellstmöglich zu seiner Verlobten, die auf ihn am Dock gewartet hatte und das ganze Schauspiel aus nächster Nähe mit ansehen musste. Für die gerade anrückende Presse bietet das Liebespaar ein gefundenes Fressen. Der gerade wieder zu sich gekommene Packard nimmt derweil gemeinsam mit Turlow den Schaden in Augenschein: Einige Lebensmittel sind verbrannt und natürlich große Teile des Treibstoffs. Nichts, was man nicht wieder auftreiben könnte. 1-2 Tage Verzögerung, mehr nicht. Doch vom Bug der Gabrielle blickt Mr. Starkweather stoisch mit einem Feldstecher den Hudson hinunter, wo gerade ein anderes Schiff von den Schleppkähnen aufs offene Gewässer hinausgezogen wird: Es ist die Tallahassee, Acacia Lexingtons Schiff. 

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  • 4 weeks later...

Sechster Spielabend

 

Kurz nach Mitternacht des 9. Septembers: Mit mehr oder minder großer Fassungslosigkeit versuchen die Mitglieder der Starkweather-Moore-Expedition zu verstehen, was gerade passiert ist. Man starrt in die immer noch glimmenden Trümmer des Lagerhauses, welches vor wenigen Stunden noch lichterloh brannte. Schadensbegrenzung tut Not. In all dem Chaos erwacht Charles Blavatski* aus einer Art meditativem Rausch, der ihn an den Rand allen Bewusstseins führte, einen sonnenlosen Ozean, den Ursprung allen Lebens, älter und fremdartiger als es je ein Wissenschaftler zu denken wagte. Augenscheinlich war er am vorletzten Abend von Nikolaus Roerich zu einer tiefen Kontemplation unter Einfluss psychoaktiver Substanzen in seine Suite im Sherry Netherlands eingeladen worden, doch danach vermischen sich alle Erinnerungen zu einer protoplasmiden Brühe, die Anfang und Ende allen uns bekannten Seins in sich zu tragen schien und in kakophoner Stimmenvielfalt Blavatskis Hirn bombardierte: Waren dies die Akasha-Chroniken von denen seine Großmutter Helena Petrovna Blavatsky gesprochen hatte?

Nachdem (in seltenem Rollentausch) Moore die Presse besänftigt und Starkweather mit dem unter seinen Verbrennungen leidenden Packard die Schäden besehen hat, ist es an Ms. Lewinson ihrer Pflicht als Expeditionsfotografin nachzukommen und die heldenhaften Szenen des Abends zu „rekonstruieren“, wie Starkweather es nennt. Nach einer viel zu langen Nacht begibt man sich schließlich ein (hoffentlich) wirklich letztes Mal ins Amherst, welches Moore überstürzt für eine weitere Nacht zu buchen gezwungen war, um den Expeditionsteilnehmern ein Dach über dem Kopf zu bieten.

Beim Frühstück, ein paar Stunden später, verkündete Moore schließlich die Einschätzung von Starkweather, Decksoffizier Turlow, Packard und sämtlichen Mitgliedern des Lagertrupps, die die Nacht durchgearbeitet haben: Ihr Ersteindruck hat sich bestätigt, primär von den Schäden betroffen seien Nahrungsmittelvorräte und Kerosin, welche man in Australien zuliefern lassen könnte. Problematischer sähe es jedoch mit einem der Boeing-Ersatzmotoren aus, der kurz vor seiner Verladung gestanden hatte: Er sei komplett ausgebrannt und schließlich mitsamt der kleinen Transportbahn ins Meer gestürzt. Als Mr. Thorpe dies hört, muss er schlucken: Der Motor war immerhin noch nicht einmal auf dem Markt und zudem von ihm selbst und seiner Abteilung für die Extremwetterbedingungen der Antarktis optimiert. Nach kurzem Nachdenken ruft er seinen Abteilungsleiter bei Boeing, Jeremy Nimoy an, um ihn über das Problem in Kenntnis zu setzen. Auch dieser ist von der Nachricht persönlich getroffen, sieht aber seine Chance, sich beim Management beliebt zu machen: Der Presserummel der SME hatte bei Boeing schon vor einigen Tagen Interesse an einer medialen Zusammenarbeit laut werden lassen, die jedoch nicht weiter verfolgt worden war. Nimoy bietet deshalb nicht nur eine schnellstmögliche Konstruktion des Ersatzmotors zum Selbstkostenpreis, sondern auch noch eine Lieferung nach Melbourne auf Kosten der Firma an, wenn die Expedition Boeing dafür adäquat in den Fokus der Berichterstattung rückt, z.B. durch eine entsprechende Übergabezeremonie und eine Integration der Boeing in das Expeditionslogo. Starkweather ist vom Deal, den „dieser Fuchs“ Thorpe abgeschlossen hat, ganz begeistert und sagt sofort zu, alles entsprechend in die Wege zu leiten.

Die Investigatoren verbringen den Rest des Tages mit letzten Recherchen und Besorgungen: Mr. Wheapner scheint den Transportlisten der Expedition nicht vollends zu trauen und deckt sich deshalb noch einmal selbst mit Überlebensausrüstung (und einer Zimmerpflanze) ein, bevor er mit seiner Verlobten einen angenehmen Abend zu zweit zubringt und Dr. Enfield macht sich unter dem Eindruck der Erzählungen Philip Douglas gemeinsam mit Dr. Greene daran, noch einige Beruhigungsmittel zu kaufen, bevor er sie gegen 8 Uhr überraschend zu einer Steinbeck-Lesung in eine recht freigeistige Buchhandlung einlädt. Mr. Blavatski scheitert leider sowohl daran, über J.J. Hanson kurzfristig ein Gespräch mit Roerichs Entführer Sothcott zu bekommen, als auch mit dem Entführten selbst zu sprechen, da dieser für einige Take die Stadt verlassen hätte. Ms. Lewinson versucht derweil letzte Recherchen zur Karte des Piri Reis anzustellen, welche ihr seit dem Besuch bei Acacia Lexington gestern Abend nicht mehr aus dem Kopf zu gehen scheint. Am Abend schließlich machen sich nahezu alle jüngeren Expeditionsmitglieder (Mr. Houston, Prof. Bryce und Mr. Cartier, Mr. Thorpe, Mr. Blavatski, Mr. Myers, Mr. Dewitt, Mr. Laroche, Mr. Gilmore und selbst Mr. Winslow) auf den Weg in eine Flüsterkneipe, um den Abschied vom Festland gebührend zu feiern. Der Besuch produziert eine Vielzahl seltsamer Szenen, Mr. Blavatski erinnert sich am Morgen der Abfahrt insbesondere an das seltsame Bild des sonst so schweigsamen Winslow, der sich den Versuchen von Bryce, ihn mit Whiskey abzufüllen vollkommen entzog und stattdessen Gilmore das Konzept der Markov-Kette zur Modellierung von Monopoly zu erklären versuchte, der davon (es mag am deutschen Schnaps gelegen haben) vollkommen fasziniert war.

Dann, am 10. September um 7:12 Uhr ist es soweit: Die S.S. Gabrielle verlässt den Hudson River und befindet sich nach kurzer Fahrt auf offenen Gewässern. Sobald man die fünf Meilen-Grenze überschritten hat, bricht allgemeine Feierstimmung aus und Mr. Wheapner macht sich (nicht zuletzt um den Abschied von seiner Verlobten zu verdrängen) mit einigen Flaschen Jack Daniel’s aus der Zeit vor der Prohibition mehr als beliebt, die Starkweather kurz darauf mit Vorkriegssekt ergänzt. Einige Herren entschuldigen sich mit Blick auf die frühe Stunde (oder den gestrigen Kater), andere machen sich nach kurzen Akklimatisierungsversuchen schnellstmöglich auf den Weg Richtung Reling. Auch Prof. Moore scheint sich noch an den Seegang gewöhnen zu müssen.

Die ersten Tage der Fahrt vergehen ruhig, am 14. September umfährt man Küste Kubas, das Wetter ist zunehmend karibisch. Die Pflanze, die Mr. Wheapner mit an Bord gebracht hat, muss, wie ihm ein Steward namens geduldig Henning mitteilt, leider entweder in die Offiziersmesse oder das Schiff ganz verlassen. Moore gewöhnt sich (nicht zuletzt durch die Unterstützung der beiden fachkundigen Mediziner) relativ bald an das Leben auf See und initiiert alsbald ein Unterhaltungs- und Bildungsprogramm: Expeditionsteilnehmer sind herzlich eingeladen, die Fahrt mit lehrreichen Vorträgen oder sonstiger Erbauung zu versüßen. Der Andrang ist überraschend groß und reicht von Kursen zum Umgang mit den Fliegern, die Thorpe, Miles und Dewitt zu verantworten haben bis hin zu eher exotischen Lektionen in der alten Kunst des japanischen Papierfaltens vom immer noch schwer hustenden Packard.

Einzig die distanzierte und zuweilen misstrauische Attitüde der Crewmitglieder irritiert die Investigatoren: Verhalten sich die Offiziere stets tadellos und höflich, ganz gleich ob Turlow Starkweathers Anekdoten beim Nachmittagstee lauscht oder in der alltäglichen Fachsimpelei der Schiffsingenieure mit dem technischen Korps der Expedition, wahren die einfachen Mannschaftsgrade sorgsam Distanz zu ihren Gästen an Bord der Gabrielle. Insbesondere die Damen sowie James Starkweather scheinen es ihnen dabei angetan zu haben. Zur Auflockerung der Stimmung ersinnt die findige Ms. Lewinson ein szenisches Spiel eines zeitgenössischen Abenteuerromans zum Zwecke der allgemeinen Bordunterhaltung über sämtliche Ränge der Schiffshierarchie hinweg. Starkweather ist angetan und begeistert sich sofort für die Hauptrolle. Zwar sind am Ende die Zuschauerplätze im Mannschaftsraum primär mit Expeditionsteilnehmern und dem Offizierskorps gefüllt, doch haben sich in den hinteren Rängen auch einige Matrosen eingerichtet. Sie tuscheln jedoch miteinander, augenscheinlich macht eine Zeitung die Runde. Ms. Lewinson kann sich die Zeitung durch klugen Einsatz der improvisierten Bühneninfrastruktur ihres Schauspiels als Requisite aneignen und ermöglicht es so auch den Investigatoren den fraglichen Artikel zu lesen: Ein Interview von vergangener Woche des New York Observer mit einem gewissen Mark Peabody über Starkweathers Expedition in die australische Wüste vor mehr als 10 Jahren, in welchem harte Anschuldigungen gegen den erfolgreichen Abenteurer angebracht werden. Schlampige Vorbereitung und Inkompetenz hätten es zu einer reinen Glückssache gemacht, dass alle Teilnehmer wohlbehalten in die Zivilisation zurückgekehrt seien. Starkweather erklärt die Dinge in seinen Büchern selbstverständlich gänzlich anders. Kann man Mark Peabodys Aussage trauen oder will er nur auf der aktuellen Medienwelle mitschwimmen, die die SME ausgelöst hat? Und hat am Ende jemand den Artikel bewusst lanciert? 

 

* Der Spieler hatte den vergangene Spielabend versäumt, weshalb ich ihm seiner okkulten Profession und seiner Erfahrung mit Sothcott an der Miskatonic entsprechend einige Visionen mit auf den Weg gegeben habe, die einen extrem vagen Ausblick auf die Geschehnisse um die Götterfalle geben. 

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Siebter Spielabend

 

Die letzten Tage im Atlantik vermitteln den Teilnehmer der Starkweather-Moore-Expedition ein gewisses Gefühl von Urlaub: Das Wetter ist wunderbar und verleitet zum (beim Fahrttempo der Gabrielle natürlich nicht erlaubten) Schwimmen in den endlosen Weiten der Wellen. Auf Drängen von Prof. Morehouse Bryce lässt sich Moore am 17. September dazu breitschlagen „diesen Film mit dem Affen“ auf dem Projektor der SME zu zeigen. Während Starkweather skeptisch, aber außerordentlich aufmerksam den Geschehnissen auf der Leinwand folgt (fast so als würde er gerade ein Gemälde von George Bellows begutachten) und Moore gelegentlich wegnickt, ist der Großteil der anwesenden Expeditionsteilnehmer gut unterhalten und insbesondere von der Tricktechnik beeindruckt.

