Jump to content

Blackdiablo

Mitglieder
  • Posts

    7,744
  • Joined

  • Last visited

  • Days Won

    58

Everything posted by Blackdiablo

  1. Ein Sturm von Dingen braust über meinen Verstand hinweg. "Ich ... denke, nein, ich bin mir sicher, einem Menschen das Leben genommen zu haben. Das war vor der Trinkerei. Da fing es an, ich hatte einen geistigen Aussetzer. Und seit der Zugfahrt werden es immer mehr und sie nehmen groteskere Formen an: Ich vergesse Dinge, erinnere mich an Sachen, die nie passiert sind, meine ganze Existenz ist ein Scherbenhaufen. Ich bin kein Schriftsteller oder ... vielleicht werde ich das noch. Im Augenblick bin ich mir nicht sicher. Ich kam hierher, um einen Auftrag zu erfüllen. Mein Name ist Paul Anderson und ich bin Privatdetektiv. Das ist aber nicht von Belang, wirklich nicht. Als ich noch Paul war, habe ich jeden Tag in Furcht gelebt, eine Sünde zu begehen, aber als ich in Ricks Rolle geschlüpft bin ... Ich war wie ausgetauscht. Wenn ich Rick bin, kann ich derjenige sein, der straft und Furcht verbreitet. Das muss sich dumm anhören. Wirklich dumm." Ich schweige und beobachte, wie unser Atem in der Schwärze der Nacht vergeht. "Manchmal habe ich Angst, wenn ich in Rage gerate. Dann tue ich Dinge, die sich weder gut auf mich, noch auf die Menschen in meiner Umgebung auswirken. Später erinnere ich mich nicht daran. Es ist verrückt, aber ich kann mich jetzt schon nicht mehr an den heutigen Tag erinnern ..."
  2. Ich gehe neben ihn ans Fenster und bei dem ersten Luftstrom spüre ich, dass mein Verstand etwas aufklart. "Wo soll ich beginnen, Doktor? Wenn Sie wüssten, was mir auf der Seele lastet, würden Sie vielleicht verstehen, warum ich Ihnen drohen musste. Es gibt soviel, dass ich bereue ... aber da sind auch schöne Erinnerungen ... Sie sind tot und verfallen und das Schlimmste ist, dass das meine Schuld ist. Ansich ist eigentlich alles meine Schuld." Ich schweige kurz und lasse mir die kalte Luft ins Gesicht wehen ... Ich spüre, dass die Kratzer von dem Untier im Gang des Zuges beinahe verheilt sind. Genesung ... physische und vielleicht sogar psychische? Sei nicht so voreilig, Rick. Du kennst den Kerl nicht und nur weil du dein Vitamin C zu dir nimmst, heißt das nicht, dass du gleich ein besserer Mensch wirst.
  3. Sie hat gegen ihre eigenen Dämonen zu kämpfen ... so ist das Rick. Du bist allein. Ganz allein. Ich schaue mich im Salon um. Die Russin beobachtet interessiert Matilde oder sonst wem und scheint nicht an andererleuts Probleme teilhaben zu wollen. Mein schwankender Blick fällt auf den Doktor, der trotz allem irgendwie Geborgenheit ausstrahlt. Ich schlürfe etwas an meinem Orangensaft und wanke zu ihm am Fenster. Mein Mund redet, bevor ich darüber nachdenken kann: "Eine Sache, Andrews." Er dreht sich zu mir um. "Muss mich einem anvertrauen, aber", lalle ich. "das kann ich nicht, ehe ich Ihnen gesagt hab, dass, wenn Sie ein falsches Spiel spielen und mir ist es egal, auf welcher Seite Sie stehen, bring ich Sie um. Verstanden? Ich tu sowas für gewöhnlich nicht, aber ich ..." Nervös blicken meine Augen hin und her. "Ich brauche jemanden, der noch nicht von meinem Verstand zu etwas anderem verzerrt wurde. In Ordnung?" Ein kleines Glimmen von Hoffnung liegt in meinen dunklen Augen, als er zur Antwort ansetzt. Helfen-Sie-mir flehen diese Augen. Von weiter hinten, höre ich ein Schlag ins Gesicht, die anderen Gäste schnappen entgeistert nach Luft, dann höre ich, wie Matilde weint und aus dem Salon stürmt.
