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Uraltes Wissen


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Liebe Freundinnen und Freunde,

 

der Gegenstand der "Uralten Sprachen" und deren Erlernen treibt mich schon eine Weile um, weswegen ich mir die Freiheit nehmen möchte, diesen schon etwas angestaubten Faden, wieder aufzunehmen und um eine Verständnisfrage zu erweitern, deren Beantwortung mir allein unmöglich scheint und nicht nur das Regelwerk dieses fantastischen Spiels betrifft, sondern auch einen Teil der literarischen Vorlagen aus der Feder des Meisters. Da meine Frage und deren Diskussion wahrscheinlich in eine etwas andere Richtung als der zitierte Thread weisen wird, erlaube ich mir, einen neuen zu eröffnen.

 

Gelehrte, verständige und ambitionierte Stimmen wurden auf den letzten Seiten dieser digitalen Streitschrift erhoben und ich konnte viel Wissenswertes und Anregendes über eine Unzahl von Schriftsprachen, deren Vergleichbarkeiten und mögliche Erlernbarkeit in Erfahrung bringen.

 

Doch all diesen Schriftsprachen ist gemein, dass sie irdischen Ursprungs und überdies durch systemische und historische Kontextualisierung für den heutigen Leser erschlossen, also les- und vor allem verstehbar gemacht werden können. Das mag im Falle früher Keil-, Flammen- oder Bildzeichen sehr schwierig und nur einer erlesenen Schar umfänglich gebildeter Experten möglich sein, aber es ist unter Aufwand von besagter Expertise, Geld und Zeit möglich.

 

Im Prinzip sogar für Dritte, sagen wir zum Beispiel eine Gruppe verzweifelter Kultisten, die zur Entschlüsselung einer vorbabylonischen Schriftwalze einen Sprachwissenschaftler mit entsprechendem Spezialgebiet entführt und unter Androhung von Gewalt zwingt, die Einkerbungen auf der Walze zu übersetzen. Oder für Spielerfiguren, die obschon akademisch glänzend, dennoch die Hilfe eines Fachmannes vom Heiligen Stuhl benötigen, um sich einen sehr schwierigen, weil anspielungsreichen Text aus dem Zweiten Kreuzzug vom Lateinischen ins Englische übersetzen zu lassen.

 

Doch wie steht es mit Sprachen, die so alt und fremdartig oder sogar von ausserirdischer Herkunft sind, dass es keine irgendwie artverwandten Sprechenden (mehr) gibt, sie an keiner Universität unterrichtet werden und noch nicht einmal ein grundsätzliches System zum Verständnis dieser Sprachen besteht? Bei sehr einfachen Bildzeichen könnte man vielleicht noch rätseln, aber die Texte des Mythos müssen stets von hoher Komplexität sein, denn wie sonst könnten sie das Bestehen von "Dimensionen jenseits der unseren" dem Leser erfahrbar machen und sei es nur als ein magiekundliches, theologisches oder philosophisches Gedankenspiel. Das dürfte die Wahrscheinlichkeit, sie mit herkömmlichen Methoden entschlüsseln zu können, noch einmal um ein Vielfaches senken.

 

Lovecraft, aber auch Howard, Derleth und Smith machen es sich meist sehr einfach: Ihre Protagonisten oder Informationslieferanten wirken im fraglichen Falle meistens omnipotent, weswegen sie die historischen Versionen der Bücher des Mythos einfach lesen können oder deren Inhalt aus ungenanntem Grund schon kennen. Dass sie deswegen, zusätzlich zu ihren anderen zahllosen akademischen Talenten für das Verständnis okkulter Weisheiten allesamt Sprachwissenschaftler mit profunden Kenntnissen des Lateinischen, Altgriechischen oder Altägyptischen sein müssten, von den Schriftsprachen der oftmals referierten asiatischen Antike ganz zu schweigen, macht sie als lebensnahe Figuren unglaubwürdig und rückt sie wohl eher in die Nähe des "Universalgenies", das Lovecraft und viele seiner "viktorianisch" geprägten Zeitgenossen wie Doyle oder Wells begeistert hat. Aber auch wenn mir solche "Allround-Aces" für ein, nicht zuletzt detektivisches Spiel wenig geeignet erscheinen, entheben sie sich nach meiner Meinung gänzlich aller Logik und damit Spielbarkeit, wenn sie wie einige Figuren aus Lovecrafts Geschichten schon nach ein paar Stunden in den versunkenen Städten einer ausserirdischen Spezies deren Schrift- und Bildzeichen als Chronik flüssig lesen oder ohne jede Hilfestellung jahrhunderttausendalte Texte aus untergegangenen, menschlichen Zivilisationen wie Lemuria, Mu oder Atlantis lesen und sofort verstehen können. Aus dramaturgischen Gründen mag diese 'logische Nachlässigkeit', wie ich sie nennen würde, in einer abgeschlossenen Geschichte entschuldbar sein, wenngleich sie mich manchesmal wegen ihrer blasiert wirkenden Scharlatenerie zum Schmunzeln anregt, denn gerade Lovecrafts Geschichten sind von einer Wissenschaftshörigkeit durchtränkt, die der Autor oft mit nicht mehr als einem ungefährlichen Halbwissen und viel Begeisterung für sein Thema einlösen kann. (Eines meiner persönlichen Highlights ist in diesem Zusammenhang das politische Ordnungssystem der 'Alten Rasse', der "sozialistische Faschismus" auf der Basis geomantisch inspirierter Astronomie. Kein Wunder, dass die "Alte Rasse" bald das Ueber-Zeitliche gesegnet hat...)

