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Spielbericht "Das entsetzlich einsam gelegene Haus im Wald"


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Vorbemerkung

 

Ich spiele Chtulhu zumeist in meinem engsten Freundeskreis und nicht mit einer Stammgruppe, die extra und ausschlie?lich zu diesem Zwecke zusammenkommt, oder ?hnlichem. Deshalb befassen wir uns auch nur alle paar Jahre mal mit Cthulhu, weil wir die restliche Zeit mit anderen Dingen verbringen, die Freunde halt so machen. Es ist bereits zwei Jahre her, dass wir uns das letzte Mal in einer kurzen Folge von One-Shots vor dem Mythos gegruselt haben. Als nun erneut der Wunsch danach laut wurde, habe ich gerne eingewilligt (ich bin bei uns nahezu der einzige, dessen Leidenschaft so weit geht, das Material zu kaufen, sich in die Regeln zu vertiefen und zu leiten). "Das entsetzlich einsam gelegene Haus im Wald" habe ich für einen Wiedereinstieg als ideal befunden, seiner Kürze, niedrigen Komplexität und knackigen Horroreffekte wegen. Ich wollte um jeden Preis vermeiden, dass morgens um drei immer noch Handouts entziffert und einzelne Spieler zum Showdown womöglich geweckt werden müssen. Nichts dergleichen war der Fall, schon bald nach Mitternacht war der Okanda-Hepa gebannt (Netto-Spielzeit: ca. vier Stunden), so dass sogar noch ein längeres Auswertungsgespräch stattfinden konnte.

 

Ich schulde dem Forenuser Neshoratep für seinen Spielbericht gro?en Dank. Zahlreiche seiner Ideen habe ich übernommen und auch seine Kritikpunkte am Szenario registriert und durch ?nderungen aufzufangen versucht. Beispielsweise bemängelt Neshoratep, dass kein Handout zu den "Thaumaturgical Prodigiesô vorliegt û ich habe eines erstellt, und zwar mit weit mehr Hinweisen zur "Lösung" des Szenarios als das Spielleiterhandbuch für diese Quelle vorsieht. Auch die Beschwerde Neshorateps bezüglich der Länge und des verkleinerten Abdrucks der Jagdbucheintragungen konnte ich nachvollziehen. Ich habe den Text folglich umgeschieben, dabei fast um die Hälfte gekürzt und handschriftlich neu niedergelegt (samt der ersten Zeichnung). Neshorateps Bericht war es schlussendlich, der mich dazu gebracht hat, erstmals mit dem Laptop zu leiten und dergestalt eine ausgeklügelte Soundregie zum Zuge kommen zu lassen. Ich war sehr skeptisch deswegen (eine Sache mehr, die dem Spielleiter Konzentration abverlangt ...), muss aber einräumen, dass der Effekt überwältigend war. Ich habe drei Soundtracks verwendet: "Bram StokerÆs Dracula", "Resident Evil" und "30 Days of Night". Gezielt eingesetzte Musik mit dramatischen Höhepunkten, die sich mit Melancholie, bedrohlichen und einfach nur kranken, kreischenden Sounds abwechselt, haben meine Spieler von mir bisher nicht gekannt, und ich kann sagen, es hat ihnen fast die Schuhe ausgezogen. Der subtile Horror des Szenarioautors hat natürlich seinen Teil beigetragen. Insgesamt würde ich bedenkenlos soweit gehen, von meinem gelungensten Cthulhu-Abend ever zu sprechen.

 

 

Die Charaktere:

 

Valentin Fischer (27, Spieler und Kleinganove aus Berlin)

Bernd Prügel (41, ehemaliger Clubbesitzer aus Berlin)

Dr. Boujard Tessin (37, Toxikologin aus Boston, Mass.)

Luke Picard (42, Fischer aus Rockland, Maine)

 

 

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1. Einstieg

 

Anmerkung: Das Szenario hebt mit einer nächtlichen Autofahrt der Charaktere im nördlichen Maine an. Im Folgenden schildere ich, wie ich für meine Gruppe diese Situation herbeigeführt habe. Wer in medias res einsteigen möchte, lese bitte direkt bei Abschnitt 2 weiter.