  4. Ich nehme das Glas und lächele zaghaft, doch tobt in mir ein Chaos an Empfindungen. Ich kann mich nicht daran erinnern, bei ihr gewesen zu sein! Etwas Vages kratzt an der Oberfläche meiner Erinnung, aber ... es ist so irreal. Ich will ihr so viel sagen und erzählen! Es ist wichtig, nicht für sie, es ist wichtig für mein eigenes Heil! Doch da steht dieser Kerl, er drängt mich beiseite und ich habe ein unangenehmes Gefühl von einem Déjà-Vue. Es geht immer im Kreis immer und immer wieder. Glaubst du wirklich du könntest entkommen, Rick?
  5. Ein Neuanfang?, denke ich. Ist das möglich? Meine Pläne über den Haufen werfen und keine Made mehr sein, die immerzu an Verfallendem nagt? Einfach nur leben und nicht zuviel denken? "Farid ist gestorben, weil ich ihn getötet habe ...", hauche ich, dass es niemand anderes hören kann. In dieser bitteren Stunde realisiere ich, was ich getan habe. "Getötet. Er ist nicht gestorben. Ich mache mir selber etwas vor, ich ..." In der Spiegelung meines leeren Weinglases sehe ich mein ausgezehrtes Gesicht. Ich sehe, was die bisherigen Früchte meines Lebens sind, ich sehe es wahrhaftig und sinke verloren in mich zusammen. Ich bin ein erschöpfter Mensch, dem der Tod im Nacken sitzt. Ein Mensch, der nicht mehr weiß, was ihm sein eigener zerfressener Verstand vorgaukelt und was nicht. Als Matilde zurückkommt, meine ich zu ihr auf italienisch, damit Olga nichts versteht: "Ich war auf deinem Zimmer letzte Nacht, ist es nicht so?" Trauer, Verzweiflung und Sorge mischt sich in meine Augen. "Bitte lüg mich jetzt nicht an, Matilde. Ich muss es hören: Etwas stimmt nicht mit mir!"
  6. "Gestorben.", hauche ich als einziges Wort, doch sagt dies mehr aus als etliche weitere.
  7. "Eines Winter - ich war völlig ausgebrannt, wie das nunmal so ist - war ich in einer Kneipe. Dort hatte ich zu leben begonnen und war zu dem geworden, was ich immer verabscheut hatte. Die Welt hatte mich zu dem gemacht, was ich war und heute wieder werde. Nun Loyd, so hieß der Barkeeper und ich schämte mich, dass selbst dieser schmierige Kerl mehr zu erzählen hatte als ich, wie er immer zu mir gestarrt hatte, als wäre ich schon immer so abscheulich gewesen, wie ich zu der Zeit war. Draußen, da war Schnee gefallen, dicke Flocken, die natürlich keine fünf Minuten lagen und schon von London in etwas Ekelhaftes verwandelt wurden. Schwarz braune Matsche. Furchtbar. Nun, Loyd hatte nichts mehr zu erzählen, seine Geschichte darüber, wie er seiner Frau eine Lektion erteilt hat, so charmant die auch gewesen ist" Ich lächele ironisch. "so waren meine Kopfschmerzen doch schon bald unerträglich geworden, so schrecklich, dass mir sogar die eisige Nacht nicht mehr ganz unlieb war. Ich griff jedenfalls meinen Mantel, stiefelte zur Tür und da sah ich sie. Abschaum - ein ganzes Pack von denen und in deren Mitte eine einzelne Gestalt, die sie gnadenlos in den Boden stampften. Da - meine Gelegenheit war gekommen, Buße zu tun! Es kostete einige Überwindung, aber ich scheute den Konflikt nicht und stellte mich wagemutig vor das Opfer dieser dummen Schläger. Ich wurde wütend, beschimpfte sie, empfand ein Hochgefühl des Tatendrangs, doch sie schlugen mich in den Schnee. Blut tränkte den Boden um mich und ich sah Sterne, die einzigen in dieser düsteren Nacht in London. Plötzlich da stellte sich jemand vor mich. Es war der Angegriffene, ein Araber, und ein besonders kräftiger dazu! Mit seiner reinen Willenskraft schlug er alle drei zusammen und half mir aus dem Schnee auf. Das war Farid. Mein Freund. Doch das ist schon eine lange Zeit her. Aber es tut noch weh. Es tut so verdammt weh ..." Ich senke den Kopf und blicke auf meine Hände. "Jetzt bin ich allein ... ich bin allein und meine Zweifel zerfressen mich. Ich sollte stark sein, ich sollte Tatendrang zeigen! Farid hätte das so gewollt! Ich vermisse ihn. Ich vermisse ihn so sehr."
