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Geheimbund als verbindendes Spielelement


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Liebe Cthulhu-Gemeinde,

 

Nach nun mittlerweile fast 10 Jahren Cthulhu-Rollenspiels kam mir plötzlich eine Idee, wie man den berüchtigten Tradeoff zwischen Spieler- und Charakterwissen ein bisschen in den Griff bekommen könnte.

 

Zur Vorgeschichte: Wir haben in unserer Spielrunde schon relativ viele Abenteuer gespielt, ich habe den Spielern aber nie die Klassifizierung der einzelnen Wesenheiten im Cthulhu-Mythos zugänglich gemacht und meist nicht einmal den Namen der Wesen genannt. Aufgrund dieses Umstandes passiert es oft, dass die Spieler neu ins Spiel gebrachte Wesen irgendwie eigenartig finden (auch nach 10 Jahren wissen sie im Prinzip nicht, ob es in Cthulhu um Aliens, Dämonen, Monster oder was auch immer geht).

 

Deshalb kam mir die Idee, die Spieler den Cthulhu-Mythos in-game entdecken zu lassen.

 

Methode: Der Geheimbund

 

Die Spieler erhalten einen Spielercharakter und bestreiten mit diesen nach einer gegenseitigen Vorstellung das erste Abenteuer. Nach dem Abenteuer setzen nun diese Regeln ein:

 

Die Spielercharaktere beschlie?en eine Geheimgesellschaft zu gründen. Geheimgesellschaften und esoterische Zirkel waren in den 1920er Jahren stark in Mode und sind daher ein ideales Gefüge um zwischen den Abenteuern in einer "nicht Kampagnen Situation" Verbindung zu schaffen.

Die Spieler können frei einen Namen für den Geheimbund wählen. Ideen gibt es dafür in den Cthulhu-Publikationen oder auf einschlägigen Internetseiten.

 

Der Geheimbund im Spiel

Im Spiel wird der Geheimbund als Zirkel dienen, der es leichter macht den übernatürlichen Teil des Cthulhu-Rollenspiels zu integrieren - denn wer in einem Geheimbund ist und nach ?bernatürlichem forscht wird auch mit höherer Wahrscheinlichkeit darauf sto?en als ein unbeteiligter Dritter.

 

Folgende Elemente beinhaltet der Geheimbund:

  • Eingeweihte (Charakterpool)
  • Kulthallen (geheimer Treffpunkt, kann von Kneipe bis zum Clubhaus eines Herrenclubs reichen)
  • Enzyklopädie (geheimes Wissen, das der Geheimbund angesammelt hat).

 

Nach jedem Abenteuer bekommt der SPIELER nun Erfahrungspunkte, die er ausgeben kann um den Geheimbund zu steigern (Spielercharaktere werden nach wie vor über Häkchen gesteigert!).

 

Folgende Eingriffe sind also vorerst möglich:

  • Eingeweihte rekrutieren: im Spiel kennen gelernte NSCs in den Geheimbund rekrutieren und so den Charakterpool erweitern. Das ist wichtig, falls einer der SCs ableben sollte. Alle einmal rekrutierten Personen können dann gespielt werden. Jeder NSC hat eine sog. Rekrutierungsschwelle, welche die Spieler zusätzlich zum XP-Aufwand auch mit einem Würfelwurf überwinden müssen.
  • Kulthallen: Anfangs besitzt der Geheimbund keinen fixen Treffpunkt, mit geringem Aufwand kann jedoch bereits ein wenig Gemütlichkeit geschaffen werden. Jede Verbesserung der Kulthallen bringt positive Effekte mit sich, kann aber auch zusätzliche Kosten verursachen.
  • Enzyklopädie: Um das Rollenspiel flüssiger und "realistischer" zu gestalten, gibt es ein Buch mit dem gesammelten Wissen des Geheimbundes. Dieses Wissen ist allen Eingeweihten bekannt und kann auch in zukünftigen Abenteuern jederzeit benutzt werden, selbst wenn eigentlich keine direkte Verbindung zwischen den SCs mehr besteht. Dieses Buch ist sozusagen ein Sammelbehälter für Handouts und Spielberichte. Au?erdem können die Spieler Informationen mit ihren Erfahrungspunkte kaufen, je nachdem, was in den vorigen Abenteuern "freigeschalten" wurde. Die relevanten Texte werden dann z.B. aus dem SL-Handbuch oder der Abenteuerbeschreibung kopiert und in das Buch eingefügt.