Am Morgen des 19. Septembers nähert sich das Ende der ersten Etappe der Expedition, als in den ersten Strahlen der Morgensonne die Küste Panamas in ein goldenes Licht getaucht vor dem Schiff langsam näher kommt. Das opulente Grün wird nur hin und wieder von Befestigungsanlagen und grauen Gebäuden unterbrochen, die – kanonenstarrend und wehrhaft – seltsam deplatziert wirken. In der Bucht von Colon dümpelt man eine Stunde lang zwischen kleinen Fischerbooten hin und her, bis schließlich ein jamaikanisch anmutender Verwaltungsangestellter namens Quentin die Gabrielle von einer Zollbarkasse aus besteigt, die bürokratischen Details klärt und gemeinsam mit Kapitän Vredenburgh den 15m breiten Rumpf des Schiffes sicher durch die gigantischen Gatun-Schleusen manövrieren, wo es langsam aber stetig angehoben wird. Noch zwei Mal wiederholt sich dieses Schauspiel bevor Vredenburgh auf den Gatun-See einfährt und Mr. Wheapner diverse Expeditionsteilnehmer mit seiner überraschend guten zoologischen Kenntnis der lokalen Fauna beeindrucken kann. Mr. Thorpe ist derweil in ein Gespräch mit Ingenieursmaat Pacquare über die Details der unerreichten technischen Meisterleistung, welche der Panamakanal darstellt, vertieft und nur wenige Schritte entfernt diskutieren Mr. Blavatski und Prof. Myers die Meriten der hiesigen präkolumbianischen Zivilisation, sowie die jüngere Geschichte der Region, über die Myers dank gewisser Lektüre vor Reiseantritt grob im Bilde ist.

Über den zwischen den Hügeln eingeschnittenen Culebra-Kanal geht es über weitere Schleusen schließlich in den Miraflores-See und in der einbrechenden Dämmerung erreicht die Gabrielle nach der Passage zweier weiterer Schleusen schließlich den Pazifik in Form des Hafenbeckens von Balboa, der von Schiffen jeder Größe gesäumt ist. Zwar geht man hier vor Anker, doch Starkweather sieht davon ab, Landgang zu gestatten, womit er sich insbesondere unter den Crew-Mitgliedern nicht gerade Freunde macht. Generell ist sein Ruf in diesen Kreisen nach wie vor eher suboptimal und färbt auf die gesamte Expedition ab, was das Verhältnis zwischen Schiffsmannschaft und SME sichtlich verschlechtert. Trotzdem feiert man unterstützt durch von fahrenden Händlern gebrachtes Obst und lokalen Alkohol gemeinsam ein kleines karibisches Fest, um die die Wasserscheide gebührend zu zelebrieren.

Am nächsten Morgen werden zu früher Stund unter Starkweathers und Packards wachsamen Augen von einem kleinen Frachtkahn die Nahrungsmittelvorräte der Expedition um Obst und Gemüse der Region ergänzt, sodass die Gabrielle früh wieder in See stechen kann. Schon gegen Mittag ist das Festland außer Sicht und das Wetter hat merklich angezogen: Gischt und Wellen spritzen an Deck und durchnässen jeden in kürzester Zeit, der es wagt, sich den Naturgewalten auszusetzen. Wer kann, bleibt unter Deck, wo man dem mitleiderregendem Schauspiel beiwohnen kann, wie Prof. Albermarle versucht, trotz massiver Seekrankheit im andauernden Geschaukel der Wellenberge- und Täler seinen Vortrag über das Klima der Antarktis zu halten.

Am 22. September halten Dr. Greene und Dr. Enfield gemeinsam ein Seminar über Kältemedizin und Erste Hilfe. Als Zeichen des guten Willens hatte Offizier Turlow auch die einfachen Crewmitglieder angeregt, an dieser Veranstaltung teilzunehmen, doch die Matrosen, die sich dort, in der hintersten Reihe der Mannschaftsmesse platziert haben, lauschen dem Vortrag nur peripher. Stattdessen geht erneut eine Zeitung herum und Ms. Lewinson erhascht aus dem Seitenwinkel einen Blick auf den Artikel, der im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht und den Titel „DAS BLUT AN JAMES STARKWEATHERS HÄNDEN“ trägt. Im Rahmen der praktischen Übungen im weiteren Verlauf des Seminars gelingt es ihr, sich die Gazette zu angeln und gemeinsam lesen die Investigatoren: Auffällig ist, dass diese Ausgabe des Arkham Advertisers bereits mehrere Jahre alt ist und doch noch relativ frisch aussieht. Der Inhalt ruft Stirnrunzeln hervor, denn erneut wird Starkweather (diesmal im Rahmen der Veröffentlichung seines ersten Buches, in welchem er unter anderem seine Himalaya-Expedition 1925 an der Seite von Prof. Moore für die Miskatonic-Expedition beschreibt) für mangelnde Planung seiner Expedition, den Verlust eines großen Teils der Vorräte und sogar den Tod von 3 Sherpas und 5 Yaks verantwortlich gemacht. Der Sensationalismus täuscht Ms. Lewinson und die anderen jedoch nicht und so konzentriert man sich auf die zentrale Frage: Wer lanciert diese schlechte Presse nur?

Die misstrauische Attitüde der Mannschaft gegenüber der Expedition verbessert sich auch in den kommenden Tagen nicht, ganz im Gegenteil: Zwar setzt sich das Wetter wieder und der Ozean ist nun spiegelglatt, doch wirft die Crew den Wissenschaftlern (und vorallem den Frauen) nun offen misstrauische und unduldsame Blicke zu. In Ecken stehen sie tuschelnd herum und tragen vertäute Bündel über Deck. Von Wheapner und Thorpe auf ihre Feindschaft zu Starkweather angesprochen, entgegnen die Vollmatrosen Stokeley und Almondale gar, dass man die Probleme mit diesem Vergewaltiger (ein neues Gerücht) vielleicht schon sehr bald aus der Welt schaffen würde, worauf ein hässliches Lachen folgt. Als dann auch noch plötzlich Pacquare verschwunden scheint, ohne Vorwarnung die Motoren verstummen und die Expeditionsmitglieder unwirsch von der Mannschaft an Deck zitiert werden, bricht Panik unter den Investigatoren aus, Mr. Wheapner ist bereits kurz davor sich zu bewaffnen*, als Ms. Lewinson mit Blick auf ihre geographische Lage eine unter Umständen deutlich harmlosere Erklärung für diese verdächtigen Umtriebe in den Sinn kommt.

Tatsächlich ist die Erklärung zwar nicht schön, aber harmlos: Admiral Triton höchstselbst (der sich als verkleideter Pacquare herausstellt) überbringt Kapitän Vredenburgh die Botschaft, dass das Schiff morgen Äquator überqueren und deshalb König Neptun die Kontrolle über die Brücke übernehmen würde. Einige Landratten müssten hier schließlich noch getauft werden…

Für die Zeitgenossen, welche bisher noch nicht den Äquator überquert hatten, ergibt sich dadurch am nächsten Tag die zweifelhaft Chance, die fremden und ein wenig deftigen Bräuche der Seefahrt aus erster Hand zu erleben, aus den Reihen der Expeditionsteilnehmer wird insbesondere Mr. Thorpe und dem Rest der Piloten und Ingenieure, dem arg zitternden Timothy Cartier, welchem von Morehouse Bryce Mut zugesprochen wird und dem erst gar nicht erschienenen Samuel Winslowe diese Ehre zu Teil. Nachdem alle das reichlich tumbe Theater überstanden haben, werden Fleischbällchen, Schwedisches Flaschenbier, Salzstangen und manch andere Knabberei gereicht, sodass die Stimmung, selbst zwischen Expedition und Crew, merklich entspannt. Bis in den Nachmittag verbleiben die letzten und genießen den Ausklang der Zeremonie. Doch gegen vier rennt der obere Steward Coates schwer hustend an Deck und ruft Alarm aus: Die Kühlleitung sei defekt, große Mengen Ammoniak ausgetreten und die Kühlfracht kaum zu betreten, ohne sich übergeben zu müssen.

 

Es hilft alles nichts, man muss herunter und den Schaden besehen. Mit feuchten Tüchern vor dem Mund macht man sich auf den Weg dem Pesthauch des Frachtraums entgegen. Während Mr. Thorpe zu dem Ergebnis kommt, dass die Rohrleitung wahrscheinlich durch den Einfluss von Säure zerstört wurde und die Crew zusammen mit der Lagermannschaft schlecht gelaunt den Ammoniak wegschrubbt, besehen Mr. Packard, Mr. Starkweather und Mr. Wheapner den Schaden: Der Kühlraum ist ohne Reparatur an Land nicht mehr nutzbar und gut dreiviertel der Fracht durch den Ammoniak ungenießbar geworden. Der Rest wird sich nicht mehr lange halten. Als Vredenburgh dies mitbekommt, drängt er Starkweather dazu, umzukehren, doch dieser ist unbeirrt in seinem Streben schnellstmöglich nach Melbourne zu kommen und dort, wenn es sein muss, auf eigene Kosten neue Vorräte zu kaufen. Nach einer sich andeutenden Besserung ist das Verhältnis zwischen SME und Crew damit auf einem neuen Tiefpunkt. Doch die Investigatoren ahnen zunehmend, dass hier ein Saboteur am Werk ist und dies nicht seine letzte Tat gewesen sein mag…

 

* Das war angenehm nahe an einer Eskalation. Die Nerven lagen auf jeden Fall blank. Ich bin generell immer wieder überrascht, wie gut es die Gruppe schafft, sich für mittlerweile gut 40 Stunden nahezu ohne jeden Mythosbezug bei Laune zu halten.^^ 

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  • 4 months later...

Achter Spielabend

 

Nach kurzer Besprechung setzen Mr. Thorpe und Ms. Lewinson und Dr. Enfield Mr. Starkweather, Prof. Moore und Offizier Turlow auf der Brücke über ihre Untersuchungen der Rohre in der Kühllast ins Bild. Verätzungen? Ein Saboteur an Bord der Gabrielle? Man ist sich nicht vollends sicher, was man daraus machen soll. Sollte die Tat nicht schon am Festland stattgefunden haben (was nicht auszuschließen ist) und sich der Verräter tatsächlich noch auf dem Schiff befinden, könne man sich nicht sicher sein, ob und wann er wieder zuschlagen würde. Gemeinsam überlegt man, welche Teile der Fracht nach den nunmehr verdorbenen Nahrungsmitteln das höchste Gefährdungspotential besitzen: Die Generatoren? Die Bohrausrüstung? Mr. Thorpe fürchtet insbesondere um die Motoren der Fairchild sowie der drei Boeings, während Dr. Enfield die Hunde ins Spiel bringt. Den Täter dingfest zu machen, hat oberste Priorität, darin sind sich alle einig und so schlägt Ms. Lewinson vor, dass man ihm eine Falle stellen sollte: Man müsste ihm eine einmalige Chance bieten, die Expedition in ihrem Mark zu erschüttern, sodass selbst Starkweather gar nicht anders könnte, als umzukehren. Als sie ihren Plan gerade vorzustellen versucht, stürmt allerdings ein Matrose in den Raum und ruft etwas von einem Bombenfund in einem der Rettungsboote!

Ein paar Minuten zuvor war Mr. Wheapners Misstrauen ob der Ergebnisse von Thorpes Untersuchung der korrodierten Rohe geweckt und einer Intuition folgend, begann er das Deck nach Anzeichen von Sabotage zu untersuchen. Als er die schwere Plane eines der Rettungsboote ein kleines Stück anhob, sah er in der Dunkelheit darunter zwar nichts, doch nahm etwas war, was ihm unzweifelhaft an ein Ticken gemahnte. Könnte es sich um eine Bombe handeln? Schnell war der Matrose Almondale, der gerade vorbeilief, abkommandiert, Wheapner beim Anheben der Plane zu helfen, doch als beide zusammen an den Seilen zogen, die die Plane an Ort und Stelle hielten, war im Umkreis von 10 Metern ein unschönes Knacken zu vernehmen und Almondale lag schreiend am Boden. Der Matrose hatte es irgendwie geschafft, sich bei Zug am Seil den Arm auszukugeln und Wheapners Versuche, erste Hilfe zu leisten, verschlimmerten das Problem nur. Schnell bildete sich eine Traube von Schaulustigen, das Gerücht um die Bombe verbreitete sich wie ein Lauffeuer und einige rannten los, um Hilfe zu holen.

Kurz darauf kommen Thorpe, Lewinson, Enfield, Starkweather, Moore und Turlow aufs Deck gestürmt, Dr. Greene dicht auf ihren Fersen. Zwei Matrosen haben soeben die Plane weggezogen und das Boot inspiziert – von einer Bombe keine Spur. Greene und Enfield verschwenden daran allerdings auch keine großen Gedanken, sondern kümmern sich sogleich um den immer noch wimmernden Almondale. Auf die Unruhe aufmerksam geworden stößt Kapitän Vredenbourgh zu der Versammlung an Deck hinzu und ist außer sich über Wheapners augenscheinliche Narretei, doch Starkweather schirmt ihn ab und will ihn persönlich zur Verantwortung ziehen. Der Stimmung zwischen Crew und Expedition hat diese keine Einlage zumindest nicht wirklich geholfen.

In seiner Kabine zeigt Starkweather sein unverbrüchliches Vertrauen in Chris Wheapner: Er hört sich seine Geschichte an, stimmt seiner Einschätzung zu und überprüft schlussendlich mit ihm zusammen gar noch, ob nicht unter Umständen ein Sprengsatz nicht im Boot, sondern an der Unterseite der Plane befestigt gewesen sein könnte. Eine schlüssige Idee, die sich aber letztlich nicht bestätigt.