 

Die beiden Berliner Charaktere kennen Boujard Tessin bereits aus zwei bzw. drei europäischen Szenarien. Zu einem davon liegt auch ein Spielbericht vor. Seitdem sind fast zwei Jahre vergangen, und zwar sowohl in der realen als auch in der cthuloiden Welt. Dr. Tessin lebt wieder in Boston, Valentin Fischer und Bernd Prügel mussten ihre Heimat aufgrund polizeilichen Drucks verlassen und haben sich ebenfalls nach Amerika aufgemacht. Ihr langfristiges Ziel hei?t Chicago, doch sie sind vorübergehend bei Tessin in Boston untergekommen. Zu Luke Picard, dessen Spielerin sich hiermit das allererste Mal überhaupt an ein Pen&Paper-Rollenspiel wagt, haben die anderen bisher keine Verbindung.

 

Wir schreiben den Spätsommer 1826. Dr. Tessin erhält einen Brief von Rupert Merriweather, einem alten Freund ihres Vaters. Luke Picard, der seit langem höchstselbst mit Merriweather bekannt ist, erhält einen ebensolchen. Merriweather ist in einer Notlage und bitte die beiden dringend, ihn in seinem Haus im Norden Maines aufzusuchen. Da eben jenes nicht ganz einfach zu finden ist, schlägt er vor, dass Tessin und Picard einander in Bangor treffen und von dort gemeinsam nach Norden aufbrechen, denn Picard kennt den genauen Weg. Bald darauf sitzen die vier Charaktere (Tessin hat ihre deutschen Freunde kurzentschlossen mitgenommen) in Tessins Auto und rattern die hügeligen und kurvenreichen Stra?en Maines gen Norden. Es ist bereits Nacht, man ist schon gut zwei Stunden unterwegs als sich der Unfall ereignet ...

 

 

2. Der Unfall

 

Der Unfall fand mehr oder weniger wie vorgesehen statt, weshalb ich nicht gro? auf Details eingehen will. Bemerkenswert war für die gesamte Runde (mich eingeschlossen) vor allem die Wirkmächtigkeit der akustischen Kulisse, die hier erstmals ihr Potenzial voll entfaltete. Vom fast unhörbaren Cool Jazz im Autoradio habe ich zu einem lauten, drängenden "Resident-Evil"-Sound gewechselt, der alle in Panik versetzte. Das Auto schleuderte den Mann im Morgenrock weg und kam halb auf einer jungen Fichte am Abhang zum Stehen, wo es gefährlich wankte. Ich hatte hier nach einer kurzen Verschnaufpause eine steile Abfahrt vorgesehen und dann erst den Frontalaufprall, wie er im Szenariotext geschildert wird. Dummerweise gelang es der Fahrerin, selbst unter diesen widrigen Umständen mit dem Wagen zurückzusetzen. Damit blieb der Gruppe ein weiterer Schock erspart.

Nach dem Unfall verlief weiterhin alles planmä?ig. Ich bin lediglich insofern von der Vorlage abgewichen, als ich Thomas Hawthorne, der Empfehlung Neshorateps folgend, kurz aus seiner Ohnmacht habe aufwachen, "Jack! ... Hilfe! ... Jack!" stöhnen und wieder wegtreten lassen.

 

Anmerkung zur Soundregie: Jack hatte ich ein eigenes musikalisches Motiv zugeteilt: "LucyÆs Party" aus dem "Dracula"-Sountrack. Ich spielte es bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal an; später dann bei der Lektüre der Aufzeichnungen Hawthornes und bei der Entdeckung des toten Jack. Es ergab jedesmal einen eindrucksvollen Kontrast zu der jeweils vorher und nachher gespielten Musik und folglich auch zu der entsprechenden Stimmung.

