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Sucht nach Leben (aus Abenteuer aus der Gruft II)


KAW
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Ich sehe bei dem Abenteuer "Sucht nach Leben" (Abenteuer aus der Gruft II) einige Schwierigkeiten, habe bislang aber nur positive Rezensionen gefunden. Daher wüsste ich gerne, ob es hier SLs gibt, die das Abenteuer bereits geleitet haben? Falls ja, würde mich eure Einschätzung "aus der Praxis" interessieren bzw. wüsste ich auch gerne, ob meine Kritikpunkte bei euch zum Tragen kamen bzw. wie ihr damit umgegangen seid. Ich bin derzeit nämlich etwas unschlüssig, ob ich das Abenteuer für meine Gruppe leiten möchte und wenn ja, was ich daran ändere.

 

Mein Hauptkritikpunkt ist, dass das Abenteuer aus meiner Sicht nur aufgrund einer Vielzahl an Zufällen funktioniert:

* Warum wird bei der Hochzeit ein Theaterstück aufgeführt, das auf einer Geschichte über Yog-Sothoth beruht (bzw. genau jene Geschichte erzählt, die mit der Lösung des Abenteuers zu tun hat), obwohl das Hochzeitspaar mit dem Mythos nichts zu tun hat und das Stück für eine Hochzeit auch reichlich ungewöhnlich ist?

* Wenn Bergmann die Charaktere sieht, flüchtet er "aufgrund einer Kurzschlussreaktion". Diese Reaktion hat mit dem Abenteuer und den Charakteren nichts zu tun, ohne diese Kurzschlussreaktion würde das Abenteuer aber nicht funktionieren, da es nie zu der nötigen Verfolgung käme.

* Praktischerweise wird der Mord an Bergmann von einem mythoskundigen Stadtstreicher beobachtet, der dann über den für die Lösung des Abenteuers nötigen magischen Dolch verfügt (das finde ich zwar besonders unplausibel, dieser Part lässt sich aus meiner Sicht aber  noch am einfachsten ändern, indem man den Stadtstreicher einfach streicht und die Charaktere bei Bergmann Notizen für ein Ritual zur Herstellung eines magischen Dolches finden).

 

Hinzu kommt, dass ich den Eindruck habe, dass die Handlungen der Charaktere für den Ausgang des Abenteuers weitgehend irrelevant sind:

* Es ist für die Lösung des Abenteuers irrelevant, was die Charaktere über die Mordserie herausfinden. Eigentlich wäre es ja naheliegend, dass sie aufgrund der Mordserie irgendwie belastendes Material gegen Tscherpel finden.

* Es ist für die Lösung des Abenteuers irrelevant, was die Charaktere über Claras Verschwinden herausfinden. Eigentlich dient ihre Entführung nur dazu, dass die Charaktere auf Bergmann aufmerksam werden - wenn auch aus Gründen, die mit der Lösung des Abenteuers nichts zu tun haben. Praktischerweise ist Clara nämlich genau in Bergmann verliebt.

* Bei der Verfolgungsjagd steht von Anfang an fest, dass die Charaktere Bergmann nicht rechtzeitig erwischen. Das wäre für mich ok, wenn sich aus den Gegebenheiten ergibt, dass sie nie eine Chance hatten. Genau das ist aber nicht der Fall, sondern die Charaktere sollen Bergmann gerade so auf den Fersen bleiben, dass sie ihn nicht schnappen, aber noch sehen, wie er zu Tode kommt. Die Entscheidungen während der Verfolgungsjagd und die Würfelwürfe sind im Ergebnis also völlig gleichgültig.

 

Und schließlich gefällt mir auch das Ende nicht besonders, da die Charaktere eigentlich nichts gegen Tscherpel in der Hand haben. Der typische Cthulhu-Charakter (Arzt, Uni-Professorin,...) würde daher kaum einfach so bei ihm einbrechen bzw. auf andere Art eindringe. Ich habe den Eindruck, dass hier einfach angenommen wird, dass die Charaktere deshalb einbrechen, weil die SpielerInnen auf einer Meta-Ebene wissen, dass Tscherpel nach Bergmanns Tod der einzige verbleibende wichtige Charakter ist.

 

Das klingt jetzt wahrscheinlich alles sehr negativ. Tatsächlich gibt es einige Punkte an dem Abenteuer, die mir auch sehr gut gefallen, weshalb ich eben dennoch überlege das Abenteuer (allenfalls mit ein paar Anpassungen) zu leiten. Dazu würde ich mich über eure Erfahrungsberichte freuen. Danke schon einmal!

