Ich denke auch, dass man den Ball hier tendenziell flachhalten sollte. Jau, Lovecraft war ein (im Nachhinein) bedeutsamer Autor und klar, unser Cthulhu-Rollenspiel gäbe es ohne ihn nicht. Aber umgekehrt würde ich zum Beispiel nicht wirklich Geld darauf setzen, ob er das, was wir so damit treiben, überhaupt im Sinne seiner Vision verstanden hätte. Ich finde sowohl englische Sachen wie INS oder deutsche Sachen wie, als Beispiel, "König! Reich! Unten!" sind schon arg weit von der Stimmung entfernt, die meinethalben einer "Musik des Erich Zann" innewohnt. Und jau, Lovecraft hat den Mythos erfunden. Aber nicht so genannt, Und bis auf die Teile, die er nicht erfunden hat. Der König in Gelb, so, wie wir ihn im Spiel kennen und schätzen geht nicht auf seine Kappe, die Hunde von Tindalos gehen nicht auf seine Kappe. Und auch das, was er geschrieben hat, ist nicht komplett seinem Genie entsprungen; nicht umsonst hat Festa mittlerweile zwei Anthologien mit Lovecraft-Vorbildern draußen – und damit noch nicht mal wirklich erschöpfend an der Oberfläche gekratzt. Sicher, Lovecraft war ein methodischer Theoretiker, aber … macht ihn das zwingend zu deinem guten Schriftsteller? Aber die Diskussion, ob ein Schriftsteller gut ist, ist ohnehin müßig. Irgendwo hier im Thread las ich gerade beim Querlesen etwas über "objektive literaturwissenschaftliche" Kriterien – welche würden das denn sein? Lovecraft schrieb, wie er geschrieben hat, manchmal brillant, manchmal so eher nicht; ich hab ohnehin immer das Gefühl, dass auch der Lovecraft'sche Korpus immer eher selektiv wahrgenommen wird. Und was er schrieb, hat halt eine Wirkung; die war zu Lebzeiten sehr verhalten und ist posthum sehr ausgeufert, Leute wie King oder Carpenter sicherlich sehr prägend. Ja. Aber mehr ist dazu ja nicht zu sagen. Aber vor allem, und das ist wichtig: Das hat erst einmal nichts mit dem Spiel zu tun. Es kann. Vielleicht empfindet man Lovecraft als sehr inspirierend, vielleicht empfindet man seine finstere Miene, bevorzugt das bekannte Pressefoto von 1915, als Bildnis im gemeinschaftlichen Spielraum als stimmungsgebend und vielleicht versteht man sich mit seiner interaktiven Spielrunde als Epigone seiner Schöpfung. Ist legitim. Oder es ist anders herum. Man dankt Lovecraft für den ersten Zündfunken, denkt bei ihm eher an das ulkige Foto von 1921, auf dem er lächelt, und fragt sich mit gelassener Regelmäßigkeit, ob man einen Mann ernstnehmen mag, der sich über eine längere Zeit nur von Crackern zu ernähren versuchte und ob diese urban legend, dass er Angst vor Meeresfrüchten gehabt habe, wohl stimmt oder nicht. Nur: Wenn der Spielleiter anfängt, seine erste Szene zu bereiten und die Spieler ihre W100 und ihre Charakterbögen zurechtschieben, ist das gleich. Wenn ein vorgefertigtes Abenteuer geleitet wird, vielleicht noch viel mehr … Ich persönlich lese Lovecraft sehr gerne, gerade im Original. Und seine besten Texte sind wirklich, wirklich hervorragend – die textliche Dichte, die "Schatten über Innsmouth" erreicht, ist alleine schon etwas, was auch literaturwissenschaftlich Beachtung verdient. Aber hey, wie ich auch neulich im DORPCast mal sagte: Rollenspiel ist ein Gesellschaftsspiel. Ein tolles, möglicherweise – und unberührt vom Genre – ein inspirierendes, kreatives, vielleicht eben auch literarisches Spiel. Aber ein Spiel. Viele Grüße, Thomas PS: Synapscape postete, während ich schrieb; teilweise überschneiden sich Argumente da, aber ich mag jetzt auch nicht deshalb irgendwie kürzen oder so ^^