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Götter und Gebete ausserhalb des Mythos


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Original von Peterchen

Bleibt nur eine Frage: Wenn die (Lovecraftschen, nicht Derlethschen) Wesenheiten keine Götter im menschlichen Sinne sind, sondern eher unverstandene und unverständliche Naturprinzipien, wogegen ich sicher keinen Einspruch erhebe: Was sind denn dann Götter? (Bzw. was ist die menschliche Definition eines Gottes?)

 

Ein Gott ist ein Konzept, das von verschiedenen Religionen in verschiedener Form genutzt wird und dabei so schwammig ist, dass der Begriff nur dazu gut ist eine grobe Vorstellung zu vermitteln und man ihn nicht ohne Weiteres verwenden sollte, wenn es wirklich darum geht, Dinge abzugrenzen. Oder mit anderen Worten: Wir können jetzt zwar versuchen, eine Definition von äGottô zu finden, aber es hat keinen gro?en Nährwert, da wir auch anderweitig klarstellen können, was wir meinen (und eh auf einer feineren Ebene arbeiten).

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Oi!

Hat hier wer "Freak" gesagt?

...sowas mach ich nicht...

8) :D

 

Aber zur Frage, was denn dann Götter sind...

Ich glaube, da bewegen wir uns in den philosophischen bzw. transzendenten Bereich hinein.

Erstmal vielleicht eine Schlu?folgerung aufgrund der bisherigen Darstellungen.

Wenn die cthulhoiden Wesenheiten, die sich Gro?e Alte oder ?u?ere Götter etc. schimpfen, nur vollkommen unverständliche Existenzen und keine Götter sind, wir sie aber aufgrund ihrer Machtgewalt als solche ansehen, vielleicht ist dann die Definition "Gott" davon abhängig, wie sehr wir die Macht einer Existenz als transzendent und gottgleich ansehen...?

Will sagen, wenn wir etwas als gottähnlich empfinden, so ist es für uns einem Gotte gleich. Also quasi ein Gott.

Siehe Columbus, Cortez etc. Die wurden für Götter gehalten, als sie nach Amerika kamen.

Im Umkehrschlu? müsste man aber dann auch annehmen, dass es keine Götter gibt, denn alle Wesen, die wir als Gott definieren, sind einfach unverstandene Existenzen.

 

Begeben wir uns in die metaphysische Ebene, könnte man sagen, dass ein Gott nur etwas ist, dass nicht stofflich existent ist, sondern nur eine philosophische bzw. transzendente Manifestation einer Idee, eines Motivs etc. Und nur solange Gott bleiben kann, wie sie nicht erfahrbar, i.e. stofflich und existent, ist.

Aber auf der einen Seite würde das der zugrundeliegenden Idee des Christentums widersprechen, und auf der anderen Seite der Idee des griechischen Pantheons, deren Ausprägungen (sprich: Götter) ja von den BEwohnern des antiken Griechenlands durchaus als stofflich existent angesehen wurden...

 

Zu guter Letzt könnte man quasi die Definition heranziehen, die Pratchett in seinem Buch "Small Gods" bemüht:

Ein Gott ist eine Manifestation des Glaubens seiner Anhänger - je mehr Gläubige er besitzt, umso grö?er seine Macht.

Aber auch das würde nur ansatzweise funktionieren, denn in diesem Fall wäre Cthulhu für seine Anhänger bzw. wegen seiner Anhänger ein Gott, aber seine augenscheinliche Macht (wie auch die der anderen und teilweise wesentlich unbekannteren oder - wie auch im MM angegebenen - nicht einmal angebeteten Wesenheiten) stünde in keinem Verhältnis zu dem ihm entgegengebrachten Glauben.

 

Ob Götter nun Glaubensmanifestationen, nocht unverstandene mächtige Wesen oder Gedankenexperimente sind, ist dann aber wieder Definitionssache. Wie jeder SL seine eigene Spielwelt, so muss auch jeder Mensch sich sein eigenes Weltbild selbst erschaffen...

;)

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Das Wort "Gott" steht ja für eine ganze Gruppe von Wesen bzw. Konzepten für diese. Der monotheistische Schöpfergott ist natürlich was ganz anderes, als der Angehörige eines Vielgötterglaubens.

 

Daher würde ich trennen zwischen diesen beiden Kategorien:

 

1. Allmächtig, allwissend. Hat Alles geschaffen und ist derjenige, der über Alles und Jeden unbegrenzte Verfügungsgewalt hat. War immer und wird auch immer sein. Er ist ein Unikat. Es gibt keine Konkurrenten. Auch seine etwaigen Gegenspieler hat er erschaffen mit vollem Wissen, wer sie sind und wie sie handeln werden. Für ihn gibt es keine Grenzen im Handeln.

 

2. Alle Anderen.

 

Ich persönlich kann den Gottesbegriff nur Kategorie 1 zubilligen, denn zu Kategorie 2 gehören zu viele Dumpfbacken, die sich verhalten wie eine Kindergartengruppe.

 

Demzufolge bin ich auch der Meinung, dass es im Mythos keine Götter gibt.

 

Und was den Schrecken durch die Wahrheit angeht funktioniert die Psyche des Menschen einfach anders, als Lovecraft dachte. Gerät der Mensch unter akuten seelischen Druck, dann stellt sich die Frage, ob er den kompensieren kann, oder nicht. Kann er das, weil er über genügende protektive Faktoren verfügt, dann wird er das Trauma auffangen können. Kann er es nicht, dann wird er eben dekompensieren. Das hei?t, er wir irgendeine dysfunktionale Stragegie einsetzen, um den Druck abzubauen. Vielleicht trinkt er, rettet sich in eine Fantasiewelt, verletzt sich oder andere, wird ohnmächtig, entwickelt eine Konversionsstörung oder was auch immer. Die Art der Dekompensation ist dabei nicht zufällig, sondern steht im Zusammenhang mit seinem Vorleben, seinen Erfahrungen und ?berzeugungen.

 

Lese ich also ein Buch und erfahre, dass die Menschen nur ein zufälliges Nebenprodukt der Shoggottenentwicklung waren, ist das sicher ehrenrührig, aber nur bei sehr, sehr sensiblen -> vulnerablen Menschen ein Grund zur Dekompensation. Verfüge ich über eine gute Intelligenz und Bildung, habe ich möglicherweise implizite Erfahrung mit Wissenschaftstheorien, Paradigmenwechseln etc. werde ich vielleicht bestürzt sein, aber keineswegs in Gefahr geraten wahnsinnig, also psychotisch zu werden.