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Hi KAW
 
'Sucht nach Leben' war anno 2020 mein zweites Cthulhu-Szenario, das ich geleitet habe. Von mir erwählt, weil es - wie du erwähnt hast - viele gute Rezensionen dazu gab/gibt und mich der Plot mit dem ewigen Leben & das Theaterstück ansprach.
Ich gehe hier mal deine Kritikpunkte mit meinen Gedanken Schritt für Schritt durch:
 

Mein Hauptkritikpunkt ist, dass das Abenteuer aus meiner Sicht nur aufgrund einer Vielzahl an Zufällen funktioniert:

 
Ja, das stimmt, allerdings kann man dieses Argument auch ad absurdum führen und sich dann fragen, warum sind die SC überhaupt mit gerade diesem Brautpaar bekannt und mit Clara verwandt? Und warum interessiert sich Tscherpel ausgerechnet für solche Magie? Was ich damit zum Ausdruck bringen möchte: Eine Geschichte ist immer von Zufällen bestimmt, wenn man sie von aussen und im Nachhinein anschaut. Zumindest bei meiner Gruppe hat das soweit noch niemanden gestört (auch war es erst unser zweites Szenario...)
Für mich persönlich geht aber stets die Stimmung vor.
 

* Warum wird bei der Hochzeit ein Theaterstück aufgeführt, das auf einer Geschichte über Yog-Sothoth beruht (bzw. genau jene Geschichte erzählt, die mit der Lösung des Abenteuers zu tun hat), obwohl das Hochzeitspaar mit dem Mythos nichts zu tun hat und das Stück für eine Hochzeit auch reichlich ungewöhnlich ist?

 
Weil es den Umstand sehr gut beschreibt, dass der Bräutigam um Jahre älter als die Braut ist und das Stück diese Diskussion anregt. Meine interne Erklärung war, dass der Freund der Braut, der das Stück aufführt, eigentlich mehr als nur Freund sein wollte, allerdings war das für meine Spieler ein uninteressanter Aspekt. Sie fanden die Idee eines Im-Spiel-Theaterstücks allerdings sehr gut und waren mit viel Freude dabei. Später habe sie dann auch gemerkt, dass es sich um Foreshadowing gehandelt hat, aber stören tat sie dies überhaupt nicht. Auch hier: Die Stimmung geht mE vor.
 

* Wenn Bergmann die Charaktere sieht, flüchtet er "aufgrund einer Kurzschlussreaktion". Diese Reaktion hat mit dem Abenteuer und den Charakteren nichts zu tun, ohne diese Kurzschlussreaktion würde das Abenteuer aber nicht funktionieren, da es nie zu der nötigen Verfolgung käme.

 

Persönlich empfand ich die Erklärung (Überreaktion, weil er Tscherpel aus dem Wege gehen möchte) als ausreichend. Ich denke, da er kurz darauf das Zeitige segnete, wurde dieser Szene von den Spielern nicht weiter hinterfragt.

 

* Praktischerweise wird der Mord an Bergmann von einem mythoskundigen Stadtstreicher beobachtet, der dann über den für die Lösung des Abenteuers nötigen magischen Dolch verfügt (das finde ich zwar besonders unplausibel, dieser Part lässt sich aus meiner Sicht aber  noch am einfachsten ändern, indem man den Stadtstreicher einfach streicht und die Charaktere bei Bergmann Notizen für ein Ritual zur Herstellung eines magischen Dolches finden).

 
Stimme ich dir zu. Ich habe dazu mit der Vision in der Kirche und einer eigenen Vision gearbeitet, was den Zusammenhang besser begründete. Einer der SC ist ein Medium (hat gelegentlich Visionen), mit der Mission das Gute zu verbreiten und das Schlechte zu vertreiben. Er 'kannte' den Stadtstreicher bereits aus zwei Visionen und so schloss sich dieser Kreis für ihn und er verstand seine Bestimmung besser. Auch hier finde ich den 'Zufall' nicht so schlimm, besonders weil es beim Stadtstreicher noch mehr zu finden gab (Älteres Zeichen, das noch niemand der SCs kannte und auch seine Wirrwarr-Aussagen, die teils Informationen lieferten (und sei es nur Hintergrund) und auch seinen Wahnsinn unterstrich).
 

Hinzu kommt, dass ich den Eindruck habe, dass die Handlungen der Charaktere für den Ausgang des Abenteuers weitgehend irrelevant sind:

 

Da stimme ich dir, mal abgesehen von der insgesamt benötigten Zeit der SC, voll und ganz zu.
 

* Es ist für die Lösung des Abenteuers irrelevant, was die Charaktere über die Mordserie herausfinden. Eigentlich wäre es ja naheliegend, dass sie aufgrund der Mordserie irgendwie belastendes Material gegen Tscherpel finden.

 

Mit diesem Punkt hatte ich am meisten Mühe bzw. dies habe ich vor dem Spiel nicht durchdacht, da meine Spieler hier sehr durchdacht und methodisch vorgegangen sind und ich zu spät reagiert habe. Ich meine, es waren zwei Stunden wo nur Sackgassen abgegrast wurden. Bei uns war es der Bruder des Bräutigams, der umgebracht wurde und als solches hatten sie eher Heinrich im Visier und als solcher haben sie seinen ganzen Hintergrund abgeklappert, bis sie dann am nächsten Morgen von Tscherpel überrascht wurden.