Ms. Lewinson erklärt ihren Plan derweil Moore alleine: Man müsse so tun, als hätte irgendjemand Törichtes, z.B. Mr. Wheapner, den Hunden etwas Gutes tun wollen und ihnen z.B. Ketchup ins Essen getan, was aber in Wahrheit für sie tödlich ist, wie ihm dann öffentlichkeitswirksam, sodass nahezu die komplette Crew es mitbekommt, von einem aufgeregten Pulaszki mitgeteilt werden würde. Starkweather wäre daraufhin außer sich, denn ohne die Hunde sei die Expedition so gut wie verloren. Wenn nunmehr also selbst ein Dickkopf wie Starkweather die Hunde als Schlüssel sieht, würde sich der Saboteur natürlich auf diese als Ziel konzentrieren und versuchen an das Ketchup zu gelangen, welches sie umbringen würde. Ergo müsste man dann nur noch Ms. Lewinson mit Kamera in der Küche versteckt platzieren und dann abwarten, bis man den Saboteur in Flagranti erwischen könnte. Moore ist von der Idee durchaus angetan und gibt Lewinson seinen Segen, Starkweather, Pulaszki und Wheapner in Kenntnis zu setzen.

Derweil lässt Mr. Thorpe die Sorge um seine Motoren nicht in Ruhe. Er zieht die Flugzeugingenieure und –Piloten, die sich gerade allesamt in Miles Kabine mit dem Monopoly-Spiel von Gilmore einen netten Abend machen ins Vertrauen und schlägt vor, dass sie von nun an Wachen in den Frachträumen aufstellen sollten. Alle sind nach kurzem Zögern dabei, Miles und Longfellow werfen sich dabei jedoch einige Blicke zu, die Thorpe verdächtig vorkommen. Er übernimmt die erste Wache und kann sich, nachdem er Packard von der Idee überzeugt hat, den Schlüssel für die Lagerräume organisieren.

Während er sich gerade sein Nachtlager bereitet, schaut er sich routinemäßig mit seiner Taschenlampe um und entdeckt dabei ein kleines Stoffbündel zwischen den Treibstofffässern, welches sich bei näherer Betrachtung als eine Reihe von Zündkapseln (wie sie der Expedition gestohlen worden waren!) und Lunte herausstellt. Ein Brandsatz, der das komplette Schiff vernichten könnte, sollte er aktiviert werden. Schnellstmöglich setzt Thorpe die anderen Investigatoren in Kenntnis und man streitet sich heftig, wie mit diesem Fund umgegangen werden soll. Schließlich entscheidet man sich dagegen, Starkweather oder den Kapitän in Kenntnis zu setzen und geht stattdessen zu Moore. Dieser ist hochgradig besorgt, aber bleibt ruhig und betont die Notwendigkeit, den Saboteur (der nunmehr wohl eindeutig noch an Bord ist) schnellstmöglich zu finden und dabei möglichst wenig Aufhebens zu machen und Ms. Lewinsons Plan zum morgigen Mittag umzusetzen.

Die Investigatoren beginnen daraufhin, die Frachträume zu durchsuchen und nach den restlichen gestohlenen Zündkapseln Ausschau zu halten, die sie in den frühen Morgenstunden unter einem Berg von Tauen finden. Damit scheint zumindest die direkte Gefahr gebannt und man begibt sich übermüdet zu Bett. Wenige Stunden später gilt es jedoch schon wieder munter zu sein, denn der Vortrag von Mr. Thorpe und seinem Team zu den Flugzeugen ist von 9:30 – 11:30 eingeplant, in dessen Rahmen er, Houston, Dewitt und Miles einen umfassenden Überblick über die Maschinen und ihre Funktionsweise liefern. Das Interesse ist groß, selbst der Steward, der eigentlich nur ein paar Getränke für die Referenten bringen sollte, stellt irgendwann sein Tablett ab und hört sich den Vortrag komplett an, das gleiche gilt für einige der Matrosen.  Doch insbesondere Ms. Lewinson ist ungeduldig: Zum Mittagessen beginnt schließlich die Umsetzung ihres Plans…

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Neunter Spielabend

 

Der Vortrag der Piloten und Ingenieure zu den Flugzeugen der Expedition ist gegen 11.30 Uhr beendet. Die Mehrzahl der Expeditionsteilnehmer und sogar die Stewards, die in der Hitze des heutigen Tages nur einige kühle Erfrischungen für die Referenten bringen sollten, haben den Ausführungen von Mr. Thorpe, Dewitt, Miles, Longfellow und Houston mit Interesse gelauscht. Niemand hatte sich im Besonderen auf sie konzentriert, aber wenn jemand sie beobachtet hätte, wäre ihm unter Umständen Ms. Lewinsons leichte Nervosität aufgefallen: Zum Mittag soll ihr Plan umgesetzt werden, um den Saboteur in eine Falle zu locken.

Kurz vor dem Essen noch einmal die letzten Absprachen: Pulaszki fragt nach seiner Rolle, Starkweather wird ebenfalls noch einmal darauf hingewiesen, was zu tun ist. Ein gewisses Maß an Vorfreude lässt sich beim Blick in sein Gesicht dabei nicht verhehlen. Kurz nach Beginn des Mittags, anlässlich dessen eine ammoniakstichige Suppe mit den Fleischkloßresten des gestrigen Tages serviert wird, betritt Pulaszki die Offiziersmesse und geht eilig und unter Entschuldigungen zu Starkweather, dem er etwas ins Ohr flüstert. Starkweather runzelt die Stirn und kneift die Brauen zusammen, bevor er schließlich in ein Donnerwetter ausbricht: Wer hätte es bitte fertiggebracht, den Hunden gestern im Bewusstsein, ihnen etwas Gutes zu tun, die Reste des Abendmahls mit Ketchup zum Fraß vorzuwerfen?! Wisse man denn nicht, dass Ketchup hochgiftig für die Tiere sei?! Kurz darauf hört man Starkweather ähnliches aus der Mannschaftsmesse poltern. Die versammelten Wissenschaftler und Offiziere wirken irritiert bis eingeschüchtert. Nur Pulaszki wirft Ms. Lewinson dann doch noch einmal ein ein wenig zu optimistisches Lächeln zu und kann sich gar ein Zwinkern nicht vergreifen, was zum Glück den anderen Versammelten zu entgehen scheint.

Am Nachmittag gilt es mit den Durchsuchungen der Frachträume weiterzumachen, um festzustellen, ob der Saboteur an weiteren Stellen zugeschlagen hat. Es geht schleppend voran und man braucht bis in die Abendstunden, um Frachtraum I komplett zu durchsuchen. Die Funde sind ernüchternd: Säureverätzungen in den Funkgeräten der Expedition, mit Chlorbleiche versetzter Fotoentwickler und einige weitere hässliche Kleinigkeiten finden sich. Als man Moore davon berichtet, ist dieser außerordentlich besorgt und wünscht für die Pläne in der heutigen Nacht viel Erfolg.

Denn das zentrale Element von Ms. Lewinsons Plan steht bisher noch aus: Gemeinsam mit Mr. Thorpe will sie den Täter in Flagranti erwischen, nämlich genau dann, wenn er das vermeintliche Hundegift aus der Kombüse zu stehlen versucht. Unter fadenscheinigen Vorwänden gelingt es den beiden, sich kurz vor Mitternacht in selbige zu schleichen, während Mr. Blavatski Schmiere steht. Dabei machen sie sich beim gerade Feierabend machenden Smut genausowenig beliebter wie bei einem der Stewards, Henning, der gerade noch ein wenig aufräumt, doch am Ende zählt das Ergebnis. Man harrt mehrere Stunden aus und gibt sich langsam aber sicher dem Schlaf und hypnagogen Visionen hin, bevor ein Scharren an der Tür die beiden hochreißt: Jemand versucht sich Zugang zu verschaffen! Am Ende stellt sich aber heraus, dass es sich beim Eindringling nur um Avery Giles handelt, dem von Albemarle nicht unerhebliche Summen für ein paar Tafeln Schokolade geboten wurden, die sich Giles aus der Küche beschaffen wollte. Seufzend lässt man ihn (mit der Schokolade) ziehen. Der Rest der Nacht bleibt ereignislos und bevor die Küche im Morgengrauen wieder besetzt wird, verschwindet man unauffällig wieder nach draußen.

Eine wenig erfolgreiche Nacht, nach der sich Lewinson und Thorpe todmüde in ihre Betten werfen, ohne dabei einen großen Gedanken an das Frühstück zu verschwenden. Doch schon gegen 10 werden sie wieder wach, denn die Geräusche aus dem Hundezwinger in Frachtraum V schraubt sich immer höher und höher, anfallsweise unterbrochen von wütendem Bellen, Knurren und Zähnefletschen. Die Hunde haben augenscheinlich irgendetwas auszutragen; es klingt, als würden sie einander an die Gurgel gehen.Nur Augenblicke später schlägt ein Seemann Alarm. Pulaszki und Finnerud kommen eilends herbeigestürmt. Schaulustige folgen und wollen sehen, was los ist. Sie bekommen weit mehr zu sehen, als sie erhofft hatten. Es bietet sich ein entsetzliches Bild. In einem Stahlrahmen stehen an der Schottwandnebeneinander die Transportboxen für die Hunde aufgereiht. Jeder Hund hat seine eigene Käfigbox, doch die Türen sind aus gehängt; dicke Lederleinen geben den Tieren ein wenig mehr Bewegungsfreiheit, ohne sie doch ganz frei laufen zu lassen. Nun jedoch haben sich einige Hunde losgerissen. Viele stehen vor ihren Boxen; sie bellen aus Leibeskräften oder knurren, die Zähne gefletscht, das Nackenhaar gesträubt, mit einem höchst bedrohlichen Ausdruck um die Augen. In der Mitte des Frachtraums gehen zwei Hunde mit Zähnen und Klauen aufeinander los; zwei andere umkreisen die beiden Kämpfenden und fallen gelegentlich schnappend und beißend eins der anderen Tiere an. Andere sind zu einem Angriff nicht in der Lage, doch sie stürzen sich mit wütendem Schnappen auf alles, was ihnen zu nahe kommt. Die Hunde tragen hässliche lange Kratzer; manchen hängen Haut und Fleisch in Fetzen aus den Flanken. Vier Hunde liegen bereits mit zerfleischter Kehle tot in langsam größer werdenden Lachen; andere stürzen sich in wütender Raserei immer wieder kurz auf die Leichen, um sich dann mit gesträubtem Nackenhaarwieder in ihre Boxen zurückzuziehen.

Pulaszki und Finnerud schreiten gedrängt von Turlow bald zur Tat und töten die aggressivsten Tiere, bis endlich wieder Ruhe herrscht. Ihre Gesichter sind kreidebleich, einige der Expeditionsmitglieder, die das Schauspiel mitansehen mussten, übergeben sich. Dr. Greene und Dr. Enfield erkennen schnell, dass es sich hierbei um eine Vergiftung handeln muss. Weitere Untersuchungen identifizieren kurz darauf den Wirkstoff als Strychnin, ein potentes Rattengift, dass man ohne Probleme in New York kaufen kann oder auch in der Küche an Bord findet und welches auf die Pemmikanrationen der Hunde aufgetragen worden war.

Ms. Lewinsons Plan war also nach hinten losgegangen. Umso engagierter schreiten die Investigatoren deshalb nun zur Tat und versuchen gemeinsam mit Moore den Kreis der Verdächtigen einzuschränken: Es musste jemand gewesen sein, der das Schiff gut kennt und der sich sowohl Zugang zur Kühllast als auch zum Futter der Hunde arrangieren konnte. Das spricht für das Küchenpersonal oder (eher unwahrscheinlich) Turlow. Moore legt Ms. Lewinson nahe, dass sie diese kleine Gruppe unter Umständen einer Visitation unterziehen sollten. Man stimmt zu.

Nachdem Dr. Greene am Nachmittag eine Einführung in den Wiener Walzer gegeben hat (davon, dass er noch kurz zuvor die toten Hunde seziert hat, lässt er sich nicht aus dem Konzept bringen), machen sich deshalb die Investigatoren (mit Ausnahme des bereits seit gestern mit Seekrankheit herniederliegenden Wheapners) zur Essenszeit auf den Weg zur Kammer des Smut und der zwei Stewards. Fachmännisch durchsucht man sie. Und tatsächlich finden sich erschütternde Indizien: In Hennings Gepäck stoßen die Investigatoren auf zwei angebrochene Fläschchen Schwefelsäure sowie ein anscheinend häufig gelesener Zeitungsartikel über die Starkweather-Moore-Expedition.

Während sie seine Habe durchstöbern, entdeckt jedoch niemand Geringeres als der Verdächtige höchstselbst die Investigatoren und versucht diese aus seiner Kammer zu werfen. Lautstark beschwert er sich, was einige andere Matrosen auf den Plan ruft. Blavatski rennt los, um Starkweather zu holen. Morehouse Bryce und Timothy Cartier stoßen gerade vom Essen kommend ebenfalls dazu. Eine Konfrontation liegt nahe und bald fliegen die Fäuste, als Bryce einen der Matrosen bewusstlos schlägt und Henning mit Gewalt versucht an die beiden Säureflaschen zu kommen, die Dr. Enfield trägt. Dann kommen der Kapitän, die Offiziere, der Wissenschaftliche Stab der Expedition und natürlich Starkweathe rund Moore dazu, alle von Blavatski vom Essen hierhergeholt. Die Stimmung ist außerordentlich gespannt, aber durch sorgsame Kommunikation und einen Nervenzusammenbruch Hennings (in dem er den sichtlich irritierten Starkweather bezichtigt, seinen Bruder umgebracht zu haben) können die Investigatoren alle Anwesenden von ihrem Verdacht gegen den Steward überzeugen, woraufhin er abgeführt wird.

