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Halvar

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  1. Natürlich ist das Ganze eine Geschmacksfrage und ich kann auch Deinen Standpunkt voll und ganz nachvollziehen. Ich bin auch sicher nicht generell dagegen, Fertigkeiten zusammenzulegen - gerade bei solchen Dingen wie bspw. "Psychotherapie" und "Psychologie" habe ich mich schon immer gefragt, warum das zwei unterschiedliche Fertigkeiten sein müssen. Gleichsam braucht es meiner Meinung nach eigentlich "Elektrische-" und "Mechanische Reparaturen" überhaupt nicht, denn die Fertigkeit "Handwerk" ermöglicht ja bereits auch entsprechende Reparaturarbeiten - das ist also schon von Haus aus redundant. Streichungspotenzial gibt es also meiner Meinung nach durchaus. Man kann ja mal über einen Mittelweg nachdenken. Was mir vorschwebt, wäre so etwas wie eine erweiterte Fertigkeitsliste, die einerseits die Redundanzen aus der "alten" Liste herausfiltert, andererseits aber auch nicht so weit zusammengefasst wird, dass die hier angesprochenen problematischen Effekte auftreten, und die man als Alternative zu der "kurzen" Liste nehmen könnte. Bei wie vielen Fertigkeiten man dann letztendlich landet, kann ich nicht abschätzen - sicherlich mehr als 20 und weniger als 60. Mit einem einfachen Austasch der Fertigkeitslisten allein ist es aber natürlich nicht getan, denn da hängt ja noch eine ganze Menge dran: Mit Sicherheit würde es eine Anpassung der Berufsfertigkeiten jedes einzelnen Berufs (ggf. sogar eine Aufstockung auf 4 je Beruf) und eine Anhebung der Fertigkeitspunkte bedeuten, und es stellt sich die Frage, inwieweit Spezialisierungen dann noch Sinn machen, oder ob man an deren Handhabung auch noch etwas ändern muss, um sie dann wieder interessant zu machen. Ganz zu schweigen von der Anpassung des Charakterbogens. Sicherlich gibt es da noch mehr Punkte, die es zu bedenken gilt, die mir aber jetzt auf die Schnelle nicht einfallen wollen. Lange Rede, kurzer Sinn: Das ist nicht so einfach umzusetzen und wäre eine Menge Arbeit. Na ja, warten wir erst mal ab, was die CW19 so zu bieten hat. Vielen Dank jedenfalls, dass Du Dir die Zeit genommen hast, auf meine Fragen zu antworten!
  2. Thomas, vielen Dank jedenfalls für die schnelle Antwort! Grundsätzlich kann ich mich Gruftburg nur anschlie?en: In den alternativen Regeln stecken einige sehr gute Ideen und von ihrem Konzept her sind sie zweifelsohne eine klare Verbesserung gegenüber dem "alten" System. Der einzige Knackpunkt ist, dass für meinen Geschmack bei der Zusammenlegung der Fertigkeiten reichlich über das Ziel hinausgeschossen wurde, und das gilt natürlich ganz besonders für die ehemaligen Gruppenfertigkeiten. Die Fertigkeiten sind nach meiner Auffassung der mit Abstand wichtigste Aspekt am Cthulhu-System. Mal zum Vergleich: Bei D&D spielen die Fertigkeiten sicherlich nur die zweite bis dritte Geige nach den Klassenmerkmalen und Talenten, aber selbst da gibt es 36 Fertigkeiten (v.3.5) gegenüber den jetzt 20 bei Cthulhu. Bei Pathfinder wurden diese 36 auf 26 Fertigkeiten gestutzt (z.B. auch Klettern und Schwimmen zu Athletik), und selbst dafür hatte ich teilweise schon wenig Verständnis. Aber das sind immer noch mehr als jetzt bei Cthulhu. Das steht irgendwie in überhaupt keinem Verhältnis zu der jeweiligen Relevanz im Spiel. Des Weiteren macht es für mich bei Cthulhu schon immer einen besonderen Reiz aus, dass mein Charakter Dinge kann, die sonst keiner kann, und die anderen dafür Dinge können/wissen, von denen mein SC überhaupt nichts versteht. Ich wei?: Um den eigenen Charakter herauszuheben, sind die Spezialisierungen gedacht. Allerdings bekommt man auch damit maximal nur eine Differenz von 15% zustande - viel zu wenig, um den eigenen Charakter im Spiel merklich von der unspezialisierten Masse abzugrenzen. Dass man nicht immer jemanden mit der passenden Fertigkeit parat hat, um ein bestimmtes Problem zu lösen, und sich somit etwas anderes ausdenken muss, oder eben dass man auch mal mit den Konsequenzen daraus klar kommen muss, dass man bestimmte Dinge eben nicht hinbekommt, sind ebenfalls alles Aspekte, die Cthulhu für mich reizvoll, interessant und spannend machen. All dies wird durch die Zusammenlegungen zwar nicht vollends zunichte gemacht, aber Situationen dieser Art werden dadurch mit Sicherheit weniger. Wer hatte vorher schon so etwas wie "Elektrische Reparaturen", um den Generator wieder in Gang zu bringen? "Oh, verdammt, wir werden die Nacht über keinen Strom haben, was machen wir denn jetzt?" Nach den alternativen Regeln findet sich nun garantiert jemand mit einem guten Wert auf "Handwerk", der den Generator wieder in Gang bringt, und sei es derjenige, der früher nur die Schlösser geknackt hat. Ich denke, es ist klar, worauf ich hinaus will: Ich befürchte, dass durch die massiven Zusammenlegungen - neben den ganzen logischen Schwierigkeiten, die hier ja bereits angesprochen wurden - sehr viel Würze und Spannung aus dem Spiel genommen wird. Gut, vielleicht sehe ich da auch zu sehr schwarz und die Praxis wird etwas anderes zeigen, aber so wie sich die Sache momentan darstellt, habe ich da eher wenig Hoffnung - naja, wir werden sehen.
  3. Sorry, wenn ich hier einen recht alten Thread rauskrame, aber wir hatten gestern unsere erste Session mit den alternativen Regeln und sind bei der Konvertierung unserer bestehenden Charaktere prompt auf einige Unklarheiten bzw. Verständnisprobleme gesto?en... wäre nett, wenn die hier geklärt werden könnten. 1. Gibt es überhaupt noch Fertigkeiten, die weiter unterkategorisiert werden müssen? Insbesondere bei Fremdsprachen und Handwerk erscheint es uns äu?erst befremdlich, dass bspw. ein Buchhalter mit vormals 60% auf "Buchführung" nun plötzlich mit der gleichen Chance ein Schloss knacken kann, weil "Buchführung" nun ebenso wie "Schlosserarbeiten" unter "Handwerk" fällt. Oder dass jemand mit vormals 70% auf "Fremdsprachen (Deutsch)" nun plötzlich alle Fremdsprachen mit 70% kann, sei es nun Deutsch, Mandarin oder die Pfeifsprache der Kanarischen Inseln. Mein Kampfpilot aus dem ersten Weltkrieg ist nun plötzlich auch ein ziemlich guter Autofahrer, was er vorher nur auf dem Grundwert konnte. Nun haben wir in einem Abschnitt über die neuen Fertigkeiten ("Der schieren Menge zu Leibe rücken") ziemlich am Anfang den Passus gefunden, dass man bestimmte Fertigkeiten so stehen lassen kann, wie sie sind, darunter auch "Fremdsprachen" und "Kunst", also zwei Fertigkeiten, die man bisher weiter unterteilen und dann separat steigern musste (was in unseren Augen ja auch Sinn macht). Wir haben nun daraus geschlossen, dass man diese Fertigkeiten auch bei den alternativen Regeln nach wie vor untergliedern muss. Und da es ja kaum Sinn macht, dies bei "Fremdsprachen" und "Kunst" beizubehalten, bei anderen derartigen Fertigkeiten jedoch nicht ("Handwerk", "Fahren", etc.), haben wir vermutet, dass es sich bei diesen Fertigkeiten genauso verhalten muss, also auch "Handwerk", "Fahren", etc. weiter untergliedert werden müssen. Andererseits: Wenn man sich den neuen Charakterbogen anschaut, so sind dafür keine zusätzlichen Zeilen mehr vorhanden, eine weitere Untergliederung also offenbar nicht vorgesehen. Was stimmt nun? 2. Wenn die Fertigkeiten wie oben beschrieben weiter untergliedert werden müssen, wie sieht es dann mit den Spezialisierungen aus? Beispiel: Ohne Untergliederung hätte mein oben erwähnter SC bei einer GE von 65 insgesamt 65 Fertigkeitspunkte auf "Fahren" (mehr geht ja nicht wegen der Deckelung durch den Attributswert), plus drei Spezialisierungen auf "Propellermaschinen", so dass er mit seinem Doppeldecker auf insgesamt 80% käme. Wenn die Fertigkeit nun aber weiter unterteilt werden müsste, dann hätte er "Fahren (Propellermaschinen)" nur auf 65%. Welche Spezialisierungen könnte man da noch drauflegen? "Kunstflug"? "Fliegen bei schlechtem Wetter"? Oder spezialisiert man sich dann auf die genaue Maschine? Oder wie ist das gemeint? Wenn es keine weiteren Untergliederungen wie unter 1. gefragt mehr gibt, entfällt diese Frage natürlich, denn dann ist die Spezialisierung natürlich die Propellermaschine wie oben im ersten Fall beschrieben. 3. Kann man Spezialisierungen auch dann wählen, wenn man die Attributsgrenze noch nicht erreicht hat? Beispiel: Ein Gro?wildjäger mit IN 70 und 53% auf "Verborgenes erkennen" möchte sein Häkchen in eine Spezialisierung für "Spuren lesen" umwandeln, so dass er dann "Verborgenes erkennen" nach wie vor auf 53% hat, beim Spuren lesen dann aber 58% hätte. Geht das? Oder muss er erst mit "Verborgenes erkennen" durch normale Steigerungen die 70% erreicht haben, bevor er sich auf das Spuren lesen spezialisieren kann/darf? 4. Der "Rand des Wahnsinns" errechnet sich laut Regeltext aus einem Drittel der Maximalstabilität (99 - Cthulhu-Mythos) eines Charakters. Das erscheint uns ziemlich merkwürdig, denn das würde ja bedeuten, dass durch die Lektüre von Mythoswerken diese Schwelle sinkt, man also weniger schnell dem Wahnsinn verfällt. Angenommen, man hat noch kein Mythoswissen (Maximalstabilität 99, Rand des Wahsinns 33) und aktuell 32 Stabilitätspunkte, liegt also knapp unterhalb der Schwelle. Nun liest man ein Mythoswerk, das dem SC 5% auf Cthulhu-Mythos einbringt. Ergebnis: Die Maximalstabilität sinkt auf 94, der Rand des Wahnsinns auf 31, und der Charakter wird wieder normal? Das kann doch wohl so kaum im Sinne des Erfinders sein, oder? Wir haben es nun so interpretiert, dass nicht die Maximalstabilität eines Charakters gemeint ist, sondern sein Attributswert für geistige Stabilität. Hei?t: Bei einer gS von 60 beträgt der Rand des Wahnsinns 20, und dabei bleibt es auch. Haben wir das so richtig verstanden? Ich hoffe, meine Erklärungen sind nicht zu wirr geraten. Jedenfalls schon mal vielen Dank im Voraus für alle Antworten!
