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Azrael

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Everything posted by Azrael

  1. Ein schneller Tod Wie man sich das eben wünscht. Ich finde den Plot des Abenteuers bei genauerer Betrachtung einfach zu klassisch merke ich. Die Grundidee mit dem unverhofften Gelben Zeichen und der Höhepunkt mit der "Überraschungsparty" passt ja, aber dazwischen ist mir das so unspektakulär irgendwie. Welche gelbköniglichen Abenteuer sind doch weiter empfehlenswert, die man schon fertig erstehen oder laden kann?
  2. Ich bereite gerade mein zweites One on One Abenteuer vor und versuche mich dieses Mal an "Das gelbe Zeichen" (CW10 bzw. PDF Publikation). (https://seanchuigoesrlyeh.wordpress.com/2014/08/24/rezension-morgengrauen-und-andere-abenteuer/) Hat Jemand von euch schon Erfahrung im OoO Bereich oder sogar mit diesem speziellen Abenteuer? Die beiden Spielberichte hier im Forum fand ich schon sehr hilfreich. Mein letztes Abenteuer mit nur einem Spieler war "Vengeance from beyond" aus der Abenteuersammlung "Monophobia" (http://www.unboundbook.org/?p=82). Das hat auch ausgezeichnet funktioniert, ist in der Struktur dem Zweiten aber nicht ganz unähnlich und deshalb werde ich da vermutlich eine Menge aufbohren müssen und hoffe Ihr habt Ideen, die mir noch nicht gekommen sind. :-)
  3. Es ist vollbracht! Wir sind durch und trotz all der Mühen beim Vorbereiten war es einfach mal großartig. Anders kann ich das nicht ausdrücken. 2 1/2 Jahre Realspielzeit und 14 Abenteuer. Hier der letzte Tagebucheintrag: (ACHTUNG SPOILER) ---------------------------------------------------------- Reisetagebuch Raymond Harsen (niedergeschrieben von Jenkin Waite) Datum unbekannt Ted und Raymond sind nicht mehr am Leben, und so fällt es nun mir zu, diese letzten Zeilen zu schreiben. Ich habe das Tagebuch in Raymonds Innentasche gefunden, ein getreulicher Zeuge für den Wahn, der in den letzten Tagen und Wochen zunehmend von seinem Geist Besitz zu ergreifen schien. Seine Handschrift, zu Beginn unserer glücklosen Reise noch schwungvoll und klar, ist zu einem kümmerlichen Gekrakel geworden. Die Eintragungen werden von Woche zu Woche verworrener, manisch und rastlos reiht sich Wort an Wort. Wäre ich nicht selbst bei den Ereignissen, die sich hier zugetragen haben, dabei gewesen, ich hielte seine Schilderungen für die tollkühnste Phantasterei. Doch das sind sie nicht, und nun zahlen wir alle den höchsten Preis für unseren Wagemut. Wir verfolgten die Wesen, die Prof. Moore entführt hatten, beinahe zwei Stunden lang mit dem Flugzeug. Erst flogen wir über die Stadt, die sich als langgezogener Streifen im Schatten der Miskatonic-Berge erstreckte und deren gesamtes Ausmaß uns erst jetzt wirklich bewusst wurde. Nach einer Weile ließen wir sie dann hinter uns zurück und flogen über eisiges Ödland. Soweit wir es aus der Höhe erkennen konnten, befand sich unter uns nichts außer verkarsteten Eisfeldern. Nach einiger Zeit machten wir vor uns im Sturm etwas aus, das wir zunächst für eine große Wolkenbank hielten. Erst allmählich wurde uns klar, dass wir auf ein noch viel gewaltigeres Bergmassiv zusteuerten, neben dem sich die Bergkette im Westen wie eine Reihe sanfter Hügel ausnahm. Fast gleichzeitig bemerkten wir vor uns einen monolithischen schwarzen Turm, der anscheinend das Ziel der Wesen war, denn sie gingen tiefer und verschwanden im immer noch tobenden Schneesturm. Als wir dies sahen, setzten wir ebenfalls zur Landung an, doch aus irgendeinem Grund verlor Ted dabei das Bewusstsein und wir machten eine Bruchlandung. Raymond brach sich einige Rippen, während ich mir beim Aufprall einige Blessuren zuzog und auch noch die Zungenspitze abbiss. Ted hingegen kam mit einigen Schrammen davon. Insgesamt hatten wir sicher Glück im Unglück, doch das Flugzeug war unwiederbringlich verloren. Ted verließ als Erster die Maschine und fand schnell Spuren der Wesen, die zum Turm führten. Noch während ich mich bereitmachte und versuchte, meine Wunden notdürftig zu verbinden, hörte ich hinter mir ein Geräusch und fuhr herum. Raymond stand da, das Gesicht zu einer seltsamen Grimasse erstarrt, die Augen fiebrig glänzend und in der Hand ein Messer. Für einen Augenblick bekam ich Angst, dass er mich angreifen würde. Der Gedanke wäre mir vorher nie in den Sinn gekommen, doch seine Stimmungsschwankungen und sein Verhalten sind so unberechenbar geworden, dass meine Hand ganz unwillkürlich auf den Griff meiner Pistole fiel. Einige Herzschläge lang standen wir uns so in der Enge der Kabine gegenüber, dann wandte er sich mit einem unwirschen Schnauben ab und kletterte nach draußen. Ich brauchte einige Momente, um meine Fassung zurückzuerlangen, dann folgte ich meinen Gefährten nach draußen. Wir gingen den Spuren nach und stießen am Fuß des Turms auf einen etwa 2x2m durchmessenden Schacht, der in die Erde hinabführte. Da wir keinen anderen Eingang finden konnten, stiegen wir hinein und gingen einen Tunnel entlang, bis wir schließlich auf eine große Halle trafen. Der Boden bestand aus fünfeckigen Steinplatten und in der Mitte erhob sich eine Art Säule. Die Decke der Halle verlor sich im Halbdunkel, doch an der Wand, die seltsamerweise völlig frei von den inzwischen bekannten Friesen war, führte eine Rampe nach oben. Während wir die Rampe hinaufstiegen, nagte etwas in meinem Unterbewusstsein. Vielleicht war es die ungewohnte Kahlheit der Wände, doch ich begann, nochmals über die Friese nachzudenken, die ich in den letzten Tagen eingehend studiert hatte. Sie zeigten stets eine Art Panorama der Stadt, jedoch waren gewisse Teile der Darstellung immer unkenntlich. Ich hatte dies zunächst für natürliche Verwitterung gehalten, doch plötzlich wurde mir klar, dass jemand (oder etwas) bewusst ein Motiv aus den Friesen entfernt hatte … den schwarzen Turm, in dem wir uns befanden. Unwillkürlich lief mir ein Schauer über den Rücken und ich hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Auch Raymond wirkte sehr nervös, sah sich immer wieder hastig um, nur um dann den Kopf zur Seite zu legen, als lauschte er einem Geräusch oder einer Stimme. Seine Lippen bewegten sich dabei unablässig, als würde er eine angeregte Unterhaltung führen. Ich wagte nicht zu fragen, welche Abgründe seines Geistes ihn nun wieder in Beschlag genommen hatten, und folgte stattdessen Ted, der unbeirrt die Rampe hinaufstieg. Die Rampe verschwand schließlich durch eine Öffnung in der Decke, durch die schwacher Lichtschein fiel. Dahinter erstreckte sich ein weiterer Raum, auf dessen Boden wir eine Reliefkarte der Stadt und der Vorgebirge fanden, die sowohl in ihrer Größe als auch Exaktheit verblüffend war. In der Mitte der Karte lag ein fünfeckiger Stern mit einem Loch in der Mitte. Wir erkannten recht bald, dass der Stern in seiner Lage dem Riesengebirge glich, auf das wir zuvor zugeflogen waren und in dem sich, so die Karte denn maßstabsgetreu war, ein Schacht von gigantischen Ausmaßen befand. Die Rampe führte von der Wand weg und begann direkt über dem Stern, sich spiralförmig nach oben zur Decke zu winden. Die Temperatur hatte erheblich zugenommen und lag jetzt so weit über dem Gefrierpunkt, dass wir Teile unserer Kälteschutzausrüstung ausziehen konnten. Doch auch ohne die sperrige und ungelenke Kleidung schien es uns sehr gefährlich, die schmale Rampe, die über keinerlei Geländer oder Haltevorrichtung verfügte, ungesichert zu erklimmen. Wir beschlossen also, uns aneinander mit einem Seil zu sichern, was sich als kluge Vorsichtsmaßnahme erwies. Auf halbem Weg zur Decke hinauf rutsche Ted auf dem schlüpfrigen Untergrund aus und stieß Raymond dabei fast hinunter. Er konnte sich gerade noch mit den Fingerspitzen an der Kante der Rampe festklammern und hing für einige Sekunden frei über dem Abgrund, bis wir ihn mit vereinten Kräften hochziehen konnten. Ziemlich mitgenommen setzen wir unseren Weg fort und erreichten schließlich einen weiteren Durchgang in der Decke. In diesem dritten Raum wandt sich die Rampe weiter spiralförmig nach oben und war dabei völlig von einer Art kristallinem Geflecht umgeben. Aus welchem Material die Struktur genau bestand und welchem Zweck sie diente, konnten wir nicht feststellen, doch sie schien elektrische Spannung zu transportieren. Ich fühlte mich wie damals im Generatorraum unseres Schiffes und es lag ein ähnlicher Geruch von Ozon in der Luft. Ungefähr auf halbem Wege geschah es dann. Ted, der wie immer vorausging, blieb plötzlich stehen und berührte mit der Hand das Kristallnetz. Sein Körper wurde augenblicklich stocksteif, jeder Muskel bis aufs Äußerste angespannt. Langsam drehte er sich zu uns um und wir sahen, dass seine Augen soweit nach oben gerollt waren, dass man nur noch das Weiß der Augäpfel sehen konnte. Sein Mund war zu einem tonlosen Schrei weit aufgerissen, die Zähne zu einem beinahe totenkopfartigen Grinsen gefletscht. Noch bevor wir versuchen konnten ihm zu helfen, zog er mit seltsam abgehackten Bewegungen seine Pistole aus dem Holster, setzte sie sich an die Schläfe … und drückte ab! Mit einer grässlichen Kopfwunde brach er zusammen und sein lebloser Körper stürzte von der Rampe in die Tiefe. Raymond und ich blieben zunächst wie angewurzelt stehen, unfähig zu begreifen, was wir gerade gesehen hatten. Wie lange wir so voreinander standen, vermag ich nicht zu sagen, doch plötzlich drang von weiter oben aus dem Turm ein grässlicher Schrei zu uns herab. Ich hätte nicht sagen können, ob Mensch oder Tier der Ursprung war, ob vielleicht sogar Prof. Moore in unendlicher Agonie diesen Laut ausgestoßen hatte, aber er riss uns aus unserer Erstarrung. Raymond nickte mir wortlos zu, drehte sich um und stieg weiter nach oben zum nächsten Durchgang. Ich folgte ihm und konnte dabei deutlich hören, wie er unentwegt, wie ein Mantra, vor sich hinmurmelte: „Alle Wege führen hier zusammen, hier wird es enden!“ Wir erreichten die vierte Ebene des Turms. Die Rampe hörte hier auf und wir fanden uns in einem Raum von unbestimmbarer Größe wieder, der von einem fast schon dschungelartigen Pflanzenbewuchs überzogen war. Die Pflanzen mit ihren dickfleischigen Blättern wirkten auf mich sehr fremd, weniger wie die uns vertraute Flora sondern mehr wie die Rekonstruktionen, die man aus fossilen Funden urweltlicher Pflanzen angefertigt hat. Die Temperatur war immer weiter gestiegen, und obwohl wir inzwischen unsere Schutzkleidung völlig abgelegt hatten, lief uns der Schweiß in Sturzbächen über die Gesichter. Zwischen den Pflanzen fanden wir immer wieder zerbrochene Kristalle am Boden, die scheinbar einmal Teil des Netzes waren und jetzt tot und nutzlos überwuchert wurden. Unwillkürlich erinnerte mich die Szenerie an die Beschreibung eines verfallenen Tempels einer untergegangenen Zivilisation, wie man sie in den populären Groschenromanen eines Robert E. Howard findet … bis wir auf die Berge von Knochen stießen. Es waren eindeutig menschliche Gebeine, die hier zu großen Haufen aufgeschichtet waren. Rippen, Arm- und Beinknochen, ganze Brustkörbe, Finger- und Zehenknochen, wie makabre Puzzleteile zusammengefügt. Nur Schädel und Rückgrate sahen wir keine. Ich blieb dicht hinter Raymond, und gemeinsam suchten wir einen Weg durch das beinerne Labyrinth, bis wir schließlich auf eine viel schmalere Rampe stießen, die weiter nach oben führte. Raymond begann hinaufzusteigen, doch nach einigen Metern verlor er den Halt und stürzte schwer in einen der Knochenberge. Er verletzte sich dabei erneut, ein scharfkantiger Knochensplitter bohrte sich in seine Seite und bald klebte sein Hemd an der stark blutenden Wunde. Doch er wankte direkt wieder zu dem Steg, erneut dieses fiebrige Glänzen in den Augen, und begann emporzusteigen. „Er wartet auf uns, Jenkin, er wartet!“ hörte ich ihn noch sagen. Wir erreichten über den schmalen Steg die fünfte Ebene, die völlig zugewachsen war. Die herrschende Hitze und Feuchtigkeit erinnerte mich an subtropische Regenwälder, ein süßlich-schwerer Geruch von Moder und Pilzbefall lag in der Luft. Mühsam bahnten wir uns einen Weg durch das Dickicht, bis wir auf einer Art Lichtung ein Steinbecken fanden, das mit einer öligen schwarzen Flüssigkeit gefüllt war. Nach allem, was wir unter der Stadt gesehen und erlebt hatten, hätte ich es eigentlich besser wissen müssen, doch trotzdem nahm ich einen Stock und stocherte in der Flüssigkeit … die sich plötzlich zu verfestigen begann und erste Gliedmaße ausformte. Es war eines der Gallertwesen. In blinder Panik rannten wir vor dem Wesen davon, Trampelpfaden folgend, die jemand oder etwas Unbekanntes durch das Gestrüpp gebahnt hatte. Unsere Flucht endete, als wir eine weitere Lichtung erreichten und dort eine monströse Scheußlichkeit vorfanden. Es fällt mir schwer zu beschreiben, was es war. Ein amorpher Klumpen, ein Hybrid aus fleischartiger Masse, kristallinen Strukturen und Pflanzenmaterial, zusammengesetzt von einem Geist, der uns in der Abgründigkeit seines Wahns völlig fremd sein muss. Als schauerlicher Höhepunkt waren in das Gebilde die Schädel und Wirbelsäulen zahlreicher Menschen eingelassen. Viele davon waren ohne Zweifel tot, doch einige, darunter die Köpfe von Prof. Moore und Dr. Greene, waren aus irgendeinem Grund noch am Leben und reagierten auf uns. Nur war auch gewiss, woher zuvor der Schrei kam. Es war Moore, als sie ihn in diese schreckliche Apparatur einsetzten. An diesem Punkt konnte ich mich nicht länger beherrschen und drehte mich zur Seite, um mich heftig zu übergeben. Noch, während ich würgte, hörte ich Raymonds Stimme hinter mir, der so etwas wie „Tut mir leid, Professor!“ murmelte, dann peitschte ein Schuss. Ich fuhr herum und sah noch, wie der jetzt reglose Kopf von Moore zur Seite wegsackte. Im gleichen Moment lief ein starkes Beben und Zittern durch den Turm und die übrigen Köpfe rissen ihre Münder wie zu einem gepeinigten Schrei auf. Der Boden unter unseren Füßen schwankte wie bei einem Erdbeben und erste Steinplatten stürzten von der Decke über uns. Ich sah zu Raymond hinüber, der mit dem Rücken zu mir stand. Der Revolver war ihm aus den Fingern geglitten und die Arme hingen schlaff herab. Seine ganze Haltung wirkte, als habe jegliche Kraft seinen Körper verlassen, als wäre er in wenigen Augenblicken um Jahrzehnte gealtert. Ich konnte hören, wie er etwas mit ganz leiser Stimme murmelte, und drehte ihn zu mir um. Sein Gesicht war hohlwangig und eingefallen, die Haut bleich und wächsern. Aus den tiefliegenden, von dunklen Ringen umrahmten Augen flossen Tränen durch seine schlohweißen Bartstoppeln und tropften auf den Boden. „Jenkin, was haben wir nur getan? Es hat uns hierher geführt, alles war so geplant, schon immer war es so vorbestimmt, wir … wir haben es freigelassen!“ Er starrte vor sich auf den Boden, holte zitternd Luft, sah mir noch einmal in die Augen. „Ist das Leben nicht ein furchtbarer Witz?“, und dann war da wieder das Messer in seiner Hand, das er sich mit einer schnellen Bewegung über die Kehle führte, die sich unter der scharfen Klinge in ein blutig-feuchtes Grinsen verwandelte. Dann fiel mein Freund und Weggefährte zur Seite und blieb reglos liegen. Der Sturm, der die letzten Tage ununterbrochen getobt hat, hat sich gelegt. Meine Uhr ist stehengeblieben, und so kann ich nicht sagen, ob Minuten oder Stunden vergangen sind. Vielleicht sind es auch schon Tage, welche Rolle spielt das schon noch? Die Sonne scheint und lässt die eisbedeckten Flanken des gewaltigen Bergmassivs in gleißendem Licht erstrahlen. Ein Anblick von atemberaubender Schönheit, der sich mir durch die eingestürzte Seitenwand des Turms bietet. Die Kälte ist mit Macht zurückgekehrt. Ich fühle sie seltsamerweise nicht, doch das Blut aus Raymonds Wunde ist zu lauter kleinen rubinroten Tropfen gefroren. Ich habe es gesehen, als ich vorhin das Tagebuch aus seiner Innentasche gezogen habe. Warum schreibe ich dies hier noch? Ich weiß nicht, was hier geschehen ist, kann keine Erklärung dafür finden. Haben wir etwas freigelassen, wie Raymond direkt vor seinem Tod sagte? Wenn ja, was? Oder wen? Ich weiß nicht mal, ob irgendwo dort draußen noch jemand außer mir am Leben ist und dies hier lesen wird. Ich weiß nur, dass ich diesen Ort nicht mehr verlassen werde. Der Rückweg ist versperrt, die schmale Zugangsrampe ist unter dem Gewicht eines der Gallertwesen, das offenbar zu uns nach oben gelangen wollte, zusammengebrochen. Mit meinen Verletzungen wäre es schon riskant genug, hinunterzuklettern, und darüber hinaus wartet das Wesen am Fuß der Rampe. Sehen kann ich es nicht, doch ganz deutlich höre ich das Mahlen und Knirschen, mit dem sich sein tonnenschwerer Körper über den Boden schiebt. Der Gedanke an meinen bevorstehenden Tod sollte mich eigentlich mit Angst oder Unsicherheit erfüllen, doch ich fühle in mir nichts außer eine seltsame Ruhe und Gelassenheit. Aber müde bin ich, sehr müde. Meine Reise ist zu Ende, und nun kann ich für einige Zeit die Augen schließen. Ich werde schlafen, ich werde warten und vielleicht ein wenig träumen…
  4. Und wieder ein Tagebucheintrag! (ACHTUNG SPOILER) ---------------------------------------------------------- Reisetagebuch Raymond Harsen Datum unbekannt Das Dröhnen unserer Flugzeugmotoren ist unbeschreiblich laut. Die Windböen werfen uns hin und her, wir sind nicht mehr als ein Spielball der Elemente, es ist mir kaum möglich, diese wenigen Zeilen zu schreiben. Dazu die grässlichen Schmerzen in meinem Kopf, die mich seit Tagen immer wieder heimgesucht haben und die jetzt zu einem ständigen Begleiter geworden sind. Ich kann sie für einige kostbare Momente verdrängen, wenn ich mir mit der linken Hand fest über die Schläfe reibe, doch sie kehren stets zurück. Bohrend, pochend, eine pulsierende Dissonanz die mich gefangen hält. Warum schreibe ich dies noch? Ich glaube inzwischen nicht mehr, dass ich diesen Ort gesund an Körper und Geist verlassen werde…falls überhaupt. Wir sind zu weit gegangen, haben uns einen Schritt zu nahe an den Abgrund gewagt, und jetzt schlittern wir einen Berg hinab, an dessen Fuß Wahnsinn und Verdammnis auf uns warten. Ich kann nicht nachvollziehen, was genau geschehen ist. Jenkin, Meyer, Rielke und ich erwachten nach unserer „Traumreise“ am Boden vor dem Spiegel, der jetzt nur noch eine Steinplatte war. Keiner weiß, wie lange wir abwesend waren, doch als wir das Gebilde verließen stellten wir fest, dass Ted umgekehrt war um Hilfe zu holen. Er hatte uns eine Nachricht im Schnee hinterlassen. Wir kehrten selbst zum Einstieg zurück, doch das Seil war verschwunden und der Rückweg damit für uns versperrt. Uns blieb keine andere Wahl, als der Höhlenwand nach rechts zu folgen. Die Wände waren wieder von zahlreichen Friesen bedeckt, die Darstellungen der geflügelten Wesen beinhalteten. Die Motive waren jedoch anders als früher, sie vermittelten eher den Eindruck eines Rückzugs, eines Exodus. Dazu passten auch die Bilder, die eine zunehmende Leere der Stadt andeuteten. Wir passierten auf unserem Weg zahlreiche Öffnungen in der Tunnelwand. Anscheinend befanden wir uns in einem riesigen Komplex von labyrinthartigen Gängen und Korridoren, dessen gesamtes Ausmaß wir gar nicht erfassen können. Rielke murmelte ständig vor sich hin und behauptete, er könne die Friese lesen. Er ging mir immer mehr auf die Nerven, mit seinem ständigen Kichern und dem schwachsinnigen Grinsen im Gesicht, und schließlich verlor ich die Beherrschung. Ich packte ihn am Kragen, schüttelte ihn und schrie ihm aus nächster Nähe ins Gesicht, dass er endlich sein verdammtes Maul halten soll. Noch während ich ihn festhielt tobten Bilder durch meinen Kopf, wie ich ihm den Lauf meiner Pistole in den Mund ramme, seine grinsenden Zähne dabei zu blutigen Splittern zerstoßend, und ihm das Hirn aus dem Schädel blase. Es kostete mich unglaubliche Überwindung, ihn loszulassen und zurückzutreten, und ich fühlte mich seltsam leer und unzufrieden danach. Was ist nur aus mir geworden? Woher es kam weiß ich nicht, aber in diesem Moment wurde mir klar, dass alle Ereignisse in meinem Leben, alle Ängste, Träume und gescheiterte Hoffnungen, miteinander verwoben sind und an diesem Punkt zusammenlaufen. Der Tod meiner Eltern und meiner Schwester, der Krieg, die Ereignisse in Dunwich vor so vielen Jahren, einfach alles bis hin zu der Fahrt in die Antarktis. Es war keine vage Ahnung, keine Vermutung, sondern klarste Gewissheit, die mich durchströmte, als hätte jemand die Fenster zu meinem Geist endlich weit aufgestoßen und Licht ins Dunkel gelassen. Der Riese hat das Insekt nicht nur bemerkt, er hat es die ganze Zeit in einer winzigen Dose gefangen gehalten und ihm die Illusion vorgegaukelt, Herr seines eigenen Schicksals zu sein. Was für ein Narr ich doch war! Wir erreichten eine Treppe, der wir mehrere Minuten nach oben folgten und an deren Ende uns ein großes Tor erwartete, das direkt in einen weiteren Tunnel überging. Auch hier zweigten immer wieder Öffnungen in die Wände ab, die die Friese unterbrachen. Wir gelangten schließlich an eine T-Kreuzung und hörten aus dem rechten Abzweig ein seltsames schlurfendes Geräusch, dem wir folgten. Hier lag auch erstmals Schutt auf dem Boden, in dem wir Stiefelabdrücke ausmachen konnten. Nach einiger Zeit erreichten wir einen Seitentunnel, aus dem gedämpftes gelblich-grünes Licht drang, und so gingen wir hindurch. Wir fanden uns in einem großen Raum wieder, in dessen Mitte eine etwa brusthohe Mauer eine viereckige Abtrennung bildete, hinter der sich einige der blinden Riesenpinguine befanden, aber auch Seerobben und Vögel mit grausam gebrochenen Flügeln. All das erinnerte auf unangenehme Weise an einen Viehstall. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes befand sich ein Durchgang, der in einen weiteren Raum führte. Die Wände dort waren wieder mit den bekannten Punktmustern verziert, die aber diesmal nicht herausgemeißelt, sondern mit einer seltsamen dunklen Farbe aufgemalt waren. Zumindest hoffe ich, dass es Farbe war. Wir fanden hier eine Zeichnung, die die Stadt von oben zeigte und auf der verschiedene Markierungen angebracht waren und die, soweit wir feststellen konnten, fast exakt den Standorten unserer Lager entsprachen. Ich hatte mich schon die ganze Zeit unter ständiger Beobachtung gefühlt, und mit dieser Entdeckung verstärkte sich das Gefühl nochmal um ein Vielfaches. Das kränklich-gedämpfte Licht, das die gelblich-grünen Specksteine in dem Raum verströmten, war auch nicht wirklich dazu angetan, meine Nerven zu beruhigen. Auch dieser Raum verfügte über einen weiteren Ausgang, der in einen dritten Raum führte. Dort fanden wir wieder eine mit einer viereckigen Mauer abgetrennte Einfriedung in der Mitte, die jedoch deutlich niedriger war als im vorherigen Raum. Eine weitere Tür gab es nicht, lediglich eine etwa 50cmx50cm große Öffnung in der gegenüberliegenden Wand, hinter der eine Art Schacht lag. Wir näherten uns langsam der niedrigen Mauer…und erblickten etwa ein Dutzend der Flügelwesen, nur diesmal in einer viel kleineren Version. Offenbar war es der Nachwuchs dieser Wesen (das Wort „Kinder“ möchte ich im Zusammenhang mit etwas derart Grauenhaftem nicht verwenden), der hier aufgezogen wurde. Trotz ihrer geringen Größe waren sie scheußlich anzusehen und lösten in mir Panik aus. Fast schon automatisch riss ich meinen Revolver hoch und erschoss eines der Biester, woraufhin der Rest ein furchtbares Gekreische anstimmte, das quasi sofort von einem ausgewachsenen Exemplar aus der Richtung, aus der wir gekommen waren, beantwortet wurde. Wir saßen in der Falle! Rielke lief völlig kopflos den Weg zurück, den wir gekommen waren, und seine grässlichen Schmerzensschreie ließen an seinem Schicksal keinen Zweifel. Jenkin und ich warfen panisch unsere Rucksäcke ab und krochen blindlings in den schmalen Schacht hinein. Während wir uns durch die klaustrophobische Enge zwängten, hörten wir hinter uns den kurzen und brutalen Todeskampf von Meyer…dann nur noch unseren eigenen keuchenden Atem. Wie lange und wie weit wir durch den Schacht krochen kann ich nicht sagen. Irgendwann erreichten wir eine kleine Kammer, kaum 2m im Durchmesser, in der wir einige leere Konservendosen, Decken und ein Bündel ölgetränkter Lumpen fanden. Hat Danforth etwa hier seinen Unterschlupf eingerichtet? Wir untersuchten das Bündel und fanden darin Maschinenteile, die zu Flugzeugmotoren gehören könnten. Dabei übersahen wir jedoch den Drahtauslöser einer Sprengfalle, die Danforth in dem Schacht gelegt hatte, und brachten sie zur Detonation. Alles war voller Staub, wir konnten kaum atmen. Außer einem lauten Pfeifen in meinem Ohr konnte ich nichts hören, und obwohl Jenkin kaum mehr als eine Armeslänge von mir entfernt war, konnte ich ihn in der völligen Dunkelheit nicht mal erahnen. Während der Schlacht im Wald von Belleau wurde ich durch Artilleriefeuer in einem Unterstand verschüttet, und die Erinnerung an dieses Erlebnis ließ mich völlig die Kontrolle verlieren. Wie ein Besessener kratzte ich mit bloßen Händen an den Wänden und riss mir dabei wohl zwei Fingernägel heraus ohne es zu merken. Zum Glück betätigten wir eher zufällig eine Art Schalter, durch den der Boden an einer Seite wegklappte und uns einen steilen Gang nach unten rutschen ließ. Wir landeten in einem seltsam warmen, stinkenden Haufen, eine Mischung aus weichem Material und etwas, das sich wie dürre Zweige und Äste anfühlte. Wahrscheinlich war es ein Segen, dass wir unsere Taschenlampen verloren hatten und nicht sehen mussten, worin wir da genau gelandet waren. Die Luft war sehr feucht und warm, eine salzige Brise wehte uns entgegen und ganz deutlich konnten wir aus dem Tunnel vor uns Brandungsrauschen hören. Wir traten aus dem Tunnel und standen an dem etwa 200m breiten Strand in einer Bucht des gleichen unterirdischen Ozeans, den wir schon in unserer Traumreise gesehen hatten. Über dem Wasser war ein diffuses Leuchten, das von einer Art Leuchtturm weit draußen zu kommen schien. Noch während mein Verstand mit der Vorstellung von einem gigantischen unterirdischen Meer am Südpol rang, entdeckten wir am Strand, der aus zerklüfteten Steinen und seltsamen Pilzgewächsen bestand, immer wieder breite, völlig glattgeschliffene Furchen im Boden, so als wäre etwas Kolossales immer wieder darüber gerollt oder -geschleift worden. Wir konnten zunächst keine Erklärung dafür finden, doch mit einem Mal fielen uns die großen Gallertwesen aus dem Traum wieder ein, die sich mit ihren Körpern aus der See auf den Strand gewälzt hatten. Sollten diese Wesen tatsächlich existieren oder hat mein Verstand aufgehört, zwischen fiebriger Wahnvorstellung und Realität zu unterscheiden? Während Jenkin weiter den Strand entlang ging, sank ich völlig entkräftet auf die Knie…nur um hinter mir die Mädchenstimme meiner toten Schwester zu hören. Ich fuhr herum und da stand sie, genauso wie ich sie als Kind in Erinnerung habe. Sie starrte mich mit völlig ausdruckslosen Augen an, doch der Satz, den sie gesprochen hatte, fuhr mir durch Mark und Bein: „Er frisst mein Herz!“ Ich wollte auf sie zugehen, doch in diesem Moment rief mich Jenkin und innerhalb von einem Lidschlag war sie verschwunden. Noch bevor ich ihm von meiner Erscheinung berichten konnte, hörten wir ein bedrohliches Geräusch aus Richtung des Ufers. Offenbar war Jenkins Ruf laut genug gewesen, um die Aufmerksamkeit von etwas zu erwecken. Wir kauerten uns eilig hinter einige Felsen und konnten nur hilflos mit anhören, wie sich etwas Großes und Schweres über den Strand wälzte, ein grässliches Mahlen und Knirschen, das an unseren Nerven zehrte. Irgendwann stieß das Wesen eine Art Schrei aus, wie wir ihn auch in dem Traum gehört haben, wenngleich es sich eher wie eine verständnislose Imitation anhörte, und wälzte sich ins Wasser zurück. Wir schlichen so schnell und leise wie möglich von der Stelle weg und fanden nach etwa einem halben Kilometer einen Durchgang in der Wand zu unserer Rechten, hinter dem eine Rampe nach oben führte. Wir folgten ihr und fanden auf dem Weg immer wieder Friese, die offenbar Kämpfe zwischen den geflügelten Wesen und den Gallertmonstern darstellten. Zum Glück bewegten wir uns immer noch sehr leise, sonst hätten wir das aufgeregte Schnattern hinter uns als erstes Warnzeichen sicher überhört. Es klang beinah so, als würde sich eine größere Gruppe von den Riesenpinguinen in panischer Flucht hinter uns die Rampe nach oben bewegen. Wir rannten um unser Leben, in der Finsternis stürzten wir immer wieder schmerzhaft zu Boden und rappelten uns wieder auf, während das Geschnatter und Gekreisch hinter uns immer lauter und lauter wurde und jetzt auch deutlich von diesem knirschenden und mahlenden Geräusch, das wir am Strand gehört hatten, untermalt wurde. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir eine Abzweigung, rechts führte der breite Tunnel weiter, nach links nur ein enger Gang, dem wir dann auch folgten. Kurz nach uns kamen die Pinguine, die den rechten Tunnel nahmen, dicht gefolgt von dem Gallertmonster. Auch wenn wir es nicht sehen konnten, so bekamen wir doch einen Eindruck von der schier unvorstellbaren Masse und Wucht, mit der es unaufhaltsam den Tunnel entlangwalzte. Wie erleichtert wir waren, dass es uns ignoriert hatte! Wir folgten dem engen Gang, der stetig nach oben führte und uns schließlich in der Grube bei dem Geröllberg nahe unserem Lager wieder ans Tageslicht brachte. Ja, tatsächlich waren wir ins Licht der Polarsonne zurückgekehrt. Nie zuvor habe ich eine derartige Erleichterung empfunden wie in diesem Moment. Wie wir die mehr als 20km Strecke, die zwischen unserem und Lexingtons Lager liegen, unter Tage zurücklegen konnten, diese Frage stellte ich mir zunächst gar nicht. Wir kletterten aus der Grube und sahen auch sofort unser Flugzeug, dass von Ted gerade startklar gemacht wurde. Er erzählte uns, dass er mehrere Stunden lang versucht hatte, die Tür zu dem Ei zu öffnen und dann umgekehrt war, um eine Rettungsmannschaft zu organisieren. Kann es denn sein, dass wir wirklich so lange in der Traumwelt gefangen waren? Währenddessen näherten sich Prof. Moore und Charlie dem Flugzeug und wir gingen ihnen entgegen. Ich weiß nicht, ob es meine ständige Paranoia oder eine Art sechster Sinn war, der mich meinen Blick abwenden ließ, aber als ich zum Himmel schaute sah ich zwei der geflügelten Wesen, die sich direkt aus der Sonne auf Moore und Charlie stürzten. Ich stieß noch einen Warnschrei aus, doch es war bereits zu spät. Charlie wurde vor unseren Augen in zwei Hälften gerissen und der Professor von einer der Kreaturen weggeschleppt. Ich war geschockt und konnte keinen klaren Gedanken fassen, doch Ted handelte blitzschnell und ließ die Motoren wieder an, um die Verfolgung aufzunehmen. Jenkin und ich stolperten an Bord und wir hoben ab. Das Dröhnen unserer Flugzeugmotoren ist unbeschreiblich laut. Die Windböen werfen uns hin und her, wir sind nicht mehr als ein Spielball der Elemente, es ist mir kaum möglich, diese wenigen Zeilen zu schreiben. Ted sitzt im Cockpit, die Hände wie Klauen um den Steuerknüppel verkrampft. Neben ihm Jenkin, der starr geradeaus blickt. Über seine Schulter kann ich durch die Frontscheibe die zwei Wesen sehen, die vor uns über die Stadt fliegen. Wie es auch kommen mag, an Umkehr ist nicht mehr zu denken. Vorwärts ins Herz der Finsternis…
  5. Endlich geht es weiter: (ACHTUNG SPOILER) ---------------------------------------------------------- Reisetagebuch Raymond Harsen Mittwoch, 06.12.1933 Die Enthüllung der doppelten Identität, die Danforth die ganze Zeit vor uns versteckt hielt, und sein tragischer Selbstmord vor aller Augen ließen uns tief erschüttert zurück. Wir zogen uns zunächst in unseren Unterstand zurück, um das weitere Vorgehen zu beraten. Die vordringlichste Frage, die sich stellt, ist die der Route für den Rückflug. Die Sturmböen, die derzeit über den Berggipfeln toben, lassen einen Rückflug über den Pass zu einem Vabanquespiel werden. Gleichzeitig ist aber unser Treibstoffvorrat zu knapp bemessen, um die Bergkette komplett zu umgehen, zumal ein solcher Flug auch länger als zwei Tage dauern würde. Die Diskussion blieb ohne rechtes Ergebnis und irgendwann zogen sich alle erschöpft in die Zelte zurück. Zwischen den Expeditionsteilnehmern steigt die Anspannung, die Nerven liegen blank. Donnerstag, 07.12.1933 Eine erste Inspektion ergab, dass Danforth die „Belle“ nachhaltig sabotiert hat. Eine Reparatur mit eigenen Mitteln scheint aussichtslos, so dass uns nur noch ein Flugzeug bleibt. Die Lage ist alles andere als gut, aber immerhin haben wir jetzt einen Plan für unser weiteres Vorgehen. Halperin wird Jenkin, Ted und mich zu Lexingtons Lager fliegen. Dort nehmen wir alles an Treibstoff mit, was die „Enderby“ tragen kann, und Halperin fliegt mit Lexington zu unserem Lager zurück. Jenkin, Ted und ich bilden einen Stoßtrupp, der den Deutschen in die Ruinenstadt folgt. Auch wenn sie zu uns sehr höflich waren, so beunruhigt es mich trotz allem nicht zu wissen, wo sie sich rumtreiben. Immerhin scheinen sie ja mehr über diesen Ort zu wissen als wir. In der Zwischenzeit werden Prof. Moore und Starkweather die Umgebung unseres Lagers nach Hinweisen auf den Verbleib von Dr. Greene absuchen, von dem nach wie vor jede Spur fehlt. So schmerzlich es auch sein mag, aber vlt. sollten wir uns allmählich mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass wir unseren Kameraden nicht mehr lebend auffinden werden (wenn überhaupt). Wird das der Schlag, der die Moral der Männer endgültig bricht? Charlie und Sykes sollen für die Sicherheit im Lager sorgen. Charlie ist bei den anderen Teilnehmern seit seinem verachtenswerten Akt der Feigheit völlig unten durch und tritt nur noch als blasser Schatten seiner selbst in Erscheinung. Beim Abflug erhielten wir nochmals einen Eindruck von der tatsächlichen Größe der Stadt. Selbst eine Metropole wie New York mit ihren Hochhäusern verblasst dagegen. Doch durch die lebensfeindliche Landschaft und die albtraumhaft-fremdartige Architektur der Gebäude war es keine erhebende oder ehrfurchtgebietende Erfahrung, sondern vielmehr eine ernüchternde Erinnerung daran, wie völlig allein und von der Zivilisation abgeschnitten wir hier sind. Ich fühlte mich wie ein winziges Insekt, das einen schlafenden Riesen umkreist und hofft, dass er nicht erwachen möge. Der Landeplatz bei Lexingtons Lager war von zahlreichen pyramidenartigen Gebäuden umgeben, die teilweise bis zu einer Höhe von 70 Metern aufragten und untereinander durch steinerne Brücken verbunden waren. Unter uns Füßen fanden wir eine extrem dicke Eisschicht, als wären die Straßen hier einmal überflutet gewesen und dann eingefroren. Die Gebäude sind also eigentlich noch viel höher. Lexington konnte uns über die Pläne der Deutschen nur wenig berichten, aber offenbar suchen sie ein so genanntes „Urplasma“, eine „Quelle des Lebens“. Für mich klingen diese Begriffe wie aus einem dieser billigen Groschenromane, die zu Hause immer größeren Absatz finden, entnommen. Trotzdem, die Deutschen würden keine aufwändige und teure Expedition in die Antarktis veranstalten, versprächen sie sich davon nicht einen lohnenden Gewinn. Wir folgten ihren Spuren in die Stadt hinein und stießen recht bald auf ein großes Portal. Rechts davon befanden sich vier Durchgänge, links ein hohes Gebäude mit zahlreichen Öffnungen. Ganz deutlich konnten wir ein fast schon melodisches Pfeifen hören, dessen genauer Ursprung uns aber verborgen blieb. Nach einer kurzen Kletterpartie verschafften wir uns durch eine der Öffnungen Zutritt und gelangten über das Gebäude hinter das Portal, wo wir einen langen Tunnel vorfanden, dessen Wände wieder mit Friese verziert waren. Wir folgten ihm, bis wir links in der Wand in etwa 2,5 Metern Höhe eine Öffnung fanden. Dahinter mussten wir uns etwa 5 Meter abseilen und standen dann in einer großen Halle mit unwahrscheinlich dicken Wänden, die von Lochmustern überzogen waren. Nach hinten stieg die Decke an und der Boden, der mit großen ebenmäßigen Steinplatten bedeckt war, senkte sich ab, beinah wie ein sich öffnender Schlund. Wir drangen weiter in die Halle vor, bis wir vor uns etwas eigenartig Helles aus der Finsternis auftauchen sahen. Es handelte sich um ein großes, eiförmiges Gebilde, sicher an die 40 Meter hoch, völlig glatt und aus einem steinartigen kalten Material. Wir untersuchten das Gebilde eine Weile, bis sich irgendwann eine Tür öffnete, durch die Jenkin und ich gingen. Im Inneren führte eine gewundene Rampe nach oben zu einem abgetrennten Bereich, wo wir auf Meyer und Rielke stießen. Beide standen vor einer Art Spiegel, der ein seltsam waberndes Bild einer Landschaft zeigte. Es war fast schon unangenehm, das Bild zu betrachten, wie ein visuelles Rauschen, das die Sehnerven überreizt und Kopfschmerzen verursacht. Vor dem Spiegel stand ein Podest mit einer Art Kontrollfeld, dessen genaue Funktionsweise uns jedoch zunächst verschlossen blieb. Meyer und Rielke berichteten uns, dass Baumann in der Stadt tödlich abgestürzt war. Gleichzeitig bemerkten wir, dass die seltsame Landschaft in dem Spiegel wohl tatsächlich die Stadt darstellte, allerdings ohne den dicken Eispanzer. Bevor wir näher auf diese Entdeckung eingehen konnten, berührte Jenkin das Kontrollfeld. Das Gefühl, das mich überkam, lässt sich kaum in Worte fassen. Ich fand mich als ein Passagier im Bewusstsein eines troglodyten Affenmenschen wieder, der zusammen mit zahlreichen Artgenossen eine Art Sklavenkarawane bildete. Manche trugen große Transportkörbe, andere führten kamelähnliche Lasttiere mit sich. Die Kolonne wurde von Wesen bewacht, die in ihrer Erscheinung den Körpern ähnelten, die wir unter den Eiskegeln bei den Überresten des Lake-Lagers ausgegraben hatten. Ich bemerkte sehr schnell, dass ich nicht nur die primitiven Empfindungen des Affenmenschen wahrnehmen, sondern auch eine gewisse Kontrolle über seinen Körper ausüben konnte. Gleichzeitig wurde mir aber auch klar, dass der Affenmensch sich meiner Anwesenheit durchaus bewusst war und mit steigender Angst darauf reagierte. Größer als die Furcht vor der fremden Präsenz in seinem Kopf war aber die Angst vor seinen Bewachern, die uns durch die Stadt auf ein großes Portal zu trieben. Hinter dem Portal wartete ein großer Tunnel, der stetig hinab unter die Erde führte. Je weiter wir dem Tunnel folgten, umso unruhiger wurden die Affenwesen, beinah so als wüssten sie genau, dass etwas Unheilvolles am Ende des Weges auf sie warten würde. Nach einem Marsch, dessen Dauer und Länge ich kaum abschätzen kann, erreichten wir eine Höhle von gigantischen Ausmaßen, in der sich die Gestade eines unterirdischen Meeres befanden. Ein süßlich-fauliger Geruch lag in der Luft. Die Aufregung unter den Affenwesen erreichte ihren panischen Höhepunkt, als sich aus den Fluten große, gallertartige und tiefschwarze Klumpen erhoben, die Netze mit Fang hinter sich herschleppten. Kaum an Land stülpten sie Augen und Gliedmaßen aus ihren Körpern aus und begannen, den Fang auf die Affenwesen und Lasttiere zu verteilen, die an ihnen vorbeigetrieben wurden. Gleichzeitig begannen sie jedoch auch, sich sowohl die Lasttiere als auch die Affenwesen als Nahrung einzuverleiben. Ein schrecklicher Anblick, der die Panik unter den Sklaven mehr als erklärte. Als der komplette Fang verteilt war, begann die Kolonne den Marsch zurück an die Oberfläche. Kaum waren wir an die Oberfläche zurückgekehrt, machte sich wieder große Aufregung breit, diesmal jedoch auch unter den Wächterwesen. Von unserem Standort aus konnten wir den Fluss überblicken, der durch die Stadt fließt, und in dem jetzt ein großes, schwarzes…Ding trieb, das in Form und Aussehen am ehesten einer gigantischen Larve ähnelte. Sein Erscheinen versetzte die Wächter offenbar in große Furcht, da ihre hohen Kreischlaute über die ganze Stadt hallten. Auch in der Sklavenkarawane brach Panik aus. Ich weiß nicht genau, was über mich kam, doch plötzlich hatte ich nur noch den Gedanken, dieses Wesen im Fluss aus der Nähe zu sehen, es vlt. sogar zu berühren. Ich unterdrückte fast schon brutal den geistigen Widerstand meines „Vehikels“ und zwang den Körper dazu, auf den Fluss zuzulaufen und hineinzuspringen. Begleitet von den Alarmschreien der Wächter erreichte ich es schließlich, streckte die haarige Pranke des Affenmenschen aus…und fand mich am Boden vor dem Spiegel und dem Podest in meinem eigenen Körper wieder. Ein dünnes Blutrinnsal lief mir aus der Nase warm und kupfrig über die Lippen. In meinem Kopf tobte ein wahrer Sturm von Bildern und Eindrücken, die Trennlinie zwischen meinen eigenen und den Empfindungen des Affenmenschen unscharf und verwischt. Ein weißglühender Schmerz breitete sich vielarmig hinter meinen Augen durch mein Gehirn aus, untermalt von einem hochfrequenten Pfeifen. Ich war zwar nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen oder mich zu bewegen, doch eines war mir völlig bewusst: Als „ich“ das Wesen im Fluss berührte, hatte ich einen kleinen kurzen Einblick in seine Natur gewonnen. Zwar nur ein kurzer Lidschlag, doch genug um zu wissen, dass es nur ein winziger Teil einer viel größeren, unglaublich machtvollen Entität war. Und im gleichen Maße, wie ich einen Blick auf es erhaschen konnte, so hat es auch mich gesehen. Der Riese ist erwacht, und er hat das kleine Insekt bemerkt…
  6. Danke für das Lob Turtle, ich reiche das wie gehabt weiter an meinen fleißigen Schreiber. Jetzt dauert es allerdings wieder bis September. Das ist leider der Fluch bei so einer ewig langen Geschichte und gerade da macht mir das ausführliche Tagebuch es echt einfacher den roten Faden (besonders aus Sicht meiern Spieler) zu behalten. Ausserdem kann ich auf die Art immer abklopfen ob ich die richtigen Fährten lege und die Atmosphäre so vermittle wie ich das über den Büchern vorher geplant hatte.