Die nächsten Tage vergehen in Langeweile und Bürokratie, als Zeugenaussagen gemacht und die Polizei kontaktiert werden müssen. Packards Origami findet sich bald überall an Bord des Schiffes und Dr. Greene versucht aus der eingeschränkten Schallplattensammlung in der Reedersuite das Beste zu machen und erweitert seinen Tanzkurs notgedrungen auf die wunderbare Welt der österreichischen Marschmusik, deren Vielfalt er sich selber kaum bewusst gewesen ist. Das Klima zwischen Crew und Expedition bleibt schlecht, aber zumindest treten keine weiteren Fälle von Sabotage auf, auch wenn Henning stumm bleibt. Am 10. Oktober ist es schließlich soweit: In der Distanz sieht man Land. Die Australische Küste kommt in Sicht…

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  • 2 months later...

Zehnter Spielabend

 

Endlich Land in Sicht! Die Australische Küste verheißt sicheren Boden unter den Füßen, eine anständige Dusche und Essen, welches nicht bei jedem Bissen mit seiner dezenten Ammoniaknote daran gemahnt, wie schnell die S.S. Gabrielle im Angesicht diverser Sabotageakte zur Todesfalle hätte werden können. Doch nunmehr ist der Täter gefasst und bei Ankunft im Hafen von Melbourne wird Henning sogleich von drei wartenden Polizeibeamten abgeführt, nicht ohne den Investigatoren noch ein arrogantes Lächeln zuzuwerfen. Endlich kann man also durchatmen – oder?

Tatsächlich finden sich die Investigatoren sogleich in einer Situation wider, die sie alle an die Zeit in New York erinnert: Eine Menschenmenge von annähernd 70 Schaulustigen und Journalisten hat sich an der Mole versammelt, an der das Schiff vertäut wird und sobald die Polizisten mit dem Steward von Dannen ziehen, gibt es kein Halten und die versammelte Journaille bestürmt die Expeditionsteilnehmer. Starkweather zögert nicht lange und stürzt sich mit seinem charmantesten Zahnpasta-Lächeln ins Getümmel. Während die meisten Expeditionsteilnehmer die Ablenkung nutzen, um schnellstmöglich von Bord zu gehen, lässt er es sich aber nicht nehmen, die Helden der vergangenen Wochen, ohne deren detektivischen Spürsinn Henning wahrscheinlich immer noch auf freiem Fuß wäre, zu sich in den Pulk der Pressevertreter zu bitten. Mit einem Seufzen folgt man der Aufforderung und stellt sich im Blitzlicht den Fragen der Reporter.

Nachdem man sich endlich freigekämpft hat (Starkweather genießt das Bad in der Menge noch ein wenig länger und scheint in ein Gespräch mit zwei offiziell wirkenden Herren vertieft) wird Mr. Thorpe von Jeremy Nimoy in Begleitung dreier Anzugträger abgefangen, welcher ihm die freudige Mitteilung macht, dass der am Hafen verbrannte Ersatzmotor der Boeing kurzfristig ersetzt werden konnte und nunmehr gar Mr. Boeing höchstselbst sich die Ehre gäbe, im Rahmen einer kleinen Zeremonie die Übergabe der Apparatur an die Expedition am übermorgigen Tag zu zelebrieren.

Am Bahnhof trifft man den Rest der Expedition, der freundlicherweise auf die investigatoren sowie den kurz darauf folgenden Starkweather gewartet hat. Mit dem Zug fährt man nunmehr in die Innenstadt von Melbourne, wobei im Waggon, den die Expedition vollumfänglich belegt, einige organisatorische Details für die nächsten Tage besprochen werden: Schnell ergibt es sich, dass alle Expeditionsteilnehmer den Komfort eines Zimmer in Anspruch nehmen wollen und so erklärt sich Prof. Moore bereit, im Intercontinental zu reservieren. Starkweather wiederum klärt über sein Gespräch mit den Herren auf, bei denen es sich um Mitarbeiter der Stadtverwaltung handelte, die den wissenschaftlichen Stab der Expedition, Sykes, Greene und die Investigatoren zu einem Empfang am morgigen Abend einluden.

Am Abend ergibt sich für Thorpe die Gelegenheit, mit Starkweather und Moore zu einem Dinner mit Mr. Boeing in eines der besten Restaurants der Stadt im Rialto eingeladen worden zu sein, ein Anlass den Boeing nutzt, um ein wenig mit Thorpe über seinen Werdegang in der Firma und das Wachstum in den vergangenen Jahren zu sprechen. Die Expeditionsleitung ist überaus erfreut, als Boeing ihnen eröffnet, dass er ihnen den Motor selbstverständlich kostenlos zur Verfügung stellen würde und er auch einer umfassenderen Partnerschaft zum allseitigen Nutzen nicht ablehnend gegenüber stünde, deren Details man in den nächsten Tagen ausarbeiten könne.

Währenddessen genießen die anderen in geselliger Atmosphäre ein bescheidenes Abendmahl im Intercontinental. Man vermisst jedoch sowohl die Lagermannschaft als auch die komplette technische Crew. Kurz vor 11 kommen sie mehr als erschöpft wirkend in die Lobby geschlurft, angeführt von einem gestresst wirkendem Packard, der jedem, der so wirkt, als könne er versuchen, ihn nach den Gründen seiner Laune zu fragen, einen eisigen Blick zuwirft, der entsprechende Ambitionen sofort erfrieren lässt. Als der Tisch sich langsam lichtet, nimmt Mr. Wheapner die anderen Investigatoren bei Seite und bekundet sein Misstrauen, ob der entspannten und selbstsicheren Reaktion von Henning. Könnte man etwas übersehen haben? Gibt es gar noch einen weiteren Saboteur?

Am nächsten Tag muss noch einmal der Spießrutenlauf des Polizeiverhörs im Law Court absolviert werden: Die komplette Expedition wird vorgeladen, ebenso wie die Offiziere und Kapitän Vredenbourgh und nach und nach arbeiten sich fünf Beamte an ihnen ab, immer auf der Suche nach Widersprüchen zwischen ihren bereits auf dem Schiff abgefassten, schriftlichen und den im Rahmen des Verhörs getätigten, mündlichen Aussagen. Manche haben hierbei Glück und sind bereits nach fünf oder zehn Minuten frei zu gehen, andere wiederum sind auch nach einer halben Stunde immer noch im Gespräch, das nunmehr fast einen Verhör gleicht. Dr. Enfield hat besonderes Pech und erst Starkweathers Intervention gepaart mit ihrem rechtschaffenen Zorn befreien sie nach einer knappen Stunde aus den Fängen zweier besonders aufmerksamer Polizisten.

Sogleich eilt sie nunmehr auch aus der Polizeistation, denn eigentlich war sie für um zwei mit Dr. Greene verabredet, da man gemeinsam den Zoo besuchen wollte. Dieser, der recht schnell mit seiner Befragung fertig war, sitzt bereits wartend und in ein Buch vertieft auf einer Bank vor dem Gebäude und gemeinsam macht man sich auf den Weg, ein paar schöne Stunden im Tierpark zu verbringen, wo man sich über die Studienjahre, die Unterschiede in den Fachkulturen in Großbritannien und England, Greenes zweijährige Arbeit als Schatzmeister der American Eugenics Society und Dr. Enfields flüchtige Bekanntschaft mit R.A. Fisher unterhält.

Am Abend dann schließlich der Empfang bei Bürgermeister. Nach einer etwas improvisiert wirkenden Übergabe des Stadtschlüssels und kurzen Reden des Lord Mayors und Starkweathers, zieht man ins Rialto um, wo ein mittelgroßer Saal mit Buffet und einer kleinen Kapelle gebucht wurde, sodass der Abend beim Tanz ausklingt. Mr. Thorpe wird dabei nicht nur dem Lord Mayor und seiner jungen Gattin vorgestellt, sondern auch noch dem Großindustrielen MacPherson Robertson, dem der Ingenieur sofort sympathisch ist, umso mehr, als er von ihm über die Anwesenheit Boeings in der Stadt erfährt. Gemeinsam konzipiert man im Rahmen einer Diskussion über die Ausgestaltung der 100-Jahrs-Feierlichkeiten Melbournes im kommenden Jahr die Idee eines Flugwettbewerbs, der von London bis hierher führen solle. McPherson ist begeistert und erklärt sich bereit, die vollkommen wahnwitzige Summe von 75000 $ als Preisgeld zur Verfügung zu stellen. Das McRobertson Air Race ist geboren.

Schon reichlich alkoholisiert machen sich Mr. Thorpe, Mr. Blavatski und Mr. Wheapner in Begleitung der Riege der jüngeren Wissenschaftler um Prof. Bryce auf den Weg in die Chinatown Melbournes, um den Abend bei ein wenig Glücksspiel ausklingen zu lassen. Noch Stunden spielt man sich unter Zugabe von reichlich Reiswein durch eine schummrige Spielhölle nach der nächsten, bevor man schlussendlich in einer Opiumhöhle landet. Mr. Wheapner zieht sich hier sicherheitshalber zurück, als er jedoch am nächsten Morgen in seinem Zimmer aufwacht, ohne genau zu wissen, wie er dorthin gekommen ist, wird er das Fehlen seiner Brieftasche bemerken. Die anderen wiederum zieht es in das Etablissement und unter Anleitung des durch den Alkohol (für seine Verhältnisse) recht gelösten Samuel Winslowe, der leidlich Mandarin beherrscht und anscheinend durchaus seine Erfahrungen im Opiumkonsum besitzt, lässt man sich auf Diwanen neben betäubend duftenden Pfeifen nieder und inhaliert die rauschhaften Stoffe, die dieser Ort verheißt.

Alle nehmen dieses Erlebnis als eine Woge der Entspannung und teilweise gar erotischer Befriedigung wahr, nur Mr. Blavatski gleitet immer weiter und weiter in einen trance-artigen Zustand der Tiefenentspannung, in dem er langsam aber sicher über die Grenzen seines Bewusstseins hinauszuwachsen scheint und durch einen schwarzen See, einen sonnenlosen Ozean voll surrealer Erscheinungen treibt. Wie ein Fluss fließt er langsam in Richtung eines anderen Ortes dissonanter religiöser Assoziationen, die einfach kein kohärentes Bild ergeben und stattdessen in ihrem Heilsversprechen das Ende besiegeln und einen Neuanfang bieten. Als er wieder erwacht, schüttelt Myers ihn wild, während die anderen ihn entgeistert anstarren. Schreiend muss er über Minuten nicht ansprechbar gewesen sein, als er versuchte mit seinen bloßen Fingernägeln die Wand der Kammer zu zerreißen, an der leichte Blutspuren zu erkennen sind. Mit diesem eher irritierenden Abschluss des Abends begibt man sich zurück ins Intercontinental.

Die nächsten Tage vergehen wie im Fluge: Die Übergabe des Motors, ein gemeinsamer Strandausflug (an dessen Ende leider erneut Mr. Blavatskis Kollaps steht – dieses Mal induziert durch eine Qualle, welche ihn zwei Tage schmerzhaft ans Bett fesselt), Spaziergänge durch die Stadt, das Umland und die kulturellen Institutionen Melbournes: Man bemüht sich, das Maximum aus diesen warmen Tagen des australischen Frühlings herauszuholen, bevor man schließlich erneut über die Gangway steigt und die Gabrielle langsam aber sicher Kurs gen Süden setzt. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge blickt man der Zivilisation nach, denn voran warten alleine die Kälte, das Eis und die Ungewissheit.

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Elfter Spielabend

 

Stetig entfernt sich die Gabrielle weiter vom australischen Festland. Den letzten Außenposten der Zivilisation auf dieser Reise im Rücken nähert man sich unerbittlich, nautische Meile für nautische Meile, dem Südkontinent. Die See ist ruhig, der Himmel klar, während Moore über den Verlauf der nächsten Tage und Wochen doziert und die Uhren auf Antipoden-Zeit (12 Stunden vor Greenwich) umgestellt werden.