  4. Teil 28b: Phönix (Fortsetzung) Fortsetzung Session 19.04.2008 Das war im Wesentlichen das, womit wir gerechnet hatten, und wir waren uns auch ziemlich sicher, dass Dr. Tiller dies alles auch genau so den Beamten erzählen würde, sollte es tatsächlich zu einem Verhör kommen - was uns angesichts der Umstände, unter denen man uns auffinden würde, mehr als nur wahrscheinlich erschien. Ich befürchtete sogar, dass man uns zumindest so lange aus dem Verkehr ziehen würde, bis der Sachverhalt geklärt wäre oder feststand, dass man uns nichts nachweisen konnte. Wenn es ganz schlecht lief, wäre es auch gut möglich, dass man uns sicherheitshalber bis ans Ende unserer Tage wegsperren würde. Besser, ich dachte nicht darüber nach. Noch waren wir ohnehin nicht gerettet. Wir einigten uns jedenfalls schnell darauf, dass es das Klügste und Plausibelste wäre, wenn wir bei Dr. Tillers Aussage einfach mitspielen würden: Die schrecklichen Ereignisse hätten unsere Sinne vernebelt und wir könnten uns an nichts mehr erinnern. Eine Erklärung für die entstellten Leichen hätten wir nicht - fertig. Eine andere Möglichkeit, die ganze Sache glaubwürdig zu erklären, ohne uns mit Dr. Tiller zu widersprechen, sahen wir nicht. "Ach, da war noch etwas", merkte Mrs. Stevens-McCormmick an, "Dr. Tiller hat mich gefragt, ob wir schon mal nach der Leiche von Charles Johnson gesucht hätten." Pater Benedict hielt das für eine gute Idee, ich jedoch wusste nicht, wo wir damit hätten anfangen sollen - am Wahrscheinlichsten erschien es mir noch, dass das Blasen-Ding, als es den Lichtschlauch um das Sanatorium gebildet hatte, den Leichnam mitgenommen und dann irgendwo fallengelassen hatte - vielleicht sogar ins Meer. Pater Benedict schlug vor, dass wir ja wenigstens mal am Leuchtturm nachschauen könnten, bevor wir hier nur nutzlos herumsitzen würden. Mrs. Stevens-McCormmick erklärte sich bereit, ihn dabei zu begleiten, ich jedoch zog es vor, mich dieser Anstrengung nicht zu unterziehen, und mich stattdessen auf die Couch in der Bibliothek zu legen, um mich zu schonen. Gut anderthalb Stunden später trat Mrs. Stevens-McCormmick wieder in die Bibliothek, um mir zu berichten, dass sie die Leiche von Charles Johnson tatsächlich oben auf dem ausgebrannten Leuchtturm vorgefunden hätten. Allerdings sei sie nur noch durch den zerstörten Hinterkopf, den meine Gewehrkugel verursacht hatte, zu identifizieren gewesen, und hätte sich ansonsten in einem ähnlichen Zustand befunden wie die Leichen von Blanche, Henry Adam Barber und Leonard Hawkins. Ich nahm es zur Kenntnis, wusste allerdings nicht, was uns diese Information nun gebracht hatte. "Und wo ist Pater Benedict jetzt?", fragte ich. "Zum Steg hinunter, er will noch mal mit Tiller reden", lautete ihre Antwort. Wir warteten noch bis zur Mittagszeit auf Pater Benedicts Rückkehr, jedoch vergeblich. Dann ging Mrs. Stevens-McCormmick in die Küche, um das Essen zuzubereiten. Auf dem Weg dorthin begegnete sie dem Pater offenbar im Foyer, als dieser gerade von drau?en hereingekommen war. Durch die offen stehende Bibliothekstür konnte ich ihre Unterhaltung mit verfolgen: Pater Benedict berichtete, dass er mit Dr. Tiller zumindest ins Gespräch gekommen wäre. Die beiden hätten sich dazu entschlossen, an der Steilküste ein Signalfeuer zu entfachen und nach vorbeifahrenden Schiffen Ausschau zu halten, was in der momentanen Situation sicherlich das Sinnvollste wäre. Pater Benedict wollte zwei Stühle und zwei Decken aus dem Sanatorium holen, damit es die beiden drau?en etwas bequemer hätten. Mrs. Stevens-McCormmick erklärte sich bereit, eine hei?e Kanne Tee aufzubrühen, dann entschwand sie in die Küche, während Pater Benedict offenbar ins Obergeschoss ging, um die gewünschten Utensilien zu holen. Wenig später hörte ich, wie er - etwas schwerfälliger - die Treppe wieder herunterkam und das Gebäude verlie?. Als Mrs. Stevens-McCormmick mit der Zubereitung unseres Mittagsmahls fertig war, holte sie mich und die Patienten aus der Bibliothek, weckte Lady Gordon und rief auch nach Pater Benedict und Dr. Tiller. Letztere wollten aber wohl ihren Posten nicht aufgeben, und so kam nur der Pater kurz vorbei, um für sich und Dr. Tiller etwas zu essen und die Kanne mit dem Tee zu holen. Nach dem Mittagessen zogen wir uns mitsamt den Patienten in die Bibliothek zurück und verbrachten dort den gesamten restlichen Nachmittag. Ich versuchte, mich mittels leichter Lektüre etwas von den Geschehnissen der letzten Tage abzulenken. Lady Gordon tat es mir gleich, während Mrs. Stevens-McCormmick sich eingehend mit dem Castro-Manuskript beschäftigte. Als die Dämmerung hereinbrach, gesellte sich auch Pater Benedict wieder zu uns und berichtete, dass er und Dr. Tiller kein Schiff gesehen und schlie?lich beschlossen hätten, es für heute gut sein zu lassen. Der Pater machte Darlene und Colonel Billings bettfertig und brachte sie auf ihre Zimmer, dann griff er sich ebenfalls irgendein Buch aus einem der Regale und begann zu lesen. Lady Gordon verkündete jedoch, dass sie sicherheitshalber auch diese Nacht wieder auf der Empore Wache halten wolle. Sie begab sich wieder auf ihren Posten über dem Haupteingang, von dem sie den Weg zum Steg und durch die geöffnete Tür des Gästezimmers auch den Weg in Richtung Leuchtturm im Auge behalten konnte. Mit dem fortschreitenden Abend wuchs in mir die Hoffnung heran, dass wir es tatsächlich überstanden haben könnten - immerhin war es nun schon gegen Mitternacht und das Blasen-Ding hatte sich nicht mehr gezeigt. Wenn wir nur noch bald gerettet werden würden... In diesem Moment riss mich die Stimme von Lady Gordon aus meinen Gedanken, die in markerschütternder Lautstärke jenen Satz kreischte, der sofort jegliches Gefühl der Zuversicht in mir wie eine Seifenblase zerplatzen und in blankes Entsetzen umschlagen lie?: "ES IST WIEDER DA!" Für eine Sekunde starrten wir uns nur erschrocken und ungläubig an. Dann warf Pater Benedict sein Buch beiseite und war mit einem Satz am Fenster. "Nein", brachte er nur hervor, dann stürmte er zur Tür hinaus. Mrs. Stevens-McCormmick war nur den Bruchteil einer Sekunde langsamer und stürzte die Treppe zu Lady Gordon hinauf. "Ich will mit der Muschel zum Steg, kommen Sie mit?", schrie diese ihr entgegen. "Aber... was soll ich denn machen?", fragte Mrs. Stevens-McCormmick verzweifelt. "Wei? ich auch nicht", entgegnete Lady Gordon ihr nur, dann hasteten sie die Treppe wieder hinunter und hinter Pater Benedict her zum Haupteingang hinaus. Ehe ich mich versah, war ich allein. Ich sah keinen Sinn darin, den anderen kopflos hinterher zu rennen. In meinem Zustand würde ich eh nicht mit ihnen Schritt halten können und eine Hilfe wäre ich ihnen auch nicht gewesen. Ich wusste aber auch nicht, was die Damen und Pater Benedict jetzt noch zu erreichen hofften - mit nur einem einzigen Symbol würden sie das Ding nicht in Schach halten können. Ich stand auf und schlurfte ins Foyer. Durch den geöffneten Haupteingang konnte ich es nun auch sehen: ?ber die Kante der Steilküste schien das rötliche Leuchten, das mir inzwischen nur allzu vertraut war - genau an der Stelle, an der sich der Steg befand. Kein Zweifel: Dieses Mistding war wieder aus dem Meer gekrochen. Davor konnte ich noch die Silhouetten von Pater Benedict, Lady Gordon und Mrs. Stevens-McCormmick erkennen, die auf das Leuchten zueilten - zweifelsohne in ihr Verderben. Ich wand mich ab und ging wie in Trance in den Patiententrakt, schloss die Sicherheitstür zum Foyer und kauerte mich in die Nische, in der wir Bobby Birch gefunden hatten, und in die wir uns nun schon so oft hatten zurückziehen müssen. Dort wartete ich, den Kopf in den Armen vergraben. Wir hatten alles versucht: Wir hatten dieses Ding am Leuchtturm durch eine Flammenhölle gejagt und es hatte ihm scheinbar nichts ausgemacht. Das Sonnenlicht schien es zwar zu meiden, aber wirklich gefährlich konnte es ihm wohl auch nicht werden. Es ins Meer zu treiben, war unsere letzte Hoffnung gewesen. Wenn das nun auch nicht funktioniert hatte, was blieb dann noch? Mir fiel nichts mehr ein und ich hatte auch keine Lust, noch länger darüber nachzudenken. Ich war es einfach satt. Ich wollte nur noch, dass es endlich vorbei war. Ich zog den Colt meines Cousins Edward aus der Innentasche meiner Jacke. Er hatte ihn bei seinen Luftgefechten immer bei sich getragen, um seinem Leben ein Ende setzen zu können, bevor er im schlimmsten Fall dazu verdammt sein würde, in seinem brennenden Wrack einen qualvollen Flammentod zu erleiden. Bei seinem letzten Flug hatte er es jedoch aus irgendwelchen Gründen nicht geschafft, ihn abzufeuern. Jetzt hatte ich den Colt und befand mich in einer ähnlichen Situation. Ironie des Schicksals? Ich überprüfte die Waffe - die einzige Kugel steckte noch immer im Lauf. Würde ich die Chance bekommen, die Edward versagt geblieben war? Ich hörte ein Geräusch aus dem Foyer. Ich nahm den Colt in die Hand und presste die Mündung an meine rechte Schläfe, dann richtete ich den Blick starr auf die Sicherheitstür. Ich wusste nicht, ob ich den Mut aufbringen würde, im entscheidenden Moment abzudrücken. Aber eines wusste ich ganz genau: Lebend sollte mich dieses Mistvieh nicht bekommen. Fortsetzung in Teil 29: Das Ende
  5. Teil 28a: Phönix Session: 19.04.2008 7. Tag Ich erwachte, als das Licht der aufgehenden Sonne auf meine Augen fiel. Ich blinzelte, richtete mich auf und sah mich um - ich war allein? Meine Taschenuhr zeigte 7 Uhr an. Ich beschloss, aufzustehen und nachzuschauen, wo die anderen waren. Als ich aus der Bibliothek ins Foyer trat, fiel mir als erstes Lady Gordon auf, die in einer unnatürlich verkrümmten Haltung auf einem Stuhl auf der Empore im ersten Stock sa? - oder besser: lag. Der Stuhl war einem der Fenster zugewandt, die über dem Haupteingang in Richtung des Wegs zum Steg zeigten, so dass ich sie nur von hinten sehen konnte. Erschrocken hastete ich so schnell es mir in meinem Zustand möglich war die Treppe hinauf und zu ihr hin. "Lady Gordon?", versuchte ich, sie anzusprechen, während ich mich ihr näherte. Sie schrak auf - ein Glück, sie hatte nur geschlafen! Einen Moment lang blickte sie sich verwirrt um, dann beugte und streckte sie sich, um ihre Knochen zu sortieren, wobei sie ihr Gesicht schmerzhaft verzog. "Verflixt, ich muss eingeschlafen sein", stellte sie dabei fest. "Was machen Sie denn hier oben?", wollte ich von ihr wissen. "Na, Wache halten", antwortete sie mir in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran lie?, dass sie dies für eine ausgesprochen dumme Frage gehalten hatte. "Sie scheinen ja alle der Auffassung zu sein, dass wir uns keinerlei Sorgen mehr zu machen brauchen", fügte sie mit leicht vorwurfsvollem Unterton hinzu. Ich beschloss, darauf nicht näher einzugehen. "Wo sind überhaupt die anderen?", fragte ich stattdessen. "Die Patienten sind auf ihren Zimmern und Mrs. Stevens-McCormmick, Pater Benedict und Dr. Tiller haben sich erlaubt, sich jeweils in eines der Gästezimmer zur Ruhe zu betten", antwortete sie, ohne die ironische Färbung ihrer Stimme abzulegen. Offenbar war sie etwas empört darüber, dass sich niemand bereit erklärt hatte, sie bei ihrer Wache zu unterstützen oder abzulösen. Wie auch immer - ich beschloss, das Frühstück vorzubereiten, während Lady Gordon sich zunächst einmal frisch machen wollte. Nach und nach kamen auch die anderen die Treppe herunter und Dr. Tiller holte Darlene und Colonel Billings aus ihren Zimmern, so dass wir wenig später alle am Frühstückstisch versammelt waren. Ich kündigte den anderen an, dass ich mich ab jetzt würde schonen müssen, um meine Gesundheit nicht noch weiter zu gefährden, dann stellte ich die folgende Frage, die mir auf den Nägeln brannte: "Hat sich von ihnen schon mal jemand Gedanken darüber gemacht, was wir erzählen sollen, wenn wir von der Insel herunterkommen? Denn wenn wir sagen, was wirklich passiert ist, dann landen wir mit Sicherheit in der Klapsmühle." Keiner der Anwesenden reagierte auf meinen Einwurf. Ich blickte etwas erstaunt in die Runde, aber scheinbar wollte mich niemand gehört haben. Den Rest des Frühstücks nahmen wir schweigend ein, dann zog sich Dr. Tiller mit den Patienten in die Bibliothek zurück und ich beschloss, mich in eines der Gästezimmer zu legen, um mich auszuruhen. Wenig später klopfte es an meiner Zimmertür. Als ich öffnete, blickte ich in die Gesichter von Lady Gordon, Mrs. Stevens-McCormmick und Pater Benedict. "Wir sollten durchaus darüber sprechen, was Sie vorhin am Frühstückstisch erwähnt haben", eröffnete Lady Gordon das Gespräch, "aber vielleicht sollten wir Dr. Tiller dabei erst einmal au?en vor lassen." Ich bat sie herein. "Wir müssen ihn aber schon irgendwann mit einbeziehen", erwiderte Pater Benedict, "denn wenn sich unsere Aussagen unterscheiden, werden entweder wir oder er im Gefängnis landen." - "Aber wenn wir uns erst einmal alle abgesprochen haben, dann wird es vielleicht auch einfacher, ihn davon zu überzeugen, sich dem anzuschlie?en", entgegnete Lady Gordon. Dagegen hatte niemand etwas einzuwenden. Nachdem sich alle einen Sitzplatz gesucht hatten, versuchten wir uns zunächst an einer Bestandsaufnahme: Die Leichen von Dr. Brewer, Ebenezer, Bobby Birch, Catherine Ames und Melba Carson, die allesamt von Charles Johnson umgebracht worden waren, hatten wir nahe der Steilküste verbrannt, wovon die ?berreste noch deutlich zu erkennen waren. Die Leiche von Charles Johnson, den ich erschossen hatte, war verschwunden. Der vertrocknete Körper von Blanche lag