  7. Und ein neuer Tagebucheintrag: (ACHTUNG SPOILER) ---------------------------------------------------------- Reisetagebuch Raymond Harsen Montag, 04.12.1933 (Fortsetzung) Wir verließen die Flugzeuge und standen zunächst regungslos auf dem großen Platz, unfähig, diese unerwartete Entdeckung zu verarbeiten. Dyer hatte damals ebenfalls die Miskatonic-Berge überflogen und das Hochplateau erkundet, von den Ruinen einer gigantischen Stadt hat er jedoch nie etwas erwähnt. Sollte er etwa diese Entdeckung für sich behalten haben, um später nochmals hierher zurückzukehren und sie genauer zu erforschen, bevor er damit an die Öffentlichkeit tritt? Schwer vorstellbar, aber diese Fahrt hat mich bisher so viel über die Sucht nach wissenschaftlichem Ruhm und Anerkennung, von der manche Männer unheilbar befallen sind, gelehrt, dass ich nichts ausschließen kann oder will. Oder liegt hier einfach nur ein Irrtum vor, ein Navigationsfehler? Hat Dyer die Berge an anderer Stelle überquert und deshalb nur eine öde Eiswüste vorgefunden? Ich muss einen unserer Piloten darauf ansprechen, am besten Halperin. Während Starkweather schon wieder begann, große Reden zu schwingen, konnte ich mich ein wenig umsehen. Was mir zunächst auffiel, war die relative Windstille. Zwar wirbelte immer wieder eine Bö Schnee und Eis auf, aber im Vergleich zu den Bedingungen im Basislager war es beinah gespenstisch ruhig. Unterstützt wurde dieser Eindruck von dem unterschwellig stets hörbaren Tosen des Sturmes, der die Gipfel der Bergkette erfasst hatte. Der Platz selbst wird von einem etwa 30m hohen Hügel aus Eis und Geröll beherrscht, der etwas abseits vom Zentrum liegt und sich über eine Breite von vielleicht 120m erstreckt. Beim Landeanflug konnte ich dahinter ein weitläufiges, grob halbmondförmiges Geröllfeld erkennen. Die Sonne steht tief am Horizont, dunkelrot und von einem Halo umkränzt. Bei dem Anblick beschlich mich erneut ein Gefühl tiefer Beklemmung. Ist das wirklich noch der Himmelskörper, dessen wärmende Strahlen so viele Polarforscher in den langen, eisigen Nächten schmerzlich vermissten? Oder blickt hier das zornige Auge des Arges, zyklopischer Sohn des Uranos, auf die armseligen Kreaturen, die sich in sein lebensfeindliches Reich verirrt haben? Noch bevor ich mich weiter meinen düsteren Überlegungen hingeben konnte, wurde ich jedoch von Prof. Moore zu einer Erkundung der umliegenden Gebäude gerufen. Das Gefühl, ständig beobachtet zu werden, konnte ich jedoch nicht wirklich abschütteln. Während der Rest der Mannschaft die Flugzeuge entlud, nahmen Prof. Moore und ich die Ruinen am Rande des Platzes in Augenschein. Es handelt sich zumeist um 30-40m hohe, quaderförmige Bauten, die nach oben hin in fast schon wabenförmige Strukturen übergehen und sich in verschiedenen Stadien des Zerfalls befinden. Alle wurden aus den gleichen dunkelgrauen Gesteinsblöcken errichtet, die offenbar mit großer Kunstfertigkeit aufeinander gefügt wurden. Speziell die Öffnungen, durch die wir die Ruinen betraten, sahen manchmal eher aus, als wären sie direkt aus dem Fels herausgeschnitten worden. Die Gebäude waren im Inneren völlig leer und die Böden von einer dicken Eisschicht bedeckt. Vermutlich war das Bodenniveau im Inneren ursprünglich deutlich tiefer, bevor sich das Eis gebildet hat. An den Wänden fanden wir zahlreiche Friese, die seltsame Sternbilder und Ansichten der Stadt zeigten. Prof. Moore war besonders von ihrer Filigranität und Kunstfertigkeit beeindruckt. Wir fanden schließlich ein Gebäude, dass noch stabil genug wirkte und ausreichend Platz für ein Lager bot. Dorthin brachten wir unsere Vorräte und Gerätschaften und errichteten Schlafzelte. Gegen 18 Uhr hatten wir das Lager errichtet und Jenkin, Charlie und ich machten uns daran, eine der größeren Ruinen zu untersuchen, die etwa 200m entfernt von uns lag. Der untere Teil sah aus wie eine Stufenpyramide, wobei jede Stufe etwa 5-6m Höhe maß. Im oberen Teil verjüngte sich dann das Gebäude zu einer Kuppel, die von einer Art Schornstein gekrönt wurde. Die Außenwände wurden immer wieder durch Fensteröffnungen unterbrochen, die aber völlig ungleichmäßig verteilt waren und jeweils unterschiedliche Größen aufwiesen. Die Erbauer dieser Stadt müssen über ein völlig anderes Verständnis von Symmetrie verfügen, als wir es tun. Die ständige Weigerung der vorherrschenden Formen und Linien, sich in die uns vertrauten geometrischen Strukturen zu fügen, zehrt deutlich stärker an den Nerven, als ich es für möglich gehalten hätte. Das Auge kann sich nirgends richtig ausruhen, der Geist wird immer wieder aufs Neue herausgefordert, im scheinbaren Chaos nach Ordnung zu suchen. Ich fühlte sehr schnell einen leichten Schmerz, der direkt hinter den Augen begann und sich von dort tiefer in meinen Kopf erstreckte. Jenkin schien hingegen voller Tatendrang und verschaffte sich mit Charlie Zutritt durch eines der unteren Fenster. Allerdings wäre er auf der anderen Seite beinah abgestürzt und verletzte sich an den Händen, als er in letzter Not das grobe Kletterseil packte. Zum Glück trug er seine Handschuhe. Das Innere des Gebäudes war, abgesehen von den Friesen an den Wänden, wieder völlig leer. Allerdings führte eine Rampe an der Wand entlang nach oben, und so folgten wir ihr. In der Kuppel fanden wir weitere Friese, die völlig unbekannte Sternkonstellationen zeigten. Am Boden der oberen Kammer war ein Relief eingelassen, das offenbar eine Art Karte der Stadt darstellte. Durch den Schornstein fiel ein Lichtkegel auf das Relief und markierte damit einen Ort, bei dem es sich wohl um den Platz handelt, auf dem wir gelandet sind. Wir machten zahlreiche Photographien und Jenkin fertigte Zeichnungen der Funde an. Während der Arbeit, es war wohl gegen 19 Uhr, bemerkte ich, wie mir schwindlig wurde. Dr. Greene hatte uns davor gewarnt, dass wir uns immer noch in über 5000m Höhe über Normalnull befinden und deshalb größere Anstrengungen in der sauerstoffärmeren Höhenluft unterlassen sollten. Zu dem Schwindelgefühl gesellte sich recht bald eine Empfindung, die zu beschreiben mir nicht leicht fällt. Eine gewisse Art von „Außerkörperlichkeit“ vielleicht, als wäre ich nur ein Passagier in meinem Körper. Ich fühlte mich desorientiert und hatte Mühe, die Gesichter von Jenkin und Charlie ihren Namen zuzuordnen, als ob sie mir unbekannt wären. Am ehesten kann man es wohl mit dem Aufwachen aus einem Traum vergleichen, wenn die Erinnerung an das Geträumte direkt hinter der Grenze des Unterbewussten liegt und man einfach nicht den Finger darauf legen kann, so sehr man es auch versucht. Zum Glück merkten Jenkin und Charlie, dass es mir nicht gut ging, und brachten mich zurück zum Lager. Dabei bemerkten wir, dass dichter Nebel über der Stadt aufgezogen war, was die ohnehin beklemmende Atmosphäre noch verstärkte. Dr. Greene untersuchte mich kurz und gab mir Sauerstoff. Ich fiel in einen ruhelosen Schlaf. Dienstag, 05.12.1933 Nach einem kärglichen Frühstück machten wir uns daran, den Geröllhügel näher zu erkunden. Die Stimmung unter den Männern ist gedrückt. Prof. Moore und Dr. Greene machen beide einen sehr abwesenden Eindruck, und selbst Starkweather scheint in einer deutlich gedämpfteren Stimmung als sonst zu sein. Zu allem Überfluss teilte uns Halperin mit, dass unser Treibstoff für den Rückflug extrem knapp kalkuliert wurde. Falls sich der Sturm über den Miskatonic-Bergen nicht legt und wir die Kette umfliegen müssen, wird es ein Tanz auf Messers Schneide. Von der „Belle“, in der Lexington und die Deutschen vorausgeflogen sind, fehlt nach wie vor jede Spur. Wir bestiegen den Hügel unter einigen Mühen und fanden in der Mitte eine etwa 20m tiefe Aushöhlung, an deren Wand eine umlaufende Rampe nach unten führte und dort nahtlos im Boden auslief. Jenkin äußerte die Vermutung, dass es sich hier womöglich einmal um eine Art Turm gehandelt haben könnte, der zur Seite wegbrach und bei seinem Sturz das Geröllfeld gebildet hat. Falls sich seine Vermutung bewahrheitet, dann konnte es der Turm an Höhe mit den modernen Wolkenkratzern in New York aufnehmen. Bevor wir die Rampe hinunterstiegen, sicherten wir uns mit einem Seil, was sich als sehr klug erwies. Auf halber Strecke brach ein Stück der Rampe unter dem vorausgehenden Charlie weg und er wäre sicher schwer gestürzt, wenn Jenkin und ich ihn nicht mit viel Mühe und Glück gehalten hätten. Wir benutzen dann eine Strickleiter, um den Rest des Abstiegs zu meistern. Am Boden angekommen entdeckten wir eine Reihe von großen, torbogenartigen Tunneleingängen, die unter die Erde führten. Teilweise waren diese verschüttet, aber manche scheinen immer noch begehbar zu sein. Auf dem Boden fanden wir auch eine große Panoramazeichnung der Stadt im Fels. Bevor wir weiter nachforschen konnten, machten wir einen grausigen Fund. Unter der Rampe entdeckten wir drei flache Objekte, die von Schnee und Eis bedeckt waren, und daneben einen der kegelartigen Schneehaufen, wie wir sie auch schon im alten Lake-Lager vorfanden. Ich kann nicht verleugnen, dass meine Hand unwillkürlich zu dem Revolver in meiner Tasche wanderte angesichts der mysteriösen Wesen, die wir in den Kegelhaufen in Lake's Lager gefunden hatten. Die flachen Objekte stellten sich bald als Schlitten heraus, von denen die Kufen abmontiert worden waren. Eine Plakette an einem der Schlitten mit der Aufschrift „Arkham Expedition 1930“ ließ in uns einen schrecklichen Verdacht aufkeimen, der bald zur traurigen Gewissheit wurde. In dem Eishaufen fanden wir den Leichnam eines jungen Mannes, nur halb angezogen und durch zahlreiche Stichverletzungen in Gesicht und Torso furchtbar zugerichtet. Ein Blick auf die eingenähten Namensschilder bestätigte uns, dass es sich um die sterblichen Überreste von Gedney handelte. Damit ist nun endlich auch das Schicksal des letzten Mitglieds der Lake-Expedition geklärt. Wir informierten Prof. Moore und die anderen Männer, und gemeinsam bargen wir den Leichnam und brachten ihn in unser Lager, wo Dr. Greene eine genauere Untersuchung des Toten vornehmen soll. Völlig unerklärlich ist jedoch, wie Gedney allein mit den drei Schlitten die mehrere hundert Kilometer lange Strecke von Lake’s Lager über die Berge hierher bewältigt haben soll. Jenkin, Charlie und ich kehrten anschließend zurück, um die Tunneleingänge weiter zu erforschen. In einem der Gänge fanden wir Papierschnipsel, die offenbar als Wegmarkierung gedient haben. Ich ertappte mich dabei, dass ich immer wieder an die Schilderungen von einem unterirdischen Tunnelsystem in dem Pym-Text denken musste. Als wir weiter in die Dunkelheit vordrangen, fand Jenkin einen der seltsamen Abdrücke, die möglicherweise von den seltsamen Wesen stammen. Wir stießen nach einiger Zeit auf eine Kreuzung und nahmen den rechten Gang, der in einen Raum mit vier Abzweigungen führte. Der Boden war dort völlig sauber und die Wände mit hohen Friesen verziert. Wir wählten die zweite Abzweigung von rechts, der wir schätzungsweise 200-300m folgten und die in einer Art Halle mündete. Auf jeder Seite befanden sich weitere fünf Tunneleingänge und in der Wand gegenüber war ein großes Tor, das wir durchschritten. Mir schien, als würden wir dem Tunnel endlos folgen. Die völlige Schwärze, in der unsere Taschenlampen wie drei verlorene Inseln inmitten eines gewaltigen Ozeans wirkten, schien mit jedem Schritt enger um uns zusammenzurücken. Ich verlor schnell jedes Zeitgefühl und musste immer wieder auf meine Armbanduhr schauen. Manchmal kamen mir fünf Minuten wie eine Ewigkeit vor, dann wieder verflog eine Viertelstunde scheinbar mit einem einzigen Lidschlag. Ich versuchte, meine Schritte zu zählen, um irgendeinen Anhaltspunkt über die zurückgelegte Distanz zu bekommen, aber ich verlor dabei immer wieder die Konzentration. Jenkin blieb ständig stehen, um die Wandverzierungen genauer zu untersuchen. Der Tunnel selbst ging allmählich in seiner Beschaffenheit von der unnatürlichen Glätte in fast rohen Fels über. Die Friese, die wir auf dem Weg fanden, schienen zunächst beinah mutwillig zerstört worden zu sein, später wirkten sie dann mehr wie primitive, fast schon barbarisch-naive Kopien der filigranen Felszeichnungen, die wir bisher in den Ruinen gefunden haben. Nach einer Strecke, die ich auf vielleicht auf einen Kilometer schätzen würde, traten wir aus dem Gang in eine weitere Halle. Sie war deutlich größer als die vorherigen Räume, die Lichtkegel unserer Lampen konnten sie nicht vollständig durchmessen. Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben einen Anfall von Agoraphobie. Ich hätte genauso gut am Rande eines gewaltigen Abgrunds stehen können, die Dunkelheit um mich herum schien völlig grenzenlos. Wir waren inzwischen alle drei nervlich so stark beansprucht, dass wir unsere Waffen gezogen hatten und hektisch in alle Richtungen zielten. Denn außer uns war noch etwas in dieser Halle! Wir alle glaubten immer wieder, an den Rändern unseres Sichtfelds Bewegungen wahrzunehmen, nicht mehr als vage Schatten. Dazu seltsame Geräusche, eine Art Schnattern und patschende Bewegungen. Irgendein Instinkt in mir ließ mich herumfahren, und da stand plötzlich im grellen Schein meiner Lampe dieses Ding vor mir! In Gestalt und Aussehen am ehesten mit einem Pinguin vergleichbar, jedoch beinahe sieben Fuß groß und schlohweiß, mit milchig-blinden verkümmerten Augen. Ich konnte gar keinen Gedanken mehr fassen, reflexartig feuerte ich und das großkalibrige Geschoss traf es oben am Körper. Mit einem furchtbaren Kreischen ging das Tier(?) zu Boden und zappelte noch eine Weile, während es ausblutete. Wir drei waren nun auch fast blind von dem Mündungsblitz meiner Waffe, und außer einem hochfrequenten Pfeifton konnten wir auch nichts mehr hören. Hier war für uns vorerst nichts mehr zu gewinnen und wir traten hastig den Rückzug an. Es verging wieder eine gefühlte Ewigkeit, bis wir unseren Ausgangspunkt bei der Turmruine erreichten. Es war nun beinahe 19 Uhr, und der dichte Nebel war zurückgekehrt. Ich fühlte mich wieder sehr schlecht und desorientiert, jedoch war es diesmal nicht ganz so schlimm wie am Vortag. Wir kehrten ins Lager zurück und berichteten von unseren Entdeckungen. Sykes erzählte uns, dass sie in einer der Ruinen seltsame Wannen und Wandbilder gefunden haben, die auf eine Verwendung als eine Art Stall oder Gehege hindeuten könnten. Auf den Bildern wurden affenähnliche Wesen in diesen Wannen wie Vieh geschlachtet. Wieder schweiften meine Gedanken zu dem Pym-Text zurück, in dem von Menschenopfern die Rede war. Sollten die affenähnlichen Kreaturen am Ende etwa Menschen sein? Prof. Moore rief nach dem Essen alle Teilnehmer zusammen und erklärte, dass übermorgen bei besserem Wetter die „Enderby“ zum Lager zurückfliegen werde. Ein Teil der Männer soll freiwillig hierbleiben, um die Stadt weiter zu erkunden, während die anderen die bisher gewonnenen Daten im Lager auswerten. Das Flugzeug solle dann mit weiteren Wissenschaftlern und Nachschub zurückkehren. Ich habe beschlossen, diesen glücklosen Ort zu verlassen und nicht mehr wiederzukommen. Jenkin möchte natürlich bleiben, aber vielleicht kann ich ihn noch umstimmen. Hier kann es für keinen von uns ein gutes Ende nehmen, das fühle ich genau. Wie konnte ich mich nur auf dieses Unternehmen einlassen? Ich war ein törichter Narr! Mittwoch, 06.12.1933 Ich hatte in der Nacht extrem schlecht geschlafen und fühlte mich am Morgen wie gerädert. Auf Anweisung der Expeditionsleitung sollten heute alle begonnenen Projekte abgeschlossen werden und die Aufzeichnungen bis zum Abend an Bord der „Enderby“ verstaut werden. Wir verbrachten den Tag damit, Photographien der Bauwerke und Wandbilder zu machen und umfangreiche Skizzen anzufertigen. Ich verfasste auf meiner Reiseschreibmaschine auch noch einen ausführlichen Bericht der bisherigen Arbeit. Gegen Abend zog wieder der dichte Nebel auf, als wir gerade die Turmruine verließen. Ich habe keine Erinnerung daran, was direkt danach geschah. Ich erwachte mitten in der Nacht im Zelt auf einer Pritsche. Charlie saß neben mir und sah mich besorgt an. Offenbar habe ich diesmal im Nebel völlig die Kontrolle verloren. In meinem Kopf tobt eine wahre Flut von Bildern und abgehackten Gesprächsfetzen, doch alles ist völlig konfus und bleibt für mich ungreifbar, wie ein böser Traum. Soweit Charlie mir berichtete fing ich auf dem Rückweg zum Lager plötzlich an, tiefer in die Stadt zu laufen. Als Jenkin dies bemerkte und nach mir rief versuchte ich offenbar, mich vor den beiden zu verstecken und, als das nicht funktionierte, zu fliehen. Sie mussten mich schließlich überwältigen, fesseln und ins Lager zurücktragen. Ich war völlig aufgelöst, habe unkontrolliert geweint und wohl keinen der Männer erkannt. Es machte den Anschein, als wären sie mir alle völlig fremd und ich würde um mein Leben fürchten. Man betäubte mich dann mit einer großzügigen Dosis Laudanum. Ist es jetzt also endgültig soweit, dass mich meine geistige Gesundheit im Stich lässt? Hat mich dieser gottverlassene Ort von dem trügerischen Pfad gestoßen, auf dem ich in den Jahren seit den Ereignissen in Dunwich mehr schlecht als recht gewandelt bin? Bin ich zu einer Gefahr für die Anderen geworden, zu einer furchtbaren Last? Bin ich eine Gefahr für mich selber? Es ist ein schreckliches Gefühl, nicht mehr Herr seiner Selbst zu sein! Ich will nur noch fort von hier und zurück in die Zivilisation! Ich will hier nicht zu Grunde gehen! Während ich bewusstlos war, haben sich die Ereignisse überschlagen. Dr. Greene, der in den letzten Tagen immer abwesender wirkte, ist spurlos verschwunden. Seit Mittwochmorgen wurde er nicht mehr gesehen. Allerdings gibt es Neuigkeiten von Lexington. Die „Belle“ ist 20km von hier gelandet, wurde dabei jedoch beschädigt und ist vorerst nicht flugfähig. Die Deutschen haben sich offenbar sofort auf den Weg in die Stadt gemacht, während Lexington und Williams, ihr Pilot, zurückblieben. Als Lexington dann ebenfalls das Lager kurz verließ, wurde es in ihrer Abwesenheit verwüstet und Williams war verschwunden, womöglich wurde er verschleppt. Eine Gruppe unter Führung von Starkweather traf zufällig auf sie und es wurde vereinbart, dass Halperin ihr mit dem Flugzeug hilft. Momentan befinden sich Starkweather, Moore, Sykes und Jenkin jedoch auf der Suche nach Dr. Greene. Charlie hatte sich offenbar dafür ausgesprochen, den Arzt einfach zurückzulassen und sofort wegzufliegen. Seitdem ist er bei der Expedition in völlige Ungnade gefallen. Natürlich ist es ein Akt verdammenswerter Feigheit, einen Kameraden hier seinem Schicksal zu überlassen. Doch tief in mir drin kann ich verstehen, was ihn dazu getrieben hat. Auch ich will schließlich nur noch hier weg. Noch während Charlie mir von all den Ereignissen berichtete, hörten wir draußen eine dumpfe Explosion und dann das Prasseln von Schrapnellteilen gegen die Außenwand unseres Unterschlupfs. Als wir beide nach draußen stürzten, sahen wir eine einsame Gestalt, die von der lichterloh brennenden „Enderby“ wegrannte, verfolgt von Jenkin und den anderen. Charlie und ich nahmen ebenfalls die Verfolgung auf. Nach einigen hundert Metern blieb die Gestalt plötzlich stehen, zog eine Waffe…und schoss sich selbst in den Kopf! Ich erreichte sie gerade noch rechtzeitig, als sie ihre letzten Atemzüge tat. Die Wunde am Kopf war grässlich, selbst im besten und modernsten Hospital Neuenglands hätte keine Chance bestanden. Es war Williams, der da vor mir lag, ich erkannte ihn von einer der Besprechungen mit Lexingtons Leuten wieder. Er murmelte noch einige Wortfetzen, die wie eine Aufzählung von Haltestellen oder so ähnlich klang, dann hatte er es hinter sich und lag regungslos auf dem Eis. Jenkin und der Rest erreichten uns dann auch. Noch während wir rätselten, was Williams zu dieser Wahnsinnstat getrieben haben könnte, fiel uns auf, dass dem Mann vor uns ein Finger der linken Hand fehlte. Es war der gleiche Finger, den sich Danforth damals auf der Dyer-Lake-Expedition im Wahn selbst abgebissen hat! Waren Williams und Danforth etwa die gleiche Person? Es wird immer verworrener, nichts ergibt mehr einen Sinn! Als wir so um die Leiche von Danforth/Williams herumstanden, hörten wir wieder das Heulen des Windes von den Miskatonic-Bergen. Die furchtbare Einsamkeit legt sich wie ein Albdruck um unsere Schultern. Gott steh uns bei…