 

Das es mächtige Wesenheiten im Universum gibt, die der Menschheit indifferent oder böswillig gegenüberstehen, ist keine besonders akute Bedrohung. Auch hier bedarf es schon eines sehr instabilen Menschen, um daraus eine tatsächliche psychsche Krankheit oder Störung zu entwickeln. Ansonsten könnten wir uns ja auch nicht darüber unterhalten, ohne uns irgendwie bedroht zu fühlen.

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Original von anachronist

Daher würde ich trennen zwischen diesen beiden Kategorien:

 

1. Allmächtig, allwissend. Hat Alles geschaffen und ist derjenige, der über Alles und Jeden unbegrenzte Verfügungsgewalt hat. War immer und wird auch immer sein. Er ist ein Unikat. Es gibt keine Konkurrenten. Auch seine etwaigen Gegenspieler hat er erschaffen mit vollem Wissen, wer sie sind und wie sie handeln werden. Für ihn gibt es keine Grenzen im Handeln.

 

2. Alle Anderen.

 

Ich persönlich kann den Gottesbegriff nur Kategorie 1 zubilligen, denn zu Kategorie 2 gehören zu viele Dumpfbacken, die sich verhalten wie eine Kindergartengruppe.

 

Demzufolge bin ich auch der Meinung, dass es im Mythos keine Götter gibt.

Ohne jetzt Anhänger einer der beiden Varianten zu sein, denke ich, dass Du Variante 2 Unrecht tust. Sicher mag es auf das römische oder griechichsche Pantheon zutreffen, aber wenn ich mich nicht völlig falsch entsinne, gibt es zumindest einige Auslegungen des hinduistischen Pantheons, die zumindest nicht mehr als Kindergarten zu klassifizieren sind als der abrahamitische Gott (der die Kriterien von Variante 1 erfüllt). Au?erdem darf man nicht vergessen, dass auch der Gott der abrahamitischen Religionen als Blut-und-Rache-Gott im alten Testament angefangen hat. Schlie?lich gibt es da ja auch noch dualistische Weltanschauungen (z. B. Zoroastrismus), die auch in Kategorie 2 fallen und ganz ohne Kindergarten funktionieren können (und die ich auch für plausibler halte als einen allmächtigen, gütigen Gott).

 

Aber wiegesagt: Die Frage, ob der Begriff Götter nun anzuwenden ist oder nicht, bringt die Diskussion m. E. nicht wirklich voran.

 

Original von anachronist

Das es mächtige Wesenheiten im Universum gibt, die der Menschheit indifferent oder böswillig gegenüberstehen, ist keine besonders akute Bedrohung. Auch hier bedarf es schon eines sehr instabilen Menschen, um daraus eine tatsächliche psychsche Krankheit oder Störung zu entwickeln. Ansonsten könnten wir uns ja auch nicht darüber unterhalten, ohne uns irgendwie bedroht zu fühlen.

 

Diese Argumentation teile ich so ganz und gar nicht. Ich habe schon menschliche Psychen wegen wesentlich weniger akuter Gefahren durchgehen sehen. Man betrachte nur die Nichtigkeiten, die eine Massenpanik verursachen können. Und ich denke, hier liegen schon Meilen zwischen der Unterhaltung darüber und dem Wissen, dass es real ist.

Letztlich entzieht sich so etwas natürlich der experimentellen ?berprüfung, aber ich halte das für eine radikale Fehleinschätzung.

 

Bei dem ganzen ist mir noch ein Zitat eingefallen:

Terry Pratchett û The Dark Side of the Sun

Before Sadhim, before star travel even, you know that most men believed in some kind of omnipresent god? Not the Sadhimist Small Gods, answerable to natural forces, but a real Director of the Universe? But if it had turned out that He really did exist chaos would have been let loose on the planet. He would have ceased to become a matter of comforting Belief but a matter of fact û you don't believe in the sun, either. And men would have perished of a cosmic inferiority complex. You can't live and know of such greatness.

 

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Hallo zusammen,

 

 

und ein ganz gro?es WOW auch von meiner Seite. Ich habe bisher nur einen Teil der Posts lesen können (immerhin muss ich heute noch arbeiten), aber ein paar Details würde ich gern noch anfügen.

 

 

@anachronist:

Was ist denn nun so schlimm an der Wahrheit?

Es gab eine Schule, nach der der Mensch die Krone der Schöpfung war. Die Welt wurde letzlich geschaffen, damit ER darin leben kann. Nimm einmal an, ein Mensch mit dieser ?berzeugung wird dem Cthulhu-Mythos ausgesetzt: Die Welt war einfach da und wurde nicht für den Menschen geschaffen. Er ist eher eine unbedeutende Randnotiz. Es gibt keinen zentralen Lenker, sondern nur eine Ansammlung von Bekloppten, die sich mehr in ihrem eigenen Sumpf suhlen und gegenseitig bekriegen als sich um das Wohlergehen ihren Untertanen/Kultisten/Schöpfungen zu kümmern (klingt nach Politikern, was). Gebete sind keine WIRKLICH gute Idee, denn wenn diese Wesen dich aus purem Zufall bemerken, pustet es dir (zumindest langfristig) erst den Verstand und dann den Schädel weg. Es gibt nichts richtiges, woran er sein Leben ausrichten könnte: Das sind alles nur wohlmeinende Illusionen. Noch nicht einmal der menschliche Geist (der uns vom Tiere scheidet), ist so richtig etwas wert.

Reicht das für den Anfang?

 

Zur Frage mit den eingekerkerten Gottheiten: Die sind bereits im überwiegend abwesenden Zustand (schlafend, ignorant) mächtig gefährlich. Was wäre, wenn sie uns ihre VOLLE Aufmerksamkeit schenken würden? Was wäre, wenn die Alten erwachen (klingt nach Vampire, nicht wahr)?.

 

 

Wieso glauben die ... [CoC-Charaktere], was in Mythosbüchern darin steht?
Weil es die vielen kleinen Ungereimtheiten der Welt erklärt und sie in einen grossen Zusammenhang bringt.

 

 

Wahrlich göttlich ist nur der, der diese Gesetze erlässt und durchsetzt.
Das ist die Tätigkeitsbeschreibung eines irdischen Herrschers (König), nicht eines Gottes. Göttlich wäre eher, durch Herumfummeln an ein paar Aminosäuren etwas so irre komplexes wie pflanzliches, tierisches und menschliches Leben zu schaffen. Göttlich wäre, durch Schaffen eines Fraktals eine nie endende Komplexität zu schaffen, die sich erst bei der Betrachtung entfaltet. Wahrhaft göttlich wäre es, ein endliches Wesen zu erschaffen, das durch Entfaltung eines Fraktals (Betrachtung einer endlichen Teilmenge) die Unendlichkeit begreift.