 

Steigerungen

Jeder Spieler hat ein eigenes Erfahrungspunktekonto, die Punkte werden aber je nach Abmachung gemeinsam ausgegeben um den Geheimbund zu verbessern.

 

Hier einige Beispiele:

 

Kulthallen:

  • Treff im Büro (gibt: Telefonanschluss)
  • Stammkneipe (gibt: Sichere ?bergabe, Macht der Gewohnheit)
  • Hobbyraum (gibt: Macht der Gewohnheit, Notunterkunft, Safe oder Erste-Hilfe Ausrüstung)

Raumboni der Kulthallen:

  • Telefonanschluss: Ein Anschluss ans städtische Telefonnetz.
  • Macht der Gewohnheit: +1 STA / Besuch
    sichere ?bergabe: Der Stammwirt übernimmt paketgro?e Gegenstände und verwahrt sie oder übergibt sie an andere Eingeweihte.
  • Notunterkunft: Falls jemand kein Dach über dem Kopf hat kann in dieser Kulthalle geschlafen werden.
  • Safe: Sicherer Aufbewahrungsort für Dokumente und ähnliche Gegenstände
  • Erste-Hilfe-Ausrüstung: Fortgeschrittene EH-Materialien. Probe auf EH erschwert um 15%, Effekt aber +1W6 TP.

Diese Regeln sind das Produkt kurzer ?berlegungen und wirklich nicht besonders ausgereift, aber mir gefällt die Idee, da die SCs weiterhin sehr verletzlich sind, die Organisation aber um einiges mehr aushält.

 

Würde mich sehr über Feedback freuen, vielleicht hat jemand schon mal etwas ?hnliches ausprobiert...?

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Im Prinzip klingt die Idee sehr gut. Besonders der so entstehende Pool an Eingeweihten, der "Grund" für eine Zusammenarbeit und die Spieler-XP finde ich echt klasse. Du schaffst Dir damit quasi dein eigenes Delta Green, ohne die Finanzen und den Rückhalt...

 

Leider kommt bei sowas natürlich auch immer ein ABER. Und das betrifft in diesem Fall genau das Problem, das Du mit dieser Meta-Ebene zu adressieren versuchst - Spieler- vs- Charakter-Wissen.

Dadurch, dass das gesamte Wissen in einem Buch (später natürlich in einer Bibliothek) gesammelt wird, haben (wie Du es ja intendierst) alle Charaktere, die die Spieler spielen, Zugriff auf das bisher gesammelte Wissen. Würde hei?en:

Handout-Information, Erfahrungswerte mit seltsamen Wesenheiten, und auch grob der Inhalt gelesener Mythos-Werke.

Im Prinzip erschaffst Du damit einen Cthulhu-Mythos-Pool, auf den jeder Charakter, den ein Spieler spielt, uneingeschränkt zugreifen kann.

 

Dabei entsteht aber auch ein Problem - die Charaktere erfahren die Inhalte, bleiben aber von den damit verbundenen Konsequenzen verschont. Du erschaffst quasi eine neue Cthulhu-Mythos-Fertigkeit, die sich nicht auf die Stabilität der Charaktere auswirkt. Die Balance zwischen beiden Aspekten würde dadurch ausgehebelt werden. Und das ist etwas, was in verschiedener Hinsicht zu Komplikationen führen kann:

 

1. Die Charaktere werden im Laufe der Zeit immer tougher, immer erfahrener, und können mit Mythos-bezogenen Problemen immer besser, und auch zielorientierter, umgehen. Das ist bei Ermittlern ja normal, wenn sie so lange überleben - allerdings frisst das dann an ihrer Stabilität, und irgendwann haben sie zuviel gesehen und sind raus. Bei Dir aber wäre dieses Wissen dann (nach zehn Jahren Spielzeit und den ersten fünfzehn Ermittlern) dann auch einem kompletten Newbie (der dritte Buchhalter von links) zugängig. Das heisst zwar immer noch, dass er für Begegnungen mit dem Mythos Stabi-Abzüge bekommt, oder für Bücher, die er dann liest. Mit dem Wissen, das er hat, sollte er aber schon gibbernd in der Ecke liegen...

