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[Bühne in Weiß] Kapitel 2: "Rendevouz mit einer Toten" (NP)


Blackdiablo
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'Im tiefsten Schlummer - nein! im Delirium - nein! in Ohnmacht und Betäubung - nein! im Tode - nein! selbst im Grab ist nicht alles Bewusstsein geschwunden.'

 

- Edgar Allan Poe: "Wassergrube und Pendel"

 

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Arkham, Massachusetts, Vereinigte Staaten von Amerika

1.11.1928

 

[Jean-Louis' Eintritt aus dem Nebenplot: "Besprechungen und Planungen"]

 

Es ist ein Gespräch. Das Gespräch mit jemandem, der nicht sprechen kann, aber viel zu sagen hat. Das ist die Schwierigkeit. Das war es schon immer. Aber das ist auch der große Reiz. Du streifst dir deine Handschuhe über, deine Ausrüstung, fühlst dich ein bisschen wie Gott, der mit den Toten spricht.

 

Dein Date liegt ironischerweise in einem Leichensack, der den Farben und Proportionen der Vorhänge im Arbeitszimmer des Gastgebers am vergangenen Abend entspricht. Aber zumindest das weißt du nicht. Noch nicht.

 

Tote haben viel zu erzählen. Sie wollen dir viel erzählen!

 

Und du bist willig, ihnen aufmerksam zuzuhören.

Edited by Blackdiablo
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Der Schlüssel öffnet den Eingang zu meiner Gruft. Die stählerne Tür glänzt kalt und matt.

Der Keller des Institutes liegt dunkel und verlassen vor mir.

 

Das Kippen des Schalters. Ein Klicken. Und das Deckenlicht flackert.

Drei, vier Schritte durch die Dunkelheit.

Dann springt das Licht an.

 

Kaltes Licht. Weisse Kacheln und Fliesen.

 

Es riecht nach Alkohol, Formaldehyd und einem Hauch Menthol.

 

Die Tür zur Kühlkammer ist verschlossen.

Fünf Kunden wohnen hier zur Zeit. Mietfrei.

 

Ein Hauch des Erwartens. Zwei neue Akten liegen im Fach.

 

Johnson wurde somit wohl gefunden.

Vielleicht ist es aber auch nur ein anderer armer Teufel.

 

Hubert hat die Fotos gemacht.

Der Abholschein hängt am Brett.

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Mich interessiert nur diese...

Prostituierte.

Diese Frau.

Frau Crow.

Miss Crow.

Miss Alice Crow.

 

Sie war noch sehr jung als sie starb.

Jammerschade.

 

Und sie hat bestimmt viel durchgemacht in ihrem jungen Leben.

Und noch viel mehr hätte sie noch vor sich gehabt.

 

Sie wäre bestimmt noch ein interessantes Mitglied in unserem Trupp der Ahnungslosen geworden. Leider hat das Schicksal sie viel zu früh abberufen.

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Kühlraum. Fach 03.

Ich öffne das Schubfach. Der Schlitten gleitet leise und ruhig hinaus. Der Edelstahl glänzt im kalten Licht. Ein leises, kaum wahrnehmbares Quietschen.

 

Der Körper ist komplett mit einem Leichentuch aus dünnem Leinen abgedeckt. Nur am rechten, grossen Zeh hängt noch ein letzter, stummer Gruss.

 

Die Leiche ist identifizierbar.

Neben dem Fusszettel gibt es noch einen zweiten Zettel am entsprechenden Kühlfach - zur Sicherheit.

Der Zettel am Fuss ist für die eindeutige Zuordnung, beim Abtransport durch den Bestatter, wichtig.

 

Als Notanker dient noch das Logbuch der Pathologie, in welches eingetragen werden muss, welche Kunden von welchem Ort in die Pathologie verbracht wurde.

 

Der Arzt der den Totenschein ausstellt, muss bei der Leichenschau die Identität des Toten bestätigen.

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Sie ist kalt.

Der Frosthauch der Leiche.

 

"Guten Abend, junge Dame. Es ist sehr bedauerlich, dass wir uns unter derart widrigen Umständen näher kennen lernen. Ich glaube, Sie hatten schon unzählige Männerhände auf Ihrem Körper und ich verspreche Ihnen, dass die meinen wohl die Letzten sein werden."

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"Sie haben eine sehr leise Art sich zu nähern, Professor."

 

Ich grinse.

 

"Guten Abend." [...]

 

"Diese Leisetreterei von Ihnen wird noch mal der Tod für einen von uns werden. Entweder ich falle tot um, oder ich erschlage Sie... aus Versehen. Das wäre in jedem Fall sehr lustig... für die Kollegen... bei der Obduktion."

 

Ich lache.

 

"Schön, Sie zu sehen Gerald. Wirklich schön." [...]

 

"Nein. Es war nicht wirklich ein langer Tag. Ich bin gerade nur auf einen Sprung vorbei gekommen." [...]

