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Lovecraft in Literatur und Philosophie


Guest Panurg
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Abgesehen von Lovecrafts Oberflächenreizen scheint es etwas an diesem Auto zu geben, das tiefere Schichten des Bewusstseins anrührt, das irgendwo auf einer anderen, vielleicht transzendenten Ebene Sinn macht und funktioniert. Dafür spricht, dass ssich im Werk gro?er Denker, Autoren und Künstler oft Querverweise zu und Anspielungen an Lovecraft finden.

 

Ich habe da bisher einige entdeckt. In diesem Threat würde ich gerne eine kleine Sammlung solcher Referenzen machen, da es sicherlich noch mehr gibt.

 

Also, auf folgendes bin ich gesto?en:

 

Universalgenie Jean Cocteau outete sich als Lovecraft-Fan. Allerdings bezeichnete er seinen Schreibstil als "etwas undiszipliniert" und empfahl deshalb die französische ?bersetzung von Jaques Papys.

 

Michel Houellebecq bewundert Lovecraft und sein erstes Buch beschäftigt sich ausschlie?lich mit HPL, kann aber auch als "literarisches Manifest" des Houellebecq selbst, als der Grundstein und Schlüsselwerk zu seinen späteren Romanen gelesen werden.

 

Auch Gilles Deleuze und FÚlix Guattari sind begeistert von Lovecraft und widmen sich in Milles Plateaux meiner persönlichen HPL-Lieblingsgeschichte Through the Gates of the Silver Key.

 

Sprachingenieur Arno Schmidt entdeckte als alter Poe-Fan und -?bersetzer am Ende seines Lebens Lovecraft für sich und zerfledderte dessen Biografie, vor allem natürlich das Sexleben, im unvollendeten Spätwerk Julia oder die Gemälde.

 

Was fällt euch sonst noch ein?

 

Und, habt ihr eine Idee, was diese "gewisse Etwas" bei Lovecraft ausmachen könnte?

Auffällig ist ja, dass jeweils aus total verschiedenen Gründen Bezug auf ihn genommen wird. So sieht Houellebecq etwa Lovecrafts Qualität darin, sich in seiner Prosa konsequent und absolut jenen Issues verweigert, dieseiner (Houellebecqs) Ansicht nach die Grundwerte unserer niedergehenden Zivilisation aumachen: erotische Anziehungskraft und Geld. So kann er sich Lovecraft als Bündnispartner auf seiner Auswegsuche zueigen machen.

Schmidt wiederum versucht, nahezu gegensätzlich zu Houellebecq, HPL in Anlehnung an die Psychoanalyse als eine einzige verschlüsselte Sexorgie zu lesen und findet damit natürlich Anknüpfpunkte an sein eigenes Werk.

So scheint also etwas in Lovecrafts Schaffen zu finden zu sein, das auch über konträre Lesarten hinweg eine gro?e Faszination auf ein philosophisch gefärbtes Denken auszuüben wei?.

 

 

 

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Hi! :-)

 

Original von Randolph_Carter

Herr Göttmann, ihr Auftritt bitte :D

 

Ja, demnächst mit Sicherheit. Aber eine "richtige" Antwort wäre momentan etwas über meinen Zeitbudget. ;-)

 

Nur mal so viel vorweg: Ich glaube nicht, dass es irgendetwas "Transzendentes" dabei gibt oder etwas ?hnliches. Das "gewisse Etwas" ist vielleicht das gleiche, was verschiedenste Leute gerne Spaghetti essen lassen. Vielleicht ist es nur die Tomatenso?e oder weil Nudeln halt doch everybody's favorite sind.

 

Warum dies eine Faszination auf philosophisches Denken ausübt, ist IMHO recht einfach zu beantworten und ich habe in älteren Threads dies sicherlich schon einmal angerissen. Das, was wir heute in den Texten von Lovecraft finden, ist mit Sicherheit nicht so konservativ, wie viele ihm immer andichten wollen. Vieles davon ist sehr modern, manches sehe ich sogar als Vorläufer oder "praktische Anwendung" moderner Philosophiegebäude. Lovecraft ist hier vielleicht vergleichbar mit Nietzsche (nein, nicht die Autoren, die sind tot...ich meine die Texte der toten Kerls) und die Faszination Nietzsches und den Einfluss auf die heutige Philosophie ist sicherlich aus einem ähnlichen Grund.