 

2. Die Spieler verlassen sich eventuell zu sehr auf gesammeltes Wissen. Das Problem hierbei ist, dass der Mythos nie verlässlich sein sollte, und Dinge nie so laufen sollten, dass man von den bisherigen Erfahrungswerten Rückschlüsse ziehen kann. Wenn aber Spieler X erfahren hat, dass Mi-Go rot und fliegend sind, au?erdem Honig lieben und Dienstags die Sportschau um 19:00 Uhr gucken, dann wird das auch jeder weitere Charakter des Spielers wissen. Das heisst nun nicht, dass diese Information verlässlich sein muss - natürlich können im nächsten Abenteuer alle Mi-Go nach Lavendel duften, Motorrad fahren und ein Faible für Manolo Blahniks haben. Das Problem hierbei ist aber, dass Du explizit für die SPIELER eine Konstante schaffst - nämlich die des gesammelten Wissens. Und die SPieler könnten sich aufs Glatteis geführt fühlen, wenn sie feststellen müssen, dass das Wissen, was sie haben, so gar nix wert ist. Und dann ist eben auch das Wissens-Sammeln wieder ad absurdum geführt, da es keinerlei tragenden Nutzen besitzt...

 

3. Unsicherheit, Paranoia und, damit einhergehend, Grusel könnten verloren gehen. Denn durch das Anhäufen des kollektiven Wissens bekommen die Spieler, und durch sie, die Charaktere, einen Leitfaden an die Hand. Wenn etwas nun nach Lavendel riecht, werden sie womöglich beim Geräusch eines Motorrades das Weite suchen. Oder eben das Insekten-Spray und die Raubtierfalle mit eingebauten Stilettos einpacken und auf Ungezieferjagd gehen. Auf die Dauer kann sich dadurch das Grusel-Rollenspiel-Erlebnis in zwei Richtungen verändern. Entweder wird es zu einer Art Supernatural Adventure RPG, bei dem die Kreaturen zwar grauenhaft und nicht zu besiegen, aber wenigstens zu klassifizieren sind (und man sich auf Katastrophen-Szenarios vorbereiten kann). Oder das Gesamtziel des RPGs wird das Anhäufen von Wissen für nachkommende Generationen, ungeachtet der Gefahren für den Charakter - wodurch Risiko und ?berlebenstrieb stark gegen Null tendieren. Naja, macht ja nix, wenn der Charakter stirbt - der nächste schöpft ja erfahrungstechnisch aus dem Vollen...

 

Ich will Deine Idee überhaupt nicht total miesreden, möchte aber die Punkte zu bedenken geben, die meines Erachtens dabei schiefgehen könnten, und womöglich sogar werden.

Bei Delta Green funktioniert dieses gesammelte Wissen in Zelle A auch nur deshalb, weil selbst Zelle A in vielerlei Hinsicht trotzdem nur im Trüben stochert und keine Ahnung hat. Oder sich überlegt, wieviel Information man jetzt an die Agenten weitergeben muss - need to know und so - ohne alles zu gefährden. Und man weiss auch nie, wie verlässlich Information ist. Schlie?lich war der Info-Träger ja partiell schon wahnsinnig.

 

Aber gerade im letzten Fall ist das mit Spielern ein Problem. Die wissen nämlich dann, ob der Charakter wahnsinnig war. Und machen sich dementsprechend mental einen Vermerk, dass diese oder jene Info nicht wirklich verlässlich sein könnte...

 

Soweit meine 10 Cent dazu. Ich hoffe, das hilft irgendwie weiter. Auch, wenn die Essenz meines Sermons ja wiedermal eher negativ ausfällt...

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Vielleicht noch eine Möglichkeit, wie man dem Ganzen etwas entgegenwirken kann...

...wenn die Charaktere nicht die Einzigen sind, die Beiträge zum gesammelten Kult-Wissen leisten, sondern es auch noch andere Troubleshooter-Teams da drau?en gibt, die ihre mehr oder minder hilfreichen Beiträge zu dem Buch der Bücher leisten.