noch immer im Foyer und die gleichsam zugerichteten ?berreste von Henry Adam Barber und Leonard Hawkins hingen noch in den Fenstergittern in ihren jeweiligen Zimmern. Hinzu kam der aufgeplatzte und zerkochte Leichnam von Allen Harding im Behandlungszimmer im Obergeschoss, sowie die zerstückelten ?berreste von Cecil Randolph und des Ornithologen auf dem Steintisch im Norden der Insel. Schnell wurde uns klar, dass es unmöglich war, eine Geschichte zu erfinden, die imstande gewesen wäre, diese ganzen Toten und vor allen Dingen deren Zustand plausibel zu erklären und im Zweifelsfall sogar einem Verhör standzuhalten, ohne dass wir uns verdächtig machen oder für völlig übergeschnappt gehalten würden. Und - wie Pater Benedict anmerkte - war das ja noch nicht alles: Der Steg war halb abgebrannt, der Leuchtturm völlig, und ein paar Stellen des Waldes hatten wir ebenfalls angezündet. Auch das Sanatoriumsgebäude selbst machte einen alles andere als unverdächtigen Eindruck: Mehrere Einschusslöcher in den Wänden, überall Kampf- und Blutspuren, zerschlagene Fensterscheiben, die zerschmetterte Hintertür, und nicht zuletzt unser eigener Zustand und derjenige unserer Kleidung - all dies würden wir zu erklären haben. Nein - uns blieb nur, so nahe wie möglich an der Wahrheit zu bleiben, andernfalls würden wir uns mit Sicherheit in Widersprüche verstricken. Bis zu jenem Punkt, an dem ich Charles Johnson erschossen hatte, war dies ja auch unproblematisch - obschon wir inzwischen auch diese Ereignisse nicht mehr beweisen konnten, da Johnsons Leichnam verschwunden war und wir dessen Opfer bis zur Unkenntlichkeit verbrannt hatten - eine Kurzschlussreaktion, für die ich mich nun hätte ohrfeigen können. Aber zumindest würden sich unsere Aussagen bis zu diesem Zeitpunkt decken, auch mit derjenigen von Dr. Tiller. Die Frage war blo?, was danach kommen sollte. Lady Gordon schlug vor, wir sollten die Vermutung vorgeben, dass das Wasser oder die Lebensmittel vergiftet gewesen seien und dies Wahnvorstellungen bei uns ausgelöst hätte. Diese Idee stie? bei mir und den anderen allerdings auf wenig Gegenliebe: Einerseits erschien uns das kaum glaubhaft, andererseits zu leicht nachprüfbar. Pater Benedict war eher dafür, unsere "Wahnvorstellungen" - wenn wir diesen Weg schon einschlagen wollten - allgemein mit den traumatischen Ereignissen zu begründen, die wir vorher bereits erlebt hatten. Aber auch mit diesem Vorschlag war keiner von uns wirklich glücklich. In diesem Moment hörten wir Schritte aus dem Foyer. Durch die noch offen stehende Zimmertür sahen wir Dr. Tiller, der aus der Bibliothek gekommen war und nun zum Haupteingang hinausging. Pater Benedict warf einen Blick aus dem Fenster. "Er geht in Richtung Steg", informierte er uns schlie?lich. "Solange wir nicht genau wissen, was Dr. Tiller den Beamten sagen wird, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns dumm zu stellen und zu erzählen, dass wir gar nichts gesehen hätten", merkte ich an. "Dann wird es vielleicht mal an der Zeit, herauszufinden, was Dr. Tiller wei? oder zu wissen glaubt", erwiderte Mrs. Stevens-McCormmick. Damit waren wir einverstanden. Da wir jedoch nicht allesamt über ihn herfallen wollten, erklärte sie sich auch gleich dazu bereit, diese Aufgabe zu übernehmen, und folgte dem Doktor in Richtung Steg. Lady Gordon beschloss, nun endlich ihre entgangene Nachtruhe nachzuholen, und zog sich auf eines der Gästezimmer zurück, während sich Pater Benedict und ich in die Bibliothek begaben, um auf Mrs. Stevens-McCormmicks Rückkehr zu warten. Es dauerte keine zwanzig Minuten, bis sie wieder in die Bibliothek trat, offensichtlich etwas gereizt. "Er hält nach Schiffen Ausschau", verkündete sie, "und wenn man das Gespräch auch nur ansatzweise auf das Thema 'au?erirdisches Monster' lenkt, reagiert er äu?erst ungehalten." - "Hat er wirklich 'au?erirdisches Monster' gesagt?", fragte ich sie. Mrs. Stevens-McCormmick bejahte. Das erschien mir merkwürdig. Ich war mir ziemlich sicher, dass wir Dr. Tiller gegenüber noch nie den Verdacht geäu?ert hatten, dass dieses Ding au?erirdischen Ursprungs sei - mir jedenfalls war dieser Gedanke überhaupt noch nicht in den Sinn gekommen. Hatte er vielleicht doch mehr gesehen als er zuzugeben bereit war und sich schon selbst etwas zusammengereimt? Oder hatte er diese Begriffe gewählt, um seiner Verachtung Ausdruck zu verleihen? Wie auch immer, im Grunde war es einerlei - er würde kaum bereit sein, dies zu diskutieren, und ganz sicher würde er nichts davon bei einem Verhör zu Protokoll geben. Ich fragte Mrs. Stevens-McCormmick, welche Erklärungen er denn für die ganzen Vorgänge hier hätte, und sie berichtete, dass er Charles Johnson für einen wahnsinnigen Mörder halten würde, dessen Beweggründe er aber nicht erahnen könne. Bezüglich Allen Harding wäre er wohl der Ansicht, dass es sich um spontane Selbstentzündung oder ein bisher unbekanntes medizinisches Phänomen gehandelt hätte, und auf die anderen Toten wäre er überhaupt nicht eingegangen. Was unser Verhalten anginge, so würde er eine Massenhysterie beziehungsweise -halluzination vermuten. Fortsetzung in Teil 28b
  6. Dramatis personae: Pater William Benedict Mein Name ist William Stuard. Ich wurde vor 35 Jahren als erster Sohn von Eva und James Stuard in Dublin geboren. Meine Mutter führte erfolgreich einen Kolonialwarenladen. Mein Vater war ein erfolgreicher Jurist. So wuchsen meine jüngere Schwester und ich wohlbehütet, ohne finanzielle Nöte, im schönen, grünen Irland auf. Meine Mutter ging voll und ganz in ihrem Laden auf. Mein Vater frönte in seiner Freizeit seinem Hobby, der Astrologie. Meine Schwester sang im Chor von Ross Errilly und schrieb Gedichte über unser schönes Heimatland. An einem Spätsommer-Wochenende, ich hatte mein Studium in Geschichte beendet, freute ich mich auf meine Anstellung am historischen Institut zu Dublin, die ich in den nächsten Tagen antreten würde. An diesem Abend sollte sich mein Leben komplett ändern. Meine Eltern verabschiedeten sich, sie wollten einen schönen Abend in der Oper verbringen. Meine Schwester und ich hatten es uns gemütlich gemacht, als es an der Tür klingelte. Hatten unsere Eltern etwas vergessen? Nein, als ich die Tür öffnete, standen dort zwei Polizisten, die einen bedrückten Eindruck machten. Auf meine Frage nach dem Grund ihres Besuches, baten sie um Einlass. Ich führte sie in den Salon und bot ihnen einen Platz an. Meine Schwester war mittlerweile auch hinzugekommen. Dort eröffneten uns die Beamten, dass unsere Eltern einen Unfall hatten und diesen bedauerlicherweise nicht überlebt hatten. Meine Schwester brach daraufhin zusammen, so dass wir unseren Hausarzt rufen mussten. Am nächsten Tag informierte ich unsere Verwandten. Der Bruder meines Vaters, er ist Abt in einem Kloster im County Galway, meldete sich für den kommenden Tag an. Er trug mir auf, niemanden in Vaters Arbeitszimmer zu lassen. Nach seiner Ankunft ging unser Onkel mit uns in Vaters Arbeitszimmer. Er öffnete einen geheimen Tresor, von dem ich bis dato nichts gewusst habe, und entnahm ihm einige Dokumente. Nach einer kurzen Erklärung eröffnete er uns, dass wir in gro?er Gefahr seien. Deswegen müssen wir unser Elternhaus sofort verlassen. Wir packten alles zusammen, was wir an Geld, Schmuck und anderen Wertsachen hatten. Dann machten wir uns auf den Weg. Meine Schwester ging in ein Nonnenstift, wo sie ihre Ausbildung beenden konnte. Sie lebt jetzt in den Vereinigten Staaten und hat gerade ihren zweiten Gedichtband veröffentlicht. Unser Elternhaus, den Laden meiner Mutter und alle anderen Güter veräu?erten wir. Ich selbst folgte meinem Onkel ins Kloster. Nach einiger Zeit begann ich, die Bibliotheken der Franziskaner in ganz Europa zu sichten und zu archivieren. Jetzt bin ich Pater Benedict! http://www.trollscave.de/rpg/shcthulhusanatorium/paterwilliambenedict.jpg Anmerkung: Der Hintergrund wurde auf jene Dinge gekürzt, die den anderen Spielern bekannt sein dürfen.
  7. Teil 27b: Feuchtes Grab (Fortsetzung) Fortsetzung Session 05.04.2008 Tiefer als bis zur Taille wollten sich Pater Benedict und Mrs. Stevens-McCormmick jedoch nicht ins Wasser wagen - zum einen war es natürlich immer noch sehr kalt, zum anderen erhöhte sich die Gefahr, dass einer von ihnen ausrutschte und das Symbol verlor. Nichtsdestotrotz zeigte das Blasen-Ding auf dem Steg tatsächlich eine Reaktion: Es wich ein Stück zurück. Bis zum Ende des Stegs waren es allerdings noch ein paar Meter. Lady Gordon, die inzwischen auch auf den Strand heruntergesprungen war, schlüpfte unter dem Steg hindurch zu Mrs. Stevens-McCormmick. "Klettern Sie hoch, ich halte derweil das Symbol", schlug sie ihr vor. Vorsichtig nahm Lady Gordon das Blatt in die Hand und Mrs. Stevens-McCormmick lie? es los. Dann kletterte Letztere auf den Steg und nahm es oben wieder in Empfang - all dies, ohne es auch nur für einen Sekundenbruchteil von der Blase abzuwenden. Dann stieg auch Lady Gordon auf den Steg hinauf und übernahm auf die gleiche Weise auf der anderen Seite die Muschel von Pater Benedict, der sich daraufhin aus dem Wasser zurückzog und sich zu mir gesellte. Gebannt beobachteten wir, was nun geschehen würde. Lady Gordon und Mrs. Stevens-McCormmick machten einen zaghaften Schritt auf die Blase zu, wobei sie ihr die Symbole entgegenhielten. Die Blase wich die gleiche Strecke zurück. Ich hielt den Atem an - jeden Moment rechnete ich damit, dass sie einen Lichtschlauch auf eine der Damen abschie?en oder eine von ihnen ihrem Willen unterwerfen würde. Doch nichts dergleichen geschah. Offenbar hatten die Damen nun etwas mehr Mut gefasst und machten einen weiteren Schritt auf die Blase zu. Wieder wich sie zurück und hatte nun das Ende des Stegs erreicht. Nun würde sich zeigen, ob die Geschichte der Annephis, wie sie im Castro-Manuskript niedergeschrieben worden war, stimmte. Würde sich dieses Mistding wirklich ins Meer treiben lassen? Ich wagte es kaum zu hoffen. Entschlossen gingen Mrs. Stevens-McCormmick und Lady Gordon einen weiteren Schritt auf die Blase zu. Einige Sekunden lang, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, passierte nichts. Dann geschah es: Mit einem Mal wälzte sich die Blase von uns aus gesehen nach links vom Steg herunter und lie? sich ins Wasser fallen! Sofort eilten Lady Gordon und Mrs. Stevens-McCormmick zurück, sprangen vom Steg herunter und bauten sich vor mir und Pater Benedict auf. Vorsichtig wateten sie etwa knietief ins Wasser hinein und richteten die Symbole auf das offene Meer hinaus, um zu verhindern, dass sich das Ding wieder ans Ufer wälzen konnte. Es verstrichen einige Sekunden, ohne dass etwas geschah. "Ich glaube, da drüben ist was!", rief Pater Benedict und deutete auf das Wasser auf der anderen Seite des Stegs. Lady Gordon fluchte, dann rannten die Damen schleunigst über den nur noch schwach glimmenden Steg hinweg auf die andere Seite, wo sie sich erneut aufbauten. "Hier ist es, direkt vor mir!", kreischte Mrs. Stevens-McCormmick. Kaum hatte sie diesen Satz beendet, explodierte vor ihr die Wasseroberfläche und eine Fontäne aus rötlichem Schleim ergoss sich über sie. Sie stie? einen spitzen Schrei aus und lie? sich ins Wasser fallen, wo sie offenbar verzweifelt versuchte, sich den Schleim vom Körper zu rubbeln. Lady Gordon sprang zu ihr hin, hielt das Symbol über sie und versuchte, sie dabei so gut wie möglich zu unterstützen. All dies geschah so schnell, dass Pater Benedict und ich noch nicht einmal die Zeit hatten, vor Schreck aufzuschreien. Noch ehe wir uns wieder gefangen hatten, half Lady Gordon Mrs. Stevens-McCormmick schon wieder auf die Beine. "Alles in Ordnung?", rief Pater Benedict den Damen zu. "Sie ist nicht verletzt", antwortete Lady Gordon, allerdings stand Mrs. Stevens-McCormmick der Schock ins Gesicht geschrieben. Keuchend rang sie nach Atem. Lady Gordon führte sie auf den Strand hinauf, dann watete sie jedoch zurück und fischte das Blatt aus den Wellen, das Mrs. Stevens-McCormmick bei ihrem Sturz natürlich fallen gelassen hatte. "Aber das Symbol ist hinüber!", informierte sie uns schlie?lich. "Behalten Sie drüben das Wasser im Auge, ich passe weiter hier auf!", fügte sie hinzu. Ein paar Minuten lang starrten Lady Gordon und Pater Benedict auf die Wellen, ohne dass sich etwas tat. Als Mrs. Stevens-McCormmick sich wieder etwas gefasst hatte, tat sie es ihnen gleich. Zehn ereignislose Minuten später versammelten wir uns an der Stelle, an der ich sa?, um uns zu beratschlagen. "Glauben Sie, das Ding ist tot?", fragte Pater Benedict in die Runde. Niemand von uns konnte dies mit Sicherheit beantworten. Falls nicht, standen wir allerdings mit nunmehr nur noch einem Symbol auf ziemlich verlorenem Posten. Lady Gordon zeigte uns das Blatt, das Darlene in ihrer Annephis-Identität gezeichnet hatte: Von dem Symbol war nur noch ein verwaschener Fleck übrig. Ich fühlte mich inzwischen wieder kräftig genug, um zu versuchen, aufzustehen. Mit der Hilfe von Pater Benedict kam ich wieder auf die Beine. Ich wollte so schnell wie möglich zu Dr. Tiller, um mich von ihm untersuchen zu lassen. Die anderen wollten jedoch auf Nummer sicher gehen und mindestens noch so lange das Meer beobachten, wie es ihnen der letzte Rest Tageslicht gestatten würde. Mit vereinten Kräften hievten mich Pater Benedict und die Damen die 1,50 Meter zu den Steinstufen empor, danach konnte ich meinen Weg allein fortsetzen. Ich schleppte mich die Treppe hinauf und dann den Weg entlang zum Sanatorium. Nach wie vor konnte ich nur sehr flach atmen und musste langsam gehen, um nicht vor Anstrengung die Besinnung zu verlieren. Schlie?lich fand ich Dr. Tiller in der Bibliothek, zusammen mit Darlene und Colonel Billings. Als er mich sah, sprang er sofort auf und holte eilends seine Arzttasche. Ich berichtete ihm, dass ich ins Wasser gefallen und fast ertrunken wäre. Er klopfte mir auf den Rücken und horchte mit einem Stethoskop meinen Brustkorb ab. "Ich fürchte, da kann ich nicht viel tun", teilte er mir schlie?lich mit, "Sie haben immer noch Wasser in der Lunge. Sie muss wahrscheinlich punktiert werden. Tut mir leid, aber das geht nur in einem Krankenhaus. Bis dahin sollten Sie sich aber auf jeden Fall schonen - vermeiden Sie jede Art von Anstrengung." Wie es schien, würde ich ab jetzt für uns nicht mehr von gro?em Nutzen sein. Ich konnte nur hoffen, dass dies auch nicht mehr nötig war. Dafür sprach, dass sich dieses Ding hatte ins Meer treiben lassen, genau wie im Castro-Manuskript beschrieben. Das lie? natürlich die Hoffnung zu, dass es nun - genau wie dort auch beschrieben - vernichtet worden war. Andererseits: Konnten wir uns wirklich den Luxus leisten, diesem Manuskript voll und ganz zu vertrauen? War dieses Blasen-Ding tatsächlich eines jener Wesen, die darin als "jene, die warten" bezeichnet wurden? Wie auch immer, für mich zumindest würde dieser Tag vorbei sein. Ich zog mir trockene Kleidung an und legte mich auf eine der Matratzen in der Bibliothek. Bevor ich einschlief, sagte ich mir immer wieder, dass wir es jetzt überstanden hatten. Und doch - irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl. Ende Session 05.04.2008 Fortsetzung in Teil 28: Phönix