Das Privileg, ein eigenes Thema zugewiesen zu bekommen, hatte neben Jack noch der Medizinmann: "Mina/Dracula", ebenfalls aus ... Ihr wisst schon. Beim Okanda-Hepa setzte ich weniger auf den Wiedererkennungswert einer Melodie als auf den Intensitätsgrad der jeweiligen Situation, in der er auftrat, so dass ich die Musik hier von Fall zu Fall variierte.

Ich werde im Folgenden nicht weiter auf einzelne Musikstücke eingehen. Ich denke, das Prinzip dürfte klar geworden sein.

 

 

 

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3. Die Erkundung des Hauses

 

Beim Blockhaus angekommen teilte die Gruppe sich auf. Picard und Prügel untersuchten das Haus, während Fischer und Tessin zunächst mit dem verletzten Hawthorne drau?en warteten. Das Fehlen von Tiergeräuschen wurde registriert, der Ford der Hawthornes allerdings keiner Inspektion unterzogen. Die zunächst oberflächliche Hauserkundung der beiden Gruppenältesten (ohne genauere Beachtung irgendwelcher Bücher oder Aufzeichnungen) erfolgte über Diele, Wohnzimmer, Küche (mit den drei toten Kaninchen in der Vorratskammer) und Flur, wo die Blutspur auffiel. Diesem Geheimnis nun wollte man gemeinsam nachgehen, weshalb die drau?en Gebliebenen nun hereingeholt wurden. Hawthorne legten sie im Wohnzimmer auf den Boden und für den Rest des Abends kümmerte die Gruppe sich nahezu gar nicht mehr um ihn û ich kann es niemandem verübeln. Man bermerkte nun die Aufzeichnungen auf dem Wohnzimmertisch; es folgte eine Lagebesprechung. Es war allen klar, dass sich hier eine Familientragödie ereignet hatte und wohl noch mit schlimmen Entdeckungen zu rechnen sei. Gleichfalls herrschte Einigkeit darüber, dass die Nacht wohl am besten hier zugebracht würde. Folglich beschloss die Gruppe, den Rest des Hauses zu erkunden.

 

Anmerkung: Die Fotos aus dem SL-Handbuch habe ich in den meisten Fällen kopiert, ausgeschnitten und bei der Beschreibung der jeweiligen Írtlichkeit ausgeteilt.

 

Begonnen wurde bei der Blutspur zwischen Flur und Küche. Picard hatte die Courage, voranzugehen, die anderen blieben dicht hinter ihm. Picard hatte die Hand auf der Türklinke zu Jacks Schlafzimmer, als ich wieder einmal Diebstahl geistigen Eigentums betrieb und Picards Hand eine Schleimschicht auf der Klinke fühlen lie? (die erste Halluzination û danke, Neshoratep!) Schnell war der Spuk allerdings verschwunden.

Die sich anschlie?ende Beschreibung des Bettes mit dem toten Jack darin habe ich modifiziert. Bei mir lag Jack auf dem Rücken, die Decke bis unter das Kinn gezogen und schien zu schlafen. Dr. Tessin wagte sich als erste nahe genug heran, um Flecken auf dem Kopfkissen und der Bettdecke zu bemerken. Aber erst als sie die Decke zurückschlug, wurde ihr das volle Ausma? des Grauens bewusst und der entsprechende Stabilitätsverlust zuteil.

Als nächstes standen das Badezimmer und das zweite Schlafzimmer auf dem Programm. Das Badezimmer nahm sich Bernd Prügel vor. Er war schon fast wieder aus der Tür, als er den Okanda-Hepa im Spiegel sah, lauernd, direkt hinter ihm. Zweifellos eines der dramaturgischen Glanzlichter des Abends und meiner Meinung nach in Bezug auf den Gruselfaktor selbst dann kaum zu toppen, wenn Cthulhu noch persönlich erschienen wäre.

