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Praktische Umsetzung des Horrors


Seraph
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Hallo Leute,

 

falls es so einen Thread schon gibt, tut es mir leid und ich werde alsbald zehn "Ave Cthulhu" beten.

Während wir recht häufig darüber diskutieren, was Horror wirklich ist und welche Motive und Monster es gibt, würde ich gerne mal von euch wissen, wie ihr es praktisch umsetzt, dass sich eure Gruppe zumindest gruselt.

 

Die Frage kommt mir gerade jetzt, da ich gestern den Film "Sinister" gesehen habe (wird überschätzt). Eine Szene gab es dort aber, die relativ typisch für das Horror-Genre war und zwar der sog. "Schocker". In dieser Szene recherchierte der Protagonist - ein Schriftsteller (yay) - über das Monster aus alten Legenden und Schauermärchen. Die Kamera zeigt ihn, wie er ein Papier etc. mit dem Gesicht des Monsters vor den Augen hält....leichte Abneigung seitens des Zuschauers...nachdenklich grübelnd lässt er es dann sinken und dann - ZACK! Steht draußen vor dem Fenster dasselbe Viech, dass er gerade auf Papier/Laptop etc. gesehen hat! Das ganze natürlich mit einem akustischen Knall untermalt und fertig war der Herzstolperer beim Zuschauer.

 

Ist es also möglich die "visuellen Effekte" des Horrorfilms - die ja sehr intensiv sind - in irgendeiner Weise auf das RPG zu übertragen? Wenn nein (und davon gehe ich bis jetzt noch aus), wie kann man es alternaitv schaffen, seine Spieler noch richtig zu schocken? Ist dafür nicht in erster Linie die Motivation und die Bereitschaft, sich fallen zu lassen, der Spieler erforderlich?

 

Ein paar Beispiele:

 

1. Relativ offensichtlich sollte der Einsatz simpler, schauriger Musik sein, die schön im Hintergrund vor sich her dümpelt und den Spielern eine kalte, einsame Atmosphäre suggeriert.

 

2. Einmal waren meine Spieler nachts in einem Taxi unterwegs. Ich habe erzählt und erzählt...bin sehr ruhig geworden und habe relativ leise erzählt und gesagt, dass sie müde sind usw. bis ich dann - BÄM! mit einem lauten Schrei aufgesprungen bin. Fast alle Spieler sind da fast vom Stuhl gefallen und haben sich wirklich erschrocken - in etwa so, wie es in der darauf folgenden Unfallsituation aber auch sein sollte.

 

3. Ein weiteres Mal (in der "Suite 608") habe ich nur Horror-Musik laufen lassen und den Spielern erzählt, dass aus dem Schalfzimmer Klagelaute eines Babys kommen (klassisches Motiv). Nichts Gutes ahnend, sind dann 2 von ihnen in das Zimmer und haben es aber leer vorgefunden. Merkwürdigerweise waren sie angespannter als sonst und als sich auch unter dem Bett nichts Gruseliges zeigte, sagte einer meiner Spieler dann mit fast schon weinerlicher Stimme "Oh nein...es muss im Schrank sein...ich will den nicht aufmachen..." - komisch, dass es hier so gut geklappt hat. Es lief hier ja alles über die Erwartungshaltung der Spieler, die normalerweise (da sie rollenspiel-, film- und videospielerfahren sind) mit einem Gähnen statt mit einem pochenden Herzen reagiert.

 

Freue mich auf eure Antworten!

 

LG Seraph

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1. Relativ offensichtlich sollte der Einsatz simpler, schauriger Musik sein, die schön im Hintergrund vor sich her dümpelt und den Spielern eine kalte, einsame Atmosphäre suggeriert.

 

Ooh, ich habe die Feststellung gemacht, dass es noch nicht mal simple Musik sein muss. Einzelne Töne, die langsam an Intensittäät zunehmen und über eine längere Zeitspanne im Hintergrund gespielt werden können auch irgendwann sehr verstörend wirken. Man nehme zum Beispiel die Aufnahme einer sog. "Windharfe".

