Jump to content

Recommended Posts

Hi,

 

ich stolpere beim Charakterbau immer wieder über ein und dieselbe Frage: War mein Char im Krieg?

 

Aber ich habe leider zu wenig Ahnung davon, wie das mit dem Wehrdienst in Deutschland zwischen 1900 und 1920 gelaufen ist.

 

Herrschte Wehrpflicht? Ich glaube ja, aber in welchem Alter wurde man gezogen? Wie lange dauerte die Grundausbildung? Welchen Rang hatte man danach?

Wie wars dann im 1. Weltkrieg? Soweit ich weiss wurden am Ende alle, die eine Waffe tragen konnten in den Krieg geschickt.

 

Fragen über Fragen.

Link to comment
Share on other sites

Kaiserreich

Preu?isches Modell der Wehrpflicht setzt sich durch, nachdem es seinen Wert im Krieg 1870/71 bewiesen hatte. Ausgenommen waren die "gebildeten Stände", die sich als 1-jährige melden konnten (Offizier).

 

Weimarer Republik

Aufgrund der Versailler Verträge war Deutschland auf eine 100.000 Mann-Armee ohne Wehrpflicht begrenzt.

 

Deutsches Reich

Ab 1935 wurde die Wehrpflicht für "Arier" wieder eingeführt, aber aufgrund der "Volskgemeinschafts"-ideologie der 1-jährige abgeschafft.

 

Viele Grü?e,

Jack

Link to comment
Share on other sites

Guest Kairos

Jack hat das wesentliche schon zusammengefasst. Zu ergänzen bleibt noch, dass während des Kaiserreichs - also vor 1914 - vielfach junge Arbeiter nicht eingezogen wurden, da man eine Unterwanderung der Armee durch die SPD fürchtete. Abiturienten konnten die - meines Wissens - zweijährige Dienstzeit auf ein Jahr verkürzen und dann Reserveoffizier werden. In meinen Spielrunden habe ich es immer so gehandhabt, dass die Basiswerte für Schusswaffen die Teilnahme am Wehrdienst widerspiegeln.

Diese - so aisgebildeten - Reservesoldaten wurden dann im Ersten Weltkrieg einberufen und musste ebenso dienen wie die jungen Jahrgänge eingezogen wurden. Doch auch hier muss man einiges unterscheiden: Schon im Ersten Weltkrieg nahmen Nachschub und Logistik einen hohen Stellenwert ein, so dass natürlich nicht alle Soldaten tatsächlich an der Front kämpften, sondern viele "Bürojobs" ausübten. Die Luftwaffe war noch sehr klein und bildete keine eigenständige Teilstreitkraft. Dafür war die Marine verhältnismä?ig gro?, wurde aber - mit Ausnahme der U-Boote - selten eingesetzt. Panzer kamen im deutschen Heer noch nicht zum Einsatz, dafür waren beim Grabenkrieg - je nach Verwendung - artilleristische, Ingenieurs- und (sagen wir mal) "Kämpfer"-Fährigkeiten zu erwerben, also Schleichen, Werfen, Waffenbenutzung, Taktik usw. Diese Informationen mögen für die Ausgestaltung von SC, die im Ersten Weltkrieg gedient haben, sehr hilfreich sein...

Wie ging es nach dem Krieg weiter? Ein Gro?teil des deutschen Heeres wurde demobilisiert, aus den vorher noch nebeneinander bestehenden preu?ischen, bayrischen, badischen usw. Armeekorps wurde die Reichswehr gebildet, eine professionelles Eliteheer, ein Staat im Staate, mit dem Anspruch, auch innenpolitisch als Ordnungsmacht aufzutreten. Die Reichwehr war aber durchaus nicht die einzige Gewaltorganisation. Rechtsextreme Freikorps setzten ihren Kampf fort und zwar nicht nur gegen die äu?eren Feinde Deutschlands, sondern auch gegen die Republik. Dabei wurden sie durchaus von Teilen der Reichwehr unterstützt. Dieses Milieu gebar dann auch Adolf Hitler als eine öffentliche Figur, die von München aus seine verhängnisvolle Wirkung entfaltete.