 

 

Zur Insignifikanz des Einzelnen (Menschen): Heute ist die Entwicklung des Ego (Stichwort Selbstverwirklichung) ein zentraler Begriff unserer Gesellschaft. Und diese heilige Kuh zu schlachten, kann enormes Grauen auslösen.

 

 

@Dumon -> tolle Artikel, sehr plastische Beispiele! Hut ab!

 

 

Wir alle sind der Meinung, wir wissen, wie die Welt funktioniert.
Ein gutes CoC-Szenario zeigt IMO schön langsam, dass genau das nicht stimmt.

 

 

Warum Lovecrafts Horror in seiner Zeit oder bei religiösen Charakteren besser funktionieren soll
Weil diese Charaktere im Laufe des Spiels erkennen M?SSEN, dass ihr Weltbild eine Ansammlung von schönen Illusionen ist. Der Gott, von dem sie meinen, er würde ihnen Kraft geben, existiert überhaupt nicht.

Ein Beispiel: Du glaubst, wenn du einen Kontoauszug holst, dass dir Geld im Wert dieser Zahlen gehört. Was wäre, wenn die Bank dir nur den Eindruck vermitteln wollte, es wäre dein Geld und es jederzeit einfach für sich behalten könnte? Was wäre, wenn du zwar viele Jahre Geld auf die Bank getragen hättest, dir dafür aber plötzlich nichts kaufen könntest, weil es in Wirklichkeit wertlos wäre? Nur weil du an die Realität des Geldes auf dem Kontoauszug glaubst nimmst du nicht auch gleich an, dass jede Figur eines Kinofilms wirklich existiert, auch wenn du dich 1,5 h vortrefflich mit dieser Vorstellung amüsieren solltest.

 

 

[...] dass im Universum/auf der Welt alles von Naturgesetzen und dem Zufall abhängig ist[...] muss man auch davon ausgehen das egal was man tut [...] absolut sinnlos ist.
Du tust den Atheisten hier Unrecht. Es macht einen Unterschied, ob ein Atheist mit humanistischen Motiven handelt oder mit rein egoistischen. Es macht einen Unterschied, wie wir unseren Mitmenschen begegnen, auch wenn es keinen grossen Plan dafür gibt, denn wir können auch ohne Göttern unsere Welt zum Himmel oder zur Hölle machen.

 

 

Göttern bei Lovecraft: [...] sind sie[...] eher die Manifestation von Naturgewalten. [...] Sie sind einfach.
Treffender hätte ich es nicht sagen können.

 

Was sind denn dann Götter?
Nehmen wir an, dein geistiger Sitz verfüge über ein Fenster mit einer undurchsichtigen Gardine davor. Nun gehst du hin und malst auf die Gardine das Bild eines Gesichtes mit geblähten Backen und gespitzten Lippen. Wenn du ihm dein Antlitz zuwendest, fühlst du einen kühlen Hauch über deine Stirn streichen, das Bild wirkt lebendig und bewegt sich. Recht ähnlich funktioniert das mit den Göttern: Sie sind eine Maske für (Natur)Gewalten, welche einfach vorhanden sind. Der Witz an der Geschichte ist meistens, dass nicht du die Maske auf den Vorhang malst sondern ein Mensch, der lange vor deiner Zeit gelebt hat. Ist dieser Gott real? Der Vorhang bewegt sich, du wirst erfrischt, also ja. Wenn du den Vorhang (meistens mit Gewalt) entfernst, wirst du feststellen, dass plötzlich nicht nur Wind in dein Gesicht schlägt, sondern auch Regen und Hagel.

 

 

Ok, soweit meine 5 Groschen. Heute abend werde ich (wahrscheinlich mit Genuss) die restlichen Posts lesen.

 

 

Gru?

ptokremin

 

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Hmm, das gestaltet sich schwieriger als gedacht. Mal sehen, ob ich alles mit einbeziehen kann...

 

Terry Pratchett û The Dark Side of the Sun

Before Sadhim, before star travel even, you know that most men believed in some kind of omnipresent god? Not the Sadhimist Small Gods, answerable to natural forces, but a real Director of the Universe? But if it had turned out that He really did exist chaos would have been let loose on the planet. He would have ceased to become a matter of comforting Belief but a matter of fact û you don't believe in the sun, either. And men would have perished of a cosmic inferiority complex. You can't live and know of such greatness.

 

Das schlägt genau in die Kerbe, die ich mit meinem zweiten "Götter"-Ansatz zu schneiden versuchte. Ein Gott kann nur so lange Gott sein, wie er nicht absolut erlebbar ist - also überprüfbar ist, ob er existiert oder nicht. Deshalb ja auch Glauben und nicht Wissen. Sobald er/sie/es bewiesen ist, muss man nicht mehr an die Existenz glauben, sondern wei? einfach darum. Und dann kann nur noch die Macht eines solchen Wesens als göttlich verstanden werden. Dann sind wir aber bei meinem ersten "Götter"-Ansatz, und es handelt sich "nur noch" um ein unverstandenes Wesen.

 

@anachronist

Ich habe das Gefühl, dass bei Deiner Argumentation sehr stark Deine persönlichen Ansichten mitschwingen. Das ist nicht weiter schlimm, aber ich möchte deshalb darauf hinweisen, dass mir nichts ferner liegt, als Deine Ansichten mit Fü?en zu treten...

Das nur vorweg.

 

Der Glaube an ein monotheistisches Weltbild ist durchaus interessant, und sehr weit verbreitet. Ihn gut oder vernünftig zu hei?en, ist gängige Praxis, kann aber zu Problemen führen. Besonders, wenn andere Religionen bzw. Ansichten als unsinnig definiert werden. Das führt zu einem starken Exklusivitäts-Verhalten, was die extremsten Ausprägungen im Fundamentalismus einer jeglichen Religion auffängt. Ich selbst bin in in einer Art christlichem Exklusivitäts-Gedanken aufgezogen worden, und kenne das daher. Andere Gott-Ideen allerdings als widersinnig oder gar falsch zu bezeichnen, hei?t im Unkehrschluss dann aber auch, die Ansichten der Gläubigen mit Fü?en zu treten, und diese dann als verblendet/dumm anzusehen. Dass Polytheismus funktioniert, und schon seit Jahrtausenden, sehen wir in Indien, im Hinduismus. Sind ihre Götter unsinnig?

 

...aber dieser Punkt sollte vielleicht nicht hier erörtert werden - ich schlage daher vor, den in einen anderen Thread zu packen, sollte da Interesse dran bestehen. Damit öffnen wir nämlich sonst die sprichwörtliche Box der Pandora...

 

Wahrlich göttlich ist nur der, der diese Gesetze erlässt und durchsetzt.