Alle sind guter Dinge, doch Mr. Wheapner lässt sich bei den Mahlzeiten entschuldigen und verbleibt in seiner Kabine. Ging es ihm schon die letzten Tage an Land seit dem Hornissenstich am Strand und der darauf folgenden leichten bis mittelschweren allergischen Reaktion von Zeit zu Zeit eher suboptimal, hatte sich die Lage mit den in Melbourne verschriebenen Medikamenten gebessert. Nun können die besorgten Doktoren Enfield und Greene jedoch geradezu im Minutentakt dabei zusehen, wie sein Gesundheitszustand verfällt, während sein Gesicht eine ungesunde gelbe Farbe annimmt. Während Dr. Greene Hepatitis diagnostiziert, ist sich Enfield sicher, dass man es mit einer medikamentenbedingten Schädigung zu tun hat. Im Gegensatz zu ihrem ansonsten mehr als harmonischen Verhältnis können sich die beiden Ärzte hier einfach nicht einig werden und geraten aneinander. Da Enfields Diagnose am ehesten mit einer Fortsetzung der Reise vereinbar ist, spricht Starkweather schließlich ein Machtwort und Wheapners Medikamente werden abgesetzt. Sein Zustand verbessert sich zusehends und im Laufe der nächsten Tage muss auch Greene seinen Irrtum einsehen. Zur Versöhnung schenkt er Dr. Enfield eine englische Ausgabe von Stefan Zweigs „Sternstunden der Menschheitsgeschichte“, die er in Melbourne mit großem Interesse gelesen hatte. 

Im Angesicht eines beißend kalten Windes fährt man die kommende Tagen bei wechselndem Seegang voran, bald sind bereits 1500 Kilometer ohne erwähnenswerte Probleme zurückgelegt. Doch der 23.10. setzt dieser Glückssträhne ein jähes Ende: Schon um 5 Uhr morgens wehen Böen mit mehr als 80 Stundenkilometern und das Barometer fällt rapide. Thorpe und Miles kontrollieren noch einmal die Sicherungen der Flugzeuge auf dem Frachtdeck. Mit jeder Stunde schlagen die Wellen mit mehr Wucht gegen das Schiff. Erst um 19 Uhr wird es besser, die Wolken brechen auf und ein Sonnenuntergang von atemberaubender Schönheit beendet den Tag.

Noch einmal ist die Gabriel mit einem blauen Auge davon gekommen: Das Schiff wird nach dieser ersten Warnung der naturgewaltigen Mächte des Südmeeres für schlechtes Wetter aufgeriggt und zwei Tage lang schippert man über spiegelglattes Wasser, die Luft frostig und klar. Die Temperaturen sinken dabei stetig: Am 25.10. kann gegen Nachmittag der erste Eisberg bestaunt werden. Gegen Abend fällt das Barometer jedoch erneut. Ein weiteres Mal stellt man sich auf eine schwierige Nacht ein, doch als man am nächsten Morgen an Eisschollen vorbei weiter Richtung Antarktis fährt, ist der Sturm immer noch nicht in Sicht. Das Barometer stabilisiert sich nicht, Albemarle versammelt sich mit einigen Kollegen und diskutiert die Messergebnisse, die inzwischen weit unter die 1000 Millibar-Marke gefallen sind. Gegen 14 Uhr macht der Auskuck auf die sich anbahnende, tiefschwarze Unwetterfront aufmerksam, die sich von Süden nähert. Das Schiff kämpft sich durch die wachsenden Wellen voran. Immer unsanfter wird es zum Spielball des Meeres, während Schneeregen und teils beträchtlicher Hagel auf dem Deck niedergehen. Die meisten Expeditionsteilnehmer verkraften den Wetterumschwung nicht gut und hängen über ihren Schüsseln und Eimern oder suchen Hilfe bei den Medizinern. Während Starkweather sich alle Mühe gibt die Moral der von Seekrankheit gebeutelten hochzuhalten (insbesondere Mr. Thorpe bietet hier ein Bild des Elends), hört Ms. Lewinson plötzlich ein dumpfes, im Takt der Wellen wiederkehrendes Geräusch aus dem Maschinenraum. Ein schrecklicher Verdacht: Könnte sich etwas Großes auf dem Frachtdeck losgerissen haben? Starkweather, Wheapner, Blavatski, Enfield und Lewinson machen sich sofort auf den Weg, selbst Thorpe quält sich in Sorge um seine Flugmaschinen voran.

Man kämpft sich über das von orkanartigen Sturmböen und eisiger Gischt heimgesuchte Deck ihn zu den Frachträumen und hat Glück, mit der ersten geöffneten Luke sogleich den Ursprung der Kalamitäten zu identifizieren: Zwei Motoren haben sich aus ihren Verankerungen gelöst und walzen sich durch die Kraft des Wellengangs über das Zwischendeck von Frachtraum II, wobei sie unkontrolliert alles in ihrem Weg niederreißen oder schwer in Mitleidenschaft ziehen, darunter eine der Boeings und einen Gutteil der Petroleum-Vorräte der Expedition.

Mit Mühe und Not gelingt es dieser katastrophalen Lage Herr zu werden und erschöpft sinkt man schließlich zusammen. Das Flugzeug ist jedenfalls nicht mehr zu gebrauchen, ebensowenig wie die beiden Motoren. Starkweather ist sichtlich mitgenommen, doch heißt er jeden, der auch nur daran denken könnte, eine potentielle Rückkehr nach Melbourne zur Sprache zu bringen mit den Blicken eines zu allem entschlossenem Wahnsinnigen zu Schweigen.

War dies Hennings letztes Werk? Oder gibt es einen weiteren Saboteur? Thorpe ist sich dessen sicher und torkelt am nächsten Morgen (der Sturm hat kaum nachgelassen) zu Miles, um ihn zur Rede zu stellen. Dieser kann den sichtlich ungehaltenen Thorpe jedoch von seiner Unschuld überzeugen.

Der restliche Oktober vergeht nach Ende des Sturmes ereignislos und gibt allen an Bord die Gelegenheit, die Wunder der Natur um sie herum zu bestaunen: Immer weiter tastet man sich in eine fremdartige, weiße Welt voran. An Halloween muss bereits dünnes Meereis gebrochen werden und kurz darauf ist das Eis so dick, dass man nach einer geeigneten Fahrrinne Ausschau zu halten gezwungen ist, welche sich erst am 3. November findet. Von nun an geht es weiter durch das Packeis, wo ein erneuter Sturm das Schiff an die Grenzen seiner Belastungsfähigkeit treibt, da neben dem extremen Winden, dem Regen und den Wellen nunmehr auch das Eis sein Übriges tut, um die Gabrielle auf den Grund des Meeres zu schicken. Mögen einige Expeditionsteilnehmer auch im Angesicht eines stetigen nächtlichen Knacken und Knirschens der Schiffswände in der Offiziersmesse ihre Religiosität wiederentdecken, überlebt das Schiff auch diese Prüfung Neptuns und die morgendliche Meldung, dass die Tallahasse 500 Kilometer östlich von hier festsitzt, versüßt der Crew (primär jedoch Starkweather) den nächsten Tag.

 Andere Schiffe hatten da weniger Glück: Am 6.11. schält sich aus dem kaum noch klar erkennbaren Grenzbereich von Himmel und Eis ein dunkler Fleck an der Seite eines Eisberges hervor. Bald erkennt man, dass es sich um den Bug eines Walfängers handelt. Schnell spricht sich herum, dass es sich wohl um die Wallaroo handele, einem Schiff, welches letzten Herbst in eine Sturmfront geraten und von dem seitdem kein Lebenszeichen mehr gefunden worden war.

Schnell wird eine Explorationsmannschaft ausgerüstet, um das Wrack zu erkunden, bestehend aus Starkweather (der „sich den Spaß nicht entgehen lassen“ will), Bryce, Myers, und den Investigatoren. Leider stürzt Thorpe beim Versuch auf das Schiff zu klettern ins Wasser und kann von Wheapner knapp gerettet werden. Mit einer Unterkühlung schickt man ihn zurück auf die Gabrielle, während die anderen die Wallaroo erkunden. Seltsam verstümmelte Leichenteile und eine säuberliche Aneinanderreihung von Toten neben einem augenscheinlich explodierten Maschinenraum vermitteln ein beklemmendes Gefühl. Aus den Funden kann man sich zusammen mit dem Logbuch des Kapitäns (der anscheinend Selbstmord beging) eine Geschichte zusammenreimen: Die Explosion des Motors riss einen Teil der Besatzung mit in den Tod, man saß fest. Die wenigen, die noch kräftig genug waren, versuchten sich mit einem Rettungsboot auf die Suche nach Hilfe zu machen, alle anderen blieben notgedrungen zurück und erfroren jämmerlich.

In kaum 2 Meilen Entfernung findet sich jedoch auch besagtes Rettungsboot, aufgetürmt zwischen zwei aneinander gesplitterten Eisplatten. Etwas ist allerdings irritierend daran: Die sechs zerschlissenen und gefrorenen Gestalten an Bord sind tot (soweit nicht überraschend), doch wurde jedem einzelnen von ihnen der Kopf, inklusive des Rückenmarks, feinsäuberlich entfernt. Ein verstörendes Bild, auf das sich keiner der Anwesenden einen Reim machen kann. Man beschließt, an Bord kein weiteres Wort über den Zustand der Leichen zu verlieren.

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  • 2 months later...

Elfter Spielabend

 

Man erzählt an Bord nichts von den verstörenden Funden, die im Rettungsboot der Wallaroo gefunden worden sind. Nur Dr. Greene wird ins Vertrauen gezogen, auch wenn Blavatski aus einer gewissen Weltvergessenheit heraus ohne jede Rücksicht auf die etwaigen Konsequenzen mit Blick auf die Mannschaftsmoral die sauber geköpften Leichen mit an Bord hätte nehmen wollen. Ein Wunsch, von dem ihn Starkweather schnell kuriert, während Ms. Lewinson die auf ihrer Exploration geschossenen Fotos entwickelt und unter Verschluss hält.

Bereits am nächsten Morgen ist J.A. Starkweather jedoch auch schon wieder mit seinen Gedanken bei sehr viel erhebenderen Überlegungen angelangt: Bei klarer Sicht ist die Gabrielle nunmehr komplett von Eis umschlossen, ein Zustand, den der Expeditionsleiter mit Hilfe von Sprengstoff zu beheben gedenkt. Zauderer, die auf einen Sturm warten wollen, werden von der Mehrheit der Crewmitglieder und Expeditionsteilnehmer, die sich das Spektakel nicht entgehen lassen wollen, schnell übertönt und der von Migräne gepeinigte Packard geht gemeinsam mit Wheapner raus aufs Eis, um Dynamitladungen an von Mr. Winslowe bestimmten, neuralgischen Punkten anzubringen. Mit einigen Satten Explosionen hat die Gabrielle kurz darauf wieder freie Fahrt, ein Schauspiel, welches sich in den kommenden Tagen noch einige Male wiederholt, während über Funk die Mitteilung eingeht, dass Acacia bereits ihr Basislager aufgeschlagen hat.

Erst am 11.11. weichen die gefährlich mahlenden weißen Platten um die Gabrielle langsam aber sicher einer weniger als einen Meter dicken Frostschicht, deren Durchquerung immer noch gefährlich ist, doch dem Kapitän ohne größere Probleme gelingt. Das stundenlang andauernde, nasskalte Wetter legt sich dabei aufs Gemüt der Bordbewohner, doch als am Abend der Ruf von Auskuck ergeht, dass eine See gefunden sei, ist die Stimmung schnell auf dem höchsten Stand seit Wochen angelangt und am 13.11. kann in den Morgenstunden die Einfahrt in offene Gewässer in der Offiziersmesse mit dem Whisky der Wallaroo zelebriert werden. Selbst der nach seinem ungünstigen Sturz ins Wasser beim Versucht der Besteigung eben jenes Schiffes mit einer enormen Erkältung zur Bettruhe verurteilte Mr. Thorpe ist langsam wieder so sehr auf den Beinen, dass er sich ebenfalls einen Schluck genehmigt.

Bereits einen Tag später kommt Land in Sicht und die majestätischen Berge der Admiralty Range ragen am Horizont über dem Schiff auf. Sogar die Sonne schält sich nach längerer Zeit endlich einmal wieder zwischen dem trüben Wolkengrau hervor und bald ist auch das dunkelgraue Rauchen des immer noch aktiven Mount Erebus auszumachen. Die Ross-Insel ist erreicht und mit ihr die Ausläufer der Eisfläche des McMurdo-Sunds, welche in einigen Dutzend Meilen direkt in die mehr als 40m hohe Ross-Eisbarriere übergeht, welche nur geringfügig kleiner als Frankreich ist, wie Prof. Moore erwähnt, während das Schiff nach annähernd zwei Monaten auf See am frühen Nachmittag des 14.11. seine Ladung, Mensch und Material, nach und nach auf den hart gefrorenen Untergrund ablädt.

Schnell wird ein erstes Landungslager aufgebaut, das jedoch, wie Packard, Sykes und Moore zu betonen nicht müde werden, nur temporär ist: Zu unsicher ist das Meereis, da bereits in den kommenden Wochen mit ersten Einbrüchen durch das zunehmend milde Klima des arktischen Sommers zu rechnen ist. Die Hunde werden an Land gebracht und begeben sich von ihren Führern angespornt in Richtung der massiven Ross-Barriere, um das wirkliche Lager der Expedition ausfindig zu machen.