 

 

2. Einmal waren meine Spieler nachts in einem Taxi unterwegs. Ich habe erzählt und erzählt...bin sehr ruhig geworden und habe relativ leise erzählt und gesagt, dass sie müde sind usw. bis ich dann - BÄM! mit einem lauten Schrei aufgesprungen bin. Fast alle Spieler sind da fast vom Stuhl gefallen und haben sich wirklich erschrocken - in etwa so, wie es in der darauf folgenden Unfallsituation aber auch sein sollte.

 

Ja, ist Situations bedingt, ob das einen wirklich erschreckt. Ich denke, mich würde eher die Tatsache erschrecken, dass mein SL so plötzlich aufspringt, als dass ich es groß mit der Szene verbinde. Und kann im Nachhinein auch mehr nach hinten losgehen und mehr zu Erheiterung führen. Kommt drauf an, wie gesagt.

 

 

Hmmh, persönlich, gruseln mich Filme mehr, die den Schrecken erzählen und nicht unbedingt plastisch zeigen. Bestes Beispiel "Signs". Die mögliche Anwesenheit von Aliens ist so lange gruselig, bis sie das Alien zeigen. Als ich damals im Kino saß, war ich einer der vielen, die laut auflachten.

Daher meine ich, dass man nicht unbedingt jenes Monster ins Spiel bringen und vor den Augen der Charaktere agieren lassen muss, um zu gruseln. Splatter gruselt nicht unbedingt. Kann Ekel erregen, ja. Aber das ist kein gruseln. Horror entsteht mehr im Kopf.

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 Horror entsteht mehr im Kopf.

 

Das bringt es auf den Punkt. Jeder, aber auch wirklich jeder Horrorfilm verliert deutlich an Intensität, wenn das Monster / der Killer / das schreckliche Geheimnis endlich aufgedeckt wird.

 

Die Frage ist jetzt: wie setzt man das praktisch als SL um und inwiefern hat man da überhaupt Einfluss drauf?

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Naja du kannst das Monster auch im Abenteuer herauszögern und die Beschreibungen vage halten. Eher auf erschreckende Konzepte als auf einen Look gehen, außer der Look ist ein wichtiger Teil des Konzepts.

Ich habe in einem Abenteuer einmal die Mi-Go als Monster gehabt und, wie man es aus dem Malleus Monstrorum erschließen kann, zuerst die Auswirkungen gezeigt. Dann als ich sie beschrieben habe war es auch eher in Konzepten. Wenn ich mich erinner: "Eine Mischung aus Insekten, Pilzen und Kybernetischen Teilen" "Eine ungerade Anzahl von Augen und Gliedmaßen". Also keine Skizze aufbauen, sondern das den Gehirnen der Spieler überlassen.

 

Du kannst bei Perspektivtricks dich auch am Film bedienen, auch wenn du dafür aus der Perspektive des Charakters heraustreten in Beschreibungen. Zu den Spielern als Publikum sprechen, nicht den Charakteren. Wenn du willst das die Spieler sich gruseln. Das geht natürlich offensichtlich auch indem sie sich in Charakter hereinversetzen die Angst haben. Oder aber auch indem sie mehr wissen als ihre Charakter. Etwa beschreiben "Während Armitage liest und schreckliche, zu lebensechte Zeichnungen des Ghuls findet, kann man hinter ihm im Fenster die schattenhafte Gestalt eines solchen sehen" oder ihn trotzdem noch als Charakter ansprechen. "Du beugst ich über das Buch und blätterst bis du die Seite findest, dort findet sich die Zeichnung des Ghuls. Hinter dir jedoch bemerkst du nicht wie sich im Fenster die Gestalt eines ebensolchen Ghuls abzeichnet."

In dem Fall hat der Spieler eventuell nicht Angst als Charaker, sondern Angst um seinen Charakter. Aber das kann auch effektiv sein, wenn man es aufzieht und es mit den Spielern funktioniert.