  8. Da mich niemand aufhält, umschließt meine Hand das Weinglas und ich schlürfe den restlichen Inhalt. "Lass mich dir eine Geschichte erzählen, in Ordnung? Willst du die Geschichte hören?" Ich schaue zu Contessa, die wie zu einer Säule erstarrt zu mir blickt. "Es ist eine schöne." Ich grinse.
  9. "Nicht bei Sinnen, Matilde? Ich seh so scharf, wie ich heute noch nicht gesehen habe. Glaub mir mal. Ich sehe die Welt im richtigen Licht. Ich sehe Hasan ... und Farid. Letzterer ist verstorben. Armer Kerl, war eigentlich ganz in Ordnung, wisst ihr?" Kleine Tränen laufen aus meinen Augen und ich erkenne tatsächlich die Realität für einige Sekunden im rechten Licht. All meine Finten zerbröseln in meinem jetzigen Zustand. "Ich bin für seinen Tod verantwortlich. Irgendwie bin ich das. Ich weiß es. Ich hoffe, es gibt eine Hölle, denn dann gibt es einen Ort für Leute wie mich ..." Meine Worte purzeln wie todesmutige Lemminge aus meinem Mund und ich habe keine Möglichkeit mich zu stoppen. "Wenn ich nicht mehr bin. Irgendwann." Mit zitternden Händen greife ich zu meinem Weinglas, das noch immer ein klein wenig Flüssigkeit enthält.
  10. "Haben Sie nett getanzt", sage ich etwas angetrunken. Es ist keine Frage. Dann lache ich: "Immer im Kreis immer rund herum und immer wiederholend. Wie der alte Nietzsche schon sagte ... Die Welt geht den Bach runter und die letzten Menschen drehen sich im Kreise ..." Zum Schluss ist meine Stimme sehr ernst geworden. Das Gesicht meines Gegenübers dreht sich in meiner verzerrten Sicht und ich kneife fest die Augen zusammen, um etwas Sicherheit zu gewinnen. "Der tote Philosoph hatte schon irgendwie recht ...", murmel ich. Längst bin ich nicht mehr Herr über das, was ich sage.
  11. Als ich aufgegessen habe, sehe ich, wie die beiden auf die Tanzfläche gehen. Ich lehne mich zurück, zünde mir eine Zigarette an und schaue ihnen amüsiert zu. Mein Weinglas habe ich erneut geleert und nun brummt mein Kopf unter der Einwirkung des Alkohols. Ich habe jene Schwelle überschritten, in der ich mich am Abend meiner Ankunft in der Lodge befunden habe. Dreht nur eure Kreise ... immer im Kreis und dann wieder. Bis euch schlecht wird. Wiederholung, die ewige Wiederkehr! Ihr könnt nicht entkommen. Nein, das könnt ihr nicht. Man muss schon radikal werden, um diesem Kreislauf zu entkommen. Ich werde traurig und rührselig und rauche gedankenverloren meine Zigarette. In diesem Augenblick der kleinsten Freude in den Leben meiner beiden Bekannten kommt mir der Gedanke, dass endlich jemand diesen letzten Schritt wagen muss. Ich bin nicht der Mörder aller Mörder, wenn ich irgendwelche Skrupel habe, oder Hasan? Hasan nickt. Entschlossen. Zuversichtlich. Fast grimmig. Bei Allah, Rick, du solltest derjenige sein, der die Wiederholungen durchbricht., bestätigt er meine Gedanken. Ich atme einen Schwall von Rauch aus, der mein maliziöses Grinsen verhüllt. Es wird mir keine Freude machen, denke ich. Aber bereuen werde ich es auch nicht.
  12. Ich höre gar nicht, was die Damen da plaudern. Ich bin zu sehr aufs Essen konzentriert. Und wenn ich mal nicht esse, dann fülle ich meinen Alkoholpegel nach.