Während Mr. Thorpe seine Mechaniker anspornt die Flugzeuge schnellstmöglich zusammenzubauen und bald selbst einen ersten Flug gemeinsam mit Dewitt und Ms. Lewinson zum bald gefundenen zukünftigen Lagerplatz unternimmt und dabei dem Lexington-Lager ebenfalls einen kurzen Besuch abstattet, machen sich die anderen auf den Weg zur Ross-Insel, um dort, auf Starkweathers Empfehlung hin, den alten Lagern von Scott (1904), Shackleton (1909) und dem später verlassenen, ersten Lagerplatz der Miskatonic-Expedition (1930) aufzusuchen. Ein Marsch von 5 km, der sich im Angesicht schlechter werdender Wetterbedingungen für die Antarktik-Unerfahrenen als gefährlich und strapaziös herausstellt, doch nach mehr als 4 Stunden erreicht man die ausgesprochen gut erhaltenen Hütten, von denen Ms. Lewinson einige ansehnliche Fotos schießt, während Dr. Enfield die noch vorhandenen Medikamente mitnimmt. Gemeinsam setzt man den bereits vor einiger Zeit gefassten Plan um, einem der Kaiserpinguine, die die Gruppe hier neugierig beobachten, eine Tasche überzuziehen, die sich in Shackletons Hütte findet, ein Jucks, der erneut zu Schnappschüssen einlädt. Die Miskatonic-Expedition hat hier im Gegensatz zu den anderen beiden Teams nur eine Truhe unter einer mit Steinen befestigten Flagge der Universität zurückgelassen, in welcher sich persönliche Andenken der Teilnehmer und eine von ihnen allen unterzeichnete Postkarte der Miskatonic-University finden. Danforth, Dyer, Lake… irritierend, diese Namen zu lesen, nun, da man auf ihren Spuren wandelt.

Der steile Abstieg gestaltet sich ähnlich schwierig wie der Weg hinauf: Mr. Wheapner führt die Gruppe zwar professionell, doch kann er nicht verhindern, dass Blavatski einen katastrophalen Sturz hinlegt, den er zur Überraschung aller Anwesenden aber mit leichten Prellungen übersteht. Dr. Enfield ist sofort zur Stelle, um die Medikamente aus der Hütte ihrem Zweck zuzuführen.

Den 16. Und 17. November hindurch transportieren die Enderby und die Weddel täglich Tonnen von Luftfracht in Richtung des inzwischen im Aufbau befindlichen Hauptlagers auf dem Schelfeis. Man kommt gut voran, noch drei weitere Tage und alle Last wäre überbracht, doch so viel Zeit bleibt nicht. Um 10.40 am 18.11. durchzieht eine Spalte das Meereis 100m weit, bis Mittag bilden sich zwei weitere Risse. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, der kaum zu gewinnen ist, so sehr sich auch die komplette Mannschaft verausgabt. Um 15 Uhr verschwinden direkt vor einer der beiden in voller Fahrt befindlichen Schneeraupen 30 Treibstofffässer und eine Tonne Pemmikan vollkommen geräuschlos in einem Spalt, kurz darauf gibt Packard, der seit nahezu 50 Stunden nicht mehr geschlafen hat, das Zeichen zum Aufbruch und das Lager wird evakuiert. Keine Minute zu spät, denn um 18 Uhr macht ein Riss, der direkt durch die Landebahn geht, das Landungslager endgültig unbrauchbar. Auf an die Raupen gebundenen Paletten macht man sich auf den Weg in Richtung Ross-Eisbarriere, um den Pfad nach oben zu nehmen, den die Hundeführer gefunden hatten. Abgesehen von Thorpe befinden sich alle Investigatoren in diesem bemitleidenswerten Treck, bis zuletzt haben sie noch Kisten verladen, doch als sie, vollkommen durchgefroren und fertig, am nächsten Morgen im immer noch im Bau befindlichen Hauptlager ankommen, müssen sie den Tatsachen ins Gesicht blicken: 4 Tonnen Nahrung und 30 Tonnen Treibstoff sind verloren. Man hofft, einige der Fässer unter Umständen in den nächsten Tagen und Wochen noch bergen zu können, doch ist Moore skeptisch, ob das Meereis in seinem jetzigen Zustand weiter befahren werden soll. Die Gabrielle hat auf Grund des unbeständigen Wetters ihren Lageplatz ohnehin schon weiter ins Rossmeer verlegt, sodass man nicht umhin kommt, den beklagenswerten Verlust von knapp 50% des vorgesehenen Treibstoffs zu konstatieren. Doch auch unter diesen trüben Vorzeichen, an einem stürmischen Tag und in einem bisher allenfalls improvisierten Basislager, lässt sich die SME nicht unterkriegen, denn endlich hat man das Ziel der Sehnsüchte und Ängste, den mysteriösen Südkontinent, erreicht. Willkommen in der Antarktis.

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Zwölfter Spielabend


Der Weg war steinig, doch nunmehr ist er beschritten. Der schwierige Teil der Reise liegt hinter der Starkweather-Moore-Expedition. Zumindest könnte man im Lager der SME diesen Eindruck gewinnen, als  nach Ankunft der Investigatoren auf den Schneeraupen und einer unbequemen und kalten ersten Nacht nach und nach fast so etwas wie Wohnlichkeit aus dem Sammelsurium von Hütten und Zelten erwächst: Die Hundezwinger werden von Pulaszki, Sjogren und Finnerud aufgebaut, während sich Bryce, Porter, Myers und Wheapner an der zweiten Hütte mit der Küche abmühen. Dr. Enfield kümmert sich derweil gemeinsam mit Dr. Greene um den unterkühlten Blavatski, der in der bereits fertiggestellten Holzunterkunft langsam wieder zu sich kommt, Ms. Lewinson lässt sich davon jedoch nicht irritieren und baut am anderen Ende des Raumes ihre Dunkelkammer auf. Thorpe und die anderen Piloten und Flugzeugtechniker kümmern sich derweil um die Maschinen und um ihre Unterstände, wenn auch ein wenig geknickt, denn schlierig trockener Schnee, der sich durch die Luft zog, machte jeden Flug zu einer Gefahr, wie ihnen Albermale erklärte. Überwacht wird das Treiben vom dauergestressten Packard, der Lopes und Cruz durch die Gegend scheucht, aber zum ersten Mal seit Tagen ein Ende seiner andauernden Arbeitsbelastung sieht – und tatsächlich: Am Abend des 19.11. ist das Lager der SME  so gut wie fertig, nur Gilmore und O’Doul überprüfen noch einmal die massiven Bauteile des Pabodie-Bohrers. Guten Gewissens endlich auf dem richtigen Weg zu sein, begeben sich die Expeditionsteilnehmer in ihre Schlafsäcke und gewöhnen sich langsam aber sicher an die sie umgebende Kälte.

Der Nachtschlaf währt jedoch nur kurz: Es ist kurz nach 3 Uhr morgens Expeditionszeit, als eine Glocke die Expeditionsteilnehmer weckt – Der Hinweis auf einen Funknotruf! Schnell sind die Investigatoren wieder wach und begeben sich mit einem eher schlecht als recht angekleideten Starkweather, der Laroche hinter sich herzieht, in die Hütte mit der Funkausrüstung. Ein SOS des Lexington-Lagers. Schüsse sind zu hören, es klingt nach einem Angriff. Kurz darauf bricht der Kontakt ab. Kurz ist ein fernes, donnerndes Grollen aus nördlicher Richtung zu vernehmen, dann ist es still. Immer mehr Expeditionsteilnehmer sammeln sich im Raum. Starkweather und Wheapner blicken sich entschlossen an, beiden ist klar, was zu tun ist: Eine Rettungsmannschaft muss her.

In Begleitung von Sykes, Sjogren, Pulaszki und Greene machen sich der grimmig entschlossene, aber absolut in seinem Element befindliche Starkweather und die Investigatoren kurz darauf mit Skiern und Schlitten auf den Weg. Man trägt Waffen, Proviant und erste Hilfe-Ausrüstung bei sich, unsicher, was einen erwarten wird. Auf dem dreistündigen Weg bemüht sich die Natur jedoch mit aller Macht, die Retter abzulenken: Klaffende Spalten und sich auftürmende Schichten jahrhundertealten Eises bannen die Investigatoren ebenso, wie sie sich als Hindernisse erweisen, doch schließlich erreicht man das Lager der Konkurrenzexpedition mit geschulterten Waffen, auf alles gefasst.

Schwarzer Rauch ist bereits aus einiger Distanz erkennbar gewesen, doch aus nächster Nähe ist klar ersichtlich, wie übel den Aufbauten der Lexington mitgespielt wurde: Zelte sind abgebrannt, der Hauptgenerator explodiert und die Funkantenne liegt verdreht auf dem Boden. Überall scheinen Männer mit dem Wiederaufbau oder zumindest einer Bestandsaufnahme der Situation beschäftigt zu sein. Ein wenig irritiert von der Abwesenheit einer konkreten Bedrohungslage wird Starkweather von Henk Fossing, dem Mannschaftsleiter hier begrüßt und zu Ms. Lexington in den Kochschuppen gebeten. Während aus der Holzküche nunmehr die Anführer der beiden Expeditionen in wenig gesitteter und deutlich hörbarer Weise ihre augenscheinlich seit einer Weile aufgestauten Animositäten aneinander auslassen, haben die anderen die Gelegenheit, sich in dem, was vom Basislager übrig ist, einmal umzuschauen.

Sykes, Sjogren und Pulaszki sind schnell in ein Gespräch mit dem hiesigen Polarführer, Tuvinnen, vertieft und auch die beiden Doktoren zieht es zu ihrem Fachkollegen Dr. Anthony, von dem sie sich Antworten darauf erhoffen, was hier passiert sein mag. Mit ähnlicher Motivation unterhält sich Mr. Wheapner mit dem hiesigen Piloten, Kyle Williams,  der sich als recht offener Zeitgenosse erweist, welcher mit Kritik an Ms. Lexington und ihrer Expeditionsplanung nicht hinter dem Bug hält. Anscheinend hatte auch diese Expedition mit Sabotageakten zu kämpfen und ist durch ihren Mangel an Vorräten durch die heutigen Ereignisse in ihrem Fortkommen stark eingeschränkt. Thorpe und Lewinson sprechen zuerst mit dem jungen Chap Hooper, dem zweiten Kameramann der Expedition, der es sich nicht nehmen lässt, die beiden zu filmen und ihnen darüber hinaus mit sichtlicher Aufregung die Geschehnisse erläutert: Anscheinend seien zwei Mitglieder der Lagermannschaft, Dinsdale und Bradbury, an einem „Schneekoller“ erkrankt, der sie dazu brachte, wild um sich zu schießen und alles in Brand zu setzen, was sich in ihrer Reichweite befand. Erst zu spät konnten die beiden Irren unschädlich gemacht werden. Dies bestätigt kurz darauf auch der angeschossene Anthony Hopewell, der dem Flugingenieur Sachs dabei zu helfen versucht, die Überreste des Generators wieder in Gang zu setzen. Darüber hinaus kann er ihnen jedoch auch von einer seltsamen Begebenheit berichten, wonach auf der Reise einer der Seeleute, mit dem zusammen er etwas getrunken hatte, ihn plötzlich angsterfüllt angeschrien hatte und dann über die Reling sprang…

Die Ärzte erfahren von Dr. Anthony Ähnliches, können ihn aber davon überzeugen, sich selbst ein Bild zu machen und werden ins Krankenzelt eingelassen. Dort sitzt der leicht verletzte Kameramann Priestley und passt säuerlich auf zwei fixierte Gestalten auf, eine wach, die andere anscheinend ohnmächtig: Dinsdale und Bradbury. Dr. Enfield überzeugt Dinsdale davon, ihr die Geschehnisse aus seiner Sicht zu beschreiben: Nach einem bisschen Alkohol am Vortrag sei der Arachnophobiker heute erwacht und sah sich von Spinnen umgeben, die ihm keine andere Wahl ließen, als alles, was von ihnen befallen war, in Brand zu setzen. Inzwischen scheint ihm das alles sehr peinlich zu sein, doch dass er die Wahrheit sagt, scheint sicher.

Nach gut 2 Stunden, welche nicht in die Annalen der Diplomatie eingehen werden, verlässt Starkweather wutentbrannt die Küche und bläst zum Aufbruch. Die komplette Rückfahrt spricht er kein Wort und radiiert kalte, stille Wut – ein Zustand, der sich auch im Lager nicht bessert, wo Moore die Investigatoren empfängt und sich von ihnen einen Bericht geben lässt. Er wirkt seltsam zufrieden mit der Situation. Am Abend verrät er Dr. Enfield seine Gründe: Nach mehreren Stunden am Funkgerät, hätte er sowohl Lexington als auch Starkweather von einem Handel zum gegenseitigen Vorteil überzeugt. Priestley und sie würden bereits am nächsten Tag vorbeikommen und die Details klären. Während Moore dies darlegt, unterhält sich in der Kälte vor der Hütte ein rauchender und überraschend nachdenklicher Bryce mit Blavatski über die letzten Fragen des Seins, was eine von nihilistischer Verzweiflung geprägte Seite des erfolgreichen Paläontologie-Professors und Draufgängers zutage fördert, mit der niemand der Investigatoren gerechnet hat.