Die Durchsuchung des elterlichen Schlafzimmers verlief ohne besondere Zwischenfälle. ?ber die gefundenen Patronen für die Gewehre im Wohnzimmer waren insbesondere die beiden reiferen Herren mehr als glücklich. Ich reduzierte allerdings die Menge auf 10 Schuss pro Waffe.

Jetzt lie? ich die Standuhr im Wohnzimmer Zwölf schlagen (per Soundeffekt, laut, unüberhörbar laut ...) Die Charaktere hatten sie vorher noch gar nicht bemerkt, mea culpa, ich hatte vergessen, sie bei der ersten Salonbeschreibung zu erwähnen.

 

Ich wei? nicht mehr genau, in welcher Reihenfolge nun Keller, Diele und Dachboden inspiziert wurden, obwohl der Spielabend erst drei Tage zurückliegt. Alle drei Räume wurden jedenfalls früher oder später in Angriff genommen und erbrachten die gewünschten Hinweise bzw. gefürchteten Leichen (Linda Hawthorne).

 

Zwei weitere Halluzinationen lie? ich einflie?en. Bei der Auffindung und Lektüre des Anwaltbriefes in der Diele durch Bernd Prügel lie? ich Blut von der Decke aufÆs Papier tropen und bei der erstmaligen Erkundung des Dachbodens lie? ich auf dem Nacken desselben Charakters ein Hämatom entstehen, das sich zusehends ausbeulte und wucherte, bis es schlie?lich aufplatzte und dicke, fette Schaben herauskrochen. Irgendwann zwischendurch schlug die Standuhr Dreizehn und zeigte 3:33 Uhr an (danke, Neshoratep!) ?berzeugt, dass das Haus verflucht sei, rannte die gesamte Gruppe wiederholt ins Freie, wo sie sich irrtümlicherweise in Sicherheit wiegte.

 

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4. Fluchtversuch und die letzten Hinweise

 

Die Gruppe agierte zusehends nervös und panisch. Valentin Fischer, dessen geistige Gesundheit (auch aus Vorabenteuern) am stärksten in Mitleidenschaft gezogen worden war, bestand auf einem Fluchtversuch. Zusammen mit Picard machte er sich auf den Weg Richtung Unfallstelle û die beiden wollten die Reifen von Tessins Auto auf den Ford der Hawthornes aufziehen. Natürlich kamen sie nicht weit.

Derweil besann sich Tessin auf das Buchregal im Wohnzimmer, das noch niemand inspiziert hatte. Zusammen mit Prügel holte sie das Versäumnis nach und fand die "Thaumaturgical Prodigies", nicht ohne zuvor den Okanda-Hepa im reflektierenden Fenster hinter einem der Sessel kauern gesehen zu haben. Bernd Prügel sah ihn auch und hechtete ergrimmt hinter das Möbelstück, nur um sich ein paar Schürfwunden an den Unterarmen zuzuziehen.

Alle sammelten sich wieder vor dem Haus, lasen die von mir reichlich mit Extrahinweisen gespickten "Prodigies" und beratschlagten. Erneut schlug die Standuhr, diesmal unaufhörlich und lauter werdend, bis die Wohnzimmerscheiben zersprangen. Picard stürzte hinein und zerschlug die Uhr, noch bevor ich mit der eigentlich geplanten Alterrungsszene anheben konnte. Schade, aber nicht weiter tragisch, der Horror sa? allen ohnehin in den Gliedern.

Ich musste nun per Ideenwurf mitteilen, dass der Dachboden noch nicht gründlich durchsucht worden war û der Effekt mit dem Nackenhämatom hatte nämlich zu einem vorschnellen Abbruch der ersten Durchsuchung geführt. Nach Abschluss des Szenearios machte mich ein Spieler darauf aufmerksam, dass ich die dort befindliche Truhe ja genausogut hätte im Keller platzieren und dadurch auf diesen Wink mit dem ganzen Zaun hätte verzichten können. Das ist wohl wahr, denn eine zweite, gründliche Durchsuchung des Kellers hatten die Charaktere ohnehin noch vor. Sie waren sogar regelrecht erpicht darauf, noch einmal den Keller zu betreten, überzeugt, nur dort fände sich des Rätsels Lösung (das Artefakt, von dem in den "Thaumaturgical Prodigies" die Rede war). Mangelnde Flexibilität meinerseits. Jedenfalls wurden nun das Jagdbuch und die Flöte gefunden, woraufhin sich alle wieder zu Lektürezwecken ins Freie begaben.