 

Du kannst natürlich auch in die ander Richtung gehen und tiefer in die Perspektive des Charakters gehen als das ein Film könnte. Geräuche, Temperaturen, Textur beschreiben die der Charakter erlebt. Gefühle oder Gedanken aufbringen die der Charakter hat. Und wenn es auch nur auf der Ebene biologischer Reaktionen ist wie "Dein Herz rast" oder "Deine Hände beginnen zu zittern".

In dieser Perspektive funktioniert auch der Horror von geistiger Beeinflussung, Wahnsinn und köperlichen Veränderung. Das Gefühl eine Grenze zu verletzten kann echten Horror hervorrufen. Die Wahrnehmungen der Charakter in einer Weise beschreiben die mit der Erwartungen der Spieler von der Welt nicht übereinstimmen und wahrscheinlich auch nicht mit denen der Charakter kann sehr gut funktionieren. Wieder auf der Basis von Konzepten und nicht unbedingt Effekten. Die berühmten nichteuklidischen Winkel der lovecraftianischen Literatur funktionieren aus der Perspektive eines Charakter der seiner Wahrnehmung nicht trauen kann besser und weil sie eben über das nicht funktionieren von Naturgesetzen künden, was ein beängstigendes Konzept ist.

Auch die körperliche Verletzung und Veränderung im Sinne von Bodyhorror funktioniert gut im Rollenspiel für die Charakterperspektive beschrieben. Es fängt schon bei Verletzungen wie Brüchen und Schusswunden an und wie schrecklich die für den Körper sind. Nicht unbedingt als Schmerzerfahrung sondern als Veränderung des Charakters. Durch Einschränkung der Bewegungsmöglichkeiten oder eine permanente Veränderung im Körper. Narben, Verbluten, Erblidung, Pfeifen in den Ohren nach Schüssen. Alles Horrormaterial.

Im übernatürlichen Bereich lässt sich der Body Horror verwenden, in dem schreckliche Veränderungen im Körper der Charakter oder von NSC einstellen, die sich Spieler noch immer als eklig vorstellen können. Die Verwandlung in einen Ghul ist ein Beispiel oder die Verwandlung durch das Erbe von Innsmouth wären jetzt lovecraftianische Beispiele. Cronenberg Filme ein Beispiel aus den Medien.

Ekel funtkioniert allgemein gut durch Beschreibung im Rollenspiel. Wenn man ihn denn auch für eine Story einsetzen kann.

 

Die Pop Scares, mit der lauten Musik und dem plötzlich ins Bild springenden Schrecken ist für den Tisch schwer zu übertragen finde ich. Laute Geräusche und Musik machen kann funktionieren, wenn es zum eigenen Spielstil passt. Plötzlich das Licht löschen im Spielraum oder plötzlich heller anmachen kann den Effekt vielleicht herstellen. Wenn man als SL in Bewegung ist und um den Tisch geht etwa, die Spieler nervös machend und eventuell in Stimmung bringen durch die Position, kann man auch plötzlich einen Spieler der angeriffen wird an den Schultern packen. Nur zu empfehlen wenn es in der Spielrunde passt. Das erschrecken kommt dort auch durch das Überschreiten einer Grenze, der Berührung, aber eben einer Grenze der Spieler.

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Mein persönliches Highlight der letzten Zeit war es mich selber zu erschrecken. Wir haben Anfang Herbst im Ferienhaus von einem unserer Spieler gespielt. Für eine kurze Einzelszene war ich mit einem Spieler etwas abseits auf dem Hof. Die Szene spielt in den finsteren Katakomben unter Paris. Jener SC versuchte grad einem Guhl zu entkommen. Ich beschrieb ihm also das Hecheln, den Atem nach verwesten Fleisch riechend, hin und wieder Schritte wie von Tatzen auf Stein...und das alles so gegen Mitternacht.

 

Plötzlich höre ich hinter mir ein Geräusch, fahre herum und hinter mir steht Burschi, der Hund eines anderen Spielers und hechelt mir entgegen. Vor Schreck bin ich beinah dem Spieler in den Arm gesprungen.

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