  13. Als Andrews einen Schimmelreiter erwähnt, blitzt ein Bild in meinem Kopf auf ... http://www.jens-rusch.de/images/8/8d/Schimmelreiter2010Copyright500px.jpg "Der Schimmelreiter", murmel ich nachdenklich, dann im selben Moment kommt Torben mit einer köstlichen Vorspeise zu uns. Jeder bekommt seinen Teller, bedankt sich höflich, dann achte ich nicht mehr auf die anderen und beginne zu essen!
  14. Langsam werde ich ungeduldig und schaue auf meine Uhr. "So interessant Ihr Wissen über diese Legenden auch ist, Mr Andrews, so frage ich mich dennoch, wann endlich das Essen serviert wird." Ich sehe Torben an mir vorbeiflitzen (Mann hat der ein Timing! Fast so wie Hasans unübertroffenes Timing!) und winke ihn kurz zu mir: "Entschuldigung, wird heute Abend serviert oder müssen wir mit einem Büffett vorlieb nehmen?" "Das Nachtmahl wird schon bald angerichtet, Sir, gedulden Sie sich bitte noch etwas." "In Ordnung Torben", meine ich tapfer lächelnd, "Ich tue mein Bestes." Er kommt ein bisschen näher und sagt: "Ich werde Ihrem Tisch schon einmal eine Kostprobe kredenzen, Sir. NIemand soll hier Hunger leiden müssen. Ich persönlich fühle mich fast für Sie verpflichtet." Damit zischt er ab in die Küche.
  15. "Völlerei, die Sünde des Schweins. 'Das Schwein wälzt sich lustvoll in allem, was dem Verderben durch maßlose Schlemmerei infrage kommt. Zur Not auch im eigenen Dreck'.", zitiere ich abwesend "The Day's End" und blicke an Andrews vorbei. Meinen Augen blicken unscharf und trotzdem kann ich erkennen, wie die Russin sich unserem Tisch nähert. Dann komme ich wieder zur Besinnung und blicke zu Andrews: "Sie sind ein wahrhaftiger Experte, Mr Andrews. Bitte, fahren Sie fort." Während er ansetzt zu sprechen, lächele ich etwas gezwungen zu Olga und hebe die (größtenteils von mir) halb geleerte Flasche andeutungsweise hoch und weise sie damit an, sich zu uns zu gesellen. Währenddessen knurrt mein Magen und ich beginne wieder an meinem Apfel zu knabbern.
  16. Ich schaue verdutzt zu der Decke, die er ihr gerreicht hat. Eine nette, liebevolle Geste, vertrauenswürdig. Er muss falscher sein, als ich zunächst angenommen habe, vermute ich. Eine weitere Tücke dieser gnadenlosen Welt, die mich versucht, von meiner Aufgabe abzubringen. Aber NEIN! Das wird nicht passieren! Ich behalte das Ziel vor Augen! Ich zucke mit den Schultern: "Nun ich bin an allerlei morbiden Geschichten interessiert, Mr Andrews. Beruflich habe ich mich sozusagen dazu verpflichtet. Matilde erzählte mir vor einiger Zeit von der Wilden Jagd und dass sie wohl bald ansteht und naja da hat mich eben die Neugier gepackt." Ich hebe das Glas an die Lippen und sehe, dass Matilde zu sprechen beginnt. Ich schließe die Augen, trinke und lausche dem, was sie zu sagen hat. Meine Welt beginnt vom Alkohol bereits leicht zu wanken und ein Gefühl der Überheblichkeit macht sich bereits in meinem Körper breit.