  8. Teil 27a: Feuchtes Grab Fortsetzung Session 05.04.2008 Es war ein orangefarbenes Schimmern in der Dunkelheit. Mit dem letzten Funken meines Bewusstseins nahm ich wahr, dass irgendetwas an meiner Schulter ruckte. Ich wurde gezogen, hin zu dem Lichtschein. Wie durch ein Wunder schaffte ich es, nicht in Ohnmacht zu fallen. Das Schimmern wurde immer heller, bis es schlie?lich gelb war. Nun leuchtete es auch nicht mehr gleichmä?ig, sondern schien zu flackern. Dann durchstie? mein Kopf die Wasseroberfläche. Luft! Ich wollte atmen, schaffte es aber nicht. Mit jedem Versuch würgte ich nur salziges Wasser hervor. Dann bemerkte ich plötzlich Hitze auf meinem Gesicht. Das Leuchten stammte von dem Steg: Er stand lichterloh in Flammen! Neben mir schwamm eine Gestalt im Wasser - Pater Benedict! Er hatte mit einer Hand meine Schulter gepackt und zerrte meinen reglosen Körper in Richtung Ufer. Nach wenigen Schwimmzügen hatte er den Strand erreicht und schleppte sich auf den Sand, während er mich gleichzeitig halb an Land zog. Auf allen Vieren kroch er ein Stück weiter den Strand hinauf und hustete und würgte dabei Wasser aus - offenbar war es ihm auch nicht viel besser ergangen als mir. Ich konnte mich immer noch nicht bewegen, merkte aber, dass mir Wasser aus Mund und Nase floss. Als der Pater wieder halbwegs atmen konnte, kroch er zu mir zurück, zog mich ein paar Meter weiter den Strand hinauf bis zur Felskante und wälzte mich auf die Seite. "Mr. Mannock! Versuchen Sie, zu atmen!", befahl er mit rauer Stimme. Ein grö?erer Schwall Wasser quoll aus meinem Mund heraus, dann merkte ich, wie meine Lungen wieder etwas freier wurden. Rasselnd sog ich Luft ein, musste aber sofort wieder würgen. "Gut, versuchen Sie's weiter", keuchte der Pater und klopfte auf meinen Rücken. Ein paar Minuten würgte, spuckte und hustete ich noch, dann gelang es mir schlie?lich, wieder gleichmä?ig zu atmen - wenn auch nur flach. Die Hitze des Feuers half dabei, das Taubheitsgefühl im Rest meines Körpers zumindest teilweise zu vertreiben, so dass es mir kurz darauf sogar gelang, mich aus eigener Kraft aufzusetzen und mit dem Rücken gegen die Felswand zu lehnen. "Wo...?", brachte ich nur hervor, dann wurde ich von meinem eigenen Husten unterbrochen. Pater Benedict, der neben mir sa? und noch immer sichtlich erschöpft nach Atem rang, deutete mit dem Zeigefinger auf das Ende des Stegs. "Da sitzt es", verkündete er, nicht ohne ein gewisses Ma? an Genugtuung in seiner Stimme. "Die Letzte hat getroffen", fügte er hinzu. Ich kniff die Augen zusammen, um durch den hellen Feuerschein etwas erkennen zu können. Tatsächlich: Am Ende des Stegs hockte die Blase und rührte sich nicht. Der Rückweg war ihr durch das Feuer versperrt und unter ihr befand sich nur noch das Meer. Sie sa? in der Falle, genau wie wir es geplant hatten. "Aber... der Schlauch?", fragte ich. "Hat mich nicht erwischt", antwortete der Pater und schaffte es dabei sogar, sich ein schiefes Grinsen abzuringen. Ich glaube, hätte er in diesem Moment eine Zigarre gehabt, hätte er sie sich angesteckt. "Aber nun seien Sie besser still und ruhen sich aus", fügte er hinzu, "ich werde versuchen, Hilfe zu holen." http://www.trollscave.de/rpg/shcthulhusanatorium/paterwilliambenedict.jpg Ich konnte es kaum fassen. Dieser Teufelskerl von einem Gottesmann hatte es tatsächlich geschafft, mit seiner letzten Fackel die Matratzen zu entzünden, war dem Angriff der Blase ausgewichen, ins Meer gesprungen, und hatte mich dann auch noch aus dem Wasser gezogen, wobei er fast selbst ertrunken wäre. Für diesen Mut und diese Selbstlosigkeit bewunderte ich ihn aufrichtig - und nicht zuletzt hatte ich ihm auch noch mein Leben zu verdanken. Aber noch hatten wir nicht gewonnen: Das Feuer begann bereits, kleiner zu werden. Nicht nur der Steg brannte - auch der kurze Bohlenweg bis hin zur Felswand. Die hölzerne Treppe, die das letzte Stück bis zu den Steinstufen bildete, stand ebenfalls in Flammen. Man würde also eine etwa 1,50 Meter hohe Felswand erklimmen müssen, um auf die Steinstufen zu gelangen. Glücklicherweise hatte uns der Pater an jener Seite des Stegs an Land gebracht, an der sich die Treppe befand - andernfalls hätten wir durch das Feuer gar keine Chance gehabt, an die Steinstufen heranzukommen. Nichtsdestotrotz war an eine solche Kletterpartie in meinem jetzigen Zustand nicht zu denken - zwar konnte ich flach atmen und auch meine Arme und Beine bewegen, aber für jegliche Form der Anstrengung war ich einfach noch zu schwach. Pater Benedict stand auf, entfernte sich ein paar Schritte von der Felswand und suchte mit seinen Augen die Treppe ab. "Immer noch nichts. Wo stecken die blo??", fragte er mehr zu sich selbst. Vermutlich befürchtete er genau wie ich, dass den Damen doch etwas zugesto?en sein könnte. Mrs. Stevens-McCormmick hatten wir ja schreien hören - vielleicht nur vor Schreck, aber wer konnte das schon genau wissen? Hoffentlich ging es ihnen gut. "Vielleicht haben Sie einfach nur nichts mitbekommen", versuchte Pater Benedict, uns Mut zu machen. Dann begann er, lautstark die Namen von Lady Gordon und Mrs. Stevens-McCormmick zu rufen, und dass wir am Steg wären und ihre Hilfe bräuchten. Danach warteten wir zwei Minuten - nichts. Keine Damen, keine Antwort. Er versuchte es erneut. Wieder nichts. Allmählich lief uns die Zeit davon: Das Feuer brannte immer weiter herunter und irgendwann würde es klein genug geworden sein, so dass sich die Blase wieder vom Steg auf den Strand bewegen konnte - und dann hatten wir ihr nichts mehr entgegenzusetzen. So weit durften wir es auf keinen Fall kommen lassen - so eine Chance wie jetzt würden wir mit Sicherheit nicht noch einmal kriegen. Pater Benedict brüllte sich die Seele aus dem Leib. Immer wieder rief er nach den Damen, dann lauschte er ein bis zwei Minuten, dann rief er erneut. Nach fünfzehn Minuten war seine Stimme derartig heiser geworden, dass weitere Versuche keinen Sinn mehr hatten. Das Feuer hatte inzwischen erheblich nachgelassen und die Blase war bereits ein gutes Stück näher gekommen, offenbar auf der Suche nach einem Ausweg. Pater Benedict wollte sich gerade resigniert von der Felswand abwenden, als er stockte und wieder nach oben starrte. "Ich glaube, da kommen sie", sagte er, fast ungläubig. Tatsächlich: Lady Gordon und Mrs. Stevens-McCormmick kamen mit einer brennenden Íllampe die Treppe herab, offenbar beide relativ wohlauf. Einige Momente später standen sie in etwa fünf Metern Höhe direkt über uns auf der Treppe, und die ersten Sätze, die Lady Gordon uns zurief, verschlugen uns glatt die Sprache: "Was ist denn hier los? Haben Sie ein Problem?" Pater Benedict und ich starrten uns einen Moment lang fassungslos an. "?h, ja", rief der Pater schlie?lich nach oben, "wir brauchen die Symbole. Bitte kommen Sie herunter und helfen Sie uns, das Ding auf dem Steg zu halten." Anscheinend bemerkten die Damen erst jetzt, dass die Blase auf dem Steg hockte. Es folgte aufgeregtes Gemurmel, dann ertöne Lady Gordons Stimme erneut: "Mrs. Stevens-McCormmick hat die Zeichnung von Annephis dabei, aber die Muschel müsste eigentlich noch Mr. Mannock haben." Pater Benedict schaute mich fragend an. Verdutzt tastete ich die Taschen meines Jacketts ab. Lady Gordon hatte recht: In einer der Innentaschen fand ich die Muschel. Jetzt fiel es mir auch wieder ein: Wir hatten uns während der letzten Nacht ja dabei abgewechselt, durch das Fenster im Obergeschoss den Lichtkreis zu beobachten und im Foyer die Patienten zu bewachen. Dabei hatten wir die Symbole immer an denjenigen weitergegeben, der nach unten ging. Und da ich als Letzter die Patienten bewacht hatte, befand sich die Muschel noch in meinem Besitz. Peinlicherweise hatte ich dies in der Aufregung vollkommen vergessen und war davon ausgegangen, dass Lady Gordon sie noch hatte. Verlegen übergab ich die Muschel an Pater Benedict, der es sich natürlich nicht nehmen lie?, mich dabei mit einem strafenden Blick zu mustern. Die Holzstufen waren inzwischen so weit niedergebrannt, dass Mrs. Stevens-McCormmick sich an den tiefsten Punkt der Steintreppe wagen und von dort auf den Strand herunterspringen konnte. Bei der Landung stürzte sie zwar unsanft in den Sand, konnte sich aber sofort wieder aufrappeln. Nun sah man auch, dass ihr Kleid an der linken Schulter ein gro?es Brandloch aufwies, unter dem eine nicht unerhebliche Menge verschrumpelten Fleisches zu erkennen war. Dieses verdammte Ding hatte sie also doch erwischt! "Ich gehe auf die andere Seite", verkündete sie, watete kurz entschlossen ein Stück ins Meer hinein und zwängte sich unter dem Steg hindurch. Ihr plötzlicher Mut verblüffte mich - vermutlich hatte sie mit dem Ding noch eine persönliche Rechnung offen. Wie auch immer, jedenfalls zögerte sie nicht, auf der anderen Seite des Stegs bis zum Bauchnabel ins Wasser zu waten und der Blase dabei das Symbol der Annephis mit grimmiger Entschlossenheit entgegenzurecken. Pater Benedict tat es ihr auf dieser Seite des Stegs mit dem Symbol auf der Muschel gleich. Fortsetzung in Teil 27b
  9. Teil 26: Auf Leben und Tod Fortsetzung Session 05.04.2008 Pater Benedict und ich erreichten die Stufen, die zum Steg hinabführten. Ich warf noch einen schnellen Blick in Richtung Sanatorium, um mich zu vergewissern, dass uns das Ding noch immer folgte. Das tat es. Behutsam setzte ich meinen Fu? auf die erste Stufe. Hoffentlich war die Treppe nicht mehr so gefährlich wie noch wenige Stunden zuvor. Uns mit grö?tmöglicher Vorsicht die Stufen hinabzutasten, das konnten wir uns jetzt nicht erlauben - dann würde uns der Blasenhaufen mit Leichtigkeit einholen. Wenigstens war es noch nicht so dunkel, dass wir gar nicht mehr erkennen konnten, wo wir unsere Fü?e hinzusetzen hatten. Nach ein paar Schritten fassten wir Mut - die Treppe schien nicht mehr ganz so rutschig zu sein, au?erdem erleichterte die Tatsache, dass wir dieses Mal keine schweren Benzinkanister zu schleppen hatten, den Abstieg ungemein. Zumindest kamen wir schnell genug voran, um nicht von dem Blasenhaufen eingeholt zu werden. http://www.trollscave.de/rpg/shcthulhusanatorium/steilkuesteundsteg.jpg Wir hatten etwa drei Viertel der Strecke bis zum Steg zurückgelegt, als das Blasen-Ding am Kopf der Treppe erschien und begann, die Stufen mit recht hoher Geschwindigkeit hinabzurollen. Wir beschleunigten unseren Schritt noch einmal und hatten bereits kurz darauf die Holzstufen erreicht, die die letzten paar Meter bis zum Strand markierten. Als wir unten eintrafen, hatte der Blasenhaufen schon die Hälfte der Treppe überwunden - wir mussten uns beeilen. Von den ursprünglich vier Benzinkanistern, die wir tags zuvor hierher gebracht hatten, waren nur noch zwei übrig - mit den anderen beiden hatte Pater Benedict bereits letzte Nacht die Matratzen getränkt. Nun griff er sich einen davon und schickte sich an, dessen Inhalt ebenfalls über die Matratzen zu gie?en. Ich lief ein Stück auf den Steg hinaus, damit ich die gesamte Treppe im Blick hatte, und hielt nach den Damen Ausschau. Es war jedoch niemand zu sehen - nur dieses Blasen-Ding, das unaufhaltsam weiter auf uns zu rollte. Wenn Lady Gordon und Mrs. Stevens-McCormmick nicht bald erschienen, dann würden sie zu spät sein, um hinter den Blasen die Matratzen anzünden zu können. "Und, kommen sie?", fragte Pater Benedict, während er seine Arbeit hastig fortsetzte. Ich wollte noch einige Sekunden warten, bevor ich ihm eine Antwort gab. Vielleicht würde ja doch noch im letzten Moment das Licht einer Lampe am Kopf der Treppe auftauchen. Wenn nicht, sah ich keine Möglichkeit, wie es uns gelingen sollte, die Matratzen anzuzünden und dem Ding zu entkommen. Als der Blasenhaufen etwa drei Viertel der Treppe zurückgelegt hatte und immer noch nichts zu sehen war, gab ich jedoch die Hoffnung auf. Selbst, wenn die Damen jetzt