  8. Endlich konnten wir die Sache mal wieder anpacken. Viel Spaß beim Lesen. (ACHTUNG SPOILER) ---------------------------------------------------------- Reisetagebuch Raymond Harsen Samstag, 02.12.1933 Ich verbrachte die Nacht damit, das Ende des Pym-Textes zu lesen, das mir Dr. Meyer gab. Es ist eine bizarre Fantasterei, anders kann ich es nicht beschreiben. Von Höhlensystemen ist dort die Rede, die mit einer Art Grubenbahn befahren werden. Von seltsamen Eingeborenen, die europäische Seefahrer als Sklaven gefangen halten und sie seltsamen Monstern als Opfer darbringen. Warum uns Meyer das alles zu lesen gab bleibt mir rätselhaft. Prof. Moore ist davon überzeugt, das der Deutsche diesen Text für bare Münze nimmt. Ein beunruhigender Gedanke. Wieder fand ich nur mit Hilfe des Laudanums ein wenig Ruhe. Als ich mich nach dem Aufwachen zum ersten Mal seit einigen Tagen im Spiegel betrachtete, bin ich tatsächlich ein wenig erschrocken und betastete unwillkürlich mein Gesicht mit meinen Fingern, als müsste ich mich davon überzeugen, dass wirklich ich es bin, der mir da entgegenblickt. Meine Haut ist von ungesunder Blässe, beinahe wächsern. Die Wangen sehen eingefallener aus als sonst, dunkle Ringe haben sich unter den Augen gebildet, die mich matt und unstet anblicken. Tiefe Falten haben sich um Mund und Augen in mein Gesicht gegraben. Ich habe mich schon länger nicht mehr rasiert, die Bartstoppeln sind inzwischen mehrheitlich grau-weiß. Die gleiche Entdeckung machte ich bei meinem Haupthaar. Macht diese Expedition mich etwa noch vor meiner Zeit zum Greis? Mein Blick verrät die große Erschöpfung und Apathie, die ich seit Tagen fühle. Dazu kommt die nahezu vollständige Appetitlosigkeit, mit der ich mich herumschlage. Dr. Greene hält sie für eine Nebenwirkung des Laudanums und hat mir ein Vitamintonikum dafür gegeben. Das Fläschchen muss hier irgendwo sein, ich werde es später suchen. Heute Morgen erschien mir die Bergkette, in deren Schatten wir unser Lager aufgeschlagen haben, noch etwas bedrohlicher und massiver als zuvor, beinahe so, als wäre sie über Nacht näher an uns herangerückt. Ein absurder Gedanke, ich weiß … und trotzdem ertappte ich mich auf dem Weg zum Messezelt mehrmals dabei, wie ich nervös über meine Schulter zu den zerklüfteten Graten hinter mir blickte. Prof. Moore verkündete uns beim Frühstück, dass für Montag nun auch endgültig der Überflug über die Gebirgskette und die Erkundung des dahinter liegenden Hochplateaus geplant war. Natürlich blieb es wieder an uns hängen, die Beladung der Flugzeuge anhand der vorgegebenen Listen zu prüfen. Wer auch immer diese Listen erstellt hat, er muss ein rechter Stümper gewesen sein! Ted bemerkte recht schnell, dass die Gewichtsberechnung für ein anderes Flugzeugmuster gemacht worden war und wir über eine Tonne Gewicht zu viel an Bord hatten. Am Nachmittag hätte die „Belle“, das Flugzeug der Lexington-Expedition, beinahe eine Bruchlandung erlitten. Offenbar war der Sauerstoff, den die Besatzung an Bord benutzte, verunreinigt und hat den Piloten aus seiner Konzentration gerissen. Man könnte es als ein düsteres Omen für unseren bevorstehenden Flug auffassen, wenn man dergestalt veranlagt wäre. Jenkin überprüfte daraufhin unsere Sauerstoffflaschen und stellte tatsächlich bei vielen eine ähnliche Verunreinigung fest. Als ich Prof. Moore damit konfrontierte, verstieg er sich in die üblichen Floskeln und Durchhalteparolen, die er mir schon in der Vergangenheit aufgetischt hatte. Ich habe meinen Posten als „Sicherheitsbeauftragter“ (Oh, was für eine bittere Ironie!) mit sofortiger Wirkung aufgegeben. Es reicht, ich bin es endgültig leid! Nachmittags dann auch eine weitere Therapiesitzung mit Dr. Greene, die sich recht unerfreulich entwickelte. Der elende Quacksalber möchte das Laudanum absetzen und mir weitere Kostproben seiner Seelenklempnerei angedeihen lassen. Die intellektuelle Eitelkeit trieft ihm aus jeder Pore, wenn er sich wie ein schlechter Possenreißer mit überschlagenen Beinen auf seinem Stuhl niederlässt und mir Fragen zu meinen Ängsten und Empfindungen stellt, während er gleichzeitig betont wichtig mit gespitzten Lippen in sein Notizbuch kritzelt. Manchmal werde ich dabei so wütend, dass ich am liebsten aufspringen und ihm seine eitle Visage polieren würde. Was würde Dr. Freud wohl dazu sagen, hm? Aber leider ist er meine einzige Quelle, die mich mit Laudanum versorgt. Ich habe diesmal besonders aufgepasst, die Truhe mit den Medikamenten ist fest verschlossen und er trägt den Schlüssel stets in seiner Brusttasche. Momentan sehe ich keine Möglichkeit, ohne großes Aufsehen an den Stoff heranzukommen. Abwarten… Sonntag, 03.12.1933 Nur noch drei Wochen bis Heilig Abend. Zuhause in Boston hängen jetzt schon die Strohsterne in den Fenstern und die Menschen singen Weihnachtslieder. Bei uns ist von festlicher Stimmung jedoch kaum etwas zu spüren. Letzte Nacht wurde das Camp von einem heftigen Schneesturm getroffen. Bisher hatten wir, so unglaublich das auch klingt, mit dem Wetter großes Glück. Doch jetzt zeigte sich die Antarktis von ihrer menschenfeindlichsten Seite. Trotz der Schneewälle, die wir zum Schutz um die Zelte aufgeworfen haben, wäre die Unterkunft der Hundeführer beinahe von den gewaltigen Böen davongerissen worden. Nur mit vereinten Kräften gelang es uns, die wild herumschlagenden Planen wieder halbwegs unter Kontrolle zu bringen. Wir verbrachten den Tag mit weiteren Vorbereitungen. Jenkin stellte mit den Hunden einige Experimente an um herauszufinden, worauf sie so ungewöhnlich stark und aggressiv reagieren. Offenbar hat es etwas mit diesen Dingern zu tun, die wir in den Überresten des Lake-Lagers gefunden haben. Ted stellte die Vermutung an, dass es sich dabei um eine Art von Raubtier handeln könnte, das hier im ewigen Eis heimisch ist. Eigentlich ein absurder Gedanke, aber schließlich habe auch ich die seltsamen Spuren im Untersuchungszelt gesehen. Zumindest würde das auch die schrecklich zugerichteten Hundekadaver erklären, die wir fanden. Auf jeden Fall schlug unser Mormone die Einrichtung einer Nachtwache vor, und einer der wissenschaftlichen Assistenten meldete sich auch prompt als Freiwilliger. Wenn ich eines gelernt habe, dann dass man sich bei solchen Unternehmungen möglichst dezent im Hintergrund halten sollte. Keine zehn Pferde bringen mich dazu, bei völliger Finsternis und Schneetreiben allein ums Camp herum zu stolpern und mich möglichen Räubern als Mitternachtshappen anzubieten. Ebenfalls zu beobachten war, dass Lexington ihren Schulterschluss mit den Deutschen nun wohl endgültig vollzogen hat. Zumindest gibt sie sich keine Mühe mehr, ihre Zusammenarbeit irgendwie zu kaschieren. Stattdessen geht sie offen in deren Lager ein und aus und berät sich auch permanent mit Dr. Meyer und den anderen. Im Lauf des Tages Montag, 04.12.1933 Am Morgen nach einem hastigen Frühstück dann endlich der mit Spannung erwartete Abflug. Inzwischen hat unser Expeditionsleiter auch seinen Egotrip am Beardmore-Gletscher abgebrochen und sich für die Erkundung des Hochplateaus wieder uns angeschlossen. Es fällt mir schwer, meine Abneigung gegen den Kerl im Zaum zu halten, seine aufdringlich-heuchlerische Kumpanei treibt mich zur Weißglut. Wir verteilten uns auf die Flugzeuge, die von Ted und Halperin geflogen wurden. Jenkin und ich haben uns für Halperin entschieden, der Mormone ist uns einfach nicht geheuer. Der Start verlief reibungslos und wir nahmen Kurs auf die Bergkette. Ich merkte schnell, dass ich wieder die gleichen Probleme mit den Ohren hatte wie schon beim letzten Flug. Die Schmerzen waren enorm, als hätte man meinen Schädel in einen Schraubstock geklemmt. Deshalb war ich mir zunächst auch nicht sicher, ob ich die regelmäßigen Felsformationen auf den umliegenden Bergspitzen wirklich gesehen hatte oder nur einer optischen Täuschung aufgesessen war. Doch als Jenkin sie ebenfalls sah, waren meine Zweifel ausgeräumt und ich konnte sie mit einem Feldstecher genauer betrachten. Sie sahen tatsächlich zu regelmäßig und gleichförmig aus, um ein bloßes Produkt geologischen Zufalls zu sein. Ich musste an die Aufnahmen von Ausgrabungen in Mesopotamien denken, bei der eine britische Expedition Ruinen eines babylonischen Ziggurats freigelegt hatte. Aber wer hätte hier auf den eisigen Gipfeln der Antarktis so etwas errichten sollen? Um nicht die gesamte Bergkette überfliegen zu müssen, führte unser Kurs durch einen anfänglich noch recht breiten Kamin zu einem Gebirgssattel. Während wir stetig an Höhe gewannen, rückten die Felswände immer enger zusammen, bis schließlich kaum noch Platz links und rechts von den Tragflächen blieb. Immer wieder sahen wir im Fels Öffnungen, die wie Höhleneingänge aussahen, doch bei der großen Geschwindigkeit können wir uns auch getäuscht haben. Trotzdem musste ich unfreiwillig an das Ende des Pym-Textes denken, den ich erst am Freitag gelesen habe. Schließlich, nach Minuten, die sich zu endlosen Stunden zu dehnen schienen und die Halperin in verbissener Konzentration, der Rest von uns in hilfloser Anspannung verbrachte, verließen wir den Kamin und überquerten den Sattel des Gebirges. Das Plateau lag tiefer, als wir erwartet hatten, und wir näherten uns beinahe im Sturzflug. Was wir zu Gesicht bekamen, machte uns sprachlos. Unter uns erstreckt sich, soweit das Auge reicht, eine wahnhaft-bizarre Landschaft, die durch ihre streng geometrischen Formen einer gigantischen Stadt gleicht. Wir umflogen gewaltige, turmähnliche Bauten und zerbröckelnde Gebäuderuinen, die alle aus großen Schieferblöcken errichtet wurden. Jenkin datierte das Gestein auf die Kreidezeit, womit es über 50 Millionen Jahre alt wäre. Eine kaum vorstellbare Zeitspanne, doch noch weniger vorstellbar ist für mich, wer an diesem gottverlassenen Flecken der Welt eine solch riesige Stadt bauen würde. Mitten durch die Stadt verlief eine Kluft, die möglicherweise ein ausgetrocknetes Flussbett war. Wir kreisten mehrfach, bis Halperin einen freien Platz von 700-800 Metern Durchmesser fand und zur Landung ansetzte. Der Funkkontakt zu der zweiten Maschine war schon die ganze Zeit unterbrochen, aber offenbar hatten unsere Piloten dieses Manöver zuvor abgesprochen und Ted folgte unserem Landeanflug. Jenkin ist völlig aus dem Häuschen vor Aufregung, wie ein Jagdhund der Witterung von seiner Beute aufgenommen hat und nun ungeduldig an seiner Leine zerrt. Es ist jetzt 12.05 Uhr am 04.12.1933, und gleich werden wir zum ersten Mal Fuß auf diesen fremden Boden setzen. Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache…
  9. Und weiter geht´s! Wir stehen kurz vor dem Überflug der Berge, ich bin so aufgeregt. ;-) (ACHTUNG SPOILER) ---------------------------------------------------------- Reisetagebuch Raymond Harsen Donnerstag, 30.11.1933 Ich erwachte in dem improvisierten Schlafraum, den Jenkin und ich uns nach dem Unfall mit dem Sendemast in unserem Transportflugzeug eingerichtet haben. Das Laudanum, das mir Dr. Greene gestern verabreichte, hat mich in einen langen, gleichwohl jedoch wenig erholsamen Schlaf versetzt. Ich träumte von dem Schiffswrack, das wir auf der Fahrt zur Ross-See gesichtet haben. In meinem Traum bin ich in einem kleinen Boot von der „Gabrielle“ hinübergerudert, während die Männer unserer Besatzung an der Reling standen und mir zusahen. Das Wrack in meinem Rücken löste in mir ein Gefühl von großer Nervosität aus, so dass ich mich immer wieder dazu gezwungen sah, über meine Schulter zu blicken. Als ich endlich den Bug des Schiffes erreichte stellte ich fest, dass es sich nicht etwa um ein von Eis überzogenes Schiff handelte. Nein, das Schiff selbst bestand komplett aus Eis. Trotzdem kletterte ich daran empor und setze schließlich einen Fuß auf das Vorderdeck. In diesem Moment begannen die Besatzungsmitglieder, mir lautlosen, beinahe spöttischen Applaus zu spenden. Dann kam ich zu mir. Ich fühle mich immer noch sehr erschöpft und ausgelaugt, habe Schwierigkeiten damit, mich zu konzentrieren. Manchmal könnte ich schwören, aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrzunehmen, doch sobald ich meine Aufmerksamkeit darauf richte, ist nichts zu entdecken. Ebenso bin ich mir hin und wieder sicher, seltsame Geräusche zu hören. Mal ist es ein schwaches Summen, wie von einer elektrischen Leitung, dann wieder ein sanftes Kratzen, wie Nägel auf einer Schiefertafel, das mir jedes Mal durch Mark und Bein geht. Keiner der anderen scheint die Geräusche zu hören, und ich fürchte mich davor, mich jemandem anzuvertrauen. Selbst Jenkin sieht mich seit gestern so eigenartig an wenn er sich sicher scheint, dass ich es nicht bemerke. Womöglich halten sie mich ja alle schon für wahnsinnig und ich ende in Fesseln, wie die beiden armen Gestalten aus Lexingtons Expedition. Aber nein, so kann und will ich nicht denken! Beim Frühstück meinte Prof. Moore, dass ich noch immer sehr mitgenommen und fahrig auf ihn wirken würde. Deshalb hat er mir für heute leichten Dienst verordnet und mich mit der Katalogisierung der Fundstücke beauftragt, die wir gestern aus den Zelten geborgen haben. Mir ist das sehr recht, um nichts in der Welt möchte ich mich den Zelten nähern, in denen vielleicht noch mehr von den scheußlichen Dingern begraben liegen. Dr. Greene bat mich, im Lauf des Tages einmal bei ihm vorbeizuschauen. Der feine Herr Doktor glaubt wohl, in mir ein passendes Objekt für seine Seelenklempnerei gefunden zu haben. Mit der Katalogisierung kam ich nur sehr langsam voran. Einerseits, weil es mir sehr unangenehm war, die oftmals mit Blut verschmierten Gegenstände auf Hinweise zu untersuchen. Andererseits aber auch, weil mein Konzentrationsvermögen offenbar stärker angegriffen ist, als ich bisher bereit war, mir einzugestehen. Beim Schreiben war ich plötzlich wie weggetreten. Als ich wieder zu mir kam, waren nach meiner Uhr mehr als 20 Minuten vergangen. Das Absonderlichste war jedoch, dass ich in dieser wohl unbewusst weitergeschrieben habe. Mehrere Seiten waren dicht mit meiner Schrift gefüllt, doch die Worte waren seltsam verdreht und ergaben keinen Sinn. Vertauschte Buchstaben und Sätze, die in Fragmente zerrissen über mehrere Zeilen, scheinbar wahllos, verteilt waren. Ich habe mich tief erschrocken und die Seiten hastig aus dem Notizbuch gerissen. Später habe ich sie in einem der Öfen im Messezelt verbrannt. Besser, wenn niemand Wind davon bekommt! Die schwarze Flüssigkeit, die wir auf vielen Kleidungsstücken fanden, scheint zu den seltsamen Dingern zu gehören. Zumindest ist sich Dr. Bryce da recht sicher, auch wenn er ansonsten mit seinem Latein am Ende zu sein scheint. Er sagte mir, dass er diese Wesen nach keiner der gängigen Normen der Botanik oder Zoologie zuordnen könne. Pflanzen scheinen es nicht zu sein, aber auch keine Tiere. Am ehesten würde er sie als Seekreaturen bezeichnen, doch auch das ist bestenfalls annähernd korrekt. Es hat wohl auch nicht wirklich geholfen, als ich ihm von den seltsamen Spuren erzählte, die Jenkin in den Zelten fand und die von den Dingern zu stammen schienen. Für ihn ist das völlig ausgeschlossen, eine schlüssige und überzeugende Erklärung für die Spuren konnte er aber auch nicht liefern. Derweil arbeiteten Jenkin und Prof. Moore weiter an der Freilegung der übrigen Zelte. Unterbrochen wurden sie dabei von der Landung dreier Flugzeuge, die Teil der deutschen Expedition zum Südpol sind. Deren Leiter, ein gewisser Dr. Johann Meyer, stellte sich uns zusammen mit zwei seiner Kollegen dann auch gleich vor. Sowohl