1.) Meiner Meinung nach sollen Geisteskrankheiten nicht inflationär verwendet werden, handelt es sich bei ihnen doch nicht um Zustandsveränderungen wie z.B. „gelähmt“, „vergiftet“, „erblindet“ etc. aus anderen Spielsystemen. Ja, Geisteskrankheiten gehören zu Lovecrafts Geschichten ebenso wie zum Rollenspiel. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass die Story sich schließlich nur noch um den menschlichen Abgrund der Geisteskrankheiten drehen soll. In längeren Kampagnen ist das Schicksal der Spielercharaktere (oft) ja schon fast vorprogrammiert- immerhin sterben die Sterblichen ziemlich leicht, und Stabilität verlieren sie auch noch. Meiner Erfahrung nach gibt es in jeder Kampagnenrunde einen Spielercharakter bzw. Spieler, der seine Stabilitätswürfe stets mit einer Grazie besteht, dass man als Spielleiter nur fassungslos den Kopf schütteln kann. Aber: es gibt immer auch eine Handvoll SC, deren Glück es nicht Gut mit ihnen meint. Schnell kommt es zu temporären Traumata, im Verlauf einer längeren Kampagne auch zu den ersten Geisteskrankheiten. Und eben solch eine Störung kann das Spiel unglaublich bereichern- die Story und das Schicksal dramatischer erscheinen lassen, die Abgründe der menschlichen Psyche beleuchten und die Unbedeutung des sterblichen Lebens deutlich machen. Damit will ich sagen: im Laufe einer Kampagne sollte es (man könnte auch sagen: muss) zu Geistesstörungen kommen, ebenso wie bei D&D der Stufenaufstieg und die immer besser werdende Gear- den eben DAS erwarten die Spieler wenn sie dieses Spielsystem spielen! 2.) Geistesstörungen sollte man nicht leichtfertig ins Spielgeschehen bringen. Ich bin der Meinung, dass der Spielleiter gut im Voraus planen sollte, was für eine Geistesstörung der Spielercharakter erhalten wird. Als Spielleiter sollte man sich im Vorfeld Gedanken über mögliche Störungen machen: a) Wird die besagte Geistesstörung meine Kampagne unterstützen oder hemmen? b ) Wie wirkt sich die Geistesstörung spiel- und regeltechnisch auf das Geschehen aus? c) Wird die Störung eher im Hintergrund oder im Vordergrund erlebt? d) Passt die Geistesstörung zu ihren Auslösern, kann sie sinnvoll hergeleitet werden? e) Wie kommuniziere ich das Erleben der Geisteskrankheit mit dem Spieler und dessem Charakter ingame und outgame? und die wichtigste Frage: f) Kann mein Spieler das leisten? Kann er die Geistesstörung ausspielen oder ist er damit überfordert? In dieser Hinsicht habe ich meinen Spielern nie eine Wahl zwischen Störung 1 und Störung 2 gelassen. Oft wurden Geisteskrankheiten lange im Voraus geplant. Manchmal wurde auch darauf hingearbeitet. Dadurch wurde die Störung eher zu einem Story-Element als zu einer Zustandsveränderung wie Blindheit/Taubheit. Dabei muss es sich bei einer Störung nicht immer gleich um eine Schizophrenie, einer bipolaren Erkrankung o.ä. handeln. Was auch in sehr vielen Geschichten von Lovecraft als passable Störung her hält, ist die profane Suchterkrankrung. Viele seiner Protagonisten nehmen Drogen und Alkohol zu sich um mit dem Geschehenen zurecht zu kommen. Eine Suchterkrankung ist z.B. in dieser Hinsicht eine sehr dankbare Störung für den Spielleiter, als das man sie schon sehr früh im Spiel einbauen und im Verlauf der Kampagne ausbauen kann. Es ist nichts unglaubwürdiges, exotisches, sondern etwas was jeder von uns kennt und sich gut darstellen lässt. Als Beispiel möchte ich die Alkoholsucht anbringen- besonders der Krankheitsverlauf nach E.M. Jellinek aus dem Jahre 1951: http://de.wikipedia.org/wiki/Alkoholsucht In einem anderen Thread wird derzeit über „Spielersabotage“ diskutiert- das blinde auswürfeln von Geistesstörungen von Seiten des Spielleisters ist in meinen Augen Sabotage am Spiel selbst- immerhin kann eine „unpassende“ Störung das komplette Spielgeschehen, die gesamte Dynamik verändern (sogar zerstören). 3.) Wenn mir etwas der Situation angemessenes einfällt, wähle ich diese Option. Ansonsten mache ich mir hier wirklich den Spaß und würfel geschwind ein zufälliges Trauma aus- das kann kurzfristig die Szene knackiger machen und oft kommt dabei was wirklich „witziges“ heraus. Da sehe ich kein Problem darin. Was man aber mit Sicherheit auch machen kann: bei Schlüsselszenen, bei denen mit einem temporären Trauma gerechnet werden kann, kann man sich als SL eine kurze Liste von verschiedenen passenden Traumata schreiben, die man bei Bedarf anwenden kann. 4.) folgt noch heute Abend ^^