 

Das ist die Tätigkeitsbeschreibung eines irdischen Herrschers (König), nicht eines Gottes. Göttlich wäre eher, durch Herumfummeln an ein paar Aminosäuren etwas so irre komplexes wie pflanzliches, tierisches und menschliches Leben zu schaffen. Göttlich wäre, durch Schaffen eines Fraktals eine nie endende Komplexität zu schaffen, die sich erst bei der Betrachtung entfaltet. Wahrhaft göttlich wäre es, ein endliches Wesen zu erschaffen, das durch Entfaltung eines Fraktals (Betrachtung einer endlichen Teilmenge) die Unendlichkeit begreift.

 

Ich gehe mit ptokremin konform, dass anachronists Definition eine Beschreibung von Macht bzw. Macht-Umsetzung ist. Im kleinen Stil kann das auf jede Regierung angewendet werden. Oder gar auf eine Familie - das/die Oberhäupter stellen Regeln (i.e. Gesetze) auf, an die sich die Kinder halten sollen. Bei Regierungen hei?t das dann Legislative, Judikative und Exekutive.

Selbst ein einzelnes Wesen, welches Gesetze - zum Beispiel die Naturgesetze - entwirft und "für ihre Einhaltung sorgt" muss nicht gleich ein Gott sein. Vielleicht ist es nur ein für uns vollkommen unverständliches Wesen, dem Fähigkeiten und Technologien zur Verfügung stehen, die für uns viel zu komplex sind. So lange wir spekulieren müssen, wer da was wie gemacht hat, ist es durchaus plausibel, einer möglichen Erklärung anzuhängen, also an sie zu "glauben". Und damit den Lenker der Gesetze als den eigenen Gott zu definieren. Die Frage, die sich dann aber stellt, ist:

Was geschieht, wenn wir mit dem Wesen und seinen Fähigkeiten tatsächlich konfrontiert werden? Bleibt es Gott?

Meines Erachtens eben nicht, denn der Glaube schwindet und wird zu Wissen. Und damit sind wir bei ptokremins wunderbarem Gardinen-Beispiel...

 

Zu ptokremins Argument des "wahrhaft Göttlichen" muss ich ebenfalls entgegenhalten, dass wir nicht verstehen, wer und was das alles ermöglicht hat - und ob es überhaupt ein WER oder WAS gibt. Das liegt aber nicht an einem eventuellen WER oder WAS, sondern allein an unserem Unverständnis. Die Grenze unseres Verstandes bedingt, dass wir alles darüber Hinausgehende glauben müssen. Erhalten wir aber Beweise, oder erweitert sich unser Verständnis durch neue Anhaltspunkte, so sieht die Sache wieder ganz anders aus. Das ist dann vielleicht eher mit einem *facepalm* zu vergleichen, wenn letztendlich die Erkenntnis kommt, wer da was wie erschaffen hat. Und vielleicht kommt mit der Erkenntnis und dem Verstehen ja auch die Fähigkeit, das zu reproduzieren (siehe Stammzellenforschung, Genetik etc.). Werden wir zu Göttern, oder dezimieren wir göttliche Fähigkeiten durch solche Erkenntnisse?

 

 

So, jetzt muss ich irgendwie den Bogen zurück zu Lovecraft und den Göttern bzw. Ungöttern des Mythos schaffen. Sorry wegen des Exkurses....

 

...aaah, Ansatzpunkt gefunden...

Göttern bei Lovecraft: [...] sind sie[...] eher die Manifestation von Naturgewalten. [...] Sie sind einfach.

Treffender hätte ich es nicht sagen können.

 

Ich würde definitiv unterschreiben, dass die UNgötter des Mythos (verzeiht mir meine Polemik) einfach sind, unverständlich und urgewaltig. Dass sie eigene Gewalten darstellen, sei auch nicht bezweifelt. Allerdings bewegen wir uns mit dem Begriff "Natur"gewalten sehr stark in Derlett'schen Gewässern. Nur als kurze Anmerkung am Rande, denn die cthulhoiden Wesenheiten sollen ja keineswegs als Repräsentanten von Natur und deren Elementen verstanden werden. Natürlich verkörpern sie im weitesten Sinne Konzepte - einige von ihnen klarer definiert als andere - aber das sollte nicht mit verstandesmä?ig begreifbaren Kategorien gleichgesetzt werden...

 

...nur nochmal der Hinweis in eigener Sache, dass wir hier über fiktive "Möglichkeiten" diskutieren, nicht reale Gedankenansätze...

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Und dann zu anachronist, und Deinem Zweifel bzw. Unverständnis an dem Grauen, das in der Erkenntnis der Wahrheit steckt. Und dem Schaden, den eine solche Erkenntnis anrichten kann.

Ich glaube, Du gehst von einem falschen Ansatzpunkt aus. Du beurteilst den Mythos, seine Konsequenzen und Auswirkungen nach Deiner Selbsteinschätzung. Damit fällst Du in die Misere des distanzierten Lesers, Du befindest Dich auf einer Metaebene, die DIr erlaubt, reflektiert zu beurteilen. Dir fehlt die unmittelbare Involviertheit.

 

Was genau ich damit meine, versuche ich jetzt mal, zu erklären. Mit einer Frage...

Könntest Du einen Menschen umbringen?

...okay, das ist höchst philosophisch. Besonders, da man niemals alle Faktoren mit einbeziehen kann, die eine solche Tat beeinflussen. Wir alle möchten gerne antworten: "Nein, ich könnte nie einen Menschen umbringen." Was aber, wenn Dein Leben davon abhinge? Oder wenn er gerade Deiner Tochter die schlimmsten Dinge angetan hätte (will hier nicht ins Detail gehen)? Oder wenn Du ihn töten müsstest, um damit das Leben von dreihundert Kindern an einer Schule zu retten?

Vielleicht nicht distanziert genug. Gehen wir direkt zum Leserproblem, und zu einem meines Erachtens guten Beispiel in einem Roman von George Orwell - "1984".

In diesem Roman beherrscht ein totalitäres System, das dem Kommunismus ähnelt, einen unterdrückten Staat, der von Misstrauen, Angst, Entbehrung und Konformismus durchsetzt ist. Die Bevölkerung (bzw. - für alle die, die das Buch kennen - spezifischer: die Partei) wird ständig überwacht, aber nicht nur durch Kontrollorgane, sondern auch durch potentielle Spitzel in den eigenen Reihen (ein Handkuss hinüber zur StaSi), sogar durch die eigenen Kinder. Alle, die sich nicht ans System halten, gelten als Feinde, die an den eigenen Miseren schuld sind. Deshalb ist denunzieren quasi Ehrensache. Allerdings gibt es keine Gesetze, doch ist schon der Gedanke daran, dass das System vielleicht falsch sei, Hochverrat (Gedanken-Kriminalität). Damit ist aber automatisch jeder ein Verräter und Krimineller, denn einen verbotenen Gedanken NICHT zu denken, ist unmöglich. Als Beispiel: Denke jetzt NICHT an einen gelben Elefanten!