Ich bin nicht mehr sicher, ob ich zu diesem Zeitpunkt oder bereits früher einen Treibsand-Effekt einbaute, um den Charakteren klarzumachen, dass sie vor dem Haus nicht sicherer sind als drinnen. Dies war übrigens der einzige Gruselschock, den ich mir komplett spontan, während des Abends ausgedacht habe. Es ist erstaunlich ... wenn es gut läuft, kommt auch die Phantasie des Spielleiters zunehmend in Fahrt. Drei der Charaktere konnten sich jedenfalls retten, während es Bernd Prügel in die Tiefen hinabzog bis er erstickte. Der Spieler glaubte tatsächlich, dass es für seinen Charakter nun vorbei wäre, bis sich herausstellte, dass es wiederum nur eine Halluzination gewesen war.

 

Anmerkung: Den Spielern war natürlich schon recht früh im Spiel klar, dass viele der Schocks nur Einbildung waren. Trotzdem gab es ja auch "reale" Vorkommnisse offenkundig übernatürlichen Ursprungs, das befremdliche Verhalten der Uhr im Salon beispielsweise. Dies führte dazu, dass auch jede Halluzination zunächst ernstgenommen wurde û schlau konzipiert. Chapeau, Frank. Lehrreich war die Episode mit dem Treibsand für mich vor allem wegen des "abtretenden" Charakters. Der Spieler war sichtlich enttäuscht und glaubte, er würde nun den Rest als passiver Zuschauer mitverfolgen müssen. Er sagte kein Wort diesbezüglich, aber seine Mimik sprach Bände. Ich habe noch nie einen Charakter sterben lassen, und nach dieser Erfahrung werde ich es auch allenfalls bei notorischer Leichtsinnigkeit oder aber einem heroischen Endkampf jemals zulassen.

 

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5. Showdown

 

Mit dem Jagdbuch hielt die Gruppe nun das letzte Puzzleteil in Händen. Die Lektüre würde sich hinziehen, trotz meiner Kürzungen. Ich nutzte die Zeit, um eine Notiz für Valentin Fischer zu verfassen û er hatte das niedrigste Mana und war ohnehin dem Wahnsinn nahe, was er auch spielerisch schon begonnen hatte, umzusetzen.

 

Bevor die Lektüre der Aufzeichnungen des alten Fuller abgeschlossen war, unterbrach ich die Sitzung für ca. zehn Minuten. Ich verkündete, dass ich die Spieler kurz einzeln in der Küche sprechen wolle. Alle erschienen brav, mit dreien betrieb ich kurz Smalltalk und schickte sie dann wieder fort. Dem Spieler Valentin Fischers überreichte ich meine Notiz, zu deren Lektüre er sich ins Bad verfügte. Die Notiz besagte, dass er fortan nicht mehr er selbst sei, sich unauffällig zu bewaffnen anstrebe und das Blut seiner Kameraden auf dem Kellerboden zu vergie?en beabsichtige, notfalls über seine Leiche und ohne zu reden. Der Okanda-Hepa hatte nun zum äu?ersten Mittel gegriffen, der Kontrolle über einen der Charaktere. Zuvor jedoch hatte er die Leichen der Familie Hawthorne im Keller versammelt, hinter der Treppe, wovon jedoch kein Charakter etwas mitbekommen hat û wie denn auch, bei ständigem Aufenthalt vor dem Haus!