  17. Ich beobachte sie und ihr Verhalten, stöhne innerlich, als ich sehe, dass ein leichter Schatten von Trübsinn ihre Augen umschleiert. Er wird alles wisse, alles! Sie bringt sich in Gefahr und mich auch! Der Kerl ist zu schlau, um nicht zu sehen, dass sie nicht in Ordnung ist. Ein kurzer Blick zu ihm beweist mir, dass ich recht habe. Ein leichtes, kaum auszumachendes Zucken durchfährt seinen Mund und seine Augen sprechen Bände: Er weiß alles. Vermutet noch viel mehr! Sofort wechsel ich das Thema und gehe auf seine Frage von vorher näher ein: "Ich bin freier Schriftsteller, Mr Andrews, und mein guter Freund Hasan, das unglückliche Opfer widriger Umstände, und ich, der ich den fatalen Ereignissen des Zuges mit heiler Haut entronnen bin, sind auf die Lodge gefahren, um uns auf unsere Weise der Umgebung zu erfreuen. Er wollte richtigen weißen Schnee sehen - nicht den schwarzen Matsch aus London! - und ich arbeite an einer überaus interessanten ... Geschichte und dachte, Norwegen sei genau richtig, um sie erstmals richtig in Fahrt zu bringen." Ich lächle. "Nun würden mich natürlich zwei Dinge interessieren, Mr Andrews, wenn Sie mir diese Fragen erlauben: 1. Was führt Sie an dieses beschauliche Fleckchen Erde und 2. Was wissen Sie über die Wilde Jagd?" Ich sehe wie Matilde bei Erwähnung dieses Begriffs ein wenig zusammenschreckt (sie verrät ihm alles durch ihr Verhalten!) und ergänze dann: "Ich bin neugierig, denn Sie scheinen ein heimlicher Experte auf diesem Gebiet zu sein. Wie Ihnen mit Sicherheit geläufig ist, ist es bald Zeit für dieses Phänomen und da dachte ich, dass es interessant wäre, von Ihnen ein bisschen mehr darüber zu hören. Sie müssen wissen, solche Geschichte sind der perfekte Nährboden für meine Geschichten." Ich zwinkere ihm etwas zu und schenke mir Wein nach.
  18. "Die Wilde Jagd, hm?" Ich bin nachdenklich, zerstreut, verwirrt, der Alkohol steigt mir aufgrund meines Hungers schneller zu Kopf als sonst und ich entschließe mich zu einer Antwort: "Ich glaube dir." Eine Hand auf ihre Schulter gelegt, wiederhole ich: "Ich glaube dir alles, Mailde, aber was die Polizei angeht ..." Verräterisch blicke ich von links nach rechts und flüstere zu ihr: "Ich habe Grund zu der Annahme, dass sie mit dem Kult in Verbindung stehen. Unterschätze das nicht. Wenn die erst einmal begriffen haben, wer du bist und sie dich haben ..." Ich schüttel den Kopf. "Ich meine, die Wilde Jagd ist eine Sache, der wir nichts entgegensetzen können, aber die Menschen aus Lom - und ich bin mir sicher, sie sind alle auf ihre Weise in die Sache involviert! - die sind nicht unantastbar, die sind aus Fleisch und Blut! Pass also auf, sei wachsam und halte dich bereit." Ich schaue zu Andrews und beiße noch einmal in meinem Apfel. "Lass uns zurück an den Tisch gehen und versuchen diesen Abend zu genießen." Damit schiebe ich sie vorsichtig in Richtung des Tisches. Den fragenden Blick des Doktors beantworte ich mit einem leichten Lächeln. "Jetzt ist alles okay."