Doch was bedeutete das Kriegsende für den normalen Soldaten? Für viele war eine Rückkehr ins "normale" Berufsleben durch die sich gewandelten sozialen und ökonomischen Strukturen schwierig. Für Kriegsversehrte, ein normaler Anblick in der Weimarer Republik, war die materielle Versorgung sehr schlecht. Schwere Gesichtsentstellungen wurden übrigens hinter Maskern verborgen. Doch noch schwerer wogen die psychischen Schäden: Das Posttraumatische Schocksyndrom wurde meines Wissens im Ersten Weltkrieg entdeckt, da viele Soldaten durch die Auswirkungen des Dauerfeuers in den Schützengräben traumatisiert wurden. Daneben waren zahlreiche ehemaligen Kriegsteilnehmer durch die etwas gro?zügige Behandlung in den Lazaretten morphiumabhängig.

So, das fällt mir so aus dem Stehgreif ein. Eine gute Einführung in die Geschichte des Ersten Weltkriegs bietet Roger Chickerings gleichnahmiges Buch. Für einschlägige Informationen über einzelne Schlachten und Gro?kampfverbände bieten sich militärgeschichtliche Nachschlagewerke an. Auch in der Wikipedia gibt es einen sehr guten Artikel zum Grabenkampf.

Link to comment
Share on other sites

Nur noch ein Detail am Rande:

 

SPD-Mitglieder, die doch eingezogen wurden, bekamen in ihren Wehrpass eine rote Markierung und/oder wurden intern als "Unsicherer" geführt.

 

 

 

Link to comment
Share on other sites

Guest Kairos
Original von Angela_Mc_Alaster

Waren das wirklich nur 2 Jahre?

 

Ich hatte irgendwie im Hinterkopf dass das länger war, mindestens 3 Jahre oder so. Wahrscheinlich irre ich mich.

 

Danke erstmal. Das hilft schonmal sehr weiter.

:)

Ich habe es schnell nachgeschlagen (Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 880ff. und 1110ff.): Bis 1893 bestand eine dreijährige Dienstzeit, dann wurde sie auf zwei Jahre gesenkt. Abiturienten konnten als "Einjahresfreiwillige", wenn sie auch ihre Ausstattung selbst bezahlten, schnell den Dienst runterrei?en, um dann zu studieren und als Reserveoffiziere bereit zu stehen.

Link to comment
Share on other sites

@Höchster Patriarch von Lomar:

 

Das mit dem wild darauf sein, in den Krieg zu ziehen, ist eine leider heute noch in den Geschichtsbüchern beharrlich auftauchende Legende. Neuesten Erkenntnisen und vor allem wertefreien Forschungen moderner Historikern zu Folge war aber auch zu Beginn des ersten Weltkrieges die Hurra-Schreierei etwas, das vor allem der bürgerlichen Mitte und damit den damals mit grö?ter Nähe zu den Medien versehenen Stadtbewohnern "vorbehalten" blieb. Der damals noch gro?e Teil der Landbevölkerung und der Arbeiterschaft war weniger begeistert. Nachzulesen ist das besonders schön in "Der falsche Krieg" von Nial Ferguson, ein Buch das übrigens mit so mancher Legende dieses Krieges aufräumt.

 

@Rest:

Der Militärdienst in der kaiserlichen Armee kann in keinster Weise mit dem Dienst in der Bundeswehr, ja sogar kaum mit dem in der Wehrmacht verglichen werden. Die damalige Denkweise spielte eine enorme Rolle und die Armee stellte eine Art Staat im Staate dar. Das Offizierskorps war eine einegschworene Klique aus alten Offiziersfamilien stammender Soldaten. Die Befehlshirarchien waren extrem und wurden in keinster Weis ein Frage gestellt. Eine zeitgenössische Karrikatur um die Jahrhundertwende zeigt einen Besuch das Oberstabsarztes im Lazarett, der einen Mann in seinem bett anfährt: "Sie haben zu grü?en, wenn ich den Raum betrete!" und der Mann daneben antwortet: "Herr Oberstabsarzt, ich bitte gehorsamst melden zu dürfen: der Mann ist tot."