Dr. Meyer als auch Dr. Uhr und Dr. Rielke machten einen höflichen Eindruck, aber meine alte Abneigung gegen Deutsche brach sich mal wieder Bahn. Ich kann mir einfach nicht helfen, aber nach meinen Erfahrungen im Krieg bringe ich diesem Volk kein Vertrauen mehr entgegen. Zwar reden viele Menschen davon, dass sich unter diesem neuen Reichskanzler Hitler in Deutschland vieles zum Besseren wandelt und die Deutschen sich auf friedlichem Wege ihren Platz in der Gemeinschaft der Völker suchen wollen, aber ich kann das nicht so recht glauben. Zu martialisch ist das Auftreten von diesem Mann und seinen Braunhemden, zu häufig wird in Berlin vom „Versailler Schandfrieden“ gesprochen. Schmitt, einer der Schriftsetzer beim „Tattler“, ist erst vor zwei Jahren aus Deutschland ausgewandert und hat mir einmal von dem Terror berichtet, den Hitlers NSDAP und ihre Schlägertrupps gegen politisch Andersdenkende und jüdische Mitbürger vom Zaun brechen. Ich denke, dass wir alle gut beraten sind, wenn wir die Deutschen und ihren neuen, starken Mann an der Spitze genau im Auge behalten. Genau das habe ich dann auch, mit Zustimmung von Prof. Moore, getan. Dr. Meyer gab unumwunden zu, dass er und seine Leute sich auch für Lake's Funde interessieren und Grabungen vornehmen wollen. Also habe ich mich mit einem Fernglas in Dr. Greenes Zelt zurückgezogen und von dort den Aufbau des deutschen Lagers, westlich von unserer Position, mitverfolgt. Sie scheinen hervorragend ausgestattet zu sein und erledigen ihre Arbeiten mit großer Effizienz und Ordnung. Da Meyer an uns alle eine offene Einladung ausgesprochen hat, das Lager zu besuchen, habe ich mich dort dann auch etwas genauer umgesehen und konnte dabei eine Kladde erbeuten, die zusammen mit den abgefangenen Funksprüchen darauf schließen lässt, dass Lexington offenbar mit den Deutschen gemeinsame Sache macht. Das erklärt dann auch, warum sie so pünktlich zum Beginn der Bohrarbeiten hier aufgetaucht sind. Prof. Moore war davon recht beunruhigt. Zwischendurch war ich dann auch noch bei Dr. Greene, der mir eine ordentliche Portion seiner so genannten Psychoanalyse angedeihen ließ. Auf sein Geschwätz, mit dem er vor allem seiner intellektuellen Eitelkeit schmeicheln will, gebe ich keinen Schuss Pulver. Aber das Laudanum, das er mir zur Beruhigung verordnet hat, sollte mir zumindest beim Schlafen helfen. Freitag, 01.12.1933 Heute habe ich, auf Anordnung von Prof. Moore, das Hilfsangebot der Deutschen angenommen und wir arbeiteten gemeinsam an der Freilegung der drei Flugzeugunterstände, die Lake’s Leute angelegt hatten. Interessanterweise richten sich die Deutschen hier nicht nach der Antipoden-Zeit, sind also genau 12 Stunden versetzt zu uns und arbeiten, während wir schlafen. Da mein Schlafrhythmus durch das Laudanum ziemlich aus den Fugen geraten ist, war ich die logische Wahl für die Aufgabe. Mit der technischen Ausrüstung der Deutschen gelang es uns auch, die Eispanzer um die Flugzeuge in mehrstündiger Arbeit abzutragen…nur um dort weitere grausige Funde zu machen. Wieder fanden wir die Überreste von Schlittenhunden, die jemand (oder etwas?) furchtbar zugerichtet hat. Einem wurde das komplette Fell abgezogen, einem anderen der Schädel geöffnet und das Gehirn entfernt. Eingeweide lagen wahllos zerstreut umher. Eine makabre, schauerliche Szenerie, die sich unserem Anblick bot. Auch die Deutschen wirkten schockiert und besorgt. Als wir weiter suchten, fanden wir am Boden immer wieder rote Flecken, die von Salzresten umgeben waren. Ich konnte mir darauf zunächst keinen Reim machen, doch Dr. Meyer wies darauf hin, dass wohl jemand die Kadaver der Hunde mit Salz bedeckt hat. Aber wozu? Wollten die Männer etwa Vorräte anlegen? Sie mussten doch noch ausreichend Proviant bei sich gehabt haben. Mit diesen Überlegungen im Hinterkopf stießen wir schließlich im dritten Unterstand auf ähnliche Blut- und Salzspuren, die jedoch in Form und Größe nicht zu den Kadavern der Hunde passten. Vielmehr schienen sie menschenartige Umrisse zu formen. Was ist hier geschehen? Kam es unter Lake’s Männern zum Kannibalismus? So abscheulich der Gedanke ist, es wäre nicht die erste Polarexpedition, bei der sich derartiges ereignet. Ich habe Berichte über die Expedition von Adolphus Washington Greely und das „Jeanette“-Unternehmen von George Washington DeLong gelesen, bei denen es wohl in der größten Verzweiflung zu kannibalistischen Handlungen gekommen war. Aber es kann nicht sein, dass sich hier so etwas abgespielt hat. Lake und seine Männer waren nur kurze Zeit hier, sie hatten Proviant und hätten sich kaum zu dieser Abscheulichkeit hinreißen lassen. Es muss dafür eine andere Erklärung geben, auch wenn wir sie jetzt noch nicht sehen können. Ich hatte nach unseren Entdeckungen erstmals das Gefühl, dass die Eiseskälte der Antarktis nun auch von meinem Innersten Besitz ergreift. Bisher habe ich sie als gefährlichen, lebensfeindlichen Ort wahrgenommen, doch nun kann ich mich nicht länger gegen den Eindruck wehren, dass hier etwas durch und durch Böses am Werke ist. Ich kann meine Empfindungen nicht recht in Worte fassen, doch ein starkes Gefühl von Einsamkeit und Verzweiflung legt sich wie ein schwerer Mantel um meine Schultern. Oder so will es mir zumindest scheinen. Dr. Meyer war erstaunlich gefasst und bat mich, Prof. Moore zu wecken und herbeizuholen. Als der Professor und ich zurückkehrten, überreichte Meyer uns einen Text, den er als die vollständige Version von „Die denkwürdigen Erlebnisse des Arthur Gordon Pym“ bezeichnete. Ich kenne die Erzählung von E. A. Poe noch aus meiner Studienzeit, eine in der Tat merkwürdige Geschichte über die Irrfahrten eines jungen Seemannes, den es auch in die Südpolargegend verschlägt und die merkwürdig abrupt endet. Dr. Meyer bat uns, die vollständige Version zu lesen, danach würden wir klarer sehen und er will sich dann erneut mit uns besprechen. Damit verließen er und seine Leute den Unterstand und verschwanden in Richtung ihres Lagers. Ich fürchte, dass ich auch diese Nacht keine Ruhe finden werde. Aber vielleicht ist das auch besser so. Wer weiß schon, welcher Schrecken in den finsteren Ecken meines Verstandes darauf wartet, dass ich unvorsichtig meine Augen schließe…
  10. Und es lief ganz wunderbar, trotz meiner vorherigen Befürchtungen, da ich stundenlang fluchend spielrelevante Informationen aus dem Fließtext gepickt hatte. ;-) Wie auch immer, hier die aktuellen Tagebucheinträge und einen weiteren Artikel unseres todesmutigen Journalisten im ewigen Eis: (ACHTUNG SPOILER) ---------------------------------------------------------- Reisetagebuch Raymond Harsen Sonntag, 26.11.1933 Unser Tag begann mit einer bösen Überraschung. Sowohl Cory als auch Ted klagten über starke Übelkeit und Magenbeschwerden. Offenbar war das Pinguinfleisch, das Ted uns vorsetzte, doch nicht so bekömmlich. Ich kann mir eigentlich nur nochmal zu meiner Entscheidung gratulieren, den Fraß nicht angerührt zu haben. Für den morgigen Flug fällt Ted als Pilot deshalb aus und Halperin wird für ihn einspringen müssen. Das bereitet mir eigentlich keine weiteren Kopfschmerzen, der Mann macht einen passablen und kompetenten Eindruck. Deutlich mehr Sorgen mache ich mir wieder einmal um Starkweather, der gleich beim Frühstück verkündete, mit einigen Männern spontan zum Beardsmore-Gletscher fliegen zu wollen, um dort zu fotografieren und kartographische Messungen durchzuführen. Ich kann mir schon denken, was dahinter steckt: Eine neuerliche Selbstinszenierung dieses aufgeblasenen Egomanen als unerschrockener Abenteurer, öffentlichkeitswirksam für die Nachwelt auf Zelluloid gebannt. Seine Geltungssucht wird uns allen noch zum Schaden gereichen, ich fühle es mit jeder Faser meines Körpers. Mir fällt es zunehmend schwer, meine Abneigung gegen den eitlen Schwätzer im Zaum zu halten. Seinetwegen gehen Sarah und ich nun auch getrennte Wege, zu unterschiedlich sind unsere Meinungen über ihn. In ihrer Naivität sieht sie lediglich sein geschöntes Äußeres, aber nicht den durch und durch faulen Kern. Soll sie doch mit ihm glücklich werden, vermutlich ist das auch besser so. Für den Flug morgen werden Moore, Halperin, Miles, Jenkin und ich die „Weddell“ nehmen, während Lexington mit drei Begleitern in der „Belle“ folgt. Die Atmosphäre zwischen beiden Expeditionen hat sich einigermaßen eingependelt, ist aber nicht völlig frei von Spannungen. Gerade Ms. Lexington ist im Umgang genauso schwierig wie Starkweather. Hoffentlich schafft diese Erkundung eine bessere Basis für gegenseitiges Vertrauen. In der Nacht hatte ich wieder einen Alptraum. Ich lief über ein strahlend weißes Eisfeld, als ich auf die Fußspuren eines Clowns traf. Noch während ich sie untersuchte, überraschte er mich von hinten und zeigte mir seine schreckliche Fratze. Ich wachte schweißgebadet auf und musste mich erstmal mit einem ordentlichen Schluck stärken. Damit sind meine Reserven leider aufgebraucht. Montag, 27.11.1933 Gegen 15 Uhr starteten wir mit der vollgepackten „Wedell“ Richtung Südwesten. Starkweather war schon vor uns zum Beardsmore-Gletscher aufgebrochen. Nach drei Stunden zeigten sich am Horizont dunkle Schemen, die sich bald als das gigantische Bergmassiv herausstellten, von dem schon im Abschlussbericht der Miskatonic-Expedition gesprochen wird. Wir hielten für weitere zwei Stunden bei stetigem Steigflug den Kurs. Je mehr sich die Gebirgskette aus dem Dunst schälte, umso imposanter und ehrfurchtgebietender wurde sie. Selbst die Vorgebirge erreichen Dimensionen, die es mit den höchsten Gipfeln der Alpen ohne weiteres aufnehmen können. Das Felsmassiv lag vor uns wie eine düstere Festungsmauer, in deren Schatten wir nun nach dem letzten Lager der Lake-Expedition suchen müssen, winzig und zerbrechlich wie Insekten im Angesicht von Riesen, die sich mit brachialer Gewalt ihren Weg aus dem Eispanzer des Südpols bahnen. Die ständigen Funkinterferenzen und der unbrauchbare Magnetkompass machten die Aufgabe nicht einfacher, Helperin musste gegen Ende völlig auf Sicht fliegen. Ich litt während des Flugs unter durch den abfallenden Luftdruck ausgelösten Kopfschmerzen. Seit den Feuerstürmen der Argonne-Schlacht habe ich damit immer wieder Schwierigkeiten, die zahllosen Granatexplosionen haben damals offenbar mein Innenohr nachhaltig geschädigt. Aber so schlimm wie dieses Mal war es noch nie! Ich hatte tatsächlich Angst, mir würde der Schädel zerbersten und ich würde in einem Leichensack nach Boston zurückkehren. Nie war ich so froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, wie in dem Augenblick, als wir endlich das Lager gefunden hatten und gelandet waren. Das Lager selbst, oder besser seine Überreste, bot einen erbärmlichen Anblick. Es lag in einem kleinen Talkessel in den Vorgebirgen, im Schatten des Felsmassivs. Ich spürte eine starke Beklemmung, als ich die ersten Schritte an dem Ort unternahm, an dem Lake und seine Männer so unselig zu Tode kamen. Kann es einen einsameren und lebensfeindlicheren Ort auf der Erde geben als dieses harsche Stück frostiger Einöde, auf dem wir hier gelandet sind? Unter Verwehungen aus Schnee und Eis kann man die Zelte und Geräte erkennen, die Lake mit hier her brachte. Prof. Moore nahm Jenkin und mich beiseite und beauftragte uns damit, sie diskret freizulegen und nach Informationen über die letzten Stunden unserer Vorgänger zu suchen. Er machte auf mich einen sehr ernsten und bedrückten Eindruck, das Schicksal seines Freundes und Kollegen Lake geht ihm immer noch sehr nahe. Erstmals äußerte er auch uns gegenüber den Verdacht, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Wie er auf diese Idee kommt, ist mir noch schleierhaft. Das Schicksal, das Lake und seine Männer hier ereilte, war fraglos eine Tragödie, aber heftige Eisstürme sind doch auch eines der Risiken, die eine Expedition in die Antarktis mit sich bringt. Während Jenkin, übermannt von seiner wissenschaftlichen Ungeduld, die Grabungsstätte besichtigte, erwiesen Moore und ich den Toten an der Gedenktafel, die Dyer aufstellte, unsere Ehrerbietung. Ich gebe zu, dass der Anblick des simplen, fast schon archaisch wirkenden Holzschildes mit den eingeschnitzten Namen der Toten auch auf mich eine große Wirkung hatte. Ob die Männer wohl geahnt haben, dass ihre Stunde gekommen war? Oder wurden sie von den Ereignissen im Schlaf überrascht? Vielleicht finden wir ja eine Antwort auf diese Fragen. Währenddessen hatten die anderen Männer unsere Zelte aufgebaut und das Flugzeug entladen. Zum Schutz vor dem ständigen Wind wurden Mauern aus Schnee und Eis um die Zelte errichtet. Helperin und Miles stellten den Funkmast auf, mit dem wir Kontakt zum Basislager halten sollen. Jenkin kehrte von der Grabungsstelle zurück, wo er eine merkwürdige Entdeckung gemacht hatte: Offenbar war das Loch von jemandem wieder zugesprengt worden. Davon war jedoch in Dyers Bericht nirgends etwas zu lesen, zumal es ja auch keinen praktischen Sinn ergibt. Auch Moore war darüber sehr erstaunt und wies uns an, noch heute mit der Freilegung der ersten Zeltüberreste zu beginnen, was wir dann auch taten. In den ersten Zelten fanden wir die Überreste von Lakes Pfeifenkasten und einen Sextant aus Messing, ansonsten waren die Behausungen leergeräumt. Nur vereinzelt lagen Kleidungsstücke herum. Mehr schafften wir an diesem Tag nicht mehr, zu kräftezehrend war der Flug gewesen. Nach einem schnellen Abendessen in der Kantine legten wir uns schlafen. Dienstag, 28.11.1933 In der Nacht entgingen Jenkin und ich nur knapp einer Katastrophe, als sich der Funkmast von seinen Haltetrossen losriss und auf unser Zelt stürzte. Wie durch ein Wunder blieben wir beide unverletzt und kamen mit dem Schrecken davon. Den Rest der Nacht verbrachten wir behelfsmäßig im Flugzeug, doch an erholsamen Schlaf war nicht mehr zu denken. Nach einem hastigen Frühstück machten wir uns daran, die übrigen Zelte auszugraben. Auch hier fanden wir einige Überreste, die wir Teilnehmern der Lake-Expedition zuordnen konnten. Ein Notizbuch von George Gedney, dem einzigen Vermissten, aus dem sämtliche Seiten herausgerissen worden waren; eine Polarmütze, in die man den Namen „Daniels“ gestickt hatte und eine Brieftasche, in der wir Ausweispapiere von Orrendorf fanden. Außerdem wurden wir auf seltsame Spuren um die Zelte herum aufmerksam. Jenkin meint, dass jemand den Schnee mit einer Schaufel plattgedrückt habe, fast so, als wolle man Spuren verwischen. Zunächst hielt ich das für absurd, wessen Spuren sollte man denn hier schon verwischen wollen? Doch als wir bei unseren Grabungen schließlich auf blutbespritzte Kleidungsstücke stießen, kamen auch mir Zweifel. In einem der Zelte waren die Rohre des Messinggestänges alle sauber durchtrennt, wie mit einem Messer. Wir fanden leere Konservendosen, die teils aufgerissen und teils aufgeschnitten worden waren. Immer wieder drängte sich auch der Eindruck auf, dass jemand absichtlich Schnee auf die Zelte geworfen hatte. Wurde hier versucht, etwas zu begraben? Aber was oder wer? Noch ist es unmöglich, darauf Antworten zu geben, aber von einem bin ich inzwischen überzeugt: Prof. Moore hat recht, etwas geht hier nicht mit rechten Dingen zu! Wir haben ihn über unsere Funde informiert, er scheint sehr besorgt zu sein und hat uns dazu verpflichtet, gegenüber den anderen striktes Stillschweigen zu wahren. Heute kam auch ein Flugzeug vom Basislager und brachte die ersten Teile für den Peabody-Bohrer, der hier zum Einsatz kommen soll. Das unterbrach unsere Grabungen an den Zelten für einige Zeit, aber trotzdem schafften Jenkin und ich es heute, fast alle Zelte am nördlichen Rand des Lagers zu untersuchen. Über die ganze Arbeit vergaßen wir allerdings, unser eigenes Zelt, das der umfallende Funkmast zerstört hat, wieder aufzubauen. Eine weitere Nacht im Flugzeug steht uns bevor. Kurz vor 22 Uhr nahm ich über Funk Kontakt zum Hauptlager auf und lieferte einen Tagesbericht ab. Auch hier verschwieg ich auf Anweisung des Professors die seltsamen Entdeckungen, die wir gemacht hatten. Gerade als ich fertig war, betrat Lexington mit ihrem Helfer Priestley das Zelt und verlangte, selbst ungestört einen Funkspruch abzusetzen. Ich weiß nicht, ob es an ihrer herrischen Art oder an den kaum verhohlenen Drohgebärden ihres Handlangers lag, aber ein Gefühl sagte mir, dass ich dieses Gespräch besser belauschen sollte. Also verließ ich das Zelt, schlug einen Haken und näherte mich von einer anderen Seite wieder…nur um gerade noch zu hören, wie Lexington mit einer Männerstimme in einer Mischung aus Englisch und Deutsch sprach. Ich verstand nur Bruchstücke, zu lange liegt mein Kontakt mit der schroffen und kehligen Sprache unserer Gegner im großen Krieg schon zurück. Es reichte jedoch um zu verstehen, dass Lexington ihnen offenbar eine Zusammenarbeit bei einem Projekt anbot. Ich war durch diese Entwicklung höchst alarmiert und berichtete sofort Moore davon. Auch er war völlig perplex, bestätigte aber immerhin, dass tatsächlich eine deutsche Expedition unter einem gewissen Barsmeier und einem Herrn Falken mit unbekanntem Auftrag in der Antarktis weilt. Wir müssen diese Entwicklung im Auge behalten und auf alles vorbereitet sein. Vor dem Schlafen habe ich deshalb meinen Revolver aus dem Gepäck geholt, ihn geladen und werde ihn ab sofort stets bei mir tragen. Die Welt scheint zu glauben, dass uns von den Deutschen keine Gefahr mehr droht und sie sich unter diesem neuen Staatsführer, von dem die Zeitungen schreiben, als Gleiche unter Gleichen mit den anderen Völkern in Frieden und Freundschaft arrangieren wollen. Ich aber traue diesen verdammten Hunnen keinen Schritt über den Weg! Sie haben schon einmal die Welt in Brand gesteckt und sie werden es wieder tun, wenn man ihnen keinen Einhalt gebietet! Falls es hier bis auf’s Messer geht, will ich zumindest kein wehrloses Opfer sein. Mittwoch, 29.11.1933 Habe mich beim Aufwachen ganz elend gefühlt, die