Der Läuterer

Du kannst Dich an den Namen Deines ersten Freundes überhaupt nicht mehr erinnern. Wie ausradiert. Nur noch ein Name spukt Dir durch den Kopf. Hans! Hans! Hans! Du hörst die Stimmen der Norweger wie durch einen Schleier. Du siehst Hans am Boden liegen. "En allmennpraktiserende lege? En Doktor?" "Syk? Skadet?" "Det Konge Hakon Klinikk?" "Dem hovedgate og så dem treer gate til høyre." [ Ein praktizierender Arzt? Krank? Verletzt? Das König Hakon Krankenhaus? Die Hauptstrasse und dann die dritte Strasse nach rechts. ]

Ein einfaches Zimmer. Spartanisch eingerichtet. Die Wände bräuchten mal etwas Farbe. Ein Bett. Eine Truhe. Ein Stuhl. Ein Waschtisch. Im Krug ist frisches Wasser. Das Fenster geht hinaus zum Hafen. Und von unten dröhnt der Lärm der Schankstube.

Du fährst auf dem Motorrad nach Lillehammer hinein. Irgend wie ist es schon seltsam. Du hast keinen einzigen Augenblick gezögert, Dich auf den Bock zu setzen und dem Pferd die Sporen zu geben. An diesem schönen Abend ist noch einiges los. Der warme Frühlingstag treibt die Menschen zu Spaziergang an. Du erinnerst Dich an Deine erste und bisher einzige Fahrt. Damals in Italien. Hundert Jahre scheint das her zu sein. Nordgren hatte doch etwas von einer Klinik erwähnt, in der Hans lag. König Halon oder Harald? Egal. Du hast in Italien immer Deinen Freund genervt, Dich mal fahren zu lassen, aber er hat sich immer geweigert. Dein erster Freund. Die grosse Liebe. Reine Schwärmerei. Ihr wart beide sooo jung. Alles rein platonisch. Wäre es anders gewesen, Dein Vater hätte ihn sicherlich mit Schrot gespickt.

Hans Stimme ist schwach. "Der Bauer... spricht immer... wieder... davon, dass... er... die Polizei... einschalten will. Ausserdem... will er... jemanden zur... Wache... ins... Sperrgebiet... schicken. Das... gefällt mir... ganz... und gar... nicht. Das... müssen wir... unterbinden. Sonst... sind wir... erledigt. Ich... brauche... Zeit. Wenn etwas... passiert, dann... haust... Du ab. Du... haust... ab, bringst Dich... in... Sicherheit... und schaust nicht... zurück." Er schaut Dir fest in die Augen. "Verstanden?!" Er greift sich im Liegen an seine Oberschenkel. "Ich habe... absolut... kein Gefühl... mehr... in... meinen Beinen. Steck... mir... die Waffe... schnell... wieder... in... mein Schulterhalfter... Links." "Mach... schon, Matilde!" Hans Gesicht ist schmerzverzerrt. "Ich habe... mir auch... einige... Rippen gebrochen." Hans fasst sich an die Brust. "Ich... habe... noch etwa... 200... Kronen... Ich werde dem... Bauern... das... Geld... geben, damit... er... still hält. Das... wird uns... Zeit... verschaffen." Er schaut Dich traurig an. "Wenn... sie nicht... darauf... eingehen, dann... frag mich... niemals... danach, was... geschehen... ist. Verstanden?!" Hans nickt in Richtung Motorrad. "Nimm... jetzt... das Motorrad... und fahr... nach Lillehammer... Hol mir... einen... Arzt. Es sieht... nicht... gut... für mich... aus." Er lächelt gequält. "Fahr... vorsichtig, mein... Stern."

Der Schankwirt tippt sich kurz mit zwei Fingern an die Schläfe und deutet dann mit der Hand zu Treppe. "Kloor!" [ Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt. ]

"Es wird schon. Aber ich kann meine Beine nicht bewegen..."

Ich WILL Dich zu gar nichts bringen. DU darfst machen was immer DU willst. Um es mit Cypher zu sagen: 'Die Macht des freien Willens.'

Sorry. Ich konnte einfach nicht widerstehen.