 

Nach Wiederaufnahme des Spiels wurde die Lektüre des Jagdbuches abgeschlossen und der Plan geschmiedet, im Keller die Reste des Medizinmannes zu vereinen sowie die Flöte zu spielen. Noch während der Beratungen nahm Valentin Fischer die Schrotflinte an sich, um sich zitternd daran zu klammern. Die anderen nahmen keine weitere Notiz davon, hielten ihn ohnehin nur noch für ein nervliches Wrack, mit dem nicht mehr zu rechnen ist. Dann ging die Gruppe geschlossen in den Keller, Valentin irgendwo in der Mitte.

 

Der erste Schock û die verschwundene Leiche Linda Hawthornes û sa? tief, änderte aber nichts am Vorhaben der Gruppe. Das Skelett des Medizinmannes wurde ausgegraben und komplettiert, allerdings nicht erneut bestattet. Dennoch erschien der Medizinmann. Die gegebenen Anweisungen, wie die Flöte zu spielen sei, konnten sich nur Tessin und Prügel merken (ich glaube, ich habe dazu auf INx5 würfeln lassen). Tessin hob zu spielen an, als ich dem Spieler Valentins per Kopfnicken zu verstehen gab, dass die Gelegenheit günstiger nicht werden würde. Ohnehin hatte er gerade vor, zu handeln. Aus nächster Nähe jagte er Tessin eine Schrotladung in den Körper, die sie fast in einen phsyischen Schock katapultiert hätte. Dass sie nicht auf der Stelle tot war, verdankt sie meiner Abmilderung des Waffenschadens. Ich hatte die 12er Doppelflinte vor dem Spiel auf 2W6 festgesetzt. Realismus hin oder her, 4W6 wären einfach zu krass gewesen in dieser Situation.

 

Anmerkung: Ohnehin hatte ich mit der Waffentabelle und den Kampfregeln û als nur ganz gelegentlicher Gelegenheitsspieler û meine argen Schwierigkeiten. Das fing schonmal damit an, dass das Szenario Waffen erwähnt, die in der Tabelle (Spieler-Handbuch 2. Edition, 2007, S. 228ff.) gar nicht auftauchen: den "Smith & Wesson M1917 Armeerevolver Kaliber .45" und das "Winchester Model 54 Gewehr vom Kaliber .30-06" (SL-Handbuch S. 445). Das geht dann weiter über den Eintrag "Angriffe" für Feuerwaffen auf dem Charakterblatt, dem in der Tabelle jedoch die "Feuerrate" zu entsprechen scheint, was für Noobs weniger selbstverständlich ist, als man vielleicht in der Redaktion denkt. Usw ... ich wünsche mir hier stark vereinfachte Regeln, keine Kernschussweiten, kein Zielen, kein einzelnes Abfeuern von Doppelläufen, keinen Parieren-Ausweichen-Mischmasch etc. Zumindest optionale Regeln, die zur Abwechslung keine zusätzliche Komplikation, sondern eine Vereinfachung bringen, wären super, falls Chaosium das Schlachten heiliger Kühe nicht gestattet.

 

Die Situation war jedenfalls herrlich. Die Spieler hatten mittlerweile komplett vergessen, dass ich einen von ihnen separat instruiert hatte. Dass die Gefahr diesmal nicht von mir als Spielleiter herrührte, sondern von einem der ihren ausging, machte ihnen arg zu schaffen. Natürlich überwältigten sie Valentin relativ schnell û in dem Moment verlie? ihn auch der Okanda-Hepa û aber der übernervöse und aufgebrachte Prügel schlug dennoch weiter auf ihn ein, seinem Namen alle Ehre machend. Ich lie? der Gruppe nun nicht viel Zeit, sich zu besinnen. Hinter der Treppe trat die Familie Hawthorne in schönster Eintracht hervor, mit Messern und Knüppeln bewaffet. Die verletzte Tessin rappelte sich auf und fing wieder an, Flöte zu spielen, während die anderen drei jeweils einen der Hawthornes in den Kampf verwickelten. Es folgte eine umständliche Würfelorgie (Handkuss an die Kampfregeln), die nur deshalb nicht ausuferte, weil die Charaktere die Zombies weit schneller erledigten, als das Regelwerk dies vorsieht. Ich habe nämlich erst heute, beim nochmaligen Blättern im Handbuch, festgestellt, dass Waffen, die kritischen Schaden machen, bei Zombies nur Minimalschaden anrichten. Einleuchtend, zweifellos. Dennoch bin ich froh, dass ich diese Regel im entscheidenden Moment nicht kannte. Sie hätte den Ausgang des Kampfes nicht verändert, ihn stattdessen nur in die Länge gezogen. Jetzt bin ich allerdings am ?berlegen, wie ich das beim "Blues für Marnie" regle, den ich auch gerne noch leiten würde ...