 

Natürlich sieht der Leser die Welt mit ganz anderen Augen als der Protagonist. Sieht die Ungerechtigkeit, die Unterdrückung usw. Und würde gerne sagen: ICH würde niemanden denunzieren. ICH würde da nicht mitmachen. ICH würde mich dagegen wehren.

Allerdings befindet sich der Leser nicht in dieser Situation. Der Protagonist aber schon. Wie der Leser also reagieren würde, wenn er sich in einer ähnlichen Situation befindet, kann er überhaupt nicht beurteilen, da er seinen Blickwinkel von der Metaebene nicht ausschalten kann.

 

Noch deutlicher wird das, als der Protagonist Winston von der Gedankenpolizei gefangen genommen wird. Vorher hat er eine Beziehung (verbotenerweise) zu einer jungen Dame namens Julia aufgebaut und sie (augenscheinlich) lieben gelernt. Es gelingt ihm, monatelange Folter zu durchstehen, ohne seine Liebe zu Julia zu verraten - sprich: sie den Authoritäten preiszugeben, so dass er verschont werde.

Doch dann wird er mit seiner schlimmsten Angst konfrontiert, und unter diesem Druck bricht er. Da er wei? , dass die einzige Chance, dieser Folter zu entgehen, ist, sie Julia erleiden zu lassen, schreit er; "Do it to Julia!" Und "verrät" sie damit (die allgemeine Meinung ist hier, dass er Verrat an ihr übt - eine Meinung, die ich nicht teile, aber das würde zu weit gehen).

Wie gerne würde man als Leser da sagen: "Das würde ich nie machen. Wenn ich sie wirklich liebte, würde ich die schlimmsten Qualen erleiden, nur um sie davor zu verschonen. Ich würde sie ihr niemals wünschen, nur um meine eigene dreckige Haut zu retten."

Aber auch das kann der Leser nicht beurteilen, da er sich nicht in dieser Lage befindet.

 

Und genau das Problem sehe ich hier bei Deiner Argumentation, anachronist. Klar, wenn ich ein Buch mit unsinnigem Schwachfug lese, kann ich mich auch distanzieren. ICH WEISS, dass Lovecraft's Mythos nur Fiktion ist. Aber die Protagonisten wissen es nicht - und auch die Charaktere wissen es nicht.

Genauso kann ich aber nicht behaupten, wie ich reagieren würde, wenn ich ein Buch läse, in dem mir minutiös dargelegt würde, dass die Farbe Gelb in Wahrheit die Auswüchse eines Wesens aus Gallert und Eiter sind, mit denen es uns Menschen manipuliert. Das klingt für mich jetzt auch albern, aber ich befinde mich auch auf der Metaebene des distanzierten Lesers. Ich kann nicht sagen, wie ich reagieren würde. Oder was in mir zerbrechen würde, wenn mir auf einmal klar wäre, dass alles, woran ich bisher geglaubt habe, eine Lüge ist. Oder noch schlimmer - alles, an das ich nicht einmal GLAUBEN MUSSTE, das ich als gegeben, logisch und unverrückbar WUSSTE, sich als Hirngespinst herausstellen würde...

 

Romane können, wenn überhaupt, die Realität nur abbilden. Sie SIND nicht die Realität. Genauso wenig erzählen wir im Rollenspiel Geschichten über die Realität. Allein die Worte Geschichte und Realität miteinander kausal zu verknüpfen, hei?t, dem Oxymoron Tür und Tor zu öffnen...

Und genau das scheint das Problem zu sein. Wir philosophieren über ein "Was wäre, wenn", und versuchen, uns vorzustellen, wie das auf uns wirken würde. Der Cthulhu-Mythos kann damit nur einen eingebildeten Schrecken erzeugen - und auch das nur, wenn wir uns darauf einlassen. Damit ist er ganz anders als der sehr reale Schrecken eines Kinderschänders oder eines skrupellosen Enforcers der Drogenbarone.

 

Meines Erachtens schreibst Du auch der menschlichen Psyche mehr Durchhaltevermögen und Stärke zu, als sie tatsächlich besitzt. Man darf nicht vergessen, dass Depressionen eine hervorgerufene Störung sein können, genau wie Alkohol-Missbrauch. Man muss nicht gleich "GAGA" werden, um es mal salopp zu sagen. Vermeidungsstrategien sind unsere Art, mit Wahrheiten umzugehen, die wir nicht verkraften. Das kann zu jeder Form von "Störung" führen, sei es der genannte Alkoholmissbrauch, aber auch nur reine Verleugnung der Tatsachen und im schlimmsten Fall eine ausgeprägte Störung im schizophrenen Bereich. Oder auch die viel debattierte DID (Dissoziatives Identitäts-Syndrom). Und Vermeidung ist eine der häufigsten Taktiken, die oft nicht als Störung der Psyche angesehen werden. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass eine Störung nur bedeutet, dass die Psyche nicht so funktioniert, wie sie im IDEALFALL funktionieren KÍNNTE und bestenfalls SOLLTE...

Wobei sich dann natürlich die Frage stellt, was normal bedeutet - und wer normal überhaupt definiert...

 

Fakt ist, dass der menschliche Geist schon an sehr mundanen Dingen zerbrechen kann, wie dem Tod eines Kindes, dem Verlust des eigenen Vermögens, des Selbstwertgefühls, des Vertrauens in eine geliebte Person. Solche Schicksalsschläge führen oft zu temporären Depressionen (im RPG würden wir von einem langfristigen Trauma sprechen). Schlimm wirds dann, wenn aus den temporären Problemen permanente Störungen entstehen...

Solche Störungen können gar, wie im Falle der paranoiden Schizophrenie, zum Selbstläufer werden, aus dem es dem Betroffenen dann fast unmöglich ist, wieder herauszukommen - zumindest ohne fremde Hilfe...