Tatsächlich dauert es noch bis zum 22. November, bis eine Übereinkunft erzielt werden kann: Die SME liefert Vorräte und hilft mit dem zerstörten Generator, Lexington stellt im Gegenzug Treibstoff für die Boeings bereit. Sobald als möglich würde man sich gemeinsam zu Lakes Lager aufmachen. Starkweather und Lexington wechseln, während Moore diese Ergebnisse der versammelten Mannschaft präsentiert, immer noch kein Wort (oder auch nur einen Blick), aber schließlich fühlen sie sich genötigt, zumindest einen Handschlag auszutauschen, der an Kälte die Umgebungstemperatur weit unterbietet. Zur gemeinsamen Thanksgiving-Feier mit Truthahn aus der Dose und Robbenfleisch am nächsten Tag taut Lexington ein wenig auf und kann zumindest für ein kurzes Gespräch mit Dr. Enfield und Mr. Blavatski gewonnen werden. Zusammen mit Gilmore beenden die Investigatoren (mit Ausnahme von Ms. Lewinson) den Tag bei der ersten Monopoly-Partie am Südpol.

Die nächsten drei Tage laufen die Vorbereitungen für den gemeinsamen Flug in Richtung der Berge auf Hochtouren. Eine regelmäßig befahrene Route zwischen den Lagern ist schon bald im Schnee erkennbar und Vorräte und Wissen werden ausgetauscht. Schließlich gibt Albemarle am 27.11. grünes Licht: Die Wetterbedingungen würden in den nächsten 24 Stunden für einen Flug optimal sein, sodass sich Moore, Miles und die Investigatoren in die Weddell schwingen und sich gemeinsam mit der Northrop der Lexington auf den Weg machen. Kurz vor dem Start erklärt Starkweather, dass er fürs erste die Grabungsarbeiten Moore überließe und sich stattdessen darauf konzentrieren würde, der Weltöffentlichkeit einige spannende Fotoaufnahmen einer Erstbesteigung zu liefern, für die er sich eine der Kameras von Ms. Lewinson, sowie die Enderby, Sykes und Dewitt ausleihen würde, was die Betroffenen mehr oder weniger zerknirscht zur Kenntnis nehmen.

In Zweierformation fliegt man nunmehr in den Morgenstunden des 27. November los. Moore krallt sich in die Lehne des Pilotensitzes. Eine Grundanspannung liegt in der eisigen Luft, während Thorpe Funkkontakt zu Kyle Williams hält. Außer den beiden (gelegentlich unterbrochen von Miles) redet niemand. Der Motorenlärm übertönt ohnehin jedes Wort.

Nach gut zwei Stunden kommen die Berge schließlich in Sicht. Erst sind sie nur dunkle Punkte in der Distanz. Langsam, aber beständig werden sie im Verlauf der nächsten Zeit jedoch größer und größer, bis man ihr titanisches Ausmaß nicht mehr abstreiten kann. Lake hatte nicht gelogen, die Berge sind ohne weiteres 8000, 9000, vielleicht sogar 10000 Meter hoch. Ein Himalaya mitten im ewigen Eis, gegen den sich auch die den Bergen vorgelagerten Gipfel mit ihrem 3000-4000 Metern Höhe wie Spielzeuge ausnehmen. 30 Meilen ins Land reicht der Schatten, den die eigenartig regelmäßigen, eisfreien Felsformationen, die mit ihren tiefen Furchen und würfelähnlichen Auswüchsen fast schon geometrisch zu nennen sind, werfen.

Ein Anblick, der insbesondere Blavatski zu ergreifen scheint. Immer lauter hört er seinen eigenen Herzschlag, bis er alles um ihn herum übertönt. Das Atmen fällt ihm zunehmend schwer, als würde ein Gewicht auf seinem Brustkorb lasten. Während sein Blick verschwimmt, beginnt sich das Flugzeug um ihn herum langsam aber sicher in seine Einzelteile aufzulösen. Seine Augen treiben durch Schnee, der immer stärker wird, bis er von einem einzigen, alles umfassenden weißen Rauschen umgeben ist. Seltsame Visionen umfangen ihn ein weiteres Mal, ein Netz, feierliche Bilder von Christus am Kreuze, blutige Leichen des großen Krieges, rauchende Schornsteine des industriellen Todes. Er kommt nach Golgatha, zum Grabe des Heilands.

Irgendwann gelingt es den anderen, Blavatski wieder zurückzuholen. Zwischen den schwierigen Fallwinden manövrieren Thorpe und Miles die sichtlich verstörten Passagiere ihres Flugzeuges durch das Vorgebirge, bis sie es schließlich erkennen können. Lakes Lager.

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  • 1 month later...

Dreizehnter Spielabend

 

Eisiger Wind schlägt Dr. Enfield entgegen, als sie die Tür der Weddell öffnet und als erste Frau das eisige Hochplateau betritt, auf dem sich Lakes Lager befinden soll. Und tatsächlich: Nachdem sich ihre Augen an die farbliche Monotonie gewöhnt haben, erahnt sie in einiger Distanz die Überreste menschlicher Siedlungszeugnisse. Als alle die Boeing verlassen haben, ist es an Moore, das allgemeine Schweigen zu brechen, was sich unter dem Explorationskommando der Starkweather-Moore Expedition breit gemacht hat. Seine gespannte Erregung ist ihm anzumerken. Während Miles sich um den Flieger kümmert, bittet er die Investigatoren, sich in den verschneiten Ruinen des Lagers  umzusehen, während er mit Lexington, die aus der soeben gelandeten Belle heraustritt einige Dinge zur Lagerplanung besprechen muss.

Ob der Stille, nur unterbrochen vom Wind, der über das Plateau fegt, herrscht eine beklommene Stimmung, als man damit beginnt, den verschneiten Friedhof der Expedition zu erkunden. Bald macht man erste Orientierungspunkte aus und beginnt die Struktur des Lagers zu verstehen: Diese in bizarren Winkeln aus dem Eis hervorragenden Metallteile müssen wohl die ehemaligen Flugzeugunterstände markieren und die Zeltspuren und Latrinen dahinter die kurzfristige Unterkunft von Dyers Rettungstrupp. 30m davon entfernt liegen unter teils meterhohen Schneeverwehungen flache Buckel und Haufen, wahrscheinlich die Zelte der Expeditionsteilnehmer. Doch was sind diese nur ein paar Schritte davon gelegenen, in seltsam gerader Linie von West nach Ost aufgereihten und teils mannshohen Eiskegel? In fast einem halben Kilometer Distanz erkennt man etwas, im ersten Moment scheint es sich um die verknöcherten und nach allen Seiten in ungesunden Winkeln hinausragenden Skelett-Fragmente eines Baumes zu handeln, doch bei näherer Betrachtung erweist es sich als die metallenen Überreste des Pabodiebohrers, der, unterstützt von Eis und Schnee, dieses kompakt und vollständig verschließt. Überhaupt ist das Eis, sobald man die oberste, dünne Schicht von Schnee beiseite geschafft hat, omnipräsent und faustdick. Hier hindurchzukommen wird stundenlange Arbeit erfordern.

Nachdem die Enderby unter Führung von Dewitt Starkweather am Mt. Nansen abgesetzt hat und gegen 19 Uhr wohlbehalten mit dem Lagerzauberer Packard und seiner Entourage auf dem Plateau gelandet ist, können die Unterkünfte fertiggestellt und kurz vor Mitternacht ein warmes Abendessen im Messezelt serviert werden. Die Stimmung ist überraschend gut, trotz aller Anspannung. Priestley filmt unbekümmert alle Anwesenden und selbst Ms. Lexington taut ein wenig auf.

Alle begeben sich daraufhin ins Bett, mit Ausnahme von Thorpe, Miles, Longfellow und Dewitt, die die vergangenen Stunden geschlafen haben und nunmehr den knapp 6-stündigen Rückflug gen Basislager antreten, wo Teile des Pabodie-Bohrers sowie das Schmelzgerät auf die Flugzeuge geladen werden, während die Piloten nochmals vier Stunden schlafen, bevor es auch schon wieder mit O’Doul und Gilmore als Passagieren losgeht. Die Menge an Schlaf scheint jedoch zumindest für Mr. Thorpe schlecht bemessen gewesen zu sein, denn für einen kurzen Moment glaubt er  Strukturen im Himmel über den Bergen aufragen zu sehen, als sie in sein Sichtfeld rücken: Bizarre geometrische Muster, Kegel, Pyramiden, Zylinder, Würfel, teils übereinandergestapelt, teils mit Hilfe von unzähligen Bögen verbunden - ein abstraktes, kubistisches Werk, das vage an eine groteske Stadt im Himmel erinnern mag. Doch dann ist das Trugbild auch schon wieder verschwunden und weder Gilmore noch Miles wollen es gesehen haben.

Zum Mittag des 28.11. meldet Starkweather über Funk, dass die Besteigung des Nansen planmäßig voranginge, während Moore gemeinsam mit Ms. Lewinson und Mr. Wheapner die Grabstätte der Miskatonic Expedition aufsucht und dort trauert. Nachdem die Investigatoren unter großen Mühen bereits am Vormittag ein Zelt im Lake-Lager von Eis befreit hatten, dessen Zeltstangen sauber durchtrennt waren und dabei sowohl zahllose Spritzer von Blut als auch eine scharf riechende, dunklere Substanz fanden, ist Moore zwar höchst besorgt, doch drängt er darauf, einen der seltsamen Eiskegel zu öffnen. Der hinterste von ihnen scheint noch am einfachsten von Schnee und Eis zu befreien und mit Eispickeln, Hacken und den Motorsägen der Lexington-Expedition geht man zu Werke, einige seltsame bräunliche Schlieren im Eis unter den Füßen ignorierend.

Der Anblick, der sich darin bietet, ist hochgradig verstörend: Ein wulstiges, tonnenförmiges… Etwas, mehr als 2.5m hoch und an der dicksten Stelle annähernd 2m im Durchmesser befindet sich im Loch. An den Seiten zieren es mehrere zusammengefaltete Häute, die ausgebreitet sicher gut 2m messen. Dünne waagrechte Tentakel oder Wurzeln sind in der Tonnenmitte angewachsen und verzweigen sich an der Erscheinung.  Nach oben hat es Ähnlichkeit mit so etwas wie einer Blüte, aus der längliche Röhren herausragen, ähnlich wie Fruchtblätter, aber leicht verdickt und anscheinend zu öffnen. Nach unten hin verdickt sich die Tonnenform in etwas, dass am ehesten an die Gliedmaßen eines Seesterns gemahnt. Mit einem Seilzug wird die Erscheinung hervorgehoben und die Seesternextremitäten stellen sich als eingeklappte Wurzeln oder wohl viel mehr Beine heraus, die in dreieckigen Füßen enden. Eine Wunde zeichnet die hintere Seite der Tonnenform, von welcher ein leichter, scharfer Geruch ausgeht. Die Haut ist ledrig und zäh, eine Fossilisierung im klassischen Sinne kaum festzustellen.

An keinem der Anwesenden geht der Anblick des Lebewesens spurlos vorbei. Zweifelsohne muss es sich hierbei um einen von Lakes Sensationsfunden handeln, wahrscheinlich sogar jenes Exemplar, an dem er eine improvisierte Sektion durchführte, wie Dr. Enfield mit Blick auf die Wunde vermutet. Doch eine Pflanze sei dies niemals, so Prof. Moore. Warum sollten sie gelogen haben? Warum haben sie diesen Fund allerhöchstens angedeutet, doch so abgeschwächt, dass das wahrhafte Ausmaß dieses Etwas aus den Funksprüchen und Zeitungsberichten nicht einmal annähernd erahnt werden konnte? Moore und Lexington weisen an den Fund ins Biologiezelt zu bringen.

Thorpe, der gerade noch gelandet ist, um der Freilegung des „Fossils“ beizuwohnen, wird von Moore von weiteren Flügen entbunden, seine helfenden Hände sind eher im Lager benötigt, wo er zusammen mit Dr. Enfield, Mr. Wheapner, Ms. Lewinson und dem vergeistigten Blavatski weiter gräbt. Tatsächlich können am Nachmittag noch zwei weitere Zelte freigelegt werden, doch auch diese geben Rätsel auf: Schussspuren und eine wahnwitzige Menge von Blut, als wäre jemand hier geradezu ausgeblutet. Gewehrmunition, die achtlos herumliegt und die vollkommen zerstörten Überreste der Pfeife von Prof. Lake. Was ist hier nur passiert?

Beim Abendessen wir das Thema weitenteils vermieden. Auch Prof. Moore und Ms. Lexington berichten der Welt zwar im Detail von den Funden jener „Alten Wesen“, wie Lake sie genannt hatte, doch vermeiden auf Moores Drängen jedes Wort über die Zustände im Lager.