 

Doch wo der Autor in seinen Geschichten vage und vielleicht sogar willentlich abstrus sein darf, gerät der Spielleiter oder Verfasser von Rollenspielabenteurn auch mit der Frage nach der Erlernbarkeit von "uralten" oder unmenschlichen Schriftsprachen und den damit verbundenen Inhalten wie Zaubersprüchen, geographischen Beschreibungen oder historischen Zusammenhängen schnell an den Rand des Kosmos, den er allerdings nicht nur sich selbst, sondern auch seiner Spielrunde ständig beschreiben muss. (Selbstverständlich erkenne ich den Reiz des Nebulösen und Unerklärlichen, gerade in einem Horrorsetting, aber ich ziehe es vor, erst einmal eine grundsätzliche Spielmechanik und die darin liegenden Handlungsspielräume zu verinnerlichen und dann mit Ausnahmen und Verschleierungen für Unsicherheit zu sorgen.)

 

Wie und wo lassen sich also Schriftsprachen wie Senzar, Hyperboräisch, Yith, Tsath-Yo oder jene der "?lteren Wesen" erlernen, die zum Lesen ursprünglicher Mythostexte und zum Begreifen fast aller vormenschlichen Artefakte, Gebäude und Rituale wichtig sind? Reicht ein "allgemeines Vertrautsein" mit okkulten Praktiken zum Verständnis von komplexen Texten, wie es die Fertigkeit "Mythossprache" nahelegt, die mir wie der Pastiche eines allzu praktischen Strukturelements in der Art Westrons erscheint, der "Gemeinsprache" bei Tolkien, die nahezu alle intelligenten Kreaturen aus irgendeinem ominösen Grund beherrschen und damit das Problem der Verständigung trotz des gigantischen sprachlichen und kulturellen Reichtum Mittelerdes entfallen kann? Sind überhaupt Schriftkenntnisse im Sinne des Wortes notwendig, um zauberische Bücher zu lesen oder Reliefe zu verstehen oder machen sich diese nicht viel mehr auf magische Art durch intuitive Eingaben oder träumerisches Begreifen lesbar, aber müssten dann nicht Niederschriften oder Kopien aller magischen Eigenschaften beraubt sein, es sei denn, sie würden ihrerseits verzaubert? Verliert das Auffinden eines Buches mit zumindest teilweise unmenschlicher Sprache nicht den Reiz für die Spielrunde, wenn die Frage nach der Schrift beständig mit "verschwommene Hieroglyphen gänzlich unbekannter Art" beantwortet und damit die Entschlüsselung negativ beschieden werden muss oder gestattet man die Lektüre einfach, so wie Lovecraft es tun würde, auch wenn dadurch die Logik erheblich geschliffen wird? Bedeutet das Erlernen einer ausserirdischen oder vorzeitlichen Sprache anders als das Studium des Sanskrit nicht auch das Begreifen von Zusammenhängen jenseits unseres gedanklichen Kosmos und wie wirkt sich das aus, lassen sich dann z.B. Zauber besser lernen und anwenden oder fremde Wesenheiten besser bekämpfen? Sind diese so fremdartigen Sprachen überhaupt übersetzbar und wenn ja, wie geht das vonstatten?

 

Die unglaubliche Arbeit und der nur zu lobende Ideenreichtum, den unsere Freunde bei Pegasus Press in das wirklich sensationelle "Necronomicon"-Quellenbuch gesteckt haben, gibt in dieser Hinsicht leider nur wenig Antworten. Zwar wird hier und da darauf verwiesen, dass man mit verschiedenen Texten diese und jene Sprache besser erlernen könnte, aber wirklich Befriedigendes zum Thema "uralte und nichtmenschliche Sprachen und Schriftsprachen" findet sich dort ebenso wie in den Regelbüchern meines Erachtens nicht.

 

Darum würde mich alles, was Euch zu diesem Themenkomplex einfällt, dringend interessieren. Sei es, wie ihr das Lesen von Mythosbüchern handhabt, ob sich vielleicht Eure Kultisten durch nichtmenschliche Sprachkenntnisse mit Kreaturen des Mythos verständigen können (und wo haben sie die her?) oder ob Eure Spielrunden Dritte zum Studium von Texten hinzuziehen müssen und wie ihr das in den Auswirkungen des Lesens gestaltet (Werden dann die ?bersetzer wahnsinnig oder "schafft" ein ordentliches Buch auch mehrere Figuren?). Aber auch ?berlegungen und Anmerkungen zur Aneignung von "uraltem Wissen" mit oder ohne Sprachkenntnisse entlang der Originalgeschichten sind mir sehr willkommen!