 

 

Um den Horror von Lovecraft's Cthulhu-Mythos erleben, genie?en oder (als SL) bei anderen implementieren zu können, musst Du allerdings die Plattform der Metaebene des distanzierten Lesers verlassen, und Dich auf die Möglichkeiten einlassen, dass eben nicht alles vorhersehbar ist. Und dass Du nicht wissen kannst, wie Du reagiern würdest. Aber um da hinzukommen, bedarf es Deiner Bereitschaft, anzunehmen, dass Dinge, die Du nicht verstehen kannst und die real vielleicht nicht existieren, in einem GEDACHTEN Real-Universum, in dem auch Du existierst, bestehen können. Wie jedes andere RPG auch, ist Cthulhu ein Gedanken-Experiment. Während andere RPGs allerdings gar nicht versuchen, bewusst Emotionen bei den Spielern zu erzeugen, ist das im Kern ja schon das Anliegen eines Horror-RPGs (wenn ein Ding überhaupt ein Anliegen besitzen kann). Um solchen Grusel jedoch erleben zu können, muss man sich nicht nur auf das Experiment einlassen, sondern tief in die hypothetische Welt eintauchen und zulassen, dass sie auf den Wahrnehmenden einwirkt.

Akzeptieren, dass die Dinge, die man nicht erklären kann, sich aber eine Erklärung zurecht gelegt hat, vielleicht andere Hintergründe besitzen. Und Erklärungen, die durch die Wissenschaft bestätigt sind, vielleicht vollkommen verkehrt sind.

 

Möchtest Du Dich jedoch nicht von dieser Metaebene weg bewegen, dann können wir tage- und monatelang über die hypothetischen Auswirkungen eines fiktiven Spieles diskutieren. Was an sich auch ein interessantes Gedankenexperiment ist.

Allerdings wage ich dann hier mal die vorsichtige Frage, ob dann ein Horror-Rollenspiel wie Cthulhu, oder gar überhaupt ein Horror-Rollenspiel, bei dem die Distanz des Spielers nur hinderlich sein kann, wirklich das Richtige für Dich ist...

:rolleyes:

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Insgesamt ergibt sich natürlich die Frage, was "Wirklichkeit" ist.

Vermutlich so etwas wie die Summe unserer Erfahrungen.

In diesem Sinne sind aber, glaube ich, Gläubigen ihre Götter durchaus wirklich, weil spirituell erfahrbar. Ob nun im Drogen- oder andrem Rausch, Trance, innigen Gebet oder whatever. Ich vermute mal stark, dass die meisten Leute in diesem Thread (mich eingeschlossen) Atheisten sind, denen solche Erfahrungen abgehen. Aber sind die Götter für Gläubige weniger wirklich, nur weil sie nicht mit Messgeräten nachgewiesen werden? (Und zu diesen Messgeräten zähle ich auch die menschlichen Sinne.)

Glaube ich als Natruwissenschaftler nicht auch an die Theorien, an Atome etc., and die Ausschläge der Messgeräte?

Wissen kann ich die nicht - übrigens eine Grundannahme aller naturwissenschaftlichen Theorien - eine Theorie gilt nur, so lange sie falsifizierbar ist, und wir benutzen nur "Modelle", und sprechen nie von der "Wirklichkeit".

 

In diesem Sinne können Mythoswesen durchaus existieren, und kein Natruwissenschaftler würde was dagegen sagene, soweit deren "Existenz" in eine falsifizierbare Theorie eingebunden wird.

 

Was es uns Menschen so schrecklich machen würde, wäre wohl, dass die Mythosgötter unserer Summe der gegenwärtigen Erfahrungen zuwiderlaufen würde.

 

?hnliche Umbrüche der Weltansschauung hat's ja schon gegeben, nur waren die in ihrer Konsequenz nicht sonderlich schrecklich:

Die Sonne kreist nicht um die Erde

Einzelne Teilchen verhalten sich zufällig ("Gott würfelt nicht"??? - wobei wir schon wieder beim Thema sind)

Zeit ist ein relativer, und kein absoluter Begriff etc.

 

Ich behaupte mal flugs, dass Leute, die die Relativitätstherie und die Quantenmechnaik wirklcih verstanden haben - im Gegensatz zu damit rechnen zu können - ziemlich wahnsinnig sie müssten, da sie unserer Erfahrung zuwiderläuft - nur gibt es solche Menschen meines Erachtens nach bisher nicht.

 

Wie wäre es erst, wenn man da "Wesen" dahinter vermuten müsste, Wesen mit "Bewusstein", und nicht nur unbelebte Materie/Energie...

 

 

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Es entwickeln sich zunehmend interessante Seitenschauplätze, so dass ich in Gefahr gerate, die ?bersicht zu verlieren. Ich gebe mir also Mühe. Zunächst stimme ich Wrzlprmft zu, dass eine weitere Diskussion über göttliche Begrifflichkeiten keine weitere Klärung bringen wird. Es wird nur noch alles komplizierter dadurch. Ich will aber trotzdem noch mal auf den letzten Post von Dumon kurz eingehen. Es geht mir nicht darum, Monotheismus und Polytheismus gegeneinander aufzuführen. Eine Wertigkeit kann es da ja eh nicht geben. Meine beiden Kategorien waren eher als System gedacht, in dem wir uns hier im Gespräch bewegen können. Denn wenn wir einem Wesen den Gotttitel zubilligen, ohne dass es allmächtig, allwissend etc. ist, dann ist jeder Mensch in gewisser Weise ein Gott. Und dann ist der Begriff so ausgedehnt, dass er sprachlich keinen Nutzen mehr hat, finde ich.

 

Ich werde mich daher noch mal auf das psychologische Feld beziehen. Dabei möchte ich mal behaupten, dass Mythoswerke gerade einen tiefgläubigen Menschen nicht besonders destabilisieren werden. Was auch immer sie beweisen mögen, so können die Bücher nicht widerlegen, dass es den allmächtigen Gott gibt. Denn dessen Existenz ist nicht beweisbar. Ein Gott, dessen Existenz sich beweisen lie?e, unterläge zwangsweise bestimmten Regeln. Dies ist jedoch nicht vereinbar mit seiner Allmacht, die ihn von allen Regeln befreit. Das hast du ja auch schon ausgeführt, Dumon. Auf diese Weise wird ein Gläubiger immer weiter glauben können, sein Gott stünde über allen Dingen, nur er als fehlbarer Mensch hätte die entsprechenden Kenntnisse nicht. Diese Haltung lässt sich herrlich bei Zeugen Jehovas beobachten, die man in eine Diskussion über die Bibel und ihre Logikfehler verstrickt.

 

Wenn aber ein Glaube nicht widerlegbar ist, dann hei?t das, dass Alles integrierbar bleibt, dementsprechend hält sich der seelische Druck ziemlich in Grenzen. Im Gegenteil, die Existenz von feindseligen übernatürlichen Wesenheiten, die den Menschen Böses tun, sie verführen wollen oder finstere Pläne für die Welt haben, passt sich doch herrlich in das dychotyme Denken eines Gläubigen.