Hier würde ich für ein nächstes Mal evtl. Bergmann und Tscherpel verdächtiger machen, so dass es theoretisch möglich wäre, schon früher auf den Hauptverdächtigten zu kommen oder Tscherpel früher mit seiner Bitte auftreten lassen (leider konnte ich dies nicht, zumindest fiel mir kein logischer Grund spontan ein, warum er ihnen mitten in der Stadt begegnen sollte... mal lernt dazu ^-^ ).

 

* Es ist für die Lösung des Abenteuers irrelevant, was die Charaktere über Claras Verschwinden herausfinden. Eigentlich dient ihre Entführung nur dazu, dass die Charaktere auf Bergmann aufmerksam werden - wenn auch aus Gründen, die mit der Lösung des Abenteuers nichts zu tun haben. Praktischerweise ist Clara nämlich genau in Bergmann verliebt.

 

Für die direkte Lösung ja, allerdings ist Claras Verschwinden ein emotionaler Hook für mehrere SCs gewesen und als solches war es eine grosse Motivationsspritze für die Gruppe, die Mordfälle weiter zu untersuchen.
 

* Bei der Verfolgungsjagd steht von Anfang an fest, dass die Charaktere Bergmann nicht rechtzeitig erwischen. Das wäre für mich ok, wenn sich aus den Gegebenheiten ergibt, dass sie nie eine Chance hatten. Genau das ist aber nicht der Fall, sondern die Charaktere sollen Bergmann gerade so auf den Fersen bleiben, dass sie ihn nicht schnappen, aber noch sehen, wie er zu Tode kommt. Die Entscheidungen während der Verfolgungsjagd und die Würfelwürfe sind im Ergebnis also völlig gleichgültig.

 

Ich habe dies damals so gemacht, wie es im Buche steht (bin ja noch nicht so lange bei Cthulhu und musste nach jahrelanger Pause von Rollenspiele auch wieder ein wenig warm laufen xD). Heute würde ich ein paar Dinge anders machen, u.a. die Verfolgungsjagd: Hier dürfte es mE zu einer Begegnung mit Bergmann kommen, vielleicht könnten sogar ein paar Informationen aus ihm rausgelockt werden und schliesslich käme es zu einer direkten Begegnung mit Tscherpels Alter Ego, der dann sicherlich Bermann in Stücke reisst und, sollten die SCs kampfstark sein, dann fliehen oder die SCs verfolgen würde (hier könnte dann der Stadtstreicher evtl. zur Hilfe kommen).

Übrigens sind bei mir gleich zwei SCs zurückgeblieben um den Raum zu untersuchen (beide damals schon ü50) und haben dem humpelnden Tscherpel den Vortritt gelassen ^-^

 

Und schließlich gefällt mir auch das Ende nicht besonders, da die Charaktere eigentlich nichts gegen Tscherpel in der Hand haben. Der typische Cthulhu-Charakter (Arzt, Uni-Professorin,...) würde daher kaum einfach so bei ihm einbrechen bzw. auf andere Art eindringe. Ich habe den Eindruck, dass hier einfach angenommen wird, dass die Charaktere deshalb einbrechen, weil die SpielerInnen auf einer Meta-Ebene wissen, dass Tscherpel nach Bergmanns Tod der einzige verbleibende wichtige Charakter ist.


Da war meine Gruppe einfacher: Ein grossmäuliges Medium, ein Spion (der dem Medium nachspionierte), ein neugieriger Kapität (der die Moral zu seinen Gunsten auslegt), ein melancholisch-draufgängerischer Adrenalinjunkie (Kriegsveteran) und ein Psychiater (der angestellt wurde, die anderen vier zu begutachten, besonders den Spion). 

Doch mal ernsthaft, die Charaktere sind bei mir nicht eingebrochen, sondern haben sich organisiert und durch den Fahrer Eintritt bekommen. Der Köchin haben sie ein wenig gut zugeredet und letztendlich konnten haben sie es geschafft (unbemerkt) in den Keller zu kommen.

Auch hier kam wieder die Dringlichkeit der verschwundenen Schwester und die Morde (mit dem 'Laich') als Motivation für die SCs und Spieler zum Zug.

Der Endkampf ist dann ja klassisch mit ein wenig Horror und (in meinem Fall) permanenten Veränderungen einiger SCs. Insgesamt eine gute Katharsis für die Spieler.
 

 

Für uns war es ein gutes Einstiegs-Szenario in die Welt von Cthulhu/Horror, das Spass gemacht hat und auch Überraschungen bieten konnte (Uhr, Tscherpel als Monster, Verschwinden der Schwester). Ich würde es nicht mit erfahrenen SCs spielen und vermutlich eher auch nicht mit erfahrenen Spieler*innen.

 

P.S. Wer die 'ß's vermisst, die liessen sich auf meiner schweizerischen Tastatur nicht finden ;-)

Edited by Emu
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