 

In diesem Fall wäre dann wieder die Unzuverlässigkeit der Information gegeben, und zumindest Nervenkitzel und Grusel-Faktor könnten zurückkommen. Allerdings adressiert das immer noch nicht die Unbalanciertheit zwischen Mythos-Wissen und Stabilität, und auch das Wissenssammeln wird wieder ad absurdum geführt, da Wissen nicht Wissen sondern eher Mutma?ung ist.

Zudem müssten solche neuen Teams recht schnell losgeschickt werden, und das würde ein exponentielles Wachstum des Kultes bedingen, was aber auch weder sinnvoll bzw. logisch noch im Sinne des Erfinders ist (wenn die NSCs zu Mitgliedern werden sollten, nicht jeder Zeitungsjunge und Tennisspieler)...

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Danke für den Tipp mit dem Geheimgesellschaftsband!

 

Danke auch an dich, Dumon für das ausführliche Feedback. Deine Punkte sind für mich aber nur teilweise relevant, bzw. auch durch weitere Regelungen umgehbar.

 

ad 1: natürlich kann auch mit dem Lesen der Enzyklopädie für Neulinge ein STA Verlust verbunden sein. Persönlich für meine Spielrunde kann ich auch sagen, dass die SCs seltenst (möglicherweise auch noch nie, ich kann mich nicht erinnern) Mythosbücher in die Hand bekommen. Wir benutzen auch die Regeln für Zauber auf Spielerseite nie. Die Regeln für STA-Verluste durch das Studium alter Folianten und das Erlernen neuer Zauber sind daher in unseren Hausregeln nicht enthalten. Dieses Thema wäre natürlich zu behandeln, wenn diese Regeln für Geheimbünde auf alle Spielrunden zugeschnitten sein sollen.

 

ad 2: Diesen Punkt sehe ich teilweise als Problem im Umgang mit Power-Gamern (i.e. Personen, welche auf genaue Auslegung der Regeln Wert legen und keine ?nderungen zugunsten des Spielflusses zulasen) - er betrifft mich persönlich aus dieser Perspektive daher nicht. Das Argument, dass die Monster beim zweiten Mal dann ja anders aussehen könnten und das in Konflikt mit dem ersten Auftreten steht, halte ich für ungültig. An dieser Tatsache ändert sich doch durch das AUFSCHREIBEN von bereits erfolgten Zusammentreffen in vorherigen Abenteuern nichts! Entweder ich stelle Monstergruppen konsistent dar oder nicht, aber ob Informationen diesbezüglich im Gehirn des Spielers oder auf einem Blatt Papier gespeichert sind, ist doch egal... Ich muss auch ganz ehrlich sagen, dass ich nach durchspielen einer Gro?zahl der deutschen Cthulhu-Abenteuer selten zwei mal auf die selben Mythoswesen getroffen bin - da habe ich also wirklich wenig Angst mir Probleme einzuhandeln.

 

ad 3: Du hast Recht, man wird darauf achten müssen, die Bindung der Spieler an ihre Charaktere aufrecht zu erhalten. Dies geschieht aber meiner Meinung nach nicht (nur) durch Risiko und ?berlebenstrieb, sondern vor allem dadurch, wie sehr dem Spieler die Rolle, also die klichÚehafte Ausrichtung des Spielercharakters liegt. Hier muss man also im Charakterpool attraktive Möglichkeiten zum Rollenspiel bieten und die Spieler werden vielleicht sogar zwischen den Abenteuern Charaktere wechseln um mal einen toughen Soldaten und mal einen sensiblen Künstler zu spielen, je nachdem worauf sie gerade Lust haben.

 

ad 4 (dein zweiter Beitrag): Wie gesagt ich stimme dir nicht zu, dass der Grusel durch die Regelung verloren geht (vielleicht hast du Recht, ich werde es trotzdem ausprobieren) und daher werde ich auch die Spieler ihr Buch selbst auffüllen lassen.

 

Ein Faktor bei der ganzen Geschichte ist natürlich, dass wir seit vielen Jahren gemeinsam spielen und es einfach nicht mehr sehr viel Spa? macht, bei jedem Neustart so zu tun, als ob wir alle nicht wüssten, dass übernatürliche Kräfte am Werk sind.

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