noch oben erscheinen würden - sie wären nicht mehr rechtzeitig unten, bevor der Blasenhaufen uns erreicht hätte. "Nein", antwortete ich Pater Benedict schlie?lich, wobei ich die Resignation und Wut in meiner Stimme kaum verbergen konnte. Verdammt, warum hatten Lady Gordon und Mrs. Stevens-McCormmick nicht bemerkt, dass der Ring um das Haus verschwunden war? Warum waren sie dem Blasenhaufen nicht gefolgt? Ich heulte fast vor Wut. Als wir noch oben gestanden hatten, hatte ich kurz mit dem Gedanken gespielt, die Damen im Sanatorium durch einen Ruf auf uns aufmerksam zu machen, es dann aber doch nicht für nötig erachtet, als das Ding sofort auf uns reagiert hatte. Nun verfluchte ich mich dafür. "Dann lege ich mit dem zweiten Kanister eine Lunte", rief Pater Benedict zurück. Wie er im Angesicht dieser Gefahr einen derma?en klaren Kopf behalten konnte, war mir schleierhaft. Er legte den einen Kanister auf die Matratze, damit der Rest noch auslaufen konnte, dann griff er sich den zweiten, und begann, das Benzin in einer geraden Linie von den Matratzen aus über den Steg zu dessen Ende hin auszugie?en, wobei er sich langsam zurückbewegte. Ob dies so gut funktionieren würde wie am Leuchtturm, war jedoch mehr als fraglich - zwischen den Bohlen des grob gefertigten Stegs befanden sich unterschiedlich gro?e Ritzen, durch die ein Teil des Benzins direkt ins Meer troff. Au?erdem wusste ich nicht, ob die Flamme diese Ritzen überspringen konnte. Und dann würde ja auch noch dieses Ding selbst im Weg sein. Es blieb uns jedoch nichts anderes übrig, als es zu versuchen - die Zeit drängte und nichts zu tun würde den sicheren Tod bedeuten. Pater Benedict und ich hatten gerade das Ende des Stegs erreicht, als der Blasenhaufen am Fu? der Treppe eintraf. Nun begannen die einzelnen Blasen, zu einer einzigen, gro?en Blase zu verschmelzen, genau wie wir es bereits am Leuchtturm beobachtet hatten. Währenddessen holte der Pater sein Feuerzeug hervor und wir entzündeten eiligst unsere vier Pechfackeln. Zum Glück fingen sie schnell Feuer. Jeder nahm zwei. Als sich die Blase vollständig gebildet hatte, begann sie, sich uns mit ihrer etwas langsameren, normalen Geschwindigkeit zu nähern. Sie füllte die komplette Breite des Stegs aus und wälzte sich über die Matratzen hinweg, scheinbar ohne von ihnen Notiz zu nehmen. Der Pater murmelte etwas Unverständliches - vermutlich ein Sto?gebet an den Herrn - dann senkte er eine seiner Pechfackeln auf die von ihm gelegte Lunte. Auch ich betete, dass die Flamme bis zu den Matratzen vordringen würde. Das Benzin zu Pater Benedicts Fü?en fing Feuer, dann sprang die Flamme auf die nächste Planke über. Dann auf die nächste. Und auf die nächste. Und immer so weiter. Es schien, als sollte uns wenigstens dieses Mal das Glück hold sein! Nun kam es jedoch darauf an: Würde die Flamme unter der Blase hindurchlaufen? Ich hielt den Atem an. Etwa sieben Meter war die Blase noch von uns entfernt, als die Flamme sie erreichte - und mit einem Zischen erlosch. Davon vollkommen unbeeindruckt wälzte sich das Blasen-Ding weiter auf uns zu. Fassungslos starrte ich auf das absterbende Feuer der Lunte. Ich wollte schreien, brachte aber keinen Ton hervor. Nun blieb uns nur noch der Sprung ins Wasser. Wenn jedoch das Feuer nicht brannte, würde uns das Ding am Strand erwarten. Um die Steilklippen herum ans andere Ende der Insel zu schwimmen, um dort am flachen Strand an Land zu kommen, das würde uns mit Sicherheit nicht gelingen - vorher wären wir in dem eiskalten, aufgewühlten Wasser erfroren oder ertrunken. So oder so sah ich für uns kaum mehr eine Chance, dem Tod zu entrinnen. "Werfen Sie Ihre Fackeln!", brüllte mich Pater Benedict an. "Das ist unsere letzte Chance! Werfen Sie Ihre Fackeln auf die Matratzen!" Damit würde ich mich jeder noch so geringen Möglichkeit berauben, mir das Blasen-Ding eventuell doch noch vom Leib halten zu können. Aber der Pater hatte recht: Das war in der Tat die letzte Möglichkeit, die uns noch blieb. Die Blase war inzwischen auf sechs Meter heran. Deutlich konnte man die schleimige Konsistenz ihrer Oberfläche erkennen, wie auch dieses unnatürliche, rötliche Leuchten, das von ihr ausging. Dieses Ding gehörte nicht hierher - es war hier einfach falsch. Bei der Vorstellung, einen ähnlich qualvollen Tod erleiden zu müssen wie Blanche oder Henry Adam Barber packte mich das nackte Grauen. Aber: Ich musste allen Mut zusammennehmen - denn es gab nur eine einzige Möglichkeit, dem zu entgehen: Eine der Fackeln musste treffen oder wir waren verloren. Ich warf die erste Fackel. Sie beschrieb einen hohen Bogen und landete zischend im Wasser neben dem Steg. Ich zögerte nicht lange und warf die Zweite hinterher - ebenfalls ins Wasser. Damit hatte ich meine beiden Chancen vertan. Nun lag alles in den Händen von Pater Benedict. "Springen Sie, Sie können mir eh nicht mehr helfen!", brüllte mir der Pater zu und warf seine erste Fackel. Sie landete auf dem Sandstrand hinter den Matratzen. Die Blase hatte sich uns inzwischen auf fünf Meter genähert. Irgendetwas tat sich an ihrer Oberfläche: An der uns zugewandten Seite entstand eine Delle, die sich nach innen wölbte - es sah aus, als würde sie irgendwie Schwung holen. In diesem Moment siegte meine Angst - ich stie? mich so fest ich konnte vom Steg ab. Ich sah noch, wie Pater Benedict seine zweite und letzte Fackel warf. Gleichzeitig ploppte die Delle in der Blase nach vorn und es bildete sich ein rötlicher Lichtschlauch, der auf den Pater zuschoss. Dann durchschlug ich die Wasseroberfläche. Ich wusste nicht genau, wie tief, aber ich hatte das Gefühl, dass ich nach meinem Sprung ziemlich weit nach unten gerauscht war. Ich zwang mich, die Augen zu öffnen. Das Salzwasser brannte auf meiner Netzhaut, sehen konnte ich jedoch rein gar nichts - nur absolute Dunkelheit. Dann kam der Kälteschock. Ich hatte ja damit gerechnet, dass das Wasser kalt sein würde, aber nicht so kalt - fast hätte ich vor Schreck die Luft aus den Lungen gelassen. Ich musste so schnell wie möglich an die Oberfläche und ans Ufer zurück. Ich ruderte wie wild mit Armen und Beinen, wusste aber nicht, wohin. Wo war oben? Hatte ich mich beim Eintauchen gedreht? Statt nach oben zu schwimmen, schien es mir, dass mich meine vollgesogene Kleidung eher weiter nach unten zog - mir fehlte der Auftrieb. Gleichzeitig nahm der Druck auf meine Ohren stetig zu und die Kälte lie? meine Glieder taub werden. Zunehmend hilfloser und verzweifelter ruderte ich weiter mit Armen und Beinen - zumindest hoffte ich dies, denn spüren konnte ich sie bereits nicht mehr. Dennoch hatte ich nicht den Eindruck, dass ich mich auch nur einen Millimeter von der Stelle bewegte. Und allmählich wurde meine Luft knapp. Als mir klar wurde, dass ich jegliche Orientierung verloren hatte, wallte Panik in mir auf. Die Atemnot war kaum noch zu ertragen - ich musste mich mit meinen ganzen Willen gegen den Reflex stemmen, einzuatmen. Meine Lungen brannten, mein Brustkorb krampfte sich zusammen - dann ging es nicht mehr: Ich riss den Mund auf und Luftblasen quollen daraus hervor. Das salzige Wasser drang in meinen Rachen. Ich hustete noch einmal kurz, dann merkte ich, wie sich meine Lungenflügel mit dem kalten Wasser füllten. In einem letzten Aufbäumen krampfte sich mein ganzer Körper noch einmal zusammen, dann erschlaffte er. So würde es also enden. Meine Sinne schwanden. Dann sah ich das Licht. Fortsetzung in Teil 27: Feuchtes Grab
  10. Teil 25b: Kalt erwischt Fortsetzung Session 05.04.2008 Zwei Stunden später gaben wir erschöpft auf. Wir hatten am Bug des Schiffs ein beachtliches Loch ausgehoben und dabei gerade einmal ein Stück von etwa 50 Zentimetern Länge an der Unterseite des Kiels freigelegt. Natürlich hatten wir nichts gefunden, was auch nur im Entferntesten an einen solchen Talisman erinnerte, wie ihn Ebenezer getragen hatte. Wenn wir noch vor Einbruch der Dunkelheit am Sanatorium ankommen wollten, dann mussten wir jetzt unsere Arbeit abbrechen und uns auf den Rückweg machen. Eine weitere Stunde später trafen wir wieder am Sanatorium ein. Uns fielen zwei Benzinkanister auf, die am Kopf der Treppe, die zum Steg hinabführte, abgestellt waren. Nachdem wir uns bei den Damen zurückgemeldet und von unserem Misserfolg berichtet hatten, erklärte uns Lady Gordon, dass sie und Mrs. Stevens-McCormmick vergeblich versucht hätten, die beiden Kanister auf den Steg zu bringen - die Treppe wäre einfach zu schlüpfrig gewesen und sie waren einige Male ausgerutscht, so dass ihnen der weitere Abstieg schlie?lich als zu gefährlich erschienen war. Die beiden Kanister waren als Ersatz für jene beiden gedacht, die Pater Benedict bereits in der letzten Nacht wie verabredet direkt nach Erreichen des Stegs auf die Matratzen gegossen hatte. Pater Benedict und ich beschlossen, uns der Sache anzunehmen. Wir begaben uns zur Steilküste und der Pater griff sich einen der Kanister. Kaum hatte er vorsichtig seinen Fu? auf die erste Stufe gesetzt, rutschte ihm dieser auch schon weg und er kam ins Straucheln. Der Kanister flutschte ihm aus den Fingern, polterte ein paar Stufen hinab, ging über die Kante und stürzte dann im freien Fall die Klippe hinunter, bis er auf die aufgewühlte See aufschlug. Der Pater selbst konnte sich glücklicherweise wieder fangen. Mit schreckgeweiteten Augen stieg er die Stufe wieder hinauf. "Das war knapp", kommentierte er seinen Beinahe-Unfall. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Treppe wirklich derartig gefährlich war - wahrscheinlich hatte der Pater einfach nur Pech gehabt und eine besonders glitschige Stelle erwischt. "Wie viele Benzinkanister haben wir eigentlich noch?", fragte ich ihn, ohne zu bemerken, dass die Frage in diesem Moment vielleicht etwas ungeschickt war. "Elf", erwiderte er dementsprechend in leicht bissigem Ton, nachdem er mich einige Sekunden lang abschätzig gemustert hatte. Wie auch immer - ich beschloss, es ebenfalls zu versuchen. Ich nahm mir den verbliebenen Kanister und setzte den Fu? auf die erste Stufe - jedoch ein Stück neben die Stelle, auf die Pater Benedict getreten war. Ich wollte gerade zum nächsten Schritt ansetzen, als unter meinem Gewicht ein gro?er Stein aus der Stufe herausbrach. Mit einem Mal verlor ich den Halt, taumelte nach links und drohte, über die Klippe zu stürzen. Reflexartig lie? ich den Benzinkanister los und ruderte wie wild mit den Armen, um den Sturz noch zu verhindern. Das war meine Rettung: Ich fand mein Gleichgewicht wieder und kroch sofort auf allen Vieren zurück nach oben. Mein Herz pochte wie wild, während ich das dumpfe Klatschen des Kanisters auf die Wasseroberfläche vernehmen konnte. "Und da waren's nur noch zehn", kommentierte Pater Benedict mein Missgeschick mit unverhohlenem Sarkasmus in der Stimme. Nun ja, wahrscheinlich hatte ich es nicht besser verdient. Wir sahen ein, dass weitere Versuche nacktem Wahnsinn gleichkommen würden, und zogen uns somit wieder ins Sanatorium zurück. In der Bibliothek trafen wir auf Lady Gordon und Mrs. Stevens-McCormmick. Wir setzten uns zu ihnen und beratschlagten, wie wir nun weiter vorgehen sollten. Da die Damen nach den Ereignissen der letzten Nacht mehr denn je daran zweifelten, dass unser Plan mit dem Steg Erfolg haben würde, warteten sie mit einer neuen Idee auf: "Wir haben es bisher nur mit Feuer versucht und sind gescheitert - vielleicht sollten wir es dieses Mal mit Wasser versuchen", spielte Mrs. Stevens-McCormmick auf die kryptische Weissagung der Annephis an. Die Damen hatten eine Stelle an der Westküste der Insel ausgemacht, an der der Pfad vom Leuchtturm zum Sanatorium einen relativ schmalen Streifen passierte, der auf der einen Seite von den Steilklippen und auf der anderen von einem hoch aufragenden Abhang flankiert wurde. Wenn wir dem Blasenhaufen dort auflauern würden, könnte es uns vielleicht auch mit nur zwei Symbolen gelingen, ihn über die Klippen ins Meer zu treiben. Ich hielt den Vorschlag für ziemlich waghalsig. Selbst wenn wir es fertigbringen würden, dem Blasen-Ding keinen anderen Ausweg als das Meer zu lassen - was ich bereits bezweifelte - so brauchte es blo? einen der beiden Symbolträger seinem Willen zu unterwerfen, und schon wäre der Plan gescheitert. Ganz abgesehen davon, dass dabei zwei von uns zu Statisten oder im schlimmsten Fall sogar zu Kanonenfutter verdammt sein würden, da sie ohne Symbol ohnehin nicht in der Lage wären, irgendetwas auszurichten. "Vielleicht könnten wir ein paar Fackeln basteln", schlug Pater Benedict vor, "dann wären die anderen beiden wenigstens nicht ganz so schutzlos." Endlich mal ein konstruktiver Gedanke. Wie auch immer wir uns bezüglich unseres weiteren Vorgehens entscheiden sollten - Fackeln zur Hand zu haben, konnte sicherlich nicht schaden. Pater Benedict und ich beschlossen, sogleich zur Tat zu schreiten. Im Werkzeugschuppen fanden wir tatsächlich wie erhofft einen Kübel mit Pech. Damit begaben wir uns in Ebenezers Haus und erhitzten die zähe Masse auf dessen Gasofen. Zu unserem Glück entdeckten wir dort auch recht schnell einige Belegnägel, die sich hervorragend als Fackelstiele eignen würden, sowie altes Segeltuch. Letzteres schnitten wir in Streifen, wickelten es stramm um die Nägelköpfe und tauchten es dann in den Kübel. Das Ergebnis waren zwar provisorische, aber ihren Zweck sicherlich gut erfüllende Pechfackeln. Wir hatten gerade vier Stück davon angefertigt, als wir plötzlich aus Richtung des Sanatoriums ein Klirren und einen Knall vernahmen, gefolgt von einem spitzen