So, mein Feedback zu "Reisen". Generell gesehen ist Reisen eine bedeutende Thematik für viele Rollenspiele, natürlich auch für Cthulhu. Die Auswahl des Themas für ein Quellenbuch ist daher optimal. Als reiner Quellenband für historische Fakten ist er gut recherchiert, bietet eine Fülle an Material und Details wie die Freude über die Frachabfertigung am Berliner Flughafen, die uns aus heutiger Sicht als lächerlich gering vorkommt, machen das Buch zu einer schönen Stöberkiste in alten Zeiten. Aber. das ist der einfache Teil. Man muss sich nur hinsetzen, ein bisschen in der Wikipedia stöbern und eventuell ein bis zwei alte Reiseführer zur Hand nehmen und kann als Autor fröhlich ein paar tausend Wörter hinschreiben, die dem geneigten Leser so die Arbeit ersparen, es selber zu tun. Die Frage, ob man derartiges in Zeiten von Google noch braucht, ist eine Generelle für alle historischen Faktensammlungen zu Cthulhu. Der Vollständigkeit halber und für's Sammlerherz gesehen kann man hier einfach gnädig lächeln und sagen: schöne Fleißarbeit, danke, aber nichts, was das Rad neu erfindet. Als reiner Abenteuerband bietet "Reisen" eine Menge Material. Insgesamt sechs Abenteuer verstecken sich hier auf nicht ganz 200 Seiten. Sie decken so ziemlich jede Art zu Reisen ab und bieten neben vielen NSCs auch verschiedene Perspektiven auf das Thema und dessen abenteuerliche Gestaltung. Auch hier kann man milde lächeln und den Autoren dafür danken, dem geneigten Spielleiter viel Fleißarbeit abgenommen zu haben. Wer also gerne Retorte spielt, wird schnell fündig. Das größte Manko des Bandes ist leider die vollkommene Nichtbeachtung der Metadiskussion rund um Abenteuer auf Reisen. gerade hier hätte der Band punkten und Spielleitern viele Ratschläge und Tipps geben können, die Cthulhu im Speziellen und Rollenspiele im allgemeinen betreffen. Was macht ein Abenteuer auf Reisen aus? Welche Möglichkeiten und welche Einschränkungen gibt es? Welche Dosis "Abenteuer" verträgt eine Reise überhaupt? Welche Rolle können Reisen im Pacing oder der Ressourcenverwaltung einer Kampagne spielen? Welche dramaturgischen Elemente ergeben sich und wie baut man diese auf? Alleine schon die Parallelen, die man aus dem klassischen Aufbau eines Roadmovies ziehen könnte, waren es den Autoren nicht wert, genauer betrachtet und für das Rollenspiel übersetzt zu werden. Sicherlich, der Leser kann sich all dies aus den Versatzstücken historischer Fakten und den Interpretationen der Abenteuerautoren selber zusammenreimen, aber gerade hier liegt redaktionelle Arbeit, die ich mir von Spieleautoren wünschen würde. Wie so oft zeigt sich Cthulhu als zunehmend entfernt vom Ansatz, ein Spiel zu sein. Der Weg, dem Leser und eventuell Spieler die verlagsseitige Interpretation des Spieles fertig ausformuliert zu liefern, setzt sich hier fort. Ein Quellenteil, der sich explizit damit auseinandersetzt, dem Leser Werkzeuge und Methoden näherzubringen, das Thema Reisen selber zu interpretieren, fehlt vollständig. Vermutlich hat die Cthulhu-Gemeinde weithin in dieser Hinsicht eh keinen Anspruch mehr, da der geneigte Cthulhu-SL die Abenteuer einer Publikation nach der anderen wie die Granate einer Krupp-Haubitze läd und auf seine Spieler abfeuert. Das Ziel wird irgendwo vom Oberkommando vorgegeben, die Granaten fliegen so weit, dass sie beim Einschlag längst außer Sicht sind und nach dem Sinn des Krieges fragt da schon lange keiner mehr. Fazit: Wer einen typischen Abenteuerband für Cthulhu mit ein paar historischen Fakten garniert sucht, den erwartet mir "Reisen" sicherlich einer der schöneren Bände seiner Art. Wer ein Quellenbuch für ein Rollenspiel sucht, dessen Geschichten die Spieler am Tisch selber generieren oder wer als Spielleiter Ratschläge braucht, selber gute Geschichten zu erzählen, wird leider wieder enttäuscht. P.S.: Wer verhunzt eigentlich die ganzen Cover? Das Coverbild ist hier, wie auch bei "Der Bestie", super, aber dieses Anfänger-Bevel-Dropshadow-Layout mit den üblen Freistellern altertümlichen Papiers zerstört den guten Ansatz vollkommen. Mal ganz abgesehen von der Typographie. Ich vermute, dass zur Auswahl von Laufweite und Schriftschnitt allerlei Beispiele auf DIN A4-Seiten gedruckt und 24 Stunden lang in einen Käfig mit Bono-Bonos gelegt werden, um dann hinterher diejenige von dem Blatt zu verwenden, auf dem am meisten Kot liegt. Falls ein Zufallsgenerator anderer Art verwendet wird, rate ich in Zukunft die Affen zu nehmen, daraus können dann wenigstens noch YouTube-Videos erstellt werden. Die würde ich mir gerne anschauen. In Echtzeit. Gesamtnote in Schulnoten: 2- Eine 1 wäre es geworden, hätte es einen Quellenteil zu Reiseabenteuern gegeben und eine halbe Note Abzug wegen dem Layout und dem zu schwarzlastigen Druck, der aber bei Pegasus wohl mittlerweile Standard ist.