 

Gehorsam wurde über alles gesetzt.

 

Ein sehr interessantes und schnell zu lesendes Buch über den Dienst als Offizier im ersten Weltkrieg stammt von Ernst Jünger: "In Stahlgewittern" schildert die Erlebnisse eines Leutnants an der Westfront sehr gut.

 

Um aber auf die eigentliche Frage zum Militär in den 20ern zu kommen:

wie schon erwähnt, war die Armee dank Versailler Vertrages auf 100.000 Mann limitiert worden. Keine Luftwaffem keine Panzer, beschränkte Artillerie und Marine, etc. Die Soldaten waren allesamt Berufssoldaten und Veteranen des Krieges. Klar, dass sich hier schnell ein Sammelbecken für reaktionäre Kräfte bildete.

 

Viele der Männer, die keinen "Job" in der dechten Armee fanden, traten den Freikorps bei. Geführt von meist ultra-nationalistischen kriegsveteranen, z.B. Ritter von Epp, wurden diese "Söldnerbanden" schnell zu den Gegnern von Demokratie, Sozialismus und Kommunismus in Deutschland. In den 20ern herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände und die Freikorps waren schwer bewaffnete Privatarmeen.

 

Ein eher unbekanntes Kapitel betrifft auch die Dutsch-Polnischen Beziehungen in jenen Tagen. Die Polen unter einem Militärregime stehend, wollten damals die Gunst der Stunde nutzen und mit Unterstützung Frankreichs das stark geschwächte Deutschland einiger seiner Ostgebiete auf militärische Weise berauben. Da es keine offizielle Möglichkeit der Verteidigung gab, bekämpften Freikorps die eindringenden Polen und so kam es zu einigen mehr oder weniger heftigen Grenzkonflikten on Oberschlesien.

Link to comment
Share on other sites

Wie hier schon mehrfach benannt wurde, dauerte der aktive Militärdienst im deutschen Kaiserreich während des gefragten Friedenszeitraums 2 oder 3 Jahre, abhängig von der Truppengattung.

 

Daran anschlie?end wurde man in den Reservestand für weitere 4 bis 5 Jahre beurlaubt - und nicht etwa aus dem Soldatenstatus entlassen. Wenn Bedarf bestand (?bung, Fehlbestand, Bedrohung) hatte man gefälligst alles Stehen und Liegen zu lassen und zu den Fahnen zu eilen.

 

Während der Reservezeit waren mindestens zwei Auffrischungsübungen (von jeweils 1 bis 2 Monaten Dauer) vorgesehen.

 

Nach der Reserve ging es für ca. 12 weitere Jahre in die Landwehr.

 

Und ganz grundsätzlich war jeder deutsche Mann zwischen 17 und 45 dienstpflichtig - im Landsturm.

 

Real wurden aber nur zwischen 40% und 60% eines Jahrgangs tatsächlich zur aktiven Dienstleistung einberufen - unter anderem aus finanziellen Gründen.

 

Daneben konnte man untauglich gemustert werden wegen körperlicher oder geistiger Ungeeignetheit (z.B. zu klein, asthmatisch/tuberkulös geschädigt), oder es gab besondere Gründe, die eine Befreiung vom/Verweigerung des Militärdienst(es) erwirken konnten: Neben Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie beispielsweise Bauernfamilien mit nur einem Sohn oder bestimmte Facharbeiter in Industriebetrieben. Und ausgeschlossen waren auch all diejenigen, die zu einer Zuchthausstrafe verurteilt worden waren.

 

Eines ist dabei zu betonen: Die Zulassung zum Militärdienst war eine Auszeichnung und Ehre - etwas, was heutzutage nicht mehr als selbstverständlich oder auch nur verständlich erscheint.

 

Ende Teil I

Link to comment
Share on other sites

Die aktive Dienstpflicht begann mit der Einberufung zu den stehenden Verbänden von Heer oder Marine (vulgo Militärdienst/Wehrdienst), in der Regel mit dem vollendeten 20. Lebensjahr; freiwillig konnte man sich mit 17 zum aktiven Dienst melden.