 

Mit verbindlichsten Grüssen aus seinem unbeheizten Büro im Museumsflügel von Schloss Gottorf,

 

Ihr Dr. Hungerbuch.

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Werter Kollege Dr. Hungerbuch,

 

leider sind wir uns nie persönlich begegnet, oder doch?

Wenn ich ihnen mit meinen bescheidenen Kenntnissen

des ?bernatürlichen zur Seite stehen dürfte,

würde ich empfehlen es Dr. Shrewsbury nachzutun und

der gro?en Bibliothek von Celaeno einen Besuch abstatten.

Die Reise ist sicher weit und beschwerlich aber gewiss

vielversprechend.

Des Weiteren sind mir Gerüchte zu Ohren gekommen

von einer gewissen Entität, die von Zeit zu Zeit mit intelligenten

Wesen des "Universums" den Geist tauscht, um in den

Besitz des Wissens zu kommen, auch hier muss es eine

immense Anhäufung alten wissen geben, glaubt man den Gerüchten,

dass die Rasse der Yithianer den Geistestausch schon seit ?onen betreibt.

 

in wissenschaftlicher Freundschaft verbunden

 

Dr. Moshe Shirmon

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Es ist einerseits so, dass der Mythos selbst wie eine Entität fungiert, die nicht an Logik und Physik gebunden ist.

 

Im Arcana Cthulhiana wurde das so beschrieben, dass die Magie auch ohne den Menschen wirken kann, und da es teilweise magische Schriften sind...

 

Zur Frage der nicht direkt übersetzbaren Schriften...

 

Man kann manchmal allein aufgrund linguistischer Grundsätze und Axiome auf den Inhalt von Sprache schliessen. Die Linguistik geht davon auss, dass es einen grundlegend gemeinsamen Aufbau von Sprache gibt, und dass man dessen Regeln ableiten kann.

(Ich als Halblaie behaupte, dass dies nur bei menschlichen Sprachen gehen kann, und nicht universell gültig ist, da nicht jede Entität im Universum das gleiche Gedankenschema wie der Mensch hat, ergo auch die Sprachen grundsätzlich anders aufgebaut sein müssen als die des Menschen.)

 

In den Fällen, in denen das nicht funktioniert, treten gravierende ?bersetzungsfehler auf.

Deswegen gibt es ja z.B. auch Unterschiede in der Qualität

von Mythos-Büchern gleichen Namens und Inhalts.

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Menschlein,

 

eine junge und unbedeutende unabhängige Rasse wie die Eure, welche zudem noch im rührenden Irrglauben an einen geordneten, dreidimensionalen Kosmos verhaftet ist, vermag naturgemä? den Bedeutungsgehalt von Schriftzeichen nicht zu entschlüsseln, deren sich so verschiedenartige Wesenheiten wie die Insekten von Shaggai und die Bewohner der Stadt Carcosa bedienen.

 

Diese Schriftzeichen sind nicht weniger als universelle kosmische Symbole, für Eurereins vielleicht am ehesten fa?bar, wenn ich sie mit den postulierten Archetypen eines Dr. Jung vergleiche oder dem Binärcode, den Eure Wissenschaftler zur Kontaktausnahme mit extraterrestrischen Intelligenzen ins All senden. Sie sind jenem entwickelten Geist verständlich, der über ihre Allgemeingültigkeit meditiert. Eurereins entschlie?en sie sich erfahrungsgemä? noch am ehesten, wenn Ihr die Pforten Eurer Wahrnehmung erweitert - für einen Gelehrten Eures Kalibers wird hier der Hinweis auf die plutonische Droge und die Hexensalben des Mittelalters Anhaltspunkt genug für weitere Nachforschungen sein.

 

Alternativ könntet Ihr während einer Episode ungewöhnlich luziden Träumens den Rat der Katzen von Ulthar erbitten - sie besitzen in den Landen jenseits der Mauer des Schlafes mancherlei Wissen, welches in der wachen Welt längst vergessen wurde.

 

Ich hoffe, mit meinen Andeutungen angemessen vage geblieben zu sein.

 

Das Tiefe Wesen

 

vor Chilonium im Mare Balticum lauernd

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- das ist allerdings ein sehr eigener Problemkomplex. Zum einen ist bei sowas natürlich auf keinerlei realweltliche Erfahrung zurückzugreifen, andrerseits hätte man das natürlich schon gerne so gehandhabt, dass es sich damit nicht beisst.

 

Während ich dazu aus der eigenen Spielpraxis nichts zu berichten habe, sei hier wenigstens am Rande auf den bevorstehenden Band 2 der Kampagne Berge des Wahnsinns hingewiesen - da ist genau die Situation des Erlernens eines nichtmenschlichen schriftlichen Kommunikationsverfahrens skizziert (von der.. äh.. phonetischen Seite mal ganz zu schweigen). Obwohl ich aus dem sprachwissenschaftlichen Kopfschütteln nicht herauskam - sicherlich noch immer eine der stringentesten Darstellungen, wie sowas vonstatten gehen soll (auch hinsichtlich etwelcher äu?eren Einflüsse, die sich darauf auswirken).

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