 

Angst ist das emotionale Resultat der Bewertung einer Situation. Diese Bewertung setzt sich aus vielen verschiedenen Komponenten zusammen. Sie ist in jedem Fall aber ein individuelles Phänomen. Das hei?t, dass manche Menschen eine Situation als grauenvoll empfinden werden, die andere nicht mal als problematisch empfinden. In diesem Zusammenhang gibt es keine allgemeingültigen Regeln. Es gibt sicherlich Erlebnisse, die von einem gro?en Teil der Bevölkerung als unangenehm aufgefasst werden, die aber zu völlig verschiedenen Verhaltensweisen führen werden.

 

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Original von Dumon

Meines Erachtens schreibst Du auch der menschlichen Psyche mehr Durchhaltevermögen und Stärke zu, als sie tatsächlich besitzt. Man darf nicht vergessen, dass Depressionen eine hervorgerufene Störung sein können, genau wie Alkohol-Missbrauch. Man muss nicht gleich "GAGA" werden, um es mal salopp zu sagen. Vermeidungsstrategien sind unsere Art, mit Wahrheiten umzugehen, die wir nicht verkraften. Das kann zu jeder Form von "Störung" führen, sei es der genannte Alkoholmissbrauch, aber auch nur reine Verleugnung der Tatsachen und im schlimmsten Fall eine ausgeprägte Störung im schizophrenen Bereich. Oder auch die viel debattierte DID (Dissoziatives Identitäts-Syndrom). Und Vermeidung ist eine der häufigsten Taktiken, die oft nicht als Störung der Psyche angesehen werden. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass eine Störung nur bedeutet, dass die Psyche nicht so funktioniert, wie sie im IDEALFALL funktionieren KÍNNTE und bestenfalls SOLLTE...

Wobei sich dann natürlich die Frage stellt, was normal bedeutet - und wer normal überhaupt definiert...

 

Fakt ist, dass der menschliche Geist schon an sehr mundanen Dingen zerbrechen kann, wie dem Tod eines Kindes, dem Verlust des eigenen Vermögens, des Selbstwertgefühls, des Vertrauens in eine geliebte Person. Solche Schicksalsschläge führen oft zu temporären Depressionen (im RPG würden wir von einem langfristigen Trauma sprechen). Schlimm wirds dann, wenn aus den temporären Problemen permanente Störungen entstehen...

Solche Störungen können gar, wie im Falle der paranoiden Schizophrenie, zum Selbstläufer werden, aus dem es dem Betroffenen dann fast unmöglich ist, wieder herauszukommen - zumindest ohne fremde Hilfe...

 

Nein, Dumon, ich glaube du irrst dich. Das Störungskonzept, das ich geschildert habe, ist ja auch nicht von mir, sondern das gängige psychopathologische Erklärungsmodell. Ein menschlicher Geist kann nicht zerbrechen. Man kann dekompensieren, was bedeutet, dass man über lange Zeit eingestörtes Verhalten aufweist oder gar krank wird, aber das hat weniger was damit zu tun, was einem passiert ist, als damit, wer man ist. Dekompensation ist das Mittel der Psyche die Existenz des Menschen zu bewahren, wenn der Druck zu heftig wird.

 

Eine paranoide Schizophrenie entwickelt nicht jeder Mensch. Es gibt Menschen, denen wurde unsagbares Leid zugefügt, die keine tiefgreifenden Störungen entwickeln. Wir wissen nicht genau, wie das geht, nur dass es so ist. Und es gibt Menschen die völlig aus der Bahn geworfen werden, weil irgendetwas scheinbar Banales passiert ist.

 

Horror verpufft, wenn man ihn erzwingt. Es besteht eher die Gefahr, dass eine Bedrohung etwas Lächerliches bekommt, wenn man sie als SL zu sehr forciert. Ich habe seit 20 Jahren Spielleitererfahrung und habe sehr viel Horror geleitet. Du kannst mir vertrauen, ich wei? wovon ich rede. Au?erdem verwendest du den Begriff Metaebene meiner Auffassung nach nicht ganz korrekt. Aber da kann ich mich irren. Die Metaebene ist, wenn man ein Buch liest, das sich mit dem Lesen von Büchern befasst. Was du meinst ist glaube ich die Beobachterrolle vs. Identifikation. Und damit habe ich ja begonnen. Ich kann mich nicht identifizieren mit dem Prof. , der ein Mythosbuch liest und deswegen vor Angst wahnsinnig wird. Also bleibt mir nur die Beobachterrolle.

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Peterchen, ich muss Dir zustimmen.

Auf der einen Seite sind Götter für ihre Gläubigen durchaus erfahrbar. Allerdings gibt es sowas wie den Beweis ihrer Existenz als Allgemeinplatz dann doch nicht. Und ich denke, dass das dann eher der Ansatzpunkt wäre. Ein Einzelner, der Gott erlebt (oder glaubt zu erleben), kann ja nicht der Beweis sein...

 

Auf der anderen Seite haben wir die Beweis-Problematik, da alles, worauf wir uns verlassen, nur Theorien der Wirklichkeit sind (ein Wink zu Herrn Watzlawik). Herleitungen, die falsifizierbar sind. Aber wenn wir das ganze Problem so angehen, dann befinden wir uns in sehr gefährlichen Gewässern. Denn dann ist Realität tatsächlich nur Wahrnehmung und Interpretation, und Konsens, und unsere gesamte Existenz wird ein Gedankenexperiment. Bin ich ein Mensch, der träumte, ein Schmetterling zu sein - oder bin ich ein Schmetterling, der gerade sein Menschsein träumt...?

 

Das mit der Unverrückbarkeit des eigenen Glaubens ist ein interessantes Thema. Nochmal der Hinweis zu dem Debunker-Artikel in der CW. Allerdings müssen wir als Cthulhu-Spieler eine Sache als gegeben hinnehmen, die uns als wissenschaftlich denkende Menschen widerstrebt. Und zwar die Tatsache einer letztendlichen Wahrheit.

Das Problem liegt darin, dass das Mythoswissen etwas mit dem MEnschen, der es aufnimmt (sei es durch Bücher oder auf andere Weise), etwas anstellt. Es verändert ihn. Denn in dem Moment, in dem er es aufnimmt, REALISIERT ER, dass dies die Wahrheit ist.

 

Dies ist ein Konzept, dass für uns als kritische Menschen problematisch ist. Da wir uns kritisch mit Texten auseinandersetzen, würde ein Text so etwas nie erzeugen können. Um den lovecraft'schen Mythos aber wirken zu lassen, müssen wir akzeptieren, dass in der Welt des Mythos (der Gedanken-Welt des RPG) es TExte/Erlebnisse geben kann, die eine solche Erkenntnis instantanem erzeugen! Oder aus den Tiefen der Erinnerung hervorkramen.