Schrei. Die Geräusche kamen mir bekannt vor: Das Klirren und der Knall stammten von einer zerschellenden und explodierenden Íllampe, der Schrei von Mrs. Stevens-McCormmick. Sofort lie?en Pater Benedict und ich alles stehen und liegen und rannten zum Sanatorium zurück. Als das Gebäude zwischen den Bäumen auftauchte, sahen wir Feuerschein: Offenbar hatte jemand eine Íllampe aus einem der Fenster geworfen. Was hatte das zu bedeuten? Plötzlich riss mich der Pater an der Schulter zurück. "Warten Sie!", zischte er mir zu, dann deutete er mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Grasfläche vor dem Sanatorium. Nun sah ich es auch - und es verschlug mir glatt den Atem: Der rötlich schimmernde Lichtschlauch hatte sich wieder um das Gebäude gelegt! Einige Sekunden lang standen wir einfach nur da und starrten fassungslos auf die Szenerie. Wie war das möglich? In diesem Moment fiel mir auf, dass die Dämmerung bereits eingesetzt hatte, während Pater Benedict und ich in Ebenezers Hütte beschäftigt gewesen waren. Hatte der ohnehin schon bewölkte Himmel in Verbindung mit der einbrechenden Dunkelheit genügt, um dem Blasen-Ding ausreichend Schutz vor dem Sonnenlicht zu gewähren? Hatte es der Hunger so früh aus seinem Versteck getrieben? Ich wusste es nicht. Und warum hatte Mrs. Stevens-McCormmick die Íllampe hinausgeworfen? Vielleicht, um uns zu warnen? Und warum hatte sie geschrieen? Hatte das Blasen-Ding sie erwischt? Hoffentlich nicht! Pater Benedict fand als Erster seine Sprache wieder: "Was machen wir jetzt?", fragte er. Ich dachte nach. Sich einfach nur zu verstecken und zu hoffen, dass das Ding am nächsten Morgen wieder verschwinden würde, hielt ich für aussichtslos. Wenn der Hunger es bereits so früh hierher getrieben hatte, dann würde es sicher keine Ruhe geben, bis es zumindest ein Opfer gefunden hätte. "Ich sehe nur eine Möglichkeit", erwiderte ich dem Pater, "wir versuchen, unseren ursprünglichen Plan umzusetzen und das Ding auf den Steg zu locken." Pater Benedict sah mich nachdenklich an, dann nickte er. Wir eilten zu Ebenezers Haus zurück und holten die vier Fackeln, die wir bereits fertig gestellt hatten, dann begaben wir uns nach Süden zur Steilküste und folgten dieser Richtung Westen, bis wir die Stelle erreicht hatten, an der die Treppe auf den Steg hinabführte. Inzwischen war es bereits recht dunkel geworden, so dass wir den Lichtkreis um das Sanatorium deutlich erkennen konnten. Pater Benedict und ich gingen ein paar Schritte auf das Gebäude zu. Es dauerte nicht lange, dann regte sich etwas: Deutlich konnte man erkennen, wie sich der Lichtschlauch vor dem Haupteingang verdickte. Dann sprang die erste Blase daraus hervor, danach die zweite. Nun ging es schnell: Der Lichtschlauch zog sich zusammen und immer mehr Blasen poppten aus der Verdickung hervor, bis sich der uns bekannte Blasenhaufen gebildet hatte. Ganz allmählich begann er, sich in unsere Richtung zu wälzen. Pater Benedict und ich bewegten uns Schritt für Schritt zum Kopf der Treppe zurück, während der Blasenhaufen an Fahrt aufnahm und sich unaufhaltsam näherte. Wir konnten nur hoffen, dass die Damen im Sanatorium begriffen, was wir vor hatten, und den Blasen folgen würden, um das Benzin anzuzünden - andernfalls hätten wir ein gewaltiges Problem. Auf meiner Stirn bildete sich Angstschwei?. Hatten wir soeben unser Schicksal besiegelt? Wie auch immer: Nun gab es kein Zurück mehr. Fortsetzung in Teil 26: Auf Leben und Tod
  11. Teil 25a: Kalt erwischt Fortsetzung Session 05.04.2008 "Halten Sie bitte weiter Wache, ich kümmere mich um den Pater", ordnete Mrs. Stevens-McCormmick an, dann entschwand sie in die Küche und setzte einen Kessel mit Wasser auf. "Für ein hei?es Bad", erklärte sie uns, griff sich eine Íllampe und eilte auch schon zum Haupteingang hinaus, um den Pater vom Steg zu holen. Ich hatte in der Zwischenzeit wieder meinen Posten bezogen und behielt natürlich insbesondere den Weg zum Leuchtturm im Blickfeld. Von dem Blasenhaufen war jedoch nichts mehr zu sehen. Während wir warteten, füllte Lady Gordon die Badewanne im Erdgeschoss mit mehreren Eimern kalten Wassers und schlie?lich mit dem Kessel des inzwischen kochenden Wassers aus der Küche auf. Kurz darauf kamen Mrs. Stevens-McCormmick und Pater Benedict zurück. Letzterer hatte sich in seine Decke gehüllt, nichtsdestotrotz war er völlig steif gefroren und durchnässt bis auf die Knochen. Er zitterte am ganzen Körper und seine Lippen waren vor Kälte blau geworden. Wir führten ihn sogleich ins Bad, damit er sich in Ruhe aufwärmen konnte, dann zogen wir uns in die Bibliothek zurück. Mrs. Stevens-McCormmick hatte dem Pater bereits auf dem Rückweg von unseren Erlebnissen erzählt und teilte uns nun mit, was er seinerseits zu berichten gehabt hatte: Während er gewartet hätte, wäre die Temperatur immer weiter abgesunken und die Luft immer feuchter geworden. Schlie?lich hätte er einen Knall und Flammenschein wahrgenommen - offensichtlich die Íllampe, die Mrs. Stevens-McCormmick auf die Stufen geworfen hatte - wäre jedoch zu dem Schluss gekommen, dass wir den Blasenhaufen nun zu ihm hintreiben würden, und hätte von daher weiter gewartet. "Aus welchem Grund hat sich dieses Ding nicht zum Steg gewälzt?", eröffnete Lady Gordon die Diskussion. "Offenbar hat es Pater Benedict nicht bemerkt", war alles, was mir dazu einfiel. "Also wei? es wohl doch nicht automatisch, wo wir uns befinden, sondern muss uns irgendwie wahrnehmen", schlussfolgerte Lady Gordon. "Das würde bedeuten, dass man vielleicht doch die Chance hätte, sich vor dem Ding irgendwo zu verstecken", fügte sie hinzu. Dem konnte ich nicht widersprechen, gab jedoch zu bedenken, dass die Distanz eventuell auch eine Rolle spielen würde. Wir konnten uns jedenfalls nicht sicher sein, dass dieses Ding uns nicht auch ohne direkten Sichtkontakt würde wahrnehmen können. Sich einfach nur irgendwo auf der Insel zu verkriechen, sei es in einer Höhle, im Wald oder im Sanatorium, und darauf zu vertrauen, nicht entdeckt zu werden, wäre demnach nicht ohne Risiko. Es gab zwar noch einiges zu besprechen - insbesondere unser weiteres Vorgehen - allerdings nahte bereits das Morgengrauen und der Schlafmangel machte sich allmählich bei uns allen deutlich bemerkbar. Da wir nicht glaubten, dass das Blasen-Ding in dieser Nacht noch einmal zurückkehren würde, beschlossen wir, uns zur Ruhe zu begeben. Dr. Tiller, Darlene und Colonel Billings waren ohnehin im Laufe der Nacht in ihrer Nische bereits eingeschlafen, also lie?en wir sie einfach dort liegen und zogen uns nach diesem ereignisreichen Tag auf unsere Zimmer zurück. --- 6. Tag Als ich nach meinem traumlosen Schlaf erwachte, zeigte mein Reisewecker bereits 14 Uhr an. Ich stand auf, zog mich an und ging nach unten. Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, dass alle anderen offenbar noch schliefen. Wenn wir noch etwas unternehmen wollten, um uns auf die nächste Nacht vorzubereiten, dann sollten wir besser bald damit beginnen. Also entschloss ich mich, die anderen zu wecken und ein verspätetes Frühstück vorzubereiten. Während wir am Tisch sa?en, schlug Pater Benedict vor, dass wir uns das alte Schiffswrack im Norden der Insel noch einmal anschauen sollten. In dem Brief, den die Damen in Ebenezers Haus gefunden hätten, würde ja erwähnt, dass die Seeleute in Innsmouth solche Talismane, wie Ebenezer einen um den Hals getragen hätte, an der Unterseite ihrer Boote anbringen würden. Vielleicht wäre ein solcher Talisman ja auch an dem alten Wrack befestigt, und dann hätten wir ein weiteres dieser Symbole zur Verfügung, mit dem man diesen Blasenhaufen auf Abstand halten könne. Dr. Tiller schnaubte verächtlich. "Jetzt sagen Sie blo?, Sie sind immer noch mit Ihrem eingebildeten Monster zugange", fuhr er uns an, "reicht es Ihnen nicht, dass wir letzte Nacht auf dem Flur schlafen mussten wegen nichts und wieder nichts?" Mit diesen Worten erhob er sich vom Tisch und marschierte kopfschüttelnd in Richtung Bibliothek. Verdenken konnte man ihm seine Reaktion kaum - schlie?lich hatte er ja nichts gesehen. Allerdings begann ich allmählich, mir ganz andere Sorgen zu machen: Wenn wir tatsächlich von dieser verdammten Insel wieder herunterkommen und von einem Haufen aus Seifenblasen erzählen würden, der den Menschen das Leben ausgesaugt hätte, dann wäre Dr. Tiller mit Sicherheit nicht der Letzte, der uns für verrückt erklären würde. Ich beschloss, diesen Gedanken vorerst beiseite zu schieben. Zunächst einmal galt es, die kommende Nacht zu überleben, und dann würden wir weitersehen. Ich dachte über Pater Benedicts Vorschlag, das Wrack noch einmal zu untersuchen, nach. Der Brief an Ebenezer war zwar schon etwa 25 Jahre alt, das Schiffswrack aber allem Anschein nach bereits über 100 Jahre. Au?erdem hatte ich von einem Ort namens "Innsmouth" noch nie etwas gehört - wenn man bedachte, dass in dem Brief auch von irgendwelchen Eingeborenen die Rede war, dann war es gut möglich, dass sich dieser Ort nicht in England befand. Alles in allem standen die Chancen, am Rumpf dieses Wracks ein solches Symbol vorzufinden, meiner Meinung nach ziemlich schlecht. Allerdings hatte ich auch keine bessere Idee. ?berhaupt fiel uns nichts Besseres ein, als unseren Plan in der nächsten Nacht einfach noch einmal zu versuchen - mit dem Unterschied, dass Pater Benedict dieses Mal den Blasenhaufen aktiv anlocken sollte. Und da dafür bereits alles vorbereitet war, konnten wir uns genauso gut am Wrack zu schaffen machen - zu verlieren gab es dabei jedenfalls nichts. Die Damen entschieden sich jedoch dazu, uns nicht zu begleiten. Wenig später traten der Pater und ich in das nasskalte, bewölkte Herbstwetter hinaus. Offenbar hatte es am Vormittag ausgiebig geregnet, so dass sich sämtliche Pfade auf der Insel in rutschige Schlammspuren verwandelt hatten. Nichtsdestotrotz begaben wir uns zum Werkzeugschuppen, organisierten uns zwei Schaufeln und machten uns auf den Weg zum Schiffswrack. Nach einer Stunde Fu?marsch hatten wir es ohne Zwischenfälle erreicht, wobei wir auch einen sorgenvollen Blick auf den Leuchtturm geworfen hatten, ohne jedoch irgendetwas Ungewöhnliches zu bemerken. Wir überprüften noch kurz, ob das Wrack nach wie vor unbewohnt war, dann begannen wir sogleich damit, den tief in den Sand eingesunkenen Schiffskiel freizulegen. Schnell wurde uns klar, dass dies keine Arbeit war, die in wenigen Stunden bewältigt sein würde. Hinzu kam, dass der Kiel noch erheblich tiefer im Sand lag, als wir ursprünglich vermutet hatten. Dessen ungeachtet setzten wir unsere Grabungsarbeiten verbissen fort - vielleicht würden wir ja wenigstens einen Teil des Kiels freilegen können und hätten das Glück, dass es genau der richtige Teil sein würde. Fortsetzung in Teil 25b
  12. Teil 24b: Die fünfte Nacht Fortsetzung Session 05.04.2008 Allerdings blieb uns keine Zeit zum Durchatmen: Der Blasenhaufen wälzte sich bis auf etwa fünf Meter an die Hauswand heran, verharrte kurz, und dann begannen die Blasen, zu verschmelzen. Aus den Seiten des Haufens bildeten sich zwei lange Lichtschläuche heraus, die sich allmählich weiter nach links und rechts erstreckten. Offenbar bildete das Ding den Lichtkreis um das Sanatorium tatsächlich aus sich selbst. Ich hatte genug gesehen. Ich zog den Vorhang des Fensters zu, rannte zu den Damen ins Foyer hinunter und berichtete ihnen, dass sich das Ding zu dem Lichtkreis umformen würde, wie ich vermutet hätte. Damit stand auch nicht mehr zu befürchten, dass sich der Blasenhaufen zum Steg bewegen könnte, während der Lichtkreis um das Sanatorium bestehen bliebe. Bis auf die Tatsache, dass das Ding früher aufgetaucht war als gedacht, war bisher alles so gelaufen, wie wir es uns vorgestellt hatten. Nun stie?en wir allerdings auf ein Problem: "Irgendwie müssen wir feststellen, ob das Ding noch da ist oder nicht", merkte ich an. Wir hatten uns zwar Gedanken darüber gemacht, wie wir vorgehen sollten, wenn der Blasenhaufen in das Gebäude einzudringen versuchen würde, aber dessen konnten wir uns ja mitnichten sicher sein. Fünf Minuten der Ratlosigkeit verstrichen, ohne dass etwas geschah. "Wenn wir nicht rechtzeitig bemerken, dass sich das Ding zum Steg aufgemacht hat, dann wird Pater Benedict in Schwierigkeiten geraten", gab ich zu bedenken. "Es hilft nichts, irgendjemand muss aus dem Fenster schauen", erwiderte Lady Gordon. Die Bilder der vertrockneten Skelette von Henry Adam Barber und Leonard Hawkins, die ja noch immer in ihren Zimmern in den Fenstergittern hingen, erschienen vor meinem geistigen Auge, und ich erinnerte mich an ihre gellenden Todesschreie. Aus dem Fenster zu schauen war mit Sicherheit das Letzte, was ich wollte. "Vielleicht ist es vom Obergeschoss aus ungefährlicher", mutma?te Lady Gordon. Wie auch immer, ich musste es versuchen. Pater Benedict seinem Schicksal zu überlassen, lie? mein Gewissen jedenfalls nicht zu. Also ging ich die Stufen wieder hinauf in das Gästezimmer, in dem ich auch schon Wache gehalten hatte, und stellte mich neben das Fenster, das in Richtung des Leuchtturms zeigte. Mit einer schnellen Bewegung schob ich den Vorhang mit einem Finger einen Spalt breit beiseite und spähte hinaus, dann zog ich den Finger sofort wieder zurück, so dass sich der Vorhang wieder schloss. Dieser kurze Moment reichte aus, um zu erkennen, dass der rot leuchtende Kreis sich noch immer an Ort und Stelle befand. Ich wartete einige Sekunden ab - zu meiner Erleichterung klirrte jedoch kein roter Lichtschlauch durch die Fensterscheibe. Nach 