 

Nach Erledigung der Hawthornes die umstrittene "Zahnszene". Ich teilte die Bedenken Neshorateps durchaus, hatte aber beschlossen, es darauf ankommen zu lassen. Ich war neugierig, was die Spieler tolerieren würden und was nicht. Boujard spielte brav weiter Flöte, bis ihre Zähne laut krachend zerbarsten und sie vor nie gekannten Schmerzen gekrümmt am Boden lag. Die Spielerin war in der Tat geschockt, hatte aber trotz des beginnenden Vibrierens ihrer Zähne weitergespielt und wohl auf eine weitere Illusion gehofft. Unzumutbar fand sie den Effekt jedoch nicht, wie sie mir auch im Nachhinein noch einmal versicherte. Prügel riss die Flöte an sich und vollendete das Lied, mit den im Szenariotext vorgesehenen Folgen. Der Okanda-Hepa manifestierte und verflüchtigte sich; der Geist des Medizinmannes bekundete seinen Respekt, wies auf die Steine im Fundament und tat es alsbald dem Okanda-Hepa nach.

 

Und Bernd Prügel flötete weiter. Dabei benutzte der Spieler die Formulierung "Ich mache weiter", was ich erst nach dem dritten Hören auf das Flötenspiel bezog. Ich dachte erst, er meint das Cthulhu-Spielen an diesem Abend, weil es noch nicht so spät war, oder das Cthulhu-Spielen im Allgemeinen ... jedenfalls war er anscheinend derma?en terrorisiert, dass er dem Frieden nicht traute und wahrscheinlich noch heute Flöte spielen würde, wenn ich ihm nicht versichert hätte, dass allen Anwesenden die Bannung der Gefahr bewusst geworden war. Nichtsdestotrotz beschlossen Prügel und Picard, das unselige Haus sofort den Flammen zu überantworten, mitsamt der nun schon zweimal verstorbenen Familie Hawthorne und sämtlichen Hinweisen. Fischer war während der Bannzeremonie in ein langfristiges Trauma abgeglitten und folglich nicht ansprechbar, Tessin ebensowenig, da sie sich am Rande einer Ohnmacht befand. Beide erhoben demgemä? keinen Einspruch.

Mit dem anbrechenden Morgen war der Ford T der Hawthornes flottgemacht und die Charaktere verschwanden Richtung Bangor.

 

 

FAZIT

 

Habe ich schon erwähnt, dass ich das Szenario für eines der besten halte, das ich je lesen und/oder spielen durfte? Wo ich nachgeschlimmbessert habe, habe ich das nicht mit Groll getan; vielmehr in dem Bewusstsein, dass die Bedürfnisse meiner Spielrunde nicht unbedingt denen der Allgemeinheit entsprechen mögen. Das betrifft auch die meiner Ansicht nach teilweise zu knappen (nämlich ganz und gar fehlenden), teilweise zu ausführlichen Handouts.

 

Auf dem Programm stehen demnächst noch "Am Rande der Finsternis" (die Verbindung zu Merriweather ist ja bereits hergestellt û er wurde übrigens während der Nacht, in der die Gruppe sich mit dem Okanda-Hepa herumschlug, in das Universitätsklinikum Arkham transportiert) und "Blues für Marnie". Ob danach noch Energie für weitere Abenteuer vorhanden ist, oder ob erst in schätzungsweise zwei Jahren die Sterne wieder richtig stehen, vermag ich jetzt noch nicht abzusehen.