Strapazen der letzten Tage und die extremen Wetterbedingungen haben mein altes Lungenleiden verschlimmert. Dr. Greene hat mir Antibiotika gegeben, um einer Entzündung vorzubeugen, und Laudanum gegen die Schmerzen. Ich habe zunächst unser Zelt neu aufgebaut, während Jenkin weiter die Überreste des alten Lagers untersucht. Seine Funde waren ebenso düster wie besorgniserregend. In einem Zelt waren Einschusslöcher in der Plane, in einem anderen muss etwas Grässliches geschehen sein. Der Boden und ein Arbeitstisch waren vollständig mit gefrorenem Blut bedeckt, es lag Gewehrmunition herum. Was ist hier nur geschehen? Wurden die Männer ebenso von einem Schneekoller gepackt wie die beiden armen Kreaturen aus Lexingtons Mannschaft? Warum erwähnt Dyer nichts von alldem in seinem Bericht, er muss es doch gesehen haben, als er nach Überlebenden suchte? Jenkin fielen Spuren im Boden auf, die den mysteriösen, dreieckigen Abdrücken ähneln, die Lake in den Schieferplatten gefunden hat und die von allen Experten für ein geologisches Phänomen gehalten wurden. Jenkin hingegen hält sie für Fußabdrücke, für Trittspuren! Aber hier gibt es nichts, was solche Spuren hinterlässt! Nirgendwo auf der Welt gibt es etwas, das solche Spuren hinterlässt! Oder zumindest haben wir das immer angenommen! Wir legten zunächst den alten Hundezwinger frei, in dem wir über zwei Dutzend tote Schlittenhunde fanden. Die armen Tiere wurden furchtbar zugerichtet, zuerst mit Stichen in Kopf oder Hals getötet und dann wurde ihnen das Fleisch vom Körper geschnitten. Manchen wurde auch wortwörtlich der Hals umgedreht oder der Schädel zerschmettert. Wir fühlen uns, als ob wir im Schlachthaus eines Wahnsinnigen stehen. Mittlerweile war ein weiteres Flugzeug vom Hauptlager eingetroffen, diesmal mit unseren Schlittenhunden. Moore selbst half uns jetzt beim Graben, wie ein Besessener wühlte er im Eis. Während ich die Tierkadaver notdürftig verscharrte, haben er und Jenkin mit Grabungen am westlichen Rand des alten Lagers begonnen…und dort einen bizarren Fund gemacht. Zunächst sah es aus wie ein braun-grünlicher, ledriger Seestern mit 5 Auswüchsen, etwa ein dreiviertel Meter im Durchmesser. Keiner von uns konnte sich einen Reim auf dieses seltsame Ding machen, doch wir haben schnell gemerkt, dass der Seestern wohl nur ein Teil eines größeren Ganzen ist. Je tiefer wir gruben, umso seltsamer war die Gestalt, die ans Licht kam. Es fällt mir schwer, in Gedanken ein klares Bild zu formen, fast so, als ob sich mein Geist dagegen sträubt. Unter dem Stern kam ein röhrenförmiger Körper zum Vorschein, vielleicht doppelt mannshoch und mit vertrocknetem Gewebe an den Seiten, das irgendwie an Flügel erinnert. Ein beißender, fast chemischer Geruch ging von dem Ding aus, der immer stärker wurde, je tiefer wir gruben. Die Hunde wollten sich überhaupt nicht mehr beruhigen und kläfften ununterbrochen, als ob der Gestank sie in blinde Panik versetzt. Der Körper ging über in seltsame Auswüchse, die man am ehesten mit den Tentakeln eines Kraken vergleichen kann. Sie endeten in dreieckigen Wucherungen, die Jenkin für identisch mit den gefundenen Abdrücken hält. War dieses Ding lebendig, als Lake und seine Leute hier waren? Was für ein seltsames Tier lebt in dieser teuflischen Eiswüste? Hat es die Männer angegriffen? Ist es verantwortlich für die Zerstörungen, die wir gesehen haben? Ich weiß nicht genau, was direkt danach geschehen ist. Meine nächste Erinnerung ist, wie mich Jenkin im Kantinenzelt neben den Herd setzt und mir eine Decke um die Schultern legt. Offenbar habe ich erst angefangen, laut und schrill zu lachen, bevor ich in Tränen ausgebrochen und mit gezogener Waffe auf das im Südosten aufragende schwarze Gebirgsmassiv zumarschiert bin. Ich kann mich nicht erinnern, aber er und Moore haben mich wohl überwältigt und hierher gebracht. Ein greller Schmerz tobt in meinem Kopf, ich sehe alles leicht verschwommen. Ich brauche Ruhe, muss für einen Augenblick die Augen schließen, schlafen, nur ein bisschen schlafen, nicht lange, ein wenig nur, aber die Hunde sind so furchtbar laut, entsetzlich laut, sie kreischen fast, Laudanum …wo ist mein Laudanum…? Boston Tattler Der weiße Ritter: Heldenmütiger Expeditionsleiter eilt Konkurrentin zu Hilfe Von unserem Korrespondenten Raymond Harsen Nach einer mehrwöchigen Fahrt um den halben Globus hat die „MS Gabrielle“, das Schiff der Starkweather/Moore-Expedition, nun endlich vor einigen Tagen den McMurdo-Sund erreicht, der als Startpunkt für die letzte Etappe des Unternehmen gewählt wurde. Die Fahrt verlief alles andere als ereignislos. Nach dem Feuer im Hafen von New York (der Tattler berichtete exklusiv) ereigneten sich auf dem Weg nach Australien Dinge, die man beim besten Willen nicht mehr als Zufälle abtun konnte. Schäden an der Ausrüstung und Kontamination der Vorräte stellten die Expeditionsleitung immer wieder vor neue Probleme. Mr. Starkweather äußerte hierzu: „Es wurde uns schnell klar, dass wir es hier tatsächlich mit einem Saboteur zu tun hatten. Schwierig war für uns nur, den Schuldigen dingfest zu machen, ohne die Moral der übrigen Besatzung durch ungerechtfertigte Verdächtigungen in Mitleidenschaft zu ziehen.“ Dies gelang der Expeditionsleitung, denn in Australien wurde ein Täter den Behörden übergeben und die Fahrt in die Antarktis konnte fortgesetzt werden. Doch wer dachte, damit seien alle Probleme ausgeräumt, sah sich bald eines besseren belehrt. Stürme und Eisberge stellten eine ständige Gefahr für Schiff und Besatzung dar, wurden jedoch immer wieder mit Bravour gemeistert. Auch die Nachricht, dass das Schiff der Lexington-Expedition einige hundert Seemeilen Vorsprung gewonnen hatte, konnte den Optimismus des Expeditionsleiters nicht brechen. „Ich zweifle heute nicht daran und ich habe zu keinem Augenblick daran gezweifelt, dass wir unser Unternehmen zu einem erfolgreichen Abschluss bringen werden. Prof. Moore und ich haben die Teilnehmer sorgfältig und nach einer Vielzahl von Kriterien ausgesucht. Diese Vorarbeit macht sich nun bezahlt. Die Crew der Gabrielle und die Expeditionsmannschaft leisten hervorragende Arbeit, niemand könnte mehr von ihnen verlangen. Nicht einmal der erzwungene überstürzte Aufbruch vom aufbrechenden See-Eis kann uns aufhalten. Wir stehen bereit, hier Geschichte zu schreiben!“ Aus welchem Holz Mr. Starkweather geschnitzt ist, zeigte sich kurz nach der Errichtung des Basislagers auf dem Festlandeis, als ein Notruf der einige Meilen entfernt campierenden Lexington-Expedition aufgefangen wurde. Offenbar war es dort zu einem tragischen Unglück gekommen, bei dem essentiell wichtige Ausrüstungsgegenstände unwiederbringlich zerstört wurden. Nun wäre es durchaus verständlich gewesen, wenn Mr. Starkweather nach all den Widrigkeiten, die seiner Expedition widerfahren sind, dies als einen Akt fast schon kosmischer Gerechtigkeit betrachtet und Lexingtons Rückzug aus der Antarktis tatenlos zugesehen hätte. Doch stattdessen war er es, der noch in der Nacht einen Trupp zusammenstellte und auf Skiern persönlich durch einen tosenden Schneesturm führte, um seinen Widersachern medizinische und technische Hilfe zu bringen. Sein selbstloses Handeln atmet dabei den Geist der großen Pioniere der Polarforschung, auf deren Spuren wir hier wandeln. Ein Ernest Shackleton, ein Roald Amundsen oder ein Robert Scott, sie alle würden ihm mannhaft die Hand reichen und ihn als einen der ihren in ihrem erlauchten Kreis willkommen heißen. Unter seiner Führung scheint nichts zu kühn oder gar unmöglich, seine ungebrochene Zuversicht steckt alle anderen Teilnehmer an und man bereitet sich guten Mutes auf die entscheidende Schlussetappe vor. Wenn jemand zuerst eine Frau an den Südpol bringen kann, dann ist es die Starkweather/Moore-Expedition. Der Tattler wird seine Leser über diesen Triumph exklusiv in Kenntnis setzen. Raymond Harsen, aus dem Festland-Basislager der Expedition, 26.11.1933
  11. Leider mussten wir ein paar mal schieben und deshalb geht es erst heute Abend weiter. @GUMSHOE Fan: Haha das ist ja klasse. Ich hoffe es hat ein bisschen geholfen. Mit etwas Glück holen wir auch wieder auf.
  12. Wir spielen schon Samstag wieder! Also werden die nächsten Einträge (diesmal von zwei Spielern) auch bald kommen hoffe ich.
  13. Und wieder gibt es neue Tagebucheinträge. Wir haben es sogar recht widerspruchsfrei geschafft einen Spieler in die Kampagne einzubinden. (ACHTUNG SPOILER) ---------------------------------------------------------- Reisetagebuch Raymond Harsen 19.11. bis 26.11. 1933 19.11.: Nach unserem erzwungenen hastigen Abmarsch vom See-Eis haben wir heute eine Vollversammlung der Expedition abgehalten und eine Bestandsaufnahme der erlittenen Verluste vorgenommen. Neben 140 Fässern mit Treibstoff ging auch fast ein Drittel der Lebensmittelvorräte verloren. Ein weiterer Rückschlag, trotzdem ist die Expeditionsleitung nach wie vor guter Dinge. Ich selbst habe mir auf dem Marsch eine Erfrierung am kleinen Finger der linken Hand zugezogen. Dr. Green hat sie zum Glück rechtzeitig behandelt, ansonsten hätte ich vielleicht den Finger verloren. Kein seltenes Schicksal bei Polarexpeditionen. Für den nächsten Tag haben wir einen Schlittenkonvoi zusammengestellt, der ein erstes Depot errichten soll. In der Nacht hatte ich Wache am Funkgerät. Ich hatte mich auf ein Feldbett neben dem Empfänger eingerichtet und war eingenickt, bis ich vom lauten Alarmsignal des Funks aus dem Schlaf gerissen wurde. Obwohl ich versuchte, wie im Funk-Kurs gelernt die Frequenz zu isolieren, bekam ich nur einige Wortfetzen rein. Diese reichten jedoch, um die Quelle als Lexingtons Camp zu identifizieren. Offenbar war es dort zu einem Zwischenfall gekommen. Kurz darauf war aus Süden eine Explosion zu hören. In der gleichen Richtung hatten wir bei einem Erkundungsflug in einigen Kilometern Entfernung auch das Camp der anderen Expedition ausgemacht. Mr. Starkweather ordnete sofort eine Rettungsaktion an, um Lexington zu Hilfe zu kommen. 20.11.: Wir haben die vorbereiteten Schlitten umgepackt und uns auf den Weg zum anderen Camp gemacht. Zu unserer großen Überraschung trafen wir dort auf einen alten Bekannten in Gestalt von Dr. Cory Weston, mit dem wir vor einigen Jahren das mysteriöse Abenteuer in Innsmouth erlebten. Er hat sich doch tatsächlich als Arzt der Lexington-Expedition angeschlossen und wird wie immer von seinem treuen Diener Basil begleitet. Cory berichtete uns, dass zwei Mitglieder offenbar durch einen Schneekoller die Nerven verloren haben und dann Feuer legten. Die Explosion zerstörte den einzigen Generator der Expedition und beschädigte den Funkmast schwer. Deshalb riss letzte Nacht auch der Kontakt plötzlich ab. Wir besuchten die beiden Männer im Krankenquartier, während sich Starkweather und Lexington im Messezelt stritten. Tinsdale, der Pilot, redete wirres Zeug von irgendwelchen Spinnen, die er angeblich gesehen habe und die er mit dem Feuer ausmerzen wollte. Bradburry, der Koch, starrte nur katatonisch vor sich hin. Erst als ich mich näherte, packte er mich plötzlich an der Hand und wisperte etwas von Clowns. Ich erschrak mich sehr, glaubte ich meinen Albdruck doch schon überwunden. Aber diese Angst lässt mich wohl nicht mehr los. Cory erzählte uns etwas sehr interessantes. Offenbar gibt es unter Lexingtons Mannschaft Gerede, dass sie und Starkweather einander näher stünden als wir bisher geahnt haben. Was davon der Wahrheit entspricht, vermag ich nicht abzuschätzen. Auf jeden Fall eskalierte der Streit der beiden so sehr, dass Starkweather in seiner typischen Herrenmenschenmanier unseren Abmarsch anordnete. Der Mann irritiert mich mit seiner sprunghaften Art zunehmend, und ich musste doch sehr an mich halten, um nicht die Beherrschung zu verlieren. In diesen Momenten erinnert er mich an all die arroganten und selbstgefälligen Offiziere, die ich im Krieg erleben musste. Die Sorte von Männern, denen das Leben anderer Menschen nichts bedeutet. Dr. Green konnte mich schließlich davon überzeugen, die Sache ruhen zu lassen und abzuwarten, bis Starkweather sich abreagiert hat. Über kurz oder lang wird es aber wieder böses Blut zwischen uns geben, das ahne ich schon. In diesen Momenten frage ich mich, was ich hier überhaupt tue. 22.11.: In den letzten beiden Tagen haben Sykes und ich über Funk mit Cory die Zusammenführung beider Expeditionsgruppen in unserem Basislager geplant und organisiert. Durch den Verlust von Langstreckenfunk und Generator hat die Lexington-Gruppe keine Möglichkeit mehr, ihre großen Ziele zu erreichen. Eine Bündelung der Kräfte macht deshalb sehr viel Sinn. Trotz schlechtem Wetter ging der Transport von Menschen und Material recht reibungslos vonstatten. An eine Nutzung der Flugzeuge ist zurzeit leider nicht zu denken. Derweil hat Jenkin damit begonnen, in der Umgebung des Lagers erste Probebohrungen mit dem hochmodernen Pabodie-Bohrer vorzunehmen. Hauptsächlich soll er sich auf diese Weise mit den Geräten vertraut machen, gleichzeitig kann er aber auch schon erste Erkenntnisse für geologische Forschungen gewinnen. Er scheint mir ganz in seinem Element. Morgen ist Thanksgiving, und Prof. Moore hat ausgerechnet Ted mit der Organisation des Festessens beauftragt. Ich bin gespannt, mit welchen Mitteln unser mormonischer Abstinenzler uns auch diese kleine Ablenkung vom ewigen Eis verderben wird! 23.11.: Ich muss ehrlich eingestehen, dass ich Ted Unrecht getan habe. Das Essen, bestehend aus Dosen-Truthahn mit Preiselbeeren, Beilagen und Dessert, war tatsächlich überaus schmackhaft. Auch sein Gedanke, die beiden Gruppen durch gemischte Sitzplätze näher zusammenzubringen, war lobenswert, auch wenn es nicht wirklich funktioniert hat. Die eigens erlegten Pinguine habe ich wohlweislich nicht probiert, dafür war mir die abstoßende Geschmacksbeschreibung von Frederick Cook, einem Teilnehmer der „Belgica“-Expedition von 1897-99, noch zu deutlich im Gedächtnis. Er beschrieb ihn als „...eine Mischung aus Geflügel, Rindfleisch und Kabeljau, die in einer Soße aus Blut und Lebertran gesotten wurde.“ Auch seine weitschweifigen Predigten vor und nach dem Essen hab ich mit wenig Interesse verfolgt. Deutlich mehr Aufmerksamkeit bekam der vorzügliche Schnaps, den uns Prof. Moore nach dem Essen ausschenkte. Während wir in guter Kameradschaft die Becher leerten erzählte er uns, dass er einen Flug zum aufgegeben Basislager der Miscatonic-Expedition plane, sobald das Wetter es zulässt. Momentan ist daran jedoch nicht zu denken, unser Meteorologe hisst jeden Tag aufs Neue die rote Flagge an seiner Beobachtungsstation. Auf der Fahrt hierher habe ich den Bericht über Prof. Dyers glückloses Unterfangen studiert. Seine Expedition erreichte vor ziemlich genau drei Jahren den McMurdo-Sund und errichtete am Beardmore-Gletscher ein Basislager. Nach einigen geologischen Forschungsarbeiten, einem Überflug des Südpols und der Besteigung des Erebus verließ Prof. Lake, der leitende Biologe der Expedition, am 22. Januar 1931 mit 12 Mann und vier Flugzeugen das Lager. Während des Flugs sichteten sie offenbar ein unbekanntes Gebirgsmassiv, das sie höher als die Himalaya-Kette schätzten. Eine technische Störung zwang sie dann jedoch zur Notlandung auf den Vorbergen, wo sie ein Zwischenlager errichteten. Beim Aufsprengen einer Höhle im Gestein machten sie eine erstaunliche Menge an Fossilienfunden, von denen keiner jünger als 30 Mio. Jahre war. Einsetzende Winde verhinderten einen Rückflug von Lakes Gruppe und am 24. Januar riss der Funkkontakt ab. Dyer und seine Männer starteten noch am selben Tag eine Suchaktion und erreichten am 25.01. Lakes Zwischenlager. Ein schreckliches Bild muss sich ihnen bei ihrer Ankunft geboten haben! Schwere Stürme hatten das Lager verwüstet, Ausrüstung und Proben zerstört oder unbrauchbar gemacht. Von Lake und zehn seiner Begleiter konnten nur noch die Leichen geborgen werden. Gedney, einer der Studenten, wurde vermisst und konnte auch bei weiteren Erkundungsflügen nicht gefunden werden. Auch ihn muss man für tot halten, wie sollte er alleine und ohne Ausrüstung die Extrembedingungen der Antarktis aushalten können? Dyer und Danforth unternahmen am Folgetag einen Flug über die Berge, der reibungslos verlief. Erst in über 7000m Höhe gelang ihnen der Überflug, wo sie laut Dyer ein „...immens ausgedehntes Hochplateau, so alt und unveränderlich wie die Berge selbst - mehr als 6000 Meter hoch gelegen, mit grotesken Felsbildungen, die aus einer dünnen vergletscherten Schicht herausragen...“ vorfanden. Trotz dieser Entdeckung verließ die Dyer-Expedition wenige Tage später mit ihren beiden Schiffen das Feldeis und kehrte in die Staaten zurück. Bei der Lektüre ist mir wieder bewusst geworden, in welch einer lebensfeindlichen Umgebung wir uns hier befinden. Wir treffen hier ein, voller Zuversicht in unsere Planung, unsere Fähigkeiten und die moderne Ausrüstung, und sind doch nicht viel mehr als Insekten, die im Schatten eines Giganten stehen, hilflos seinen Launen ausgeliefert. Wieviel dürfen, wieviel müssen wir wagen, um ihm seine Geheimnisse zu entlocken? 26.11.: Nach zwei Tagen relativer Untätigkeit hat der Meteorologe für morgen passables Flugwetter angekündigt. Lakes Lager wartet auf uns...
  14. Hallo zusammen, ich google mir die Finger wund und finde doch nichts konkretes. Wie tief konnte man in den 1930er Jahren denn bohren? Da der Eisschild der Antarktis ja schnell mal zwei bis drei Kilometer Dicke erreicht frage ich mich um meinen Spielern auch ein wenig Realismus bieten zu können inwiefern Bohrungen da beispielsweise die Hypothese eines einzigen antarktischen Kontinents stützen können. Welche Analyseverfahren gab es damals denn? Inwiefern kann man aus solchen Eiskernbohrungen Erkenntnisse gewinnen? Kennt sich Jemand aus bzw. beherrscht Google besser als ich? ;-) Ich bin über jede Information echt dankbar. Wie spielt ihr (wenn überhaupt) solche Dinge aus?