Als die Investigatoren nach einem anstrengenden Tag gegen 11 langsam ins Bett gehen wollen, bemerkt Mr. Wheapner durch Zufall, dass immer noch gefunkt wird. Eigentlich waren beide Mannschaften bereits seit einer Stunde mit dem Funkbetrieb zu einem Ende gekommen und der Generator abgeschaltet. Er alarmiert die anderen und schnell bemerkt Mr. Blavatski, dass Priestley vor dem Zelt Wache hält. Wahrscheinlich ist also Lexington dort. Man berät sich, was zu tun sei und nachdem man sich kurzzeitig für das Lauschen an der Zeltwand ausspricht, kommt Mr. Thorpe eine herausragende Idee: Warum nicht einfach auf dem Funkband des Flugzeugs mithören? Gesagt getan, während Blavatski Priestley in ein Gespräch über den Hayes-Code und die Freiheit der Filmkunst verwickelt (ein Thema, welches dem Kameramann der Lexington anscheinend sehr nahe geht), schleichen sich die anderen zu den Fliegern und belauschen die letzten Sekunden eines Gesprächs in deutscher Sprache, das Ms. Lewinson glücklicherweise übersetzen kann. Es scheint um Absprachen zwischen Lexington und ihren Gesprächspartnern zu gehen. Ein Handel zum beiderseitigen Vorteil. Sie erhielte Vorräte und einen Generator, die andere Partei würde dafür „dorthin“ gebracht werden, wo auch immer das sei, denn Lexingtons Flugzeuge seien dazu im Gegensatz zu denen ihres Gesprächspartners in der Lage. Dieser bedankt sich höflich für das Angebot und will dies an die beiden Expeditionsleiter weitergeben, da er nicht entscheidungsbefugt ist. Die Investigatoren sind sich sicher: Diese Schlange Lexington konspiriert mit der BFE!

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Fünfzehnter Spielabend

 

Lexington konspiriert mit den Deutschen. Wer hätte das gedacht? Welche Konsequenzen sollte man aus dieser Einsicht ziehen? Die Investigatoren sind unschlüssig. Schließlich einigt man sich darauf, eine Konfrontation zu vermeiden und Moore am kommenden Tag beiseite zu nehmen, um ihn auf den Vorfall hinzuweisen. Doch am nächsten Morgen ist man bereits mit anderen Dingen beschäftigt: Ein weiterer Eiskegel ist zu öffnen und die Flugzeugunterstände müssen fertiggestellt werden. Zudem ist im weiteren Verlauf des Tages mit der Ankunft des Generators zu rechnen, mit dessen Hilfe der Pabodie-Bohrer endlich in Betrieb genommen werden soll, an dem O’Doul und Gilmore schrauben.

Der Kegelschnitt eröffnet den Blick auf ein weiteres jener seltsamen Wesen. Diejenigen, die der Ausgrabung am Vortag nicht beigewohnt hatten, sind ebenso erschüttert wie ihre Kameraden es zuvor gewesen waren, doch die Investigatoren tragen den Fund nun mit mehr Fassung. Da am Nachmittag mit der Ankunft des Paläontologen Bryce zu rechnen ist, will Dr. Enfield nunmehr in Tradition von Lake eine Sektion des beschädigten Exemplars in seiner Gegenwart durchführen. Evtl. kann der Experte den rätselhaften Fund ja besser einordnen?

Bis zu seiner Ankunft wird mit tatkräftiger Unterstützung von Lexingtons Leuten (und unter den aufmunternd gemeinten, aber anscheinend nicht nur positiv aufgenommenen Kommentaren ihres Kamermanns Priestley) ein weiteres Zelt freigelegt, bis in die Abendstunden noch eines. Glücklicherweise offenbart keines Hinweise auf ähnlich grausame Szenen, wie sie in den bisher geöffneten Lagerplätzen angedeutet worden waren. Gleichsam stellen sich nur weitere Fragen: Wieso ist eines der Zelte anscheinend komplett verlassen und bar jedem persönlichen Zeugnis? Weshalb ist das andere nur noch eine Ansammlung von Zeltstangen ohne Plane? Und wer hat es geschafft, anscheinend sämtliche Seiten aus dem Notizbuch von Morrogh mit einem einzigen Griff herauszureißen?

Mit den Flugzeugen am Nachmittag kommen die restlichen Teile des Generators, sodass sich O’Doul und Gilmore ans Werk machen können. Doch die Aufnahme des Bohrbetriebs verzögert sich: Bald gesellt sich neben einigen der Lagerarbeiter auch Thorpe zu ihnen hinzu und mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit gelingt es ihm, die Komponente zu identifizieren, die bisher immer wieder zu Problemen geführt hat. Bis in die späten Abendstunden wird der Bohrer schließlich in Betrieb genommen.

Prof. Bryce und Dr. Enfield sezieren derweil das „alte Wesen“, wie Lake es genannt hatte, fotografiert und gefilmt von Ms. Lewinson und Priestley. Dabei ist zudem Blavatski, dessen morbide Interessen inzwischen niemand mehr hinterfragt. Die Sektion ist eine unangenehme Angelegenheit: Die Kreatur ist zäh und das erwärmte Zelt erfüllt von ihrem seltsamen, süßlich scharfen Geruch. Trotzdem schreiten die beiden voran und versuchen das Innere dieses seltsamen Etwas so gut wie nur möglich zu verstehen. Doch stattdessen gibt das Alte Wesen nur neue Rätsel auf: Das Exoskelett erinnert an Insekten oder insbesondere Hohltiere, doch die Nervenbahnen und das Hirn scheinen hoch entwickelt zu sein. Über komplexe Photosensoren in seinen „Kronblättern“ konnte es vermutlich sogar sehen und über scharfe Mäuler an seinen „Staubblättern“ Nahrung zu sich nehmen, mit Blick auf die Verdauungsorgane nicht nur pflanzlicher Natur. Voll ausgebildete Lungen und Kiemen legen ein Mischleben an Land und im Wasser nahe – ob es mit seinen Schwingen (oder dann wohl eher Flossen) schwamm? Dem Ansehen nach dem primitiven Urleben näher als jedem heutigen Landlebewesen, doch dem Aufbau nach eine befremdliche Chimäre aus Pflanze und hochentwickeltem Tier – wie fügt sich dieses Monstrum nur in die Erdgeschichte ein?

Bryce Unwohlsein in Gegenwart der Kreatur ist ihm anzumerken und so ist er nicht gerade traurig darum festzustellen, dass die Bohrungen am Höhleneingang kurz vor ihrem Beginn stehen, als er das Sektionszelt endlich verlassen kann. Er ist zusammen mit Wheapner der erste, der nach einer euphorischen (und der Uhrzeit unangemessenen) Meldung von Gilmore um 4 Uhr morgens am 30.11. den Durchbruch an der sagenumwobenen Lake-Höhle sieht. Bis 9 Uhr ist ein passierbarer Zugang geschaffen und Wheapner bahnt sich als erster seinen Weg in die Tiefe. Die Miskatonic-Expedition hatte nicht zu viel versprochen: Die Kaverne ist ein magischer Ort, zwischen unzähligen Stalaktiten und Stalagmiten ein Portal in ein unermessliches Reich ausgeschwemmter, unterirdischer Flusstäler, für deren Erkundung Mr. Wheapner sofort Feuer und Flamme ist. Bryce wiederum scheint sich wie ein Kind im Spielzeugladen zu fühlen, als er herunterklettert und erkennt, dass die Höhle eine einzige fossilisierte Schatzkammer darstellt. Auch die anderen bestaunen die Umgebung, während Prof. Griffith den Ort aus einer geologischen Perspektive ergründet.

Die Überbleibsel der Vorgängerexpedition sind klar zu erkennen: Ein Tisch mit fossilisierten Funden und einer alten Funzel, und zahllose Ausgrabungspunkte sind stummes Zeugnis ihrer vormaligen Präsenz. Dort, wo sie dereinst unter größten Mühen die alten Wesen aus der Erde gehoben hatten, fällt Mr. Thorpe ein kleiner, knapp 5 cm langer, eiförmiger Stein ins Auge, den er auf Grund seiner außerordentlichen Regelmäßigkeit einsteckt. Seine verglichen mit der kalten Umgebung relativ hohe Temperatur von knapp 6 Grad ist verblüffend, jedoch bei weitem nicht so irritierend wie der Fakt, dass es sich kurz darauf, als die anderen in der Höhle den Stein ebenfalls in Augenschein nehmen wollen, innerhalb von weniger als einer Minuten auf knapp 30 Grad erwärmt. Niemand weiß aus diesem seltsamen Fundstück schlau zu werden und man beschließt, es später weiter zu untersuchen, doch als alle wieder mit ihren Erkundungen und Analysen beschäftigt sind, steckt Thorpe den Stein schlicht in seine Jackentasche.

Lexington hat sich während der Öffnung der Höhle höflich zurückgehalten. Statt dem Vorgang beizuwohnen, hat sie ihre Männer dabei überwacht, wie sie mit Kettensägen ein weiteres Zelt freilegen. Die Investigatoren irritiert Lexingtons Anwesenheit im Allgemeinen schon seit der Ankunft und dem Kontakt zu den Deutschen ist es nicht besser geworden. Warum interessiert sie sich jetzt so für das Lake-Lager? Nach dem Mittag bietet Blavatski ihr eine Führung durch die Höhle an, die sie nach kurzem Zögern dankend annimmt und die Mr. Thorpe, Ms. Lewinson und Dr. Enfield beteiligen sich an der Freilegung des Zeltes.

Wheapner ist derweil von der ausufernden Menge von Tunneln fasziniert, die von der Lake-Höhle abzweigen. Bald unterstützt durch die anderen macht er sich daran, ihr Netz zu kartographieren und entdeckt engmaschige Verbindungen unterschiedlichster Größe. 500, 600, 700m weit ist er in das Labyrinthische System der Kavernen vorgedrungen und ein Ende ist nicht abzusehen. Das Höhenprofil deutet zudem auf vormals hohen Wasserdruck hin. Könnten die Tunnel bis auf das 6000m hohe Plateau reichen, von welchem Dyer berichtete?

Die Höhle ist ein Sensationsfund und bereits beim Mittag wird Prof. Moore nicht müde, der Welt dies mitzuteilen. Im Laufe des Tages gehen zahllose Gratulationen und Angebote für weitere Expeditionen auf der Gabrielle und der Tallahassee ein, die an die mittlerweile knapp 20 Personen im Lake-Lager (darunter seit heute auch Dr. Greene, der die Alten Wesen ebenfalls sezierte und während des Essens sichtlich verstört wirkt) weitergeschickt werden. Doch Moore kann sich darüber kaum freuen: Zu irritiert ist er über die grausigen Funde in den Zelten und die befremdliche Anatomie des Alten Wesens in Kombination mit den Aussagen Dyers, Danforths und der anderen Teilnehmer der Rettungsmission. Warum hatten sie lügen sollen?  Bereits zum Mittag hatte er einem Impuls folgend versucht Kontakt mit Prof. Pabodie in Arkham aufzunehmen, doch zum Abend erhält er eine brüske Absage in Form eines Funktelegramms. Irritiert und für seine Verhältnisse überraschend gereizt zieht er sich in sein Zelt zurück. Zuvor setzen ihn die Investigatoren jedoch schließlich über Lexingtons Kontakt zu den Deutschen ins Bild. Gemeinsam beschließt man, etwaige nächtliche Gespräche via Funk mit Hilfe der kleineren Geräte in den Zelten zu überwachen.

Ebenjene Überwachung fällt in der ersten Nacht Ms. Lewinson zu. Im Halbschlaf hat sie das Gefühl, immer wieder Wortfetzen und Bruchstücke von deutschen Sätzen zu vernehmen, doch als sie ein ums andere Mal hochschreckt, ist er Apparat abgesehen von einem leisen, sphärischen Grundrauschen, stumm.

Ein lautes Dröhnen am Himmel weckt das Lager vor seiner Zeit, als drei Junkers-Flugzeuge um 4:30 tief über die Zelte von Lexington und Moore hinwegdonnern. Knapp vor dem Kopf der gerade aus ihrem Zelt gekrochenen Ms. Lewinson wird etwas aus einer der Maschinen abgeworfen, entgeistert blickt sie auf eine Schwarz-Weiß-Rote Fahne, die sie beinahe gepfählt hätte. Es herrscht helle Aufregung, nicht wenige greifen zu ihren Waffen, als sie sich in Richtung der Flieger begeben, die gerade knapp 50m vom Lager entfernt sauber gelandet sind. Lexington ist gemeinsam mit Priestley den anderen voraus, Moore ihr dicht auf den Fersen. Die Tür und ausklappbare Treppe des mittleren Aeroplans wird geöffnet und heraus tritt ein magerer, ältere Mann mit Bart, der seinen maßgeschneiderten Parka zurechtrückt und mit ausgestreckter Hand auf Lexington und Moore zugeht: „Ladies and Gentleman, this is the Barsmeier Falken Expedition Exploration Corps. My Name is Doktor Johann Meyer and it is a pleasure to finally meet you in Person. Professor Moore and Miss Lexington I suppose?”

Während Lexington breit lächelnd die Hand des Doktoren schüttelt, betrachten die Mitglieder der SME verwirrt und irritiert die Situation. Das Explorationscorps der Barsmeier-Falken-Expedition ist angekommen – die Deutschen sind da.

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