 

Wie du schon gesagt hast, sehen viele in Lovecraft etwas "Anderes", was für sie interessant ist. Demnach wird es auch kein "gewisses Etwas" geben, denn dieses ist immer wieder anders. Wenn alle immer wieder die gleichen Sachen an Lovecraft faszinieren würde, dann wäre es vielleicht eine interessante Frage nach "dem gewissen Etwas" zu suchen. So halte ich es aber für sehr fraglich, ob es so etwas gibt. Vielleicht eben doch nur Spaghetti mit Tomatenso?e. Man mag es eben, aber jeder wohl aus einem anderen Grund. Der eine mag die Tomatenso?e, der andere mag Nudeln, wieder ein anderer schlabbert sich gerne voll, ein wiederum anderer findet, dass Spaghetti einfach zu machen sind...es gibt viele Möglichkeiten an etwas Interesse zu finde und es für seine Zwecke zu "missbrauchen" (wobei dieses Wort eher ungeschickt ist, da es impliziert, dass es einen beabsichtigten Zweck für das Alles gibt, den ich damit nicht unterstellen wollte, aber mir fiel kein besseres Wort ein). Transzendent ist das sicherlich nicht. Vielleicht ist es hipp, vielleicht ist es Mode, vielleicht ist es performance, um seiner eigenen Sache einen bestimmten Anstrich zu geben. Aber wohl kein "gewisses Etwas".

 

Dies nur einmal ganz knapp dazu, vielleicht dann demnächst mehr, wenn ich mal wieder zu viel Zeit habe. ;-)

 

CU

 

holger

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Guest steffen

Der argentinische Weltbibliothekar Jorge Luis Borges hat in seinem Erzählband "Das Sandbuch" 2 von Lovecraft inspirierte Geschichten veröffentlicht. Besonders bemerkenswert ist die Titelgebende, die das Topos des unheiliges Wissen vermittelnden Buches aufgreift.

Borges? Bewunderer Umberto Eco lässt im Foucaultschen Pendel seine Beschwörer in einer Szene den gro?en Cthulhu anrufen.

Sigmund Freuds psychoanalytischen "Schlüssel zur Dichtung" auf Lovecrafts Biographie angewendet findet sich bei Peter Priskil (1996), ist allerdings nur für Hardcore-Freudianer konsumierbar (Tentakel als Phallussymbole usw.)

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nur mal ganz kurz was zum thema freud. ich kenne einen ganzen haufen psychologen und hab selber mal zeitlang (recht halbherzig allerdings) psycho im nebenfach studiert. gleichzeitig mache ich aber auch ein bissel literaturwissenschaft und erinnere mich noch an die ein oder andere sache aus dem deutsch-leistungskurs in der schule. was ich so witzig finde, ist die tatsache, da? die einzigen leute, die freud heutzutage n och ernst nehmen, literaturwissenschaftler sind, wahrscheinlich weil sie so stolz drauf sind, ein bi?chen "richtige wissenschaft" in ihre studien aufnehmen zu können. ;) leider gottes haben sie sich dabei aber nicht weiterentwickelt.

freud wird heutzutage eigentlich nur noch als wegbereiter angesehen. der kram, den er sich ausgedacht hat, ist grö?tenteils quatsch. was auch nicht schlimm, denn schlie?lich hat der beste quasi von null anfangen müssen. blo? wenn mir aber heute jemand mit einer freudschen literaturinterpretation kommt... nun, natürlich kann man machen was man will. ich halte so etwas dann aber in den meisten fällen für geistige onanie.

 

gru?,

carsten

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Hi! :-)

 

Original von carsten

blo? wenn mir aber heute jemand mit einer freudschen literaturinterpretation kommt... nun, natürlich kann man machen was man will. ich halte so etwas dann aber in den meisten fällen für geistige onanie.