  15. Und weiter geht es... (ACHTUNG SPOILER) ---------------------------------------------------------- Reisetagebuch Raymond HarsenSamstag, 27.10.’33 bis Samstag, 18.11.‘33 Nach meinem Unfall bei der Aktion im Frachtraum war ich für einige Tage außer Gefecht. So war es Ted und Jenkin überlassen, gemeinsam mit der Expeditionsleitung und dem Kapitän die Schäden zu begutachten. Die Flugzeuge wurden glücklicherweise nicht irreparabel beschädigt, allerdings sind einige der großen Treibstofffässer leckgeschlagen und im Frachtraum ausgelaufen. Nach den Berechnungen von Prof. Moore reichen unsere Vorräte zwar noch aus, um die Expedition durchzuführen, aber ab sofort können wir uns in diesem Bereich keine weiteren Verluste mehr leisten. 30.10.: Wir fahren ab heute ins Packeis ein. Die Temperatur ist noch weiter gefallen und wir sichten immer größere Eisschollen und Eisberge. Das Schiff muss sich zwischen den kleineren Treibeisplatten hindurchschieben und die größeren Stücke umgehen, um eine Fahrtrinne zu finden. Trotz aller Schwierigkeiten kommen wir unserem Ziel stetig näher. 05.11.: Heute erhielten wir einen Funkspruch, demzufolge das Schiff unserer Konkurrentin, die ”Tallahassee“, 500km weiter südöstlich vom Eis eingeschlossen ist. Die Nachricht ruft bei uns allen gemischte Gefühle hervor. Einerseits wird uns bewusst, wie viel Vorsprung Lexington auf uns hat und das dies eine Chance für uns ist, verlorenen Boden gut zu machen. Andererseits kommt man auch nicht umhin, der anderen Besatzung eine baldige Befreiung aus ihrer misslichen Lage zu wünschen. Bei aller Rivalität, aber eine anhaltende Gefangenschaft im erbarmungslosen Griff des Packeises wünsche ich niemandem. Ted wollte sogar so weit gehen, dem anderen Schiff zu Hilfe zu kommen. Allerdings ist unser Meteorologe sicher, dass die “Tallahassee“ bald aus eigener Kraft freikommen wird, steht doch der arktische Frühling und Sommer noch bevor. 06.11.: Der ständige Wind legte sich heute zum ersten Mal seit einigen Tagen, dafür zog dichter Nebel auf. Gegen Mittag entdeckten wir voraus einen großen Eisberg, in dem ein Schiff fast zur Hälfte eingeschlossen war. Es handelte sich hierbei um die ”Walleroo“, ein im März verschollener Walfänger. Das Schiff war schwer beschädigt, offenbar war es zu einer Explosion im Maschinenraum gekommen. Als wir mit einigen Matrosen das Schiff erkundeten, fanden wir die Leichen von 14 Seeleuten im Heckaufgereiht. Sie starben wohl bei der Explosion. Außerdem fanden wir die Leiche des Kapitäns, der sich in seiner Kabine selbst das Leben genommen hat. Von den übrigen Besatzungsmitgliedern keine Spur, jedoch fehlten auch zwei der Rettungsboote. Die Lage muss verzweifelt gewesen sein, wenn die Männer tatsächlich ihr Glück in den zerbrechlichen Booten mitten im Treibeis versucht haben.Neben dem Logbuch von Kapitän Willard, das ich an mich genommen habe, fand einer der Matrosen einen Beutel mit vier Münzen. Die Symbole auf den Münzen scheinen sehr fremdartig und bizarr, und Jenkin möchte sie weiter untersuchen. Er glaubt, ähnliche Zeichen damals in Innsmouth gesehen zu haben, und auch ich denke, dass ich solche Symbole auf der mysteriösen Steintafel fand, die ich damals mitgenommen habe. Während wir die Münzen und den Beutel noch untersuchten, habe ich mich an der Hand verletzt. Wie genau weiß ich nicht, aber es war ein recht tiefer und heftig blutender Schnitt. Charlie hat mich dann auf unser Schiff zurückgebracht, während die beiden anderen die Suche fortsetzten. Aus dem Logbuch konnte ich herauslesen, dass die Münzen wohl in einem gefangenen Wal gefunden wurden. Welch seltsamer Zufall. 08.11.: Wir sind nun selbst vom Eis eingeschlossen. Zum Glück scheint es nicht sonderlich fest zu sein, und so hat Mr. Starkweather beschlossen, unseren Weg mit Dynamit freizusprengen. Es war kein sehr erfreulicher Gedanke, auf dem Eis zu stehen und unter uns nichts als mehrere tausend Meter eisige Schwärze. Zum Glück ist alles gut gegangen und wir konnten unsere Fahrt bald wieder fortsetzen. 14.11.: Wir haben den McMurdo-Sund erreicht. Vor uns liegt die Ross-Schelfeisbarriere, während sich am Horizont die gewaltigen Gipfel der Admirality-Bergkette und der, immer noch aktive, Mount Erebus Vulkan in den Himmel erheben. Ein fantastischer und gleichzeitig ehrfurchtgebietender Anblick. Leider können wir ihn kaum genießen, da ein gewaltiges Arbeitspensum auf uns wartet. Da das Schiff nicht bis direkt ans Festlandeis fahren kann, müssen wir zum Entladen ein Zwischenlager auf dem Meereis errichten und die Vorräte von dort aus zu einem Basislager hinter dem Schelfeis transportieren. Während Ted das schwere Gerät montiert und Jenkin das Ausladen beaufsichtigt, überwache ich die Errichtung des Landungslagers und schicke unsere Schlittenhundeführer aus, um nach einer Passage aufs Festland zu suchen. Wir müssen unbedingt fertigwerden, bevor das Meereis schmilzt und auseinanderbricht. Nachdem wir 24 Stunden beinaheohne Pause gearbeitet haben, ist das Schiff entladen und nimmt wieder Kurs aufs offene Meer. Es ist ein beklemmender Anblick, unsere einzige Verbindung zur Außenwelt ablegen zu sehen. Ich konnte nur schwer an mich halten.In den folgenden drei Tagen gelang es uns, ein Basislager zu errichten und die ersten Transportkonvois mit den wichtigsten Vorräten loszuschicken. Auch ein erster Erkundungsflug ist uns geglückt, bei dem wir in relativer Nähe zu unserem Camp das Lager von Lexington gesichtet haben. Haben sie es also doch geschafft. Auch unter Anspannung aller Kräfte geht die Arbeit nur schleppend voran, die extremen Klimabedingungen tun ihr übriges. Inzwischen wird’s es auch gar nicht mehr richtig Nacht, die Sonne berührt immer nur kurz den Horizont. Einmal mehr wird mir klar, in was für einer fremdartigen und lebensfeindlichen Gegend wir uns hier befinden. Die Verhaltensmaßregeln, die uns Sykes austeilt, bestätigen meine Eindrücke. Jeder Fehler kann hier tödlich enden. Am Morgen des 18.11. ist dann passiert, wovor wir uns alle gefürchtet haben. Jenkin war gerade dabei, eine Palette mit Treibstofffässern umzuladen, als sich das Eisstück, auf dem er sich befand, plötzlich löste. Zum Glück ist ihm nichts passiert, aber wir müssen sofort aufs Festlandeis. Das Meereis ist inzwischen offenbar zu instabil, um uns noch sicher zu tragen. Gleichzeitig hat uns der Meteorologe im Basislager vor einem heraufziehenden Sturm gewarnt. In größter Eile haben wir alles, was wir nur irgendwie mitnehmen können, auf die Schlitten gepackt. Trotzdem müssen viele Vorräte zurückbleiben, besonders der Treibstoff. Ob wir diesen Verlust verkraften können, bleibt noch abzuwarten. Nach einem höllischen Gewaltmarsch durch den Sturm haben wir nach 10 Stunden endlich das Basislager erreicht.
  16. Ich werd´s weiter leiten. :-) Wie gesagt bin ich selbst ein wenig unsicher, was die Überlebenschancen auf lange Sicht angehen. Die losgerissenen Motoren in den Frachträumen waren schon echt heikel. Aber wenn es soweit ist sehen wir, was passiert. Die Expedition ist ja zum Glück recht groß. Gibt es hier schon aus anderen Runden konkrete Erfahrungen bzgl. brenzliger Situationen in der Antarktis?
  17. Ich leite jetzt schon den fünften Abend an der Kampagne und da ich die vielleicht vorbildlichsten Spieler der Welt habe ;-) schreiben die fleißig Tagebücher aus Sicht ihrer Chars. Ich muss übrigens sagen, dass ich echt erstaunt bin wie glatt alles dem mehr oder weniger geraden Plot folgt ohne, dass meine Spieler sich zu schlauchig fühlen im Spiel. Meine Gruppe besteht aus 3 Spielern mit jeweils einem Charakter (Ja ich weiß, das ist riskant, aber wir haben uns darauf geeinigt über eventuelle Lösungen im Ernstfall zu diskutieren.) Jenkin Waite (Ex PI und Student der Geologie an der MU/Arkham)Raymond Harsen (Reporter "Boston Tattler")Ted Rommy (Pilot und überzeugter Mormone) Ich werde in regelmäßigen Abständen neue Einträge posten und bin natürlich über jede Art der Rückmeldung höchst erfreut. Hier erstmal alles was bisher geschah. Viel Spaß! _______ (ACHTUNG SPOILER) ------------------------------------------------------------------------------------------------------------ _______ Tagebuch Jenkin Waite: Freitag, erster September 1933: Hatte heute das Vorsprechen wegen der Arktisexpedition. Meine anfängliche Unsicherheit, die ich gegenüber einer solch riskanten Reise verspürte sind etwas gewichen, als ich die Dimensionen des Schiffes und die Menge an mitwirkenden Kräften sah. Ein Schiff, das sich über fünf Decks erstreckt, und Platz für ca. 100 Mann, der Fracht und sogar zwei Flugzeugen bietet. Die Crew besteht aus unterschiedlichen Fachleuten auf ihren Gebieten: Wissenschaftler und Arbeitern, wobei die Grenze hierbei wohl fließend ist, wie ich leider bald feststellen mußte. Samstag, zweiter September 1933: In der morgendlichen Vollversammlung wurde uns mitgeteilt, daß die Schiffsfahrt am 14.09 startet und voraussichtlich am 1.11 die Antarktis erreichen wird. Unser Polarführer Peter Sykes riet uns die Zeit während der Fahrt zu nutzen, um uns Fettgewebe anzufressen – das sowohl als Schutz vor der Kälte als auch als Energiereserve dienen soll – jeder Teilnehmer erhielt zu diesem Zweck eine Flasche Lebertran. Doch ich habe erst kürzlich eine gewisse Abneigung gegen „Fisch“ entwickelt – Ich werde dieses Zeug mit Sicherheit nicht anrühren. Des Weiteren wurden uns in der Vollversammlung die Aufgaben für die kommenden Tage zugewiesen: Ich soll die Käfige der Schlittenhunde unter Deck zusammenbauen ! Tante Marianne sagte schon immer zu mir, daß ich, was das Handwerk angeht, zwei linke Hände hätte; und nun sollte ich alleine, lediglich mit einer diffusen Bedienungsanleitung ausgestattet, die kompletten Hundekäfige montieren !! Sonntag, dritter September 1933: War heute wieder (immer noch) mit dem zusammenschrauben dieser Scheiß Käfige beschäftigt. Wie sich herausstellte waren die Halterungen an den Wänden falsch angebracht worden. So mußte ich die gestrige Arbeit komplett demontieren und von vorne beginnen- ich hab fast den Eindruck mir möchte hier jemand an´s Bein pissen. Darüber hinaus mußte ein Flugzeug bei einem Testflug heute Mittag notlanden – vermutlich Motorschaden. Die zunehmenden Fehlgriffe bereitet mir langsam Bauchschmerzen. Montag, vierter September 1933: Expeditionsleiter Starkweather hatte heute bekanntgegeben, daß wir nicht wie geplant am 14.09 sondern schon am 09.09 ablegen werden, da ein anderes Expeditionsteam in Richtung Antarktis unterwegs ist, und wir vor dieser Gruppe den Südpol erreichen müßten. Ziel der anderen Expedition ist es die erste Frau an den Südpol zu bringen. Kurzerhand entschloss sich Starkweather also die Sekretärin von Dr. Moore, Sarah Blumingdale, auf unsere Fahrt mitzunehmen, damit sie die Rolle der „Ersten Frau Am Südpol“ in unserem Team einnimmt. Raymond erzählte mir heute, daß es nicht unerhebliche Abweichungen im Frachtbestand des Schiffes gibt. In Anbetracht der sich häufenden Fehler, hätte ich mir eher gewünscht den Beginn der Reise eher nach Hinten zu verschieben als nach Vorne. Später war ich noch in der Stadt unterwegs um Besorgungen zu machen: Kaffee, Tabak, „schottisches Desinfektionsmittel“ und den Reisebericht von Roald Amundsen. Außerdem hab ich mir King Kong in einem New Yorker Kino angesehen – die Tricktechnik ist atemberaubend. Dienstag, fünfter September 1933: In der heutigen Zeitung gab es einen Artikel über unsere Expedition - über mich wurde auch geschrieben: Sie bezeichneten mich dort als „spielsüchtigen Privatdetektiv, der einen Archäologen mimt“ !! Raymond hatte die Zeile „mit der Sekretärin des Chefs zum Ruhm – angeblicher Chronist schläft sich ganz nach oben.“ Am Abend fragte ich einen unserer Piloten, ob er mir die Navigation mittels Sextanten erklären könne. Ich dachte meine Astronomiekenntnisse aus dem Studium wären eine gute Basis dafür. Nebenbei erzählte er mir etwas von: „mit Gott in deinem Herzen wirst du auch ohne Sextant den richtigen Weg finden.“ Nun weiß ich schon mal in wessen Flugzeug ich nicht steigen werde... _______ Reisetagebuch Raymond Harsen Freitag, 08.09.‘33 bis Sonntag, 10.09.‘33 Waren heute bei der Beerdigung von Kapitän Douglas in Brooklyn. Nach allem, was uns sein Bruder erzählte, war Douglas weit davon entfernt, sich der Expedition anzuschließen. Offenbar litt er seit der ersten Antarktis-Fahrt unter Depressionen und griff immer häufiger zum Alkohol. Wundert mich aber auch nicht wirklich, wenn man den Berichten von den Geschehnissen Glauben schenken kann. Ob der Tod von Douglas nun tatsächlich ein Unfall war oder doch mehr dahinter steckt, das werden wir vermutlich nie völlig klären können. Wäre Lexington wirklich kaltblütig genug, um nicht einmal vor Mord zurückzuschrecken, wenn es ihr einen Vorteil verschaffen würde? Und welches Motiv hätte sie? Geht es hier wirklich nur um die (zweifelhafte) Ehre, das erste Frauenzimmer am Südpol zu sein und dort irgendwelche Ruinen zu erkunden? Oder gibt es vielleicht noch andere, finanziell attraktivere Gründe? Da die Abfahrt für den Folgetag geplant war, haben wir unsere Zimmer im Hotel aufgegeben und die Quartiere auf der „“MS Gabrielle“ bezogen. Teile mir wieder mal eine Kabine mit Jenkin, aber da hätte ich es auch deutlich schlechter treffen können. Romney, dieser seltsame mormonische Pilot, faselt zum Beispiel ständig von einem eigenen Planeten nach dem Tod. Meiner Meinung nach hat der Kerl diverse Schrauben locker. Freiwillig flieg ich mit dem auf jeden Fall nirgendwo hin! Den Abend haben wir in der Stadt verbracht. Sarah und ich waren in einem italienischen Restaurant zum Essen, wo sie ziemlich heftig dem Rotwein zugesprochen hat. Die anderen waren in einer Speakeasy-Kneipe beim Hafen. Bin später dazugestoßen, nachdem ich Sarah zum Schiff gebracht habe. Offenbar hat jemand Romney tatsächlich Alkohol untergejubelt, denn der Gute war gerade dabei, mit einer überaus schlecht rasierten ”Dame“ auf Tuchfühlung zu gehen. Der Stoff muss ein ziemlicher Blindmacher gewesen sein, wenn er die Stoppeln und den Adamsapfel nicht gesehen hat. Mormone hin oder her, sonderlich viel Weiberei war da nicht zu sehen. Hab mich auf jeden Fall sehr amüsiert, trotz abruptem Ende wegen einer Razzia. Sind aber alle gut rausgekommen. Umso größer der Schock, als wir am Pier ankamen und das Lagerhaus in hellen Flammen fanden! Dass das Schiff nicht beschädigt wurde, grenzt angesichts der Last Treibstofffässer am Bordkran fast schon an ein Wunder. Während die anderen unter Führung von Starkweather und Romney gelöscht haben, fanden Jenkin und ich Sarah in dem Lagerhaus. Zum Glück war sie unverletzt und auch bald wieder bei Bewusstsein, aber wie sie dorthin kam ist mir ein Rätsel. Ich frage mich auch, ob die Fässer mit Treibstoff schon am Kran hingen, als wir abends von Bord gegangen sind? Der Sache muss ich noch nachgehen, immerhin haben mich Starkweather und Moore jetzt zum Sicherheitschef der Expedition ernannt. Falls wir einen Maulwurf an Bord haben, sollte ich ihn schnellstmöglich aufspüren! Dass es sich um Brandstiftung handelte, steht zweifelsfrei fest, schließlich haben Jenkin und ich den Täter ertappt und gestellt. Es war der Kerl mit der auffälligen Brandnarbe im Gesicht, mit dem Jenkin schon am ersten Tag Ärger hatte. Doch wer sind die Auftraggeber? Steckt Lexington dahinter oder eine andere Partei? Warum war Inspektor Hansen von der Mordkommission am Tatort und hat den Verdächtigen festgenommen? Unsere Abfahrt hat sich jetzt um einen Tag verzögert, weil wir einige Ausrüstungsgegenstände ersetzen mussten, die beim Brand beschädigt wurden. Als Sicherheitsvorkehrung habe ich von Silvestrini einige handfeste Hafenarbeiter angeheuert, nachdem ich zuvor die Geschäftsbeziehung mit Sgt. Kingston (der dem NYPD nun wirklich alle Ehre macht!) aufgelöst habe. Man kann einfach nicht darauf vertrauen, dass korrupte Polizisten ihren Teil einer Vereinbarung einhalten. Am Sonntag sind wir dann endlich Anker auf gegangen und haben New York verlassen. Das Abenteuer beginnt! Nachtrag: Seit dem Hotelbrand fange ich an, an meinem Verstand zu zweifeln. Immer wieder fühle ich mich beobachtet und glaube, geschminkte Fratzen in Fenstern und Spiegeln zu sehen. Auch der Kerl im Hotel Westbury schien seltsame Kleidung zu tragen, die eher zu einem Zirkusclown gepasst hätten. Muss dringend Jenkin fragen, ob ich mir das nur eingebildet habe! Bin auf jeden Fall sehr unruhig, schlafe schlecht und fühle mich tagsüber fahrig und ausgelaugt. Das alles erinnert mich an eine Geschichte, die mir Lance Corporal Anderson während der Heimfahrt von Frankreich auf dem Truppenschiff erzählt hat. Er war in der Argonne in heftiges Trommelfeuer geraten und hatte einen Nervenzusammenbruch  erlitten, so dass man ihn für eine Weile in ein Spital hinter der Front verlegte. Anderson hatte, wie er mir erzählte, seit frühester Kindheit Angst vor Spinnen. Im Lazarett ergriff nun plötzlich die Vorstellung von ihm Besitz, dass große Spinnen über sein Laken krabbeln würden, sobald er seine Augen schlösse. Vor lauter Panik hielt er sich drei Tage lang wach, indem er sich immer wieder eine Nähnadel aus seinem Flickzeug ins Bein stach. Schließlich bemerkte eine Schwester, was er tat, und man gab ihm ein starkes Beruhigungsmittel. Danach hat die Panik wohl etwas nachgelassen, aber ich habe Anderson auf der ganzen Fahrt nie länger als eine Stunde am Stück schlafen sehen. Kann es wirklich sein, dass mich die Geister von Belleau nach all den Jahren doch noch einholen? Verliere ich den Verstand, weil ich im Krieg schreckliche Dinge gesehen und getan habe? Oder steckt etwas anderes dahinter, was mir noch nicht bewusst ist? Ich darf mir auf keinen Fall etwas anmerken lassen, aber ich muss gleichzeitig meine geistige Verfassung genau im Auge behalten. _______ Zeitungsartikel - Boston Tattler Wie Phönix aus der Asche: Starkweather/Moore-Expedition unbeirrbar auf Kurs! Von unserem Korrespondenten Raymond Harsen Erst das unerwartete Ableben von Kapitän Douglas, und nun auch noch ein Brand am Liegeplatz des Schiffes in der Nacht vor dem geplanten Auslaufen: Die Expedition von Mr. Starkweather und Prof. Dr. Moore scheint unter einem denkbar ungünstigen Stern zu stehen. Mr. Starkweather gab an: “Der Tod von Kapitän Douglas war ein großer Schock, das ist richtig. Nicht nur, weil wir dadurch für die Expedition einen erfahrenen Seemann verloren haben, der als Experte für die nautischen Gegebenheiten des Südpolarmeeres galt. Auch charakterlich und menschlich war er einer der festen Stützpfeiler, auf denen unser Erfolg ruhen sollte. Unsere Gedanken und Gebete sind nun aber zuallererst bei seiner Familie und seinen Angehörigen, die den Verlust noch viel schlimmer fühlen müssen als wir.“ Das Morddezernat des NYPD stufte den Tod von Douglas zunächst als Unfall ein. Doch nach den jüngsten Ereignissen drängt sich die Frage auf, ob diese Einschätzung weiterhin tragbar ist. Erst der Tod eines wichtigen Expeditionsteilnehmers, dann in der Nacht vom 08. auf den 09. September ein Brandanschlag auf das Schiff und die angemietete Lagerhalle: Betreibt hier etwa jemand ein perfides Spiel aus Sabotage und Verdunkelung, um sich im Wettlauf zum Südpol skrupellos einen Vorteil zu sichern? “Ob wir es hier mit gezielter Sabotage zu tun haben, dazu kann ich mich nicht äußern. Zutreffend ist, dass in der Nacht des Brandes ein der Brandstiftung dringend Tatverdächtiger gefasst und der Polizei übergeben wurde. Die Ermittlungen der Behörden  dauern aber noch an.“, so Starkweather. ”Das Feuer hat einige Ausrüstungsteile beschädigt, die nun ersetzt werden müssen. Hierdurch verzögert sich unsere Abfahrt geringfügig, aber wir verfügen über eine hervoragende Crew und einen ausgezeichnet besetzten wissenschaftlichen Stab, die mit solchen Schwierigkeiten ohne weiteres fertig werden. Wichtig ist, dass bei dem Brand niemand zu Schaden kam!“ Dass Mr. Starkweather selbst an vorderster Front heroisch gegen das Flammeninferno kämpfte, verschweigt er an dieser Stelle in vornehmer Zurückhaltung. Der Autor kann jedoch selbst getreulich Zeugnis davon geben, dass es dem Leiter des Unternehmens weder an kühner Tatkraft noch fester Entschlossenheit mangelt. Auch Prof. Dr. Moore, der wissenschaftliche Leiter der Expedition, gibt sich kämpferisch: ”Die Lexington-Expedition hat nun vielleicht einen geringfügigen Vorsprung. Doch das Rennen ist lang, und am Ende werden wir es sein, die als Erste eine Frau an den Südpol gebracht haben und mit Entdeckungen heimkehren, die die Welt in Staunen versetzen werden!