30 Sekunden fasste ich neuen Mut und wagte einen zweiten schnellen Blick. Der Lichtkreis war immer noch da. Weitere 30 Sekunden später schaute ich erneut nach - alles unverändert. Ich wiederholte die Prozedur alle 30 Sekunden. Fünf Minuten vergingen auf diese Weise, dann zehn, dann fünfzehn - nichts tat sich. "Ist alles in Ordnung?", hörte ich Lady Gordon von unten rufen. Ich teilte ihr mit, dass sich der Lichtkreis immer noch vor dem Gebäude befinden würde. Weitere fünfzehn Minuten vergingen. Die eintönige Tätigkeit begann, mich zu ermüden, und ich schaute nur noch jede Minute durch das Fenster. Gegen 22 Uhr hatte ich dies anderthalb Stunden durchgehalten und dieses verdammte Ding hatte sich immer noch nicht vom Fleck gerührt. Ich rief nach unten, ob mich jemand ablösen könne. Mrs. Stevens-McCormmick kam die Treppe hinauf und ich begab mich nach unten, um die Patienten zu bewachen. Zweieinhalb Stunden hielt Mrs. Stevens-McCormmick durch, dann wurde sie um 0:30 Uhr von Lady Gordon abgelöst. Wir begannen, uns um Pater Benedict Sorgen zu machen, dem es durch die Kälte und Feuchtigkeit auf dem Steg allmählich äu?erst unbehaglich geworden sein musste. Gleichzeitig wunderten wir uns, warum das Ding ihn offenbar nicht irgendwie wahrnehmen konnte. Machte der Pater nicht wie geplant auf sich aufmerksam? Oder war ihm doch etwas zugesto?en? Nach einer weiteren Stunde des Wartens entschloss sich Mrs. Stevens-McCormmick zu einem Versuch: Sie warf einen kurzen Blick durch einen der Vorhänge neben der Tür des Haupteingangs, um sich zu vergewissern, wie weit der Lichtschlauch entfernt war, dann nahm sie das Blatt mit dem von Darlene gezeichneten Symbol und schob es mit spitzem Finger zwischen Vorhang und Fenster, so dass es von drau?en zu sehen war. Nichts geschah. Nach einer Minute spähte sie erneut kurz hinaus und zog dann das Blatt enttäuscht wieder zurück. Der Lichtkreis hatte sich keinen Millimeter bewegt. Eine weitere Stunde später - inzwischen war es 2:30 Uhr - löste ich Lady Gordon ab und übernahm wieder meine minütliche Spähroutine. Nach einer weiteren halben Stunde hörte ich plötzlich, wie die Eingangstür aufgerissen wurde, dann gab es einen lauten Knall und ich bemerkte einen grellen Feuerschein an dem anderen Fenster in meinem Zimmer, danach wurde die Eingangstür wieder ins Schloss geworfen. "Was machen Sie da?!", rief ich den anderen zu. Mrs. Stevens-McCormmick antwortete mir in leicht gereiztem Ton: "Ich habe eine Íllampe rausgeworfen. Was sollen wir sonst tun? Wenn wir die ganze Nacht nur hier herumsitzen, wird das Pater Benedict auch nicht helfen." Ich ging zu dem anderen Fenster und spähte durch einen Spalt im Vorhang. Die Íllampe war auf den Stufen vor dem Haupteingang aufgeschlagen, die nun lichterloh in Flammen standen. Ich konnte nur hoffen, dass das Feuer schnell genug niederbrennen würde, bevor es auf das Gebäude übergriff. Der Lichtschlauch formte eine Ausbeulung, um den Flammen auszuweichen, machte aber keine Anstalten, sich aufzulösen oder wieder zu dem Blasenhaufen zusammenzuziehen. Nach einer halben Stunde war das Feuer bereits sehr viel kleiner geworden und der Lichtschlauch hatte wieder seine ursprüngliche Form angenommen. Um 4:30 Uhr bat ich darum, wieder abgelöst zu werden. Mrs. Stevens-McCormmick übernahm meinen Posten. Um 5 Uhr schlie?lich meldete sie sich plötzlich zu Wort: "Es bewegt sich! Es ballt sich wieder zusammen!" - "Wo bewegt es sich hin?", rief ich nach oben. Es dauerte einige Sekunden, dann kam die Antwort: "Zum Leuchtturm zurück." Zehn Minuten später kam Mrs. Stevens-McCormmick die Treppe herunter und teilte uns mit, dass das Ding bereits au?er Sichtweite wäre. Wir waren äu?erst verdutzt - insbesondere, da wir den Sonnenaufgang erst in etwa zwei Stunden erwarteten. Sollte es das für diese Nacht wirklich schon gewesen sein? Fortsetzung in Teil 25: Kalt erwischt
  13. Teil 24a: Die fünfte Nacht Fortsetzung Session 05.04.2008 Drei Stunden später standen wir am Fu? der Treppe zum Anleger und betrachteten unser Werk. Der Raum unter dem Steg, wo dieser noch über den Sandstrand verlief, war vollständig angefüllt mit möglichst trockenem Holz und weiteren Brettern, die wir mit Hilfe des Brecheisens aus den Wänden des Werkzeugschuppens herausgebrochen hatten. Die Lücken hatten wir mit Kohle aufgefüllt, die aus dem Keller des Sanatoriums herangeschafft worden war. Nach einer Idee von Lady Gordon hatten wir drei Matratzen aus den Zimmern des Pflegepersonals geholt und direkt über dem Holz- und Kohlehaufen nebeneinander auf den Steg gelegt. Daneben standen vier Kanister mit Benzin bereit. Mit zweien davon sollte Pater Benedict bereits die Matratzen tränken, sobald er sich auf dem Steg postieren würde, und die restlichen zwei ausschütten, sobald er sähe, wie das Ding die Treppe herunterkommen würde. Dann sollte er sich ans Ende des Stegs begeben, wo bereits ein Stuhl, eine Decke und ein hölzerner Rettungsring, den Lady Gordon in Ebenezers Haus aufgetrieben hatte, für ihn bereit lagen. Wir waren gerade noch rechtzeitig fertig geworden, denn die Abenddämmerung war bereits hereingebrochen. "Zünden Sie blo? nicht den ganzen Strand an", bemerkte Pater Benedict mit einem skeptischen Blick auf unsere Konstruktion, "irgendwo möchte ich auch wieder an Land kommen." - "Zur Not ziehen wir Sie mit einem Seil aus dem Wasser die Steilküste hinauf", erwiderte ich ihm. Pater Benedict sah mir ins Gesicht und versuchte offensichtlich, herauszufinden, ob ich gerade einen Scherz gemacht hatte. Allerdings hatte ich es durchaus ernst gemeint - falls der Strand tatsächlich völlig in Flammen aufgehen sollte, war dies die einzige Möglichkeit, die ich noch sah, um ihn zu retten. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen war Pater Benedict gerade im Begriff, sein Angebot, den Köder zu spielen, gründlich zu überdenken. "Das wird schon nicht passieren", versuchte ich ihn mit einem Klaps auf die Schulter aufzumuntern, dann verkündete ich in die Runde, dass ich nun ins Sanatorium gehen und mit Dr. Tiller reden würde. Ich fand ihn im Esszimmer. Er sa? an dem gro?en Tisch, vor sich eine Karte und ein Buch ausgebreitet. Als ich eintrat, sah er auf. "Dr. Tiller, ich wei?, Sie haben Ihre Vorbehalte", eröffnete ich mein Anliegen, "aber wir haben uns etwas überlegt, wie wir uns vielleicht des Problems entledigen könnten. Sie wissen ja selbst, was letzte Nacht vorgefallen ist. Wäre es Ihnen eventuell möglich, dass Sie sich in der kommenden Nacht mit den Patienten in den Hauptflur des Erdgeschosses zurückziehen und darauf achten würden, dass ihnen nichts passiert?" - "Selbstverständlich", erwiderte Dr. Tiller, "allerdings werde ich Sie keinesfalls bei Ihrem Blödsinn unterstützen." Das war mit Sicherheit das beste Ergebnis, das ich hätte erreichen können. Ich bedankte mich bei Dr. Tiller und begab mich in die Bibliothek, in der sich inzwischen auch die Damen und Pater Benedict eingefunden hatten. Ich fragte den Pater, wann er sich auf den Steg zu setzen gedenke. "Je früher, desto besser, oder? Notfalls muss ich eben lange dort sitzen", erwiderte er. Ich gab jedoch zu bedenken, dass das Ding in den vergangenen Nächten auch immer erst am späten Abend aufgetaucht sei. Pater Benedict entschloss sich daraufhin, sich erst gegen 22 Uhr auf dem Steg zu postieren und sich vorher noch etwas hinzulegen, da er ja eventuell die ganze Nacht würde wach bleiben und aufpassen müssen. Damit er noch möglichst viel Schlaf bekam, entschieden wir uns dazu, das Abendessen gleich herzurichten. Wir brachten Darlene und Colonel Billings ins Esszimmer und nahmen eine schnelle Mahlzeit ein, während der nicht viel gesprochen wurde - der Anblick der vielen leeren Stühle drückte auf unsere Stimmung. Gegen 19 Uhr waren wir mit dem Essen fertig. Pater Benedict teilte uns mit, dass er sich noch für zwei Stunden hinlegen wolle, und zog sich in das mittlere der drei Gästezimmer im Obergeschoss zurück. Lady Gordon schaffte einen Stuhl auf die Empore über dem Haupteingang, holte ihr Fernglas hervor und bezog dort Posten, um den Weg zur Steilküste und den Treppenabgang zum Steg im Auge behalten zu können. Ich schloss schweren Herzens meine Langwaffen samt Munition in meine Reisetruhe ein, den Colt meines Cousins behielt ich jedoch bei mir und lud ihn mit einer einzigen Kugel. Sollten alle Stricke rei?en, bliebe mir so vielleicht wenigstens der grausame Tod als Opfer dieses Blasen-Dings erspart - auch wenn ich nicht wusste, ob ich die Kraft dazu würde aufbringen können, ihm zuvorzukommen. Um auf Nummer sicher zu gehen, legte ich dann auch noch den Schlüssel für meine Reisetruhe mitsamt dem Revolver, den wir in Brewers Schreibtisch gefunden hatten, in den Safe in Brewers Büro, und schloss auch diesen. Sollte es dem Blasen-Ding tatsächlich erneut gelingen, einen von uns seinem Willen zu unterwerfen, so würde es zumindest recht lange dauern, bis der- oder diejenige an die Waffen herankäme. Danach postierte ich mich im südlichen Gästezimmer im Obergeschoss, bei dem es sich um ein Eckzimmer mit zwei Fenstern handelte, von dem ich einerseits den Weg zum Leuchtturm und andererseits den Weg zur Steilküste überwachen konnte. Mein Hauptaugenmerk richtete ich allerdings in Richtung des Leuchtturms, da der Weg zum Anleger und die Steilküste ja bereits von Lady Gordon überblickt wurden. Mrs. Stevens-McCormmick schlie?lich begab sich in den Behandlungsraum für Elektroschocktherapie, da dies der einzige Raum im Obergeschoss war, der ein Fenster nach hinten hinaus besa?, um so den Weg in Richtung des Steintischs überwachen zu können. Nachdem wir alle unsere Positionen bezogen hatten, fiel mir ein, dass ich besser mal nachschauen sollte, was Dr. Tiller und die Patienten machten. Ich ging noch einmal hinunter ins Erdgeschoss und fand sie in der Bibliothek vor. Ich bat Dr. Tiller, sich nun mit den Patienten wie besprochen ins Erdgeschoss zurückzuziehen. Er war einverstanden, und so schob ich Colonel Billings in die Nische, in die wir uns bereits letzte Nacht verkrochen hatten, und Dr. Tiller folgte mir mit Darlene. Ich bat ihn eindringlich, sofort Alarm zu schlagen, sobald er irgendetwas kommen sähe, und ging wieder zurück auf meinen Posten. Zwei Stunden lang starrten wir in die Nacht hinaus, ohne etwas Verdächtiges zu bemerken. Gegen 21 Uhr schlie?lich rief ich nach dem im Nebenzimmer schlafenden Pater Benedict, da er ja um diese Zeit aufstehen wollte. Als auch nach einigen Sekunden keine Reaktion erfolgte, erinnerte ich mich daran, dass der Pater ja nach der Nacht, in der wir Charles Johnson getötet hatten, ähnlich schwer zu wecken gewesen war, also ging ich zu seiner Zimmertür und klopfte energisch dagegen. Während ich auf eine Reaktion wartete, machte ich zwei Schritte zur Seite, um von der Empore aus durch die geöffnete Tür des Gästezimmers weiterhin den Weg zum Leuchtturm im Auge behalten zu können. Das war mein Glück: Ich sah ein rötliches Leuchten, dass sich vom Leuchtturm her näherte. "ES KOMMT!", schrie ich nach Leibeskräften und riss die Tür zu Pater Benedicts Zimmer auf. Dieser sprang bereits aus seinem Bett. Glücklicherweise hatte er sich vollständig angezogen hingelegt, so dass er sofort losrennen konnte. "Schafft er es noch?", rief mir Lady Gordon von der Empore aus zu. "Er muss es schaffen!", rief ich zurück. Pater Benedict raste die Treppe ins Erdgeschoss hinunter und zum Haupteingang hinaus. Ich sprang zurück auf meinen Posten und teilte den anderen lautstark mit, was ich sah: "Vom Leuchtturm kommt eine schwach rötlich leuchtende Wolke auf uns zu! Sie ist noch etwa 100 Meter entfernt!" Wir konnten nur hoffen, dass Pater Benedict noch rechtzeitig den Steg erreichen würde -glücklicherweise bewegte sich die Wolke nicht allzu schnell. Allerdings hatte er keine Lichtquelle mitgenommen, da wir die Befürchtung gehabt hatten, dass er die nur schwach leuchtenden Blasen dann eventuell zu spät bemerken könnte. Er würde also sicherlich nicht mit vollem Tempo rennen, sondern sich nur sehr vorsichtig die Treppe zum Steg hinabtasten können. Lady Gordon rannte ebenfalls die Treppe herab ins Foyer, warf die Eingangstür zu, die Pater Benedict offen gelassen hatte, und postierte sich vor der Tür zum Patiententrakt. Kurz darauf kam auch Mrs. Stevens-McCormmick herbeigeeilt, die bereits das von Darlene gezeichnete Symbol in der Hand hielt und damit durch die Tür in den Patiententrakt hastete. Ich blieb auf meinem Posten und beobachtete weiter die rötlich schimmernde Wolke. Beim Näherkommen offenbarte sich, dass es sich tatsächlich um einen Haufen aus Blasen handelte, der sich auf das Sanatorium zuwälzte. "Wohin bewegt es sich?", wollte Lady Gordon wissen. "Es kommt weiter auf uns zu", rief ich zurück. Zu unserem Glück schien das Ding Pater Benedict nicht bemerkt zu haben. Wäre es ihm direkt gefolgt, hätte es ihn vielleicht noch erwischt, aber so konnten wir davon ausgehen, dass der Pater es bis zum Steg schaffen würde. Es hätte nicht viel gefehlt, und unser langwierig ausgeklügelter Plan wäre bereits jetzt schief gegangen. Fortsetzung in Teil 24b