 

Oh ja, von freudianischer Literaturinterpretation kriege ich auch immer das kalte Grausen, schon allein, weil das Konzept des "Autors" dort immer noch genauso veraltet herumsteht, wie vor hundert Jahren. Was jedoch ganz "spannend" ist (wohlgemerkt: das bedeutet nicht, dass ich einen Text so interpretieren würde oder dass ich diese Interpretationstechnik anwende) sind "lacan'sche Ideen". Jacques Lacan ist ein moderner Psychoanalytiker, der eine sehr obskure Mischung aus Freud, Saussure und Derrida bastelt. Sehr spannend hin und wieder...wenn auch manchmal etwas...*hust*...befremdlich. ;-)

 

CU

 

holger

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"Freuds Schlüssel zur Dichtung" ist lesenswert! Der Stein der Weisen ist es ganz sicher nicht. Aber eine witzige Art zu denken und mit Literatur umzugehen allemal.

Interessant ist vor allem das Umfeld, aus dem Priskil kommt. Er selbst und sein Lehrmeister Fritz Erik Hoevels bilden den Kern des BgA ("Bund gegen Anpassung"). Das ist die Nachfolgeorganisation der "Marxistisch-Reichistischen Initiative", einer legendären K-Gruppe aus der 68er-Zeit, die heute immer noch als Politsekte aktiv ist. Sie selbst sehen sich als die einzigen legitimen Nachfolger von Marx und Freud. In der Linken (und nicht nur dort) gelten sie aber inzwischen als faschistisch und rechtsextrem, weil sie ziemlich krasse Konzepte von Geburts- und Seuchenkontrolle verteten (z.B. die Stigmatisierung von Aidskranken durch Tätowierungen, damit sie nicht die geforderte totale Promiskuität gefährden können). Au?erdem haben sie mal den Anschluss an die Republikaner gesucht, was natürlich für die deutsche Íffentlichkeit ein rotes Tuch ist. Schräge Vereinigung.

Ihr Hausverlag Ahriman gibt die "Ketzerbriefe" heraus, eine "Flaschenpost für unangepasste Gedanken".

 

Zum Thema Freud:

Ich habe noch nicht viel von ihm gelesen, aber habe es noch vor. Unabhängig davon, ob er immer zu den "richtigen" Ergebnissen gekommen ist (was auch ich bezweifle) halte ich ihn doch vor allem für eines, nämlich elegant.

Ich denke, seine grö?te Leistung besteht darin, dass es mit ihm möglich wurde, so etwas wie das "Unbewusste" überhaupt zu denken. Die Vorstellung, dass es einen dunklen, arbeitenden Teil des menschlichen Gehirns gibt, der dem Bewusstsein nicht zugänglich ist, hat etwas Genialisches. Zu Freuds Zeiten stellte das eine ungeheure Provokation dar, sowohl gegen die Dogmen der Kirche als auch gegen die Lehren der Aufklärung. Ein so radikales Denken abseits der Spuren macht mir Freud ziemlich sympathisch.

Zur Kritik an Freud in der Schulpsychologie: sicherlich berechtigt. Allerdings auch ein zweischneidiges Schwert, denn die Schulpsychologie ist auch nur ein ?berbau, der sich mitunter nicht weniger domatisch gibt als die Analyse. Das ist ganz wichtig: Freud war kein Psychologe und wollte es auch nicht sein. Es gab damals schon eine akademische Psychologie, aber Freud hat sich sehr kritisch gegen sie gestellt. Die Psychoanalyse ist eine eigenständige Lehre mit eigenen Erkenntnismethoden. Wenn man sie kritisch unter die Lupe nehmen will, so sollte man das m.E. eher "von innen" tun und nicht das Intrumentarium einer "konkurrierenden" Wissenschaft anlegen. Zumal das Freud-Bashing ja besonders in Deutschland seit etwa zwei Jahrzehnten zu einer regelrechten Mode geworden ist, und von Modedenkerei halte ich mich lieber fern.

 

Zum Thema Freud und Literaturwissenschaft weise ich auf die oben erwähnten Lovecraft-Fans Deleuze und Guattari hin. Guatarri ist übrigens ein Schüler von Lacan und praktiziert selbst als Psychiater.

Von den beiden gibt es eine Schrift über Kafka, die gilt neben der Freud-Dekonstruktion "Anti-Ídipus" als guter Einstieg in ihr philosophisches Werk.

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