 

"Ich hatte mir ja die Tage frei genommen. Frau Larkin müsste Sie angerufen und Herr Hubert Sie daran erinnert haben."

 

Ich schlage das Leichentuch zurück.

 

"Was führt Sie in die 6FU?" [...]

 

"Es wurde offensichtlich noch keine Obduktion vorgenommen. Ist die Leichenschau schon erfolgt?"

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"So ist das. Die Sache soll schnell über die Bühne gehen. Anordnung von Sheriff Engle. 'ne Dame hat sich gemeldet und sie stand der Toten wohl recht nahe. Da haben die sich ein Herz gefasst und den Fall schnell über die Bühne gebracht. Und das ist auch der Grund, weswegen ich hier bin, Doc. Ich find's komisch und muss mit jemanden darüber reden." Er räuspert sich, dann guckt er zu dir. "Also - die Bullen sind nach dem Anruf der Dame losgestiefelt. Eher um das Blut wegzuspülen als irgendetwas anderes. Diese Stadt hat schließlich auch ein bisschen Würde verdient. Und wissen Sie, wen die gefunden haben? Den Chinesen! Stellen Sie sich das vor! Der Kerl, der Sie umgebracht hat, lag im verwaschenen Blut des Opfers! Waffe noch in der Hand! Unfassbar, nicht?!"

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"Was?" [...]

 

"Da ist doch etwas oberfaul, Gerald. Das stinkt doch. Und das wissen Sie auch." [...]

 

"Zwei Fragen: Hat diese Dame eigentlich auch einen Namen und ist der Kuli schon im Schrank?"

Edited by Der Läuterer
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"Der Kuli wurde also weggesperrt? Vermutlich nur ein Sündenbock für den wahren Täter." [...]

 

"Und Miss Crow hier? Wo hat es sie erwischt? Lunge oder Herz?"

Edited by Der Läuterer
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Er bildet mit Zeigefinger und Daumen eine Pistole und drückt sie sich an die linke Brust, während er ein ploppendes Geräusch macht. "Durchs Herz. Tod trat fast sofort ein. Leichenstarre hat schon eingesetzt. Ich meine bei der Kälte draußen, wen wundert's? Die Polizei fand ein olles Rasiermesser bei ihr, das mit Sicherheit schon mehr Leuten die Kehle rasiert hat, als der Polizei lieb ist. Sie war kein Engel. Und trotzdem wirkte es, als wolle sie der Polizei noch im Tode sagen: 'Lasst Miss White einen Fingerzeug von euch zukommen, ihr dummen Bullen! Ich bedeute ihr nämlich etwas!' Die fanden nämlich einen Schlüssel bei ihr, fest in ihrer Hand verkeilt, auf dem der Name Holmes eingraviert ist. Miss White musst du wissen hieß früher Holmes oder so. Ihr Mann soll verstorben sein. Schlimme Geschichte und jetzt sowas. Mann Mann Mann ... Es erwischt immer die falschen und damit meine ich nicht die Kleine im Sack." Er deutet mit dem Daumen auf Alices Leiche. "DIe hatte es wohl verdient."

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"Dann ist für die Pathologie ja alles im Reinen, oder?" [...]

 

"Aber Sie sind doch nicht hier unten, um mir das zu sagen, Gerald. Was ist los?"

 

Ich gehe zur Spüle und bücke mich. Möbelpolitur.

 

"Auch einen Schluck?"

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Ich rede leise vor mich hin, während ich von der Spüle zurück komme.

 

"Erst gehen wir mit der Zeit, dann gehen wir mit der Zeit."

 

Dann schaue ich auf die Frau auf der Bahre.

 

"Und häufig auch vor der Zeit."

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"Nene. Heute nicht." Er schüttelt vehement den Kopf. "Meine bessere Hälfte würde mich umbringen. Ne, ich bin hier, um das mit der Baker Street zu klären. Da habe ich ein paar Infos." Er räuspert sich. "Die Polizei ermittelt ja momentan an mehreren Fällen von Kindesentführungen. Tatsächlich gibt's sogar einige Verdächtige, doch gibt es sozusagen einige zu heiße Fährten. Wie dem auch sei, Details wurden mir und will ich Ihnen ersparen, Robert Johnson passte auf die Beschreibung eines Mannes, der an besagten Schulen regelmäßig gesehen worden ist. Was er da machte" Hawk hebt die Hände. "Keine Ahnung. Jedenfalls interessierte die Polizei sich deswegen besonders für seinen Selbstmord. Engle hat alles stehen und liegen lassen und mit Crane, der in der Kingsporter Polizei das Sagen hat, kooperiert, sodass sie den ganzen Rasen angefangen haben zu durchsuchen. Sie sind noch nicht fertig, das können Sie mir glauben, aber bisher ... Keine Spur. Da gab's ein paar modrige Balken, da haben sie besonders gesucht, trotzdem scheint es, als sei er vom Gras verschluckt worden. Einfach so." Er schaut zu Boden. "Was halten Sie davon?"

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