  19. Bevor Matilde an unseren Tisch zurückkehrt, lehne ich mich zu Andrews und meine hinter vorgeschobener Hand: "Sie hat viel durchgemacht, das arme Ding. Ich beobachte sie bereits die letzten paar Tage, denn sie wirkt, als wäre sie ... Na sie wissen schon: suizidgefährdet ... Sie ist unausgeglichen, kann kaum noch zwischen Realität und Fiktion, Schein und Sein unterscheiden. Nehmen Sie es ihr nicht übel und lassen Sie sich nichts anmerken. Sie hat viel zu verarbeiten und sieht sich jeden Tag vor neuen Herausforderungen stehen." Ich trinke einen großen Schluck meines Glases und wiederhole: "Das arme Ding." Bevor er reagieren kann, richte ich mich auf, nehme mir einen Apfel aus der Obstschale und fange Matilde ab, ehe sie zurück an unseren Tisch kommt. "Matilde, Sie müssen damit aufhören, der Welt so ganz ohne Maske zu zeigen, was in Ihnen vorgeht. Dieser Herr" Mit der Hand, in der der Apfel liegt, mache ich eine leichte Geste in Andrews Richtung. "ist nicht wie die anderen, verstehen Sie? Er ist ein scharfer Analyst, auch wenn er sich verstellt und naiv tut. Ich spüre so etwas, ich weiß so etwas, denn das ist mein täglich Brot" In meinem Redefluss merke ich gar nicht, wie ich eine deutliche Anspielung auf meine wahre Berufung mache, die Matilde bisher noch nicht bekannt gewesen sein kann. "Ich würde fast meinen SIE haben ihn geschickt. Die Poilzei. Ich muss Ihnen etwas über die Polizei hier verraten, Matilde, es ist ungeheuer wichtig, aber das geht nicht hier. Nicht an diesem Ort, nicht zu dieser Zeit." Ich beiße von meinem Apfel ab und ein süßsäuerlicher Genuss gesellt sich zu dem Geschmack von Alkohol in meinem Mund. "Was meinen Sie? Er darf keinen Verdacht erregen, also sollten wir zunächst versuchen, Mr Andrews etwas auszuhorchen." Ich überlge kurz, dann: "Und da wäre noch etwas" Einer meiner Finger nähert sich ihrem Auge, aus dem eine kleine Tränenperle gekullert ist, und ich streiche sie sanft von ihrer Wange. "Hören Sie auf, so traurig zu sein. Was auch immer Sie gerade beschäftigt, Matilde, Sie sind nicht allein damit." Ich warte kurz, dann frage ich: "In Ordnung?"
  20. "Habe ich Sie etwa ... verängstigt, Matilde?" Ich wirke gekränkt, denn ich kann kaum glauben, dass jemand an so einem schönen Tag so unglücklich sein kann. "Bitte, verzeihen Sie mir." Witiko, meint Hasan. Ist das nicht so ein Vieh aus den Nordischen Legenden, über die du vor der Reise so viel gelesen hast, Rick?
  21. "Wo Hasan ist? Na was denken ..." Ich schaue zu Hasan neben mir und dieser schüttelt ernst den Kopf. Dann legt er seinen Finger auf den Mund. "Sie denn, wo er steckt? Die Ärzte haben ihm nicht gestattet, den mühseligen Weg zur Lodge hinauf zu wagen und so musste er in einer kleinen Herberge unterkommen. Sieht recht nett aus da, aber ich muss Ihnen beiden gestehen, dass das norwegische Volk äußerst unsympathisch ist." Meine Augen verfinstern sich ein bisschen, doch dann kommt Torben mit der Weinflasche. "Aaah!", rufe ich und er schenkt mir etwas Wein ein. "Wunderbar!" Wie ein geübter Weintester schwenke ich das Glas in meinen Händen und nippe leicht daran. Nun leuchten meine Augen, als Wärme meinen Rachen hinunterrinnt. "Ausgezeichnet, Torben! Auf Sie kann man sich immer verlassen! Wollen Sie mit mir anstoßen? Matilde? Ein Glässchen, um Ihre Nerven zu beruhigen? Sie wirken heute so angespannt!" Ich grinse und hebe neugierig die Augenbrauen.
  22. Zu Andrews meine ich monoton: "'The Day's End' ... ist das Leben. Er ist das Leben. Welches Genre hat das Leben, hm?" An diesen Auspruch kann ich mich schon nicht mehr erinnern, wo er meinem Mund entfährt. Ich wende mich zu Matilde um und ziehe meinen vom Schnee durchnässten Mantel aus: "Vergessen Sie die Zugfahrt, Matilde! Lassen Sie uns über Erfreuliches reden!" Ich nehme einen der Stühle und setze mich hin und schaue etwas ungeduldig nach Torben. Dann fahre ich enthusiastisch fort: "Hasan. Es ist Hasan! Er ist wieder genesen! Gott ist das schön! Er ist nicht länger in seinem öden Krankenhauszimmer! Er hat endlich seinen ersten richtigen Schnee sehen können!" Mein ganzes Gesicht strahlt und ich glaube, dass mir nichts diesen Moment erlesenster Offenbarung zerstören kann. Meinen Hunger habe ich vorerst verdrängt.
  23. Ich will an dieser Stelle betonen, dass H. P. Wilde wirklich super sympathisch und umgänglich war/ist (weiß nicht, was mit ihm genau passiert ist ^^). Nicht so wie gewisse andere meiner Charaktere.
×
×
  • Create New...