 

Die Grundausbildung der Soldaten dauerte etwa sechs Monate, anschlie?end eventuell noch Ausbildungszeiten für spezielle Aufgaben, wie z.B. Maschinengewehrschützen, Reitausbildung, Fahrausbildung, Nachrichtentruppe (Telegraphie, Fernschreiber, ...). Der Rest der aktiven Militärzeit ging dann im Alltagsdienst, bei Manövern, Auffrischungsausbildung, Exerzieren, Innendienst usw. drauf.

 

Im Allgemeinen verlie? ein Soldat den aktiven Teil des Dienstes als "Gemeiner", ohne eine Beförderung erhalten zu haben. Seine genaue Bezeichnung richtete sich nach dem Truppenteil, bei dem er gedient hatte (also Schütze, Jäger, Kanonier, Dragoner, Husar, Gardist, Koch und noch eine Zillion andere Benennungen).

 

Bei vorbildlicher Diensterfüllung und positiver Bewertung durch die Vorgesetzten konnte ein Soldat innerhalb der zwei Jahre zum Gefreiten befördert werden. In Ausnahmefällen war auch mit der Beurlaubung aus dem aktiven Dienst in die Reserve eine Beförderung zum Unteroffizier der Reserve möglich.

 

Die Unteroffiziere des aktiven Heeres rekrutierten sich dagegen normalerweise aus freiwillig längerdienenden Soldaten (Kapitulanten) und Absolventen von speziellen Unteroffiziersschulen.

 

Einen exotischen Sonderfall bildeten die bereits genannten "Einjährig-Frewilligen":

Für Absolventen "höherer Bildungsanstalten", also besonders der Gymnasien und Oberrealschulen, gab es diese Möglichkeit. Sofern die Rekruten in der Lage waren, neben den geforderten Ausbildungsnachweisen ihre Unterkunft, Verpflegung und Ausrüstung selbst zu bezahlen, kamen sie in den Genu? der verkürzten Dienstzeit und danach bei Eignung in Betracht für eine Verwendung als Reserveoffizier. Da diese Option aber einiges an Geldmitteln erforderte, stand diese Möglichkeit praktisch nur dem gehobenen (Besitz-)Bürgertum zur Verfügung. Da traditionell der Adel das Berufsoffizierkorps dominierte, war diese Aufstiegsmöglichkeit zum Reserveoffizier für diese bürgerliche Schicht allerdings sehr begehrt.

 

Seufz, viel zu sagen, zu wenig Zeit.

 

Dies ist das Ende von Vor dem Krieg, Teil II.

 

Ich habe noch einiges zum Zustand während des Krieges und vielleicht auch danach zu sagen, allerdings mu? dies warten.

 

Daher später.

 

Vale

 

Ylorcron

Link to comment
Share on other sites

Guest Black Aleph

äVorgeschichte der Charaktere: im Kriegö

 

Von der Wichtigkeit wäre mir das Thema auf alle Fälle einen CthulhoideWelten-Artikel wert.

Link to comment
Share on other sites

Guest Lysistrata

@Ylorcron

 

Vielen Dank für die tolle Info :)

ich schlie?e mich Black Aleph an, das wäre ein interessantes Thema, z.B. auch im Vergleich zu den anderen "gro?en Nationen"... wie z.B. England

 

Interessant wäre auch zu wissen, wie es bei den Kolonialsoldaten so abging...

 

Gru? Lysi

Link to comment
Share on other sites

Guest Kairos
Original von Black Aleph

Von der Wichtigkeit wäre mir das Thema auf alle Fälle einen CthulhoideWelten-Artikel wert.

Zweifelsohne, offensichtlich stehen einige Sl vor dem Problem. Das Material für den Artikel ist auch verhältnismä?ig gut zu recherchieren. Dafür könnte ich auch mit Rat und Tat zur Seite stehen...

Link to comment
Share on other sites

Guest Kairos

Danke für das Lob :]

 

Als Historiker bin ich vorbelastet, solche Fragen schnell ausführlich zu beantworten, was manchmal ein Segen, manchal eine Plage ist.

Link to comment
Share on other sites

 Share

×
×
  • Create New...