"Kloor!" Er legt den Schlüssel auf den Tresen. Daran hängt ein Messing-Schild mit der '5'. [ Natürlich kann ich Ihnen den Schlüssel geben. Hier bitte. ]

Das Ambiente hat man im Kopf. Oder man hat es eben nicht. Ob ein Szenario gut wird oder nicht, hängt doch nicht von der Umgebung ab. Warum will es denn jeder immer ungemütlich und karg haben. Das macht doch nichts besser.

Na dann. Noch fünf Patronen in der Knarre und NUR vier Zeugen. Das kann man doch nur als gute Option bezeichnen. Mit der letzten Kugel erledigst Du den Versager am Boden und gehst, ein Liedchen auf den Lippen, ins Sanatorium.

Er deutet auf den grossen dunklen Fleck auf dem Boden. Das Blut des Attentäters ist fast eingetrocknet. Dann deutet der Bauer auf die Schleifspur. Dann zeigt er erst auf Dich. Deutet dann in Richtung Sperrgebiet. Dann in Richtung Lillehammer. Dann zeigt er auf das Auto. Und ständig redet er dabei auf norwegisch. Hektisch. Unverständlich. Verwirrend. Aber mehrmals fällt ein Wort - politistyrke -.

Na ja, man kann nicht alles haben. Schade eigentlich. Dennoch Glückwunsch. Das Zimmer ist wirklich klasse.

Hans macht sich verständlich. Auch wenn es ihn sehr anstrengt und viel Kraft kostet. Und die Hilfe der Knechte ist bitter nötig. Aber sie schaffen es, die Kiste aufzubocken. Dann meldet sich der Bauer. "Som sine det?" Er deutet mit der Laterne auf den Boden [ Was ist denn das? ]

"Kloor!" Währenddessen zapft der Mann einige Biere. [ Aber selbstverständlich! ]

Ich habe es gerade erst bemerkt... http://img5.fotos-hochladen.net/uploads/096nx9us73fi.jpg Deine Bib hängt ja direkt unter der Decke. Das sieht ziemlich vollständig aus, was die Pegasus-Veröffentlichungen angeht, oder?

Jetzt hat der Mann nicht nur ein absolut geniales Umfeld zum Cthulhu-Spielen. Nein. Er hat auch noch eine Frau, die nicht nur sein Hobby teilt, sondern auch noch kreativ dabei mitwirkt. Da kommt ein Hauch Neid bei mir auf. Aber ich freue mich für Dich, dass Du es so gut getroffen hast. Glückwunsch!

Du überblickst die Situation. Du bist aufgeregt, aber Du zwingst Dich zur Ruhe. Du musst nachdenken, was zu tun ist... Seitliches Anheben des Wagens könnte Hans die Knochen brechen. Ihn zerquetschen. Der Motor liegt beim Benz vorne, d.h. der Wagen ist hinten leichter. Hinten den Wagenheber drunter und aufbocken. Ja. DAS solltet Ihr machen.

Jetzt stirbt er wieder. Wie langweilig!!!

Dein Wort in Gottes Ohr!

Ich bin immer wieder von machen norwegischen Worten überrascht. Manche klingen, als kämen sie aus der eigenen Sprache. Und manche Wörter... machen mich sprachlos.

Hans schaut Dich an und Du weisst, das es ihm nicht gut geht. Aber er kann nicht ernst sein. "Der... Wagen ist... hin... Die Kiste... Ich... konnte die Farbe... eh nicht... leiden..."

"Wat? Sabbel lut!" [ Was? Sprechen Sie laut! ]

Du erklärst dem Bauern am ersten Gehöft vielsprachig und mit Händen und Füssen von einem Unfall auf der Strasse und dass er sich beeilen soll. Der Mann scheint hilfsbereit zu sein. Freundlich. Und arglos. "En ulykkestilfelle? Ettersom forskrikkelig... Kommer fru!" Dann holt er seine zwei Knechte und die vier folgen Dir in ihrem Fuhrwerk. [ Ein Unfall? Wie schrecklich... Komm Frau! ]

Super! Hatte ich nicht mitbekommen.