 

 

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Anhang

 

Falls es jemanden interessiert: Hier noch der von mir erstellte Auszug aus den "Thaumaturgical Prodigies", der für Cthulhu-Spieler, die dieses Hobby noch nicht perfektioniert haben, sicherlich hilfreich ist.

 

 

 

Mythen der Alkondeh

 

Einige besonders haarsträubende Geschichten ranken sich um den Stamm der Alkondeh-Indianer. Die Alkondeh waren eine kleine Splittergruppe der Abnaki, die tief zurückgezogen und von anderen Rothautvölkern gemieden in den bergigen Waldgebieten des nördlichen Maine hauste. Einer Legende zufolge erhob sich im Herzen ihres Stammesgebietes majestätisch ein Berg, den ein uralter und unfassbar böser Geist zu seiner Heimstatt erkoren hatte. Man nannte ihn "Okanda-Hepa" oder auch "Geist des letzten Sommers". Unsagbare Pein habe er viele Jahrhunderte lang über die Alkondeh gebracht, bis es einem ihrer Medizinmänner nach jahrelanger Wanderung und Suche gelungen sei, ein magisches Artefakt aufzufinden, vermittels dessen der Okanda-Hepa (zweifellos unter Zuhilfenhame eines dieser gotteslästerlichen Rothautrituale) in das Innere des Berges gebannt werden konnte. Die ?berlieferungen sind an dieser Stelle uneins, ob es sich bei diesem Artefakt um eine Trommel oder eine Flöte gehandelt habe û wenn die Indianer wie die okzidentale Christenheit eine brauchbare Schriftkultur entwickelt hätten, wüssten wir heute Genaueres mitzuteilen. Noch über seinen Tod hinaus bewachte besagter Medizinmann fortan das Gefängnis des Okanda-Hepa, indem er verfügte, dass seine sterblichen ?berreste, zusammen mit dem Artefakt, in dem unheilvollen Berg bestattet wurden.

Es erübrigt sich, anzumerken, dass diese û wie die meisten indianischen Legenden û nur von e i n e r Wahrheit kündet: dass die Erkenntnis Gottes des Allmächtigen den unseligen Ureinwohnern unseres gelobten Amerika versagt geblieben ist.

 

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Ich freue mich, dass mein Spielbericht dir von Nutzen war! So wie ich es aus deinem sehr interessanten Bericht herauslese, hattet ihr mit diesem Abenteuer ebensoviel Spa? wie ich mit meiner Gruppe. ;)

Danke für das Handout von ThPr, ich werde es mir fürs nächste Mal als Vorlage nehmen! Die Idee mit den kopierten Fotos gefällt mir auch; das muss ich bald mal ausprobieren.

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  • 1 year later...

Danke auch von mir für die Spielberichte, die mir viel bei der Vorbereitung geholfen haben. Im Wesentlichen habe ich mich nach den Empfehlungen gerichtet und bin gut damit gefahren. War ein sehr unterhaltsamer Abend, wenn ich auch zugeben muss, dass sich keiner wirklich gegruselt hat, aber dafür ist meine Gruppe wohl schlicht zu dickfellig. Dennoch war es sehr gutes Entertainment.

 

Eine Anmerkung: Ich habe die Charaktere so erschaffen, dass es sich um einen Gefangenentransport handelte, der da verunglückt ist. Das gab nochmal einen zusätzlichen Ankerpunkt für das inter-character-play. Lassen wir den Gefangenen in Handschellen, bewaffnen wir ihn etc. pp., das waren dann so Fragen, die sich stellten. Ich habe übrigens ebenfalls die Zahl der Schusswaffen u. Munition stark gekürzt, damit sich die Leute nicht zu sicher fühlten.

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