  14. Teil 23b: Neuer Plan (Fortsetzung) Fortsetzung Session 05.04.2008 "Wie Sie meinen, ich werde jedenfalls nicht länger tatenlos hier herumsitzen", sprach Lady Gordon, stand auf und verschwand durch die Bibliothekstür. Kurze Zeit später erschien sie wieder mit einigen Kerzen, ein paar Blättern Papier und einem Füller in der Hand. Sie setzte sich auf die Couch und begann, das Wachs der Kerzen zu erhitzen und sich damit Abdrücke des eingeschnitzten Symbols auf der Muschel anzufertigen. Dann schmierte sie die Tinte aus dem Füller auf den Wachsabdruck und drückte ihren provisorischen Stempel auf insgesamt fünf Blätter. Man konnte zwar noch erkennen, dass es sich um das Symbol handelte, aber das Resultat war äu?erst unsauber. "Na ja, einen Versuch ist es wert", kommentierte sie ihr Werk und drückte mir und Mrs. Stevens-McCormmick jeweils eines der Blätter in die Hand. Die anderen wollte sie Colonel Billings und Darlene ans Revers heften und verschwand damit in Richtung Patiententrakt. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Abdrücke irgendetwas bewirken würden, und die Blicke, die Pater Benedict mir zuwarf, verrieten mir, dass er ähnlich dachte. Kurz darauf hörten wir einen lautstarken Wortwechsel aus dem Patiententrakt zwischen Dr. Tiller und Lady Gordon. Wenige Sekunden später kam sie wutschnaubend in die Bibliothek marschiert. "Ist das zu fassen?", empörte sie sich, "Dr. Tiller hat die Zettel wieder abgerissen und mir gesagt, ich soll die Finger von den Patienten lassen! Was erlaubt der sich eigentlich?" Mit diesen Worten setzte sie sich auf die Couch, verschränkte die Arme und starrte uns zornig an. "Vielleicht sagen Sie auch mal was?!", fauchte sie nach einigen Sekunden. Ich glaubte nicht, dass ihr Vorhaben irgendeinen Sinn hatte, geschweige denn, es wert war, deswegen einen Streit mit Dr. Tiller anzufangen. Dies konnte ich ihr natürlich nicht sagen, ohne sie noch wütender zu machen, also sagte ich lieber gar nichts. Auch die anderen machten keine Anstalten, irgendetwas zu unternehmen. Schlie?lich stand Lady Gordon ruckartig auf und hastete aus dem Raum hinaus. Während Mrs. Stevens-McCormmick, Pater Benedict und ich in der Bibliothek weiter über unseren Plan sinnierten, begann sie damit, sämtliche Íllampen sowie die Wassereimer in Bad und Küche aufzufüllen. "Gut, folgender Vorschlag", ergriff ich das Wort, "Pater Benedict postiert sich auf dem Steg, alle anderen verbergen sich im Sanatorium. Bildet dieses Ding wieder den Lichtschlauch um das Gebäude, müssen wir warten, bis es mangels Opfer aufgibt und wieder seine Blasenform annimmt. Pater Benedict sollte sich irgendwie auf dem Steg bemerkbar machen, um es anzulocken. Versucht es dennoch, in das Gebäude einzudringen, müssen diejenigen darin versuchen, sich mit den Symbolen zu schützen und das Ding auf Abstand zu halten. Wälzt es sich schlie?lich zum Steg, folgen ihm mindestens zwei von uns mit den Symbolen und versuchen, es vor sich her zu treiben. Sobald es sich auf den Steg begeben hat, verschütten die Verfolger das Benzin und zünden es an, Pater Benedict springt ins Wasser und schwimmt ans Ufer. Dann warten wir, bis der Steg abgebrannt ist und das Ding ins Wasser fällt. In diesem Moment stellen sich zwei von uns mit den Symbolen am Strand auf und versuchen, zu verhindern, dass es sich wieder ans Ufer wälzt." "Und was ist, wenn sich das Ding direkt zum Steg bewegt, ohne erst zum Sanatorium zu kommen?", ertönte die Stimme von Lady Gordon, die sich unbemerkt an den Türrahmen der Bibliothek gelehnt und meinen Vortrag offenbar mitgehört hatte. "Dann bekommen wir im Haus das nicht mit und Pater Benedict kann nur noch ins Wasser springen und hoffen, dass er nicht erfriert, bevor wir stutzig werden", fügte sie hinzu. "Hm", machte Pater Benedict, "wenn ich mich recht entsinne, meine ich am Leuchtturm gesehen zu haben, dass von diesen Blasen ein schwaches, rötliches Glühen ausgegangen ist - selbst bei Tageslicht. Wenn das stimmt, dann kann man es vielleicht im Dunkeln sehen." - "Dann stellen wir Wachen auf", führte ich seinen Gedanken fort, "von Brewers Büro aus kann man den Weg Richtung Leuchtturm im Auge behalten und von der Empore im Obergeschoss des Foyers aus den Weg zum Steg. Wenn sich dann noch jemand in den Behandlungsraum für die Elektroschocktherapie postiert und nach hinten hinausschaut, müsste man auch den Weg in Richtung des Steintischs überblicken können. Dann wären wir nach allen Seiten abgesichert." - "Nun, dann wollen wir mal hoffen, dass sich der reizende Dr. Tiller zumindest dazu bereit erklärt, währenddessen auf die Patienten aufzupassen", merkte Lady Gordon an, "ich frage ihn jedenfalls nicht." "Es gibt da noch ein anderes Problem", gab Pater Benedict zu bedenken, "wir müssen damit rechnen, dass dieses Ding wieder versuchen wird, mindestens einen von uns seinem Willen zu unterwerfen. Und wie wir gesehen haben, können auch die Symbole nicht davor schützen." - "Dann sollten wir au?er den Symbolen keine weiteren Waffen bei uns tragen", platzte es aus mir heraus, noch bevor mir die Bedeutung dessen, was ich da gerade gesagt hatte, bewusst wurde. Ich war nämlich der einzige hier, der Waffen besa?, mit denen er auch umzugehen verstand. "Das halte ich für eine sehr gute Idee", kommentierte Lady Gordon meinen Vorschlag und grinste dabei frech. Sie hatte gut lachen - ihre Fü?e würde sie kaum im Sanatorium zurücklassen können. "Könnten wir dann jetzt endlich den Steg vorbereiten?", fragte Lady Gordon, ohne den Versuch, ihre Ungeduld zu überspielen. "Nun, wenn Sie alle mit dem Plan einverstanden sind...", erkundigte ich mich in den Raum hinein. Pater Benedict nickte. "Eigentlich nicht, aber ich sehe keine Alternative", erklärte Mrs. Stevens-McCormmick. "Nun, wenn das so ist, dann mal auf ins Gefecht", verkündete ich. Fortsetzung in Teil 24: Die fünfte Nacht
  15. Teil 23a: Neuer Plan Fortsetzung Session 05.04.2008 Die Idee mit dem Steg hatte mir eigentlich ganz gut gefallen, allerdings hatte sie auch ein paar Haken: Irgendwie müsste das Blasen-Ding auf den Steg gelockt werden. Es allein mit den zwei Symbolen dorthin zu treiben, würde uns wahrscheinlich nicht gelingen - wie schwer das war, hatten wir ja bereits am Leuchtturm erfahren. Ferner durfte die Blase keine einfacheren Opfer im oder am Sanatorium vorfinden, denn dann hätte sie ja keinen Grund, sich zum Steg zu begeben. Andererseits konnten wir uns aber auch nicht alle mitsamt den Patienten auf das Ende des Stegs stellen: Wenn sich die Blase tatsächlich auf den Steg wälzen würde, müsste sich ein potenzieller Lockvogel ins Meer stürzen und wieder an den Strand zurückschwimmen - für Colonel Billings und Darlene ein Ding der Unmöglichkeit. Und wer sollte den Steg dann anzünden? Niemand von uns war ein geübter Schwimmer, dennoch erklärte sich Pater Benedict bereit, den Köder zu spielen. Vorher wollte er sich die Sache aber noch einmal genau ansehen. Der Pater und ich marschierten zu den Schuppen und organisierten uns ein Seil, dann begaben wir uns die Stufen zum Steg hinab. Die in das Felsgestein der Steilküste gehauene Treppe endete etwa einen Meter über dem Strand, dann führten ein paar Holzstufen direkt auf die Bohlen hinunter, die den Steg bildeten. Treppe und Steg befanden sich in einem 90-Grad-Winkel zueinander. Von den Bohlen konnte man noch ein paar Meter nach links und rechts auf den Sand gehen, dann versperrte jedoch die Steilküste das weitere Fortkommen. Direkt gegenüber der Treppe befand sich die Vorrichtung, in der Ebenezer immer sein Boot verstaut hatte. Der Sandstrand fiel zum Meer hin etwas ab, wodurch der Steg zwei Meter über Sand verlief, bevor er sich weitere acht Meter über das Wasser erstreckte. Somit ergab sich eine Gesamtlänge von etwa zehn Metern bei einer Breite von etwa zwei Metern. Der Abstand zwischen Steg und Wasseroberfläche betrug etwa einen Meter. Pater Benedict knotete einen Stein an das Seil und begann, die Wassertiefe entlang des Stegs auszuloten. Er stellte fest, dass er noch etwa bis zur Hälfte der Länge des Stegs stehen konnte. Wenn er also am Ende ins eiskalte Wasser sprang, würde er nur etwa fünf Meter weit schwimmen müssen - eine Strecke, die er sich durchaus zutraute. Noch während wir damit beschäftigt waren, das Seil ins Wasser zu lassen und wieder hochzuziehen, hatten wir bereits gesehen, wie Lady Gordon die Treppe heruntergekommen war. Sie hatte einen Benzinkanister dabei. Als sie unten angekommen war, stellte sie ihn am Fu? der Treppe ab und gesellte sich zu uns. "Wenn das Wasser nicht tief genug ist, kann sich das Ding vielleicht wieder herausbewegen", merkte ich an. Lady Gordon schlug daraufhin vor, dass sich mindestens zwei Personen, vielleicht sogar alle anderen mit den Symbolen unter dem Steg verstecken sollten, bis das Ding über sie hinweggewälzt sei. Dann sollten sie hervorkommen, den Steg anzünden und sich mit den Symbolen in der Hand links und rechts davon postieren, um zu verhindern, dass sich das Ding wieder aus dem Wasser herauswälzen kann. Pater Benedict und ich waren uns jedoch sicher, dass das Ding die Personen unter dem Steg wahrnehmen und sich dann erst mal auf ebenjene stürzen würde. Dieses Blasen-Ding hatte ja keine Augen gehabt, würde seine Beute also wohl auf andere Art und Weise wahrnehmen. Sich zu verstecken, wäre demnach sinnlos. Wir entschieden uns, zunächst zu Dr. Tiller und Mrs. Stevens-McCormmick zurückzukehren, die immer noch in der Bibliothek warteten. Vielleicht hätten sie ja eine bessere Idee. "Anstatt irgendwelche wirren Pläne zu schmieden, sollten Sie vielleicht besser mal darüber nachdenken, wie wir auf uns aufmerksam machen können", war jedoch alles, was Dr. Tiller dazu zu sagen hatte, bevor er aufstand und den Raum verlie?. Auch Mrs. Stevens-McCormmick war von dem Plan nicht sonderlich angetan - sie hatte die Befürchtung, dass dieses Ding intelligent war und vielleicht sogar Gedanken lesen konnte, wodurch jedwede Absicht, es in eine solch offensichtliche Falle zu locken, zum Scheitern verurteilt sein würde. Sie zöge es vor, wenn wir offensiver vorgehen und beispielsweise versuchen würden, das Ding mit Hilfe der Symbole an einer Engstelle über die Klippen zu treiben. "Das dürfte mit nur zwei Symbolen schwierig werden", sagte Pater Benedict. Das war mein Stichwort: Ich erinnerte mich daran, dass ich Lady Gordon fragen wollte, woher sie die Muschel mit dem Symbol hatte, die am Leuchtturm so plötzlich in ihrer Hand aufgetaucht war - und genau das tat ich. "Die ist von Ebenezer", antwortete sie, ohne mich dabei anzusehen. Also genau wie ich vermutet hatte. Ich wusste zwar nicht, wo sie sie gefunden hatte, aber es konnte ja nur in Ebenezers Haus oder in dessen Asche gewesen sein. Wie auch immer - sie hatte uns nicht nur Informationen vorenthalten, sondern sogar unverhohlen angelogen, denn in beiden Fällen hatte sie behauptet, nichts gefunden zu haben. Wie sollte ich damit umgehen? Einerseits hätte ich ihr am Liebsten die Meinung gegeigt, andererseits würde uns ein Streit nur Zeit und Kraft kosten, die wir momentan anderswo dringender benötigten. Ich entschloss mich, die Sache erst mal auf sich beruhen zu lassen und ging darüber hinweg. Nichtsdestotrotz hatte mein Vertrauen in die feine Dame nicht unerheblichen Schaden erlitten. Ob sich dies noch einmal ändern würde, konnte nur die Zeit zeigen. "Vielleicht können wir noch eine weitere Sitzung mit Darlene abhalten", schlug Mrs. Stevens-McCormmick vor, "und ihre Annephis-Identität bitten, uns ein weiteres Symbol anzufertigen. Drei Symbole sollten genügen, um dieses Ding über die Steilküste zu treiben." - "Ich glaube nicht, dass das so einfach funktionieren wird", erwiderte ich, "wenn dieses Ding wei?, dass es im Meer vernichtet wird, dann wird es sich doch eher gegen die Symbolträger wenden als sich in den sicheren Tod zu stürzen." - "Ich versuche ja nur, Möglichkeiten zu finden, bei denen niemand den Lockvogel spielen muss", hielt Mrs. Stevens-McCormmick mir jedoch entgegen, "und au?erdem: Wenn man dem Castro-Manuskript Glauben schenken darf, dann ist es dort doch genau so geschehen - Annephis hat die Kreaturen mit den Steinen in den Nil getrieben." Damit hatte sie natürlich auch wieder recht. Trotzdem erschien mir diese Vorgehensweise viel zu riskant. Au?erdem fehlte uns schlicht und ergreifend die Zeit, noch einmal eine derartig langwierige Sitzung mit Darlene abzuhalten. "Es wird uns nichts anderes übrigbleiben, als dass sich einer auf den Steg stellt und sich alle anderen im Sanatorium einigeln", sagte ich, "wenn das Ding dann erst hierher kommt und keine Opfer findet, bewegt es sich hoffentlich zum Steg." - "Und was ist, wenn der Lichtkreis nicht verschwindet?", entgegnete Lady Gordon, "dann sind alle anderen hier eingesperrt und derjenige auf dem Steg ist verloren." Auch wenn ich es ungern zugab, der Einwand war natürlich berechtigt. Trotzdem hielt ich das für unwahrscheinlich. Ich glaubte, dass dieses Blasen-Ding und der Lichtkreis ein- und dasselbe waren. Vielleicht konnte es sich sogar von dem einen in das andere verwandeln. Als ich dies kundtat, erntete ich nur zweifelnde Blicke, aber wie auch immer - jegliche Unwägbarkeiten auszuschlie?en, würde uns ohnehin nicht gelingen, egal wie gründlich wir noch planen würden. Ein gewisses Risiko einzugehen, war unvermeidlich, und dieses hier war ich bereit, einzugehen. "Nun, wenn wir uns einig sind, dann können wir ja schon mal Holz und Kohle unter dem Steg aufschichten, damit das Feuer lange genug Nahrung findet und nicht das ganze Benzin versickert", meinte Lady Gordon. Dies hielt ich jedoch für etwas überstürzt, da wir ja noch nicht alle Details geklärt hatten. "Wenn wir jetzt viel Zeit damit verbringen, dort unten alles vorzubereiten und dann feststellen, dass der Plan doch nicht funktioniert, dann war diese ganze Zeit vergeudet", entgegnete ich ihr. Fortsetzung in Teil 23b
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