“ Fakt ist, dass die Expedition von Acacia Lexington durch die Verzögerung mit einem Vorteil ins Rennen um den Pol startet. Doch welche Gründe könnte es geben, die einen Konkurrenten oder eine Konkurrentin zu solch drastischen Mitteln greifen lassen? Spielen hier vielleicht Motive jenseits von Ruhm und Forscherdrang eine Rolle? Was ist von den Spekulationen zu halten, die in der Antarktis große Vorkommen an Bodenschätzen vermuten, die den Findern unermesslichen Reichtum versprechen? Der ”Tattler“ wird dieser Sache auf den Grund gehen und die Wahrheit ans Licht der Öffentlichkeit bringen! Raymond Harsen, an Bord der MS Gabrielle _______ Reisetagebuch Raymond Harsen Montag, 11.09.‘33 bis Mittwoch, 26.09.‘33 Haben gestern New York verlassen und Kurs Richtung Süden genommen. Die Stimmung unter der Besatzung und den Expeditionsteilnehmern ist gut, was sich nach Überquerung der 5-Meilen-Grenze sofort in einer kleinen Feier mit Sekt geäußert hat. Während unserer Fahrt entlang der Ostküste der Staaten hat sich das Klima merklich erwärmt und wir konnten einige wunderschöne Sonnenuntergänge an Deck genießen. Für Müßiggang bleibt aber ansonsten kaum Zeit, da die Expeditionsleitung ein umfangreiches Programm an Vorbereitungskursen für die Antarktis aufgestellt hat. Über Erste Hilfe, Bergsteigen und Schlittenkunde bis hin zu Funk und Navigation reicht das Repertoire. Ich habe mir vorgenommen, an möglichst vielen dieser Kurse teilzunehmen. Der Südpol ist kein Ort, an den man sich unvorbereitet wagen sollte. Aufgrund der beengten Verhältnisse an Bord müssen wir uns größtenteils auf die Vermittlung von theoretischen Grundkenntnissen beschränken, aber im Zweifelsfall können auch diese den Unterschied zwischen Leben und Tod machen. Das unsere Seeleute speziell auf den Trocken-Skikurs mit großer Belustigung reagieren, lässt sich da durchaus leicht verschmerzen. Nach Umrundung der Florida Keys haben wir Kuba passiert und Kurs auf den Panama-Kanal genommen, den wir am 19.09. erreicht haben. Der Anblick der gigantischen Schleusenwerke hat uns alle sehr beeindruckt. Ich musste an die ersten Bilder denken, die ich von den Bauarbeiten an der Colorado-Talsperre gesehen habe. Einerseits versetzt mich die Fähigkeit der Menschen, auch den größten Kräften der Natur mit Stahl und Beton ihren Willen aufzuzwingen, immer wieder in Staunen. Andererseits mache ich mir auch so meine Gedanken darüber, ob es denn wirklich keine Grenzen mehr geben sollte, denen sich der Mensch fügen muss. Muss so etwas nicht irgendwann zur Arroganz verleiten und uns in große Katastrophen treiben? Wir haben den Kanal, der von einer prachtvollen und vielfältigen Flora und Fauna umsäumt wird, zügig durchquert und bei Balboa verlassen. Aufgrund des zeitlichen Vorsprungs Lexingtons‘ haben wir in Panama Stadt nicht Land betreten, sondern nur einige Vorräte an Bord genommen. Vor uns liegt jetzt der gewaltige Pazifik in all seiner Weite. Gleich am ersten Tag hat sich das Wetter deutlich verschlechtert, mit kabbeliger See und einer Sturmfront direkt voraus. Und beinahe wäre es abends zu einem Unglück gekommen, als Patrick Miles, einer der Flugzeugmechaniker, bei schwerer See über Bord gegangen ist. Es ist uns zum Glück gelungen, ihn mit einer Rettungsleine wieder an Bord zu holen, aber allein der Gedanke, einsam in den unermesslichen Wassermassen zu treiben, jagt mir eiskalte Schauer über den Rücken. Während der Rettungsaktion habe ich mich am Knie verletzt, so dass mir der Doc ein starkes Opiat gegeben hat. Dadurch hatte ich die folgenden Tage immer wieder Albträume, so dass ich das Mittel wieder abgesetzt habe. 24.09.: Die Stimmung der Besatzung ist umgeschlagen, die Männer verhielten sich plötzlich mürrisch und abweisend. Zuerst konnte ich mir keinen rechten Reim darauf machen. Doch als ich auf der Lagekarte sah, dass wir unmittelbar vor der Überquerung des Äquators standen, ging mir ein Licht auf. Die Äquatortaufe ist eine alte Tradition der Seefahrt, bei der alle Neulinge vor König Neptun Rechenschaft über ihre Taten ablegen müssen. Ich habe selbst noch nie eine solche Taufe mitgemacht, aber einige altgediente Veteranen im Corps haben mir davon erzählt. Tatsächlich haben sich die Geschichten, die ich damals für etwas überzogen hielt, als wahr erwiesen. Wir mussten einzeln vor König Neptun und seinen Hofstaat treten (es war unser verkleideter Smutje und alle übrigen Mitreisenden, die den Äquator bereits einmal überquert haben) und uns die Anklage anhören. Danach ließ man uns durch einen nach Fischinnereien stinkenden Segeltuchtunnel robben und wir mussten jede Menge Alkohol trinken. Insgesamt ein großer Spaß für alle, bis auf die übliche Ausnahme natürlich: Ted hat sich wieder mal aus allem rausgehalten und irgendwelchen Unsinn von ”Götzenanbetung“ gefaselt. 25.09.: Am folgenden Morgen gab es ein wortwörtlich böses Erwachen. Das Kühlaggregat im Frachtraum war ausgefallen und Teile der Frischlast wurden mit austretendem Ammoniak kontaminiert. Zunächst hielten wir es für einen Unfall, doch als Ted, Jenkin und ich den Schaden näher begutachteten stellten wir fest, dass offenbar jemand das Zulaufrohr mit einer starken Säure korrodiert hatte. Eine Reparatur mit Bordmitteln ist nicht möglich und unsere verderblichen Vorräte werden in 3-4 Tagen unbrauchbar sein. Die Expeditionsleitung hat sich, auch auf meinen Rat hin, gegen eine Umkehr nach Panama Stadt entschieden. Stattdessen werden wir unsere Fahrt nach Melbourne fortsetzen und erst dort eine Reparatur der Kühlanlage durchführen sowie unsere Vorräte für die Antarktis ergänzen. Bis dahin reichen unsere Konservenvorräte, auch wenn unsere Kost jetzt deutlich kärglicher werden wird. Trotzdem bin ich von der Richtigkeit unserer Entscheidung überzeugt. Wenn es sich tatsächlich um einen Sabotageakt handelt, dann wollte uns der Täter im Zeitplan weiter zurückwerfen und die Erfolgschancen von Lexington erhöhen. Auf diese Weise geben wir wenigstens das Heft nicht völlig aus der Hand. Die Identität des Saboteurs bleibt derzeit noch unklar, allerdings können wir den Kreis der Verdächtigen einschränken. Zugang zu dem Frachtraum hatten außer mir nur der Kapitän Vredenburgh, Mr. Turlow, der Smutje und die drei Stewards Whitney, Henning und Coates. Wegen der Feier am Vorabend scheint uns Turlow momentan der Hauptverdächtige zu sein, allerdings können wir noch keine handfesten Beweise für seine Schuld liefern. Er schien mir bisher immer ein sehr aufrechter und vertrauenswürdiger Mann zu sein, doch in so schwierigen und unsicheren Zeiten wie unseren können die tiefen Taschen einer Acacia Lexington auch den tadellosesten Charakter ins Wanken bringen. Wir müssen ihn auf alle Fälle im Auge behalten. Durch unsere Weiterfahrt ist der Täter gezwungen, sich aus der Deckung zu wagen und erneut zuzuschlagen. Hoffentlich bekommen wir dann unsere Chance! 26.09.: Obwohl Jenkin, Ted und ich die ganze Nacht Wache gehalten haben, hat der Täter erneut zugeschlagen, nur diesmal noch weitaus niederträchtiger. Offenbar wurde eine Packung des Pemmikans, dass sowohl als Futter für die Hunde als auch als Trockenmahlzeit für die Männer gedacht ist, mit Strychnin versetzt. Zwei der Tiere sind daraufhin wie in Raserei geraten und haben einen dritten Hund geradezu zerfleischt. Wir mussten beide Tiere erschießen. Nicht nur haben wir damit fast ein Zehntel unserer Zugtiere verloren, wir müssen nun auch jeden einzelnen Karton mit Trockenfleisch auf Manipulation überprüfen. Die Moral der Expedition, besonders der Schiffsbesatzung, ist auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt und die ersten Männer sprechen bereits von ”Starkweathers Fluch“, der auf dem Unternehmen liegt. Der Einsatz in diesem Spiel ist plötzlich viel höher, als wir uns das alle zuvor gedacht haben... _______ Reisetagebuch Raymond Harsen Mittwoch, 26.09.’33 bis Freitag, 26.10.‘33 Nach den Vorkommnissen der letzten beiden Tage haben Ted, Jenkin und ich eine genaue Inspektion aller fünf Frachträume durchgeführt, während der Rest der Besatzung die Trockenfleisch- Pakete überprüft hat. Das Ergebnis war ernüchternd, in nahezu allen Frachträumen sind wir auf weitere Sabotageakte gestoßen. Die Entwicklerflüssigkeit für die Fotographien wurde mit Chlor unbrauchbar gemacht. Alle Funkgeräte wurden geöffnet und im Inneren mit der gleichen Säure verätzt, die auch schon bei der Zuleitung des Kühlsystems ihr zerstörerisches Werk getan hat. Im Frachtraum 1 wurden zwölf der Sauerstoffflaschen entleert, die Kontrollplomben waren aufgebrochen. Ebenso wurden alle drei Dieselgeneratoren unbrauchbar gemacht. Die Konsequenzen, wenn wir in der Antarktis in eine Notlage geraten wären und dann erst die zerstörte Ausrüstung bemerkt hätten, möchte ich mir gar nicht genau vorstellen. Der traurige Höhepunkt war jedoch, als ich bei den Treibstofffässern im Frachtraum 2 einen improvisierten Sprengsatz fand. Offenbar schreckt der Saboteur nicht einmal davor zurück, dass Schiff schwer zu beschädigen oder zu versenken, um seine hinterhältigen Ziele zu erreichen. Nach einer Besprechung mit der Expeditionsleitung haben wir beschlossen, uns auf die Überwachung von Frachtraum 2 zu konzentrieren, da hier die größte Gefahr für die Expedition droht. Die unbrauchbare Ausrüstung kann in Melbourne ersetzt werden, aber ohne die M.S. Gabrielle werden wir nie die Ross-See erreichen. Glücklicherweise bietet das Fenster der Kabine von Starkweather und Moore einen Blick auf das Einstiegsluk, so dass wir dem Saboteur durch eine unbemerkte und ständige Überwachung eine Falle stellen können. Wir mussten beinahe zwei Wochen ausharren, bevor unsere Bemühungen Erfolg zeigten. Während die Stimmung an Bord wegen der einseitigen Kost immer schlechter wurde, hielten Ted, Jenkin, Prof. Moore und ich rund um die Uhr einsam Wache. Schließlich, in der Nacht bevor wir Melbourne erreichen sollten, bemerkte Jenkin verdächtige Aktivitäten im Laderaum. Gemeinsam gelang es uns, den Steward Adam Henning festzusetzen und Mr. Turlow zu übergeben. In Melbourne wird er sich vor den Behörden verantworten müssen. Leider hat er sich über seine Auftraggeber und Hintermänner (bzw. wohl eher Hinterfrau) eisern ausgeschwiegen. Am 12.10. erreichten wir Melbourne, wo wir von den Australiern mit großer Begeisterung und Herzlichkeit empfangen wurden. Die Laune der Besatzung hat sich schlagartig gebessert mit der Aussicht auf frische Kost und, zumindest für einige, einen letzten Landgang vor dem wichtigsten Abschnitt unserer Reise. Für die Sicherheit des Schiffes während der Liegezeit bürgt ein Kontingent der örtlichen Polizei unter der Leitung von Inspektor Kramer, offenbar ein sehr kompetenter und gewissenhafter Mann. Nach unserer Sicherheitsbesprechung hatte ich zumindest ein zuversichtliches Gefühl. Die Schäden an der Kühlanlage werden repariert und unsere Vorräte ergänzt. Angesichts der bisherigen Ereignisse sah ich mich dazu gezwungen, ein Versprechen zu brechen, das ich mir selbst vor 14 Jahren gemacht hatte. Als ich 1919 aus dem Krieg heimgekehrt war hatte ich geschworen, nie wieder eine Waffe anzurühren. Doch nun halte ich es für nötig, auch auf die Möglichkeit einer bewaffneten Auseinandersetzung vorbereitet zu sein. Ich habe mir deshalb einen Revolver besorgt, einen Webley Mark V. im Kaliber 0.45. Ich kenne das Modell noch aus meiner Militärzeit. Es hat mir im Schlamm der französischen Schlachtfelder gute Dienste geleistet und wird mich sicher nicht im ewigen Eis im Stich lassen. Es ist ein seltsames Gefühl, wieder das Gewicht einer Schusswaffe am Gürtel zu fühlen, eine Mischung aus Vertrautheit und Furcht. Jenkin und Ted haben sich ebenfalls bewaffnet. Hoffen wir, dass wir die Waffen nicht einsetzten müssen. Ein etwas kurioser Moment war der Empfang durch den Bürgermeister von Melbourne im Rathaus. Zahlreiche Pressefotographen waren vor Ort, und normalerweise ist das die Bühne für unseren nicht ganz uneitlen Expeditionsleiter. Doch irgendwie hat sich der Bürgermeister Jenkin als Gesprächspartner ausgesucht, und am nächsten Tag prangte das Gesicht unseres Nachwuchsgelehrten auf allen Titelseiten. Ich werde das Gefühl nicht los, das Starkweather darüber eher unglücklich ist. Zumindest sieht er Jenkin seither immer wieder mit diesem komischen Blick an. Aber vielleicht täusche ich mich ja auch. Wir haben am 14.10. Melbourne planmäßig verlassen und Kurs Richtung Süd-Osten auf die Ross-See genommen. Unsere Hoffnung ist, dass sich das Packeis dort schon recht früh löst und wir Zeit aufholen können. Apropos Zeit, wir mussten unsere Uhren jetzt auf die Antipoden-Zeit umstellen und sind damit einen halben Tag vor der Greenwich-Zeit. Unser tapferes Schiff stampft Tag für Tag unter Volldampf gen Süden, während das Barometer und die Außentemperatur stetig fallen. Derweil besuchen wir alle noch die Kurse, die an Bord angeboten werden. Am 23.10. fiel das Barometer am Morgen rasant ab und es näherte sich eine bedrohliche Sturmfront. Innerhalb kürzester Zeit fanden wir uns inmitten gewaltiger Wellenberge, angesichts derer mir meine Worte über die Herrschaft des Menschen über die Natur naiv und voreilig erscheinen müssen. Dass die Gabrielle diesen gewaltigen Kräften standhält, spricht für die Qualitäten von Schiff und Besatzung. Am Abend legte sich der Sturm und wir wurden mit einem atemberaubenden Sonnenuntergang für die Strapazen entschädigt. Am 25.10. liefen wir wegen der schlechten Sicht nur mit langsamer Fahrt. Ich war trotz der inzwischen empfindlichen Kälte an Deck gegangen und wurde Zeuge unserer ersten Eisbergsichtung. Fast schon widerwillig, einem Eidolon gleich, schälte sich ein mächtiger Tafeleisberg eine halbe Kabellänge voraus aus den Nebelschwaden, majestätisch und bedrohlich. Wir passierten ihn ohne Zwischenfälle, dennoch musste ich unwillkürlich an die Zeitungsberichte über die Titanic- Katastrophe vor 21 Jahren denken. Eine Havarie in diesen Gewässern wäre das sichere Ende für uns. Am Abend des folgenden Tages brach erneut ein schwerer Sturm los, der es an Gewalt ohne weiteres mit dem ersten Sturm aufnehmen konnte. Wie er es genau angestellt hat, vermag ich nicht zu sagen, aber inmitten des tosenden Windes bemerkte Ted seltsame Geräusche aus dem Frachtraum 2. Nachdem wir uns zusammen mit Jenkin, Mr. Turlow und zwei Matrosen unter großer Anstrengung einen Weg über das Deck zum Luk gebahnt hatten, fanden wir unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Zwei der Ersatzmotoren für die Flugzeuge, jeder mit gut einer Viertel Tonne Gewicht, hatten sich aus ihren Laschings gerissen und wurden unkontrolliert über das Frachtdeck geschleudert. Wir mussten in den Frachtraum und sie zumindest provisorisch sichern, bevor sie weitere Ausrüstung beschädigen oder sogar Löcher in die Schiffswand schlagen konnten. Während Kapitän Vredenburgh die Gabrielle in den Wind drehte gelang es uns zunächst ohne Zwischenfälle, den ersten Motor mit Gurten und zurechtgesägten Balken aus dem Bauholzvorrat zu sichern. Bei dem zweiten Motor verließ uns, genauer gesagt mich, jedoch das Glück. Ich konnte dem Motor zwar ausweichen, bevor er mich wie eine Fliege zerquetscht, allerdings riss mir ein Metallteil eine tiefe Wunde im Arm, die stark blutete. Am Schluss gelang es uns, auch den zweiten Motor festzuwerfen, doch kurz darauf verlor ich wohl das Bewusstsein. Ich erinnere mich bruchstückhaft, dass mich die anderen übers Deck in die Messe transportierten und mich dort der Schiffsarzt untersuchte. Er gab mir wohl ein starkes Schmerzmittel, denn ich sank in tiefe Bewusstlosigkeit und wurde von seltsamen Träumen heimgesucht. Ich sah mich, in einer Badewanne sitzend, die mit einer milchig- trüben Flüssigkeit gefüllt war, auf dem Meer treiben. Um mich herum trieben lauter Eisberge, und hinter jedem Eisberg lauerte ein Clown mit seiner geschminkten Fratze. Ich konnte sie nicht sehen, doch ich wusste genau, dass sie da waren und auf mich warteten...
  18. ------SPOILER----- Ich gebe zu, ich hatte anfänglich bei der Vorbereitung ein wenig Bedenken, wie sich der Einstieg und die sich daraus ergebende Motivation bewerkstelligen lässt. Meine Gruppe kennt sich (in-game) seit etwa 4 Wochen, was 3 Abenteuern entspricht und war noch nicht so verschwei?t, als dass ich da einfach so drauf bauen konnte. Das Szenario war als letztes Abenteuer vor dem ersten der äBerge des Wahnsinnsô Kampagne geplant und deshalb habe ich das Hotel auch nach New York verpflanzt. Erstaunlicherweise lief aber alles wie geschmiert. Dr. Moore (BDW) hatte die SCs zu verspäteten Bewerbungsgesprächen eingeladen und dann kurzfristig abgesagt. Als kleine Entschädigung wurde ihnen eine ?bernachtung im Hotel Arcadia angeboten welche sie dann auch gern annahmen. Somit hatte ich sie schon mal als Gruppe im Hotel und natürlich beim einchecken zufällig genau zu dem Zeitpunkt als sich der tragische Selbstmord des letzten Gasts aus 608 ereignet. Da der Direktor die Gruppe auf Empfehlung und bestimmt auch als Freundschaftsdienst gegenüber Moore einquartiert hatte konnte er sich dann nach dem Abendessen vertrauensvoll und ohne grö?eren Logikbruch mit der Bitte an sie wenden, sie mögen doch die Augen offen halten und den seltsamen Vorkommnissen im Hotel soweit möglich auf den Grund gehen. Die gro?artige Atmosphäre hat ab da die ersten ¥ des Abenteuer komplett getragen. Ich habe versucht alle Räumlichkeiten, NSCs und Informationen so flexibel und sandbox-like wie möglich anzubieten und meine Spieler einfach mal schauen zu lassen. Kleinere vignettenhafte Situationen habe ich spontan eingesetzt je nach dem wo es gerade gepasst hat um die Spannung zu halten oder auch ein wenig die Richtungen zu weisen, ohne all zu sehr zu gängeln. Beispielsweise hörte einer SCs, der gerade alleine in einem der weiten leeren Flure unterwegs war ein seltsames Quietschen und Knirschen gepaart mit einem sonderbare melodiösen Pfeifen. Als er dann angstschwei?gebadet um die Ecke sah kam sich der arme Page mit seinem quietschenden Champagnerwagen natürlich eher ertappt vor, da Pfeifen auf de Gängen in einem Grand Hotel ja eher nicht gern gesehen ist. ;-) Auch der Privatdetektiv und sein seltsames Büro wurden ausgiebig verwendet und bis zum Finale in 608 fast alle Informationen, die zur Verfügung standen aus den unterschiedlichen Quellen gesammelt und somit die Atmosphäre immer mehr verdichtet. Im Zimmer selbst hatten dann alle drei SCs parallele Erscheinungen die sie aber jeder nur individuell war nehmen konnten . Das hat den Grusel nochmal gesteigert da sie die Situation nicht teilen konnten obwohl sie sich im selben Raum befanden. Nur das Auftauchen von Kandlor?renai wurde dann allen gleichzeitig geboten, was in panischer Flucht durch das gegenweltlich verzerrte Hotel mündete, verstärkt durch die Verfolgung durch den komplett wahnsinnig gewordenen Hausdetektiv. Glücklicherweise gelang ihnen aber die Tötung des Verfolgers und die Flucht aus dem Hotel. Ich vermute zwar sie werden ab jetzt kein Auge mehr in einem Hotel schlie?en können und ich bin gespannt wie sich das in den ersten Abenteuern der BDW Kampagne macht, aber sie leben und konnten das abbrennende Hotel und den in den Himmel schie?enden Kandlor?renai bewundern. Bilder die sich tief in ihr Herz und Hirn gebrannt haben werden. Im Gro?en und Ganzen ein voller Erfolg. Knappe 5 Stunden Spielspa? und das sogar via Google-Hangout, da unsere Gruppe leider weit verstreut wohnt. Vielen Dank an Daniel und Sebastian für die wunderbare Vorlage. :-)
  19. Super, das hilft mir direkt schon weiter. :-) Danke!
  20. Ich werde in naher Zukunft das Abenteuer "Suite 608" aus der CW18 leiten und wollte mal nachfragen, ob Jemand von euch schon Erfahrungen gesammelt hat. Freue mich über jede Anregung.
  21. Hallo zusammen, ich bin vor beinahe zwei Jahren nach Göttingen gekommen und mir fehlt irgendwie doch eine reale Gruppe. Ich spiele zwar mittlerweile per Skype mit meiner alten Runde, allerdings ist das ja immer noch mal etwas anderes. Vielleicht geht es euch ja ähnlich. Meldet euch einfach bei Interesse. Viele Grü?e, Azrael
  22. Perfekt! Besten Dank Wer die Suchfunktion bedienen kann ist klar im Vorteil... Ich merke es immer wieder.
  23. Also wir werden es jetzt so angehen, dass jeder der drei Spieler zwei SCs anlegt und parallel spielen wird. Falls dann mal einer ausfällt ist das emotional nicht unschwierig (was ja durchaus erwünscht ist ;-) ) aber eben nicht das zwangsläufige Ende der ganzen Geschichte. Ich denke das ist eine gute Lösung. Hat Jemand von euch schon Erfahrungen mit dem Expeditionspack? Ich beobachte da schon geraume Weile wie bei ebay immer wieder fast schon absurde Preise gezahlt werden. Leider bin ich aber äusserst optisch ausgerichtet und stehe auf Briefe, Karten, Sticker um noch etwas mehr Atmosphäre aufzubauen. Sind die auf der Pegasus Seite zur Verfügung gestellten Materialen deckungsgleich abgesehen vom Spielleiterschirm? Verwendet ihr den Erdenstern Soundtrack? Den hab ich schon und bin völlig begeistert gebe ich zu.
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