Jump to content

[Nightmare Files] Kapitel 7 - Immer a ll ein


Der Läuterer
 Share

Recommended Posts

...

...

...

WAS?

...

WO?

...

WANN?

...

...

...

Und noch wichtiger WER bist Du, warst Du, wirst Du sein?

...

...

...

Edited by Der Läuterer
Link to comment
Share on other sites

Die Fragen schleichen um meinen Kopf. Doch sie sind nur ein Hauch. Unwichtig, so unwichtig, fern von Allem.

 

Es ist dunkel, und mein Kopf ist taub, als sei er aus Schnee, auf einen Pfahl gesteckt, an beiden Enden angespitzt. Das Knirschen geht weiter und ich schmecke Blut, mein Blut, sein Blut, verdient, alles verdient. Und da ist jemand, der an mich herantritt und den Knebel entfernt. Ich kenne ihn von früher. Und aus dem Keller der Lodge. Er ist die PARANOIA. Seine Augen sind Silbermünzen. Er weiß, was ich getan habe, er weiß alles von Beginn bis zum Ende, er legt seine Hände auf meine Schultern und beugt sich an mein Ohr.

 

"Bist du endlich bereit, Ricki? Paul?"

 

Ängstlich bewege ich meinen Kopf, doch da ist nur Dunkelheit - friss mich, friss mich Dunkelheit - lass mich nie geschehen sein! Aber es ist zu spät, gefressen zu werden, zu spät, einen anderen Weg als diesen zu beschreiten.

 

Ich frage: "Darf ich ... darf ich Matilde oder Clive ..."

 

"Es wäre besser, du würdest das lassen."

 

Ich senke meinen Kopf. Meine heißen Knie rutschig, die Beine Äste im Schneesturm. Ich schaffe es knapp, aufzustehen. So kalt breitet sich das Mittel in meinem Körper aus. Schluckend humpel ich nach vorne, sollte ich rennen? Sollte ich versuchen zu rennen? Blut und Glas rutscht mir in den Magen, ein Strudel der Lust und des Leids. "Ich habe nicht so lange so viel Schmerz ausgehalten, um jetzt zu rennen."

 

Ich spüre, dass er nickt. Er kennt mich. Er kennt das Gefühl. Den einen Weg beschreiten. Seine Hand um meine Schulter. Sie birgt mich, fahl, blass, kalt zugleich, zärtlich, sorgend, bergend und weich. Er lacht. Beinahe überschlägt sich seine Stimme in Hysterie, und ich empfinde den unangnehmen Drang, in das Lachen einzusteigen. "Du bist bloß unser Simulakrum, Paul, dein weißes Stück Papier ist längst verbrannt."

 

"Wird es schnell gehen?"

 

"So schnell, wie du möchtest!"

 

"Kann ich noch einen Schluck -?"

 

"Nein."

 

Ein Auge reißt in die Schwärze ein Loch. Es ist ernst. "Ich habe Angst."

 

Er lacht. "Keine Angst, Paul! Erst kostet es ein wenig Überwindung, haha, das tut es uns allen, wird es auch deinem Wilde, aber schlussendlich -"

 

Noch zögere ich. Es fühlt sich an, als würde das Heer aus Scherben durch meinen Körper marschieren. Wilde ist Teil hiervon? Die Taubheit breitet sich aus, wälzt sich gnädig auf meinen Geist, meinen Körper. "Du tust doch Matilde nichts, oder?"

 

Er schiebt mich vorwärts.

 

Ich habe Angst.

 

Und trete durchs Loch.

 

Etwas ist passiert, etwas ist falsch gelaufen, ich beginne zu glauben, dass mein Leben wie ein Roman ist! Beweist mir, beweist mir, dass dem nicht so ist! Warum werd ich nicht gesund? Warum? Weil ich es nicht will! Das Leben besteht aus Entscheidungen, nichts als Entscheidungen. Und wenn etwas Unersetzliches in einem stirbt, kann man gleich mitsterben oder zu einer Hülle werden. Tausende Leben strudeln an mir vorbei und jedes einzelne Leben kann er verknüpfen. Nur dieses eine Mal war es anders -

Etwas ist passiert, etwas ist gehörig falsch gelaufen. Es war nichts als eine Farce, dagegen zu kämpfen. Clive tastet nach dem Sinn, in seinem Herz aus Dunkelheit, Matilde verbleibt angstvoll harrend - schließlich bin ich wahrhaftig aus den Kreisen ausgetreten. Die Gedanken fließen! - Folie à Deux? À Trois? Pah! Hier ist ein Prinzip am Werk, welches so viel größer ist als jedes Leben. Manchmal erhaschen wir einen Blick hinter den Vorhang, doch wäre es besser gewesen, es nicht zu tun.

Mein Körper ist ein Schlachtfeld - zwischen Lust und Stumpfsinn - es braucht nicht mehr als einen schlechten Tag, um alles zu verpfuschen. Einen Fehler! Ich werde leben und muss doch sterben. Flehend könnte ich ihn anbetteln, mich gesund zu machen. Ich weiß nicht, ob er es kann. Allerdings steht diese Option außer Frage. Schließlich habe ich nur noch meine Erhabenheit übrig, wurde mir doch alles andere genommen.

Nein, er ist bloß ein weiterer Narr des Schicksals, der sich selber hängen wird, wenn seine Zeit gekommen ist. Er hat mir von Wundern berichtet, hat dem Simulakrum von Wundern berichtet, von Plänen, von Freunden, Liebschaften - endlich durfte ich grinsen. Er weiß vieles. Er glaubt, so vieles zu wissen. Er tut mir leid.

 

Ich bin da.

 

Ich werde meine Aufgabe erfüllen.

 

Ich mache mich bereit.

 

Ein letztes Mal bin ich der Mörder aller Mörder.

 

Es schmerzt mich nicht. Es ist Gerechtigkeit. Es bleibt mein Geheimnis.

 

"Kann ich jetzt gehen?", frage ich meinen Gefährten. Das durchdringende Geräusch des Lebensapparats dringt in meinen pochenden Schädel.

 

Er ist verschwunden. Er hat alles mitgenommen. Auch meine Erinnerungen. Sie brennen, brennen, brennen im WEIß.

 

Nun bin ich tatsächlich leer. Ich bin ein Nichts. Das, was ich immer befürchtet hatte, ist eingetreten. Ich kann nun aufhören zu denken. Ich kann nun aufhören zu sein.

 

Stattdessen verlasse ich das Zimmer.

 

Ein Grinsen aus kaltem Feuer auf meinem Gesicht.

 

Ich habe viel vor und nicht wenig zu tun.

Edited by Blackdiablo
  • Like 2
Link to comment
Share on other sites

 Share

×
×
  • Create New...