 

Und solchen Erkenntnissen, die nicht falsifiziert werden können (wir sprechen hier natürlich von der Fiktion), kann auch der felsenfeste Glaube an einen allmächtigen Gott nicht standhalten. Der Gläubige hat dann nur noch Vermeidungs- und Verdrängungs-Strategien als Werkzeuge.

Aber auch diese Barrieren müssen im Laufe der Zeit korrodiert werden, wenn die Wahrheiten des Mythos wieder und wieder gegen die Dämme des zunehmend als irrational verstandenen Glaubens angerannt wird.

 

Ich unterstreiche das Konzept, dass ein felsenfester Glaube wirklich alle Eventualitäten mit genügend Nachdenken inkorporieren kann. Im Lovecraft-Universum muss dies aber aus genannten Gründen scheitern.

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Ich bin etwas irritiert aufgrund der Anführung des psychopathologischen Ansatzes, dass ein menschlicher Geist nicht zerbrechen kann. Ich bin kein Psychologe oder Psychiater, aber würde das nicht bedeuten, dass Menschen, die unter Störungen leiden, sich dann in jedem Fall bewusst in solche Verhaltensweisen flüchten...?

 

Die Psyche eines Menschen kann vielleicht nicht zerbrechen wie eine Scheibe Glas - aber wir benutzen doch gerne die Metapher einer gebrochenen Person oder eines zerbrochenen Geistes, wenn wir meinen, dass sich die Psyche des Menschen entweder verändert, oder unbewusst in Vermeidungs- oder Kompensations-Strategien flüchtet.

Aber auch das würde hei?en, dass unter der geistigen Krankheit oder Störung die intakte Psyche noch vorhanden ist, nur wieder ausgegraben werden muss. Oder das Ersatz-Programm, das gerade läuft, nur beendet und gelöscht werden muss. Und das ist meines Erachtens dann ein vollkommen falscher Ansatz, denn alles, was einer Person passiert, verändert ihren Erfahrungsschatz, und auch ihr Verhalten. Eine Person, die unter einer Störung litt, wird dadurch nichtsdestotrotz "Schäden" oder zumindest "Narben" davontragen. Daher finde ich den Ansatz des beschädigten oder gar zerbrochenen Geistes nicht ganz so falsch...

 

Du hast vollkommen recht, wenn Du sagst, dass man eine Störung nicht mit dem Geschehen verknüpfen kann, und dass das von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist. Jemand, der in eine Schlangengrube gefallen ist, muss dadurch nicht eine Angst vor Schlangen entwickeln, sondern kann durchaus dadurch eine vollkommen zusammenhanglose Störung entwickeln (siehe auch den Artikel im Dementophobia). Das alles ist bereits zu gro?en Teilen in der Psyche des Menschen veranlagt.

Aber auh hier müssen wir einfach davon ausgehen, dass es in Lovecraft's Universum Dinge gibt, die so unverständlich sind, dass sie nicht einfach weggesteckt werden können, sondern solche latenten Störungen zum Ausbruch treiben. Dafür ist ja der Stabilitäts-Wurf gedacht, der symbolisiert, was man noch wegstecken kann, und was nicht...

 

Auch gebe ich Dir recht, dass man Horror nicht erzwingen kann. Wohl aber die Personen zum Gruseln anleiten. Dafür müssen sich aber alle Beteiligten auf die Paradigmen des jeweiligen Settings einlassen können, und zumindest die Möglichkeit der Situationen akzeptieren. Kann das die SL nicht, kann sie keine ansatzweise glaubwürdigen Szenen beschreiben, die die Spieler gruseln. Können das die Spieler nicht, so kann sich die SL verbiegen, und es bleibt lächerlich und ineffektiv.

Daher eben meine Frage.

 

Kurz zur Metaebene. Meta-Ebene heisst nur eine Ebene darüber (weisst Du sicherlich). Wenn ein Text über einen anderen Text reflektiert, oder über sich selbst, wenn Schauspieler aus dem Schauspiel heraustreten und mit dem Publikum als Publikum interagieren, so bewegen sich diese Personen/Dinge auf einer Metaebene.

Genauso aber befindet sich der Leser immer auf einer Metaebene dem Gelesenen gegenüber, denn er liest (hoffentlich) den Text reflektiert und ist sich zumindest bewusst, dass er gerade einen Text liest.

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Danke für die Klärung der Metaebene, das habe ich offenbar nicht so richtig verstanden. Ich kenne eben den Begriff Metakommunikation und habe von dort aus frei assoziiert. Aber das lässt sich eben nicht 1 zu 1 übertragen. ;)

 

Zu der Frage ob sich die Menschen bewusst in die Störung retten. Das ist natürlich immer eine Definitionsfrage. Bewusst - unbewusst. Das ist psychologisch gar nicht so leicht zu differenzieren. Es ist aber auf jeden Fall so, dass Menschen teilweise ganz gezielt und willentlich ihr krankes Verhalten einsetzen, um den seelischen Druck abzubauen. Nimm z.B. einen suchtkranken, der in einer belastenden Situation zum Suchtmittel greift, anstatt sich der Situation zu stellen. Oder ein aggressives Kind, das seine Ziele durch Gewalt oder Androhung von Gewalt durchsetzt, anstatt sich sozial zu verhalten und die eigenen Wünsche zurückzustellen. Diese Verhaltensweisen könnte man durchaus als willentlich und wissentlich eingesetztes gestörtes Verhalten bezeichnen. Das ist bei einem Psychotiker sicher anders, der dekompensiert, wenn er unter Stress gerät und kaum Möglichkeit hat, das zu verhindern.

 

Sobald die Belastung zurückgefahren ist, verschwindet auch das gestörte Verhalten wieder. Es is jedoch nicht geheilt, sondern wird nur derzeit nicht abgerufen. Besteht die Belastung fortwährend, wird auch das gestörte Verhalten kontinuierlich vorliegen. Es kann dann zur Habituierung kommen, D.h. der Mensch gewöhnt sich an die Belastung und das Kompensationsbedürfnis reduziert sich von alleine, was hei?en kann, dass gestörte Verhalten tritt nicht mehr auf oder aber die Störung chronifiziert sich. Das hie?e die Störung bliebe auch wenn die Belastung nicht mehr da ist. Welche Reaktion erfolgt hängt wieder von verschiedenen Faktoren ab.

 

Die mit dem Mythos einhergehenden Erkenntnisse könnten für einen Menschen also ein belastendes Ereignis sein. Ich halte sie jedoch für wesentlich weniger belastend als beispielsweise die Erkenntnis, dass der eigene liebe Opi in Treblinka Kinder mit der Machete getötet hat. Und was dort überhaupt passiert ist. Und diese Erkenntnis hatten in Deutschland ja einige Enkel ohne zu dekompensieren.

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