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Railroad vs GMV (eine Stellungnahme)


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Eigentlich hätte ich genug anderes um die Ohren... aber nach zwei posts der letzten Zeit hier im Forum treibt mich das jetzt doch ein wenig um, und bevor ich anfange, Threads mit halben Kommentaren zu hijacken, mach ich doch (gegen meine sonstige Gewohnheit) lieber mal nen neuen auf:

 

einerseits hatten wir hier letztens die Sorge, was zu tun sei, wenn Spieler einfach mal den gesunden Menschenverstand (GMV) ihrer Charaktere walten lassen, der sie vielleicht überall hin lockt, blo? nicht ins geplante Abenteuer? Und andererseits gibt's auch immer die Sorge, dass man doch eigentlich nicht ins railroaden geraten mag.

 

Es mag so aussehen, als sei das zweite ein bisschen die Antwort auf das erste: wenn die Spieler (bzw ihre Charaktere) nun so gar nicht den zB Friedhof erkunden wollen, mit dem das geplante Abenteuer in die Gänge kommen soll, dann... ganz gleich, was der GMV sagt... dann muss man sie eben da hin railroaden. Umgekehrt, wenn man nicht railroaden mag, dann kann es einem (wenn's dumm läuft) auch passieren, dass den ganzen Abend über nix aufregenderes passiert, als dass die Müllabfuhr kommt (wie jeden Montag im Jahre 1926). Sind das denn so die Skylla und Charybdis, zwischen denen man als SL ständig ausgleichen muss? GMV gegen Railroading?

 

In dem GMV-Thread wurde es schon angesprochen: es gibt andere Möglichkeiten, Charaktere in ein Abenteuer zu verwickeln, als einfach auf eine Neugier zu hoffen, die (soweit ich sehe) wesentlich mehr Rollenspielcharaktere kennzeichnet als deren Spieler... abgesehen von den existenziellen Situationen (Schiff gestrandet, unablässige Alpträume und Schlafwandeln), wo man einfach was tun muss, kann das wie gesagt auch emotional sein (ein Familienmitglied ist etwa schwer betroffen) oder gesellschaftlich ("was denken denn da die Leute? und erst die Polizei?")... die Möglichkeiten sind viele.

Ist das jetzt aber gerailroadet? Ich denke: nein. Zwar könnte man sicher sagen, Jaaa das hat der SL mir aufoktroyiert, ich hätte ja niiiieee... aber wir sprechen hier von Motivation, wir sprechen hier von den Gründen, weswegen der Charakter in die Geschehnisse/die Geschichte verwickelt ist. Das möchte ich noch nicht als Railroading sehen (sonst müssten wir ja auch die Art, wie Bilbo im "Hobbit" in die Geschehnisse verwickelt wird, als Railroading übelster Sorte betrachten - nach jeglichem gesunden Menschen- bzw Hobbitverstand sollte er bis heute zuhause sitzen und sein Pfeifchen rauchen, statt als Meisterdieb verdungen worden zu sein).

Railroading ist (für mich) im Rollenspiel das, was einem in Erzählungen als der deus ex machina oder der überaus glückliche Zufall begegnet: ein Ereignis, mit dem sichergestellt wird, dass die Geschichte einen bestimmten Verlauf nimmt, das sich jedoch nicht in absehbarer Weise aus dem Zusammenhang ergibt. (Wenn der Detektiv etwa zufälligerweise im Bus einen wichtigen Zeugen kennenlernt.)

 

Andererseits scheint es mir in dem ganzen Zusammenhang aber auch relevant, dass Cthulhu als Rollenspiel auf Erzählungen aufbaut, die in unserer realen Welt (und mehr moch der des Autors) angesiedelt sind - im Unterschied zum Fantasy-Genre, wo nicht immer was passieren muss und rein beschreibende Passagen ("Weihnachtsbräuche in Mittelmordor") auch ganz lesenwert sein mögen, ergibt sich daraus eine viel stärkere Konzentration auf besondere Situationen. Und das schlägt auch ins Rollenspiel durch: während ich in meiner alten Fantasy-Kampagne teilweise monatelang als SL ohne genaue Vorstellung davon auskam, was sich bis zum Ende des Abends ereignet haben sollte, und alle einfach gro?en Spa? am "mal sehen" hatten, geht das bei Cthulhu einfach nicht: ohne mindestens eine ungefähre Vorstellung davon, wo's langgehen soll, geht's nicht. Wer da einfach den ganzen Abend lang improvisieren wollte, der würde nur die Regeln spielen, aber nicht das Spiel. Ein wenig Plot sollte schon drin sein. (Ohne dass man damit gleich auch schon unter die Storyteller geraten wäre.)

 

Plot... ist denn der Plot von fertigen, gekauften Abenteuern Railroading? Nö: nie. Nie. Niemand kann die Spieler oder den SL zwingen, sklavisch den Vorgaben des/r Autoren zu folgen... bzw doch, einen gibt's, der kann: der Spielleiter. Spielleiten ist nicht unbedingt leicht, es kann anstrengend sein, es kann zeitraubend sein, und wenn man das Abenteuer vorher wenigstens einmal durchgelesen hat, dann wei? man wenigstens, wie sich die Autoren einen möglichen Verlauf vorstellen... man vergisst darüber nur immer so leicht, dass es auch noch andere gibt. Ob die aber rauskommen, liegt... am Spielleiter, doch: lässt er die Spieler eher den Möglichkeiten ihrer Charaktere folgen, oder hat er eine bestimmte Vorstellung, wie alles gemacht werden muss, in die er die Spielergruppe hineinzwingt? Das ist Railroading, nur das. Alles andere ("mööönsch wieso krieg ich jetzt n Stabilitätsabzug, blo? weil ich mein' Bruder erschossen hab?") liegt irgendwo in der Grauzone zwischen Auslegungssache und Spielergemosere.

 

Soweit für heute...

 

Kurzzusammenfassung, für eiligere Leser: wenn die Charaktere gesunden Menschenverstand walten lassen, dann ist das kein Beinbruch, sondern potentiell interessant. Und Railroaden ist kein Zeichen eines miesen Spiels, sondern eines untervorbereiteten Spielleiters (was freilich mit dem Anspruch zusammenhängen mag, der von Spiel und/oder Abenteuer gestellt wird).

 

 

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Da sind wir recht schnell an des Pudels Kern.

Jeder versteht etwas latent anderes unter dem Thema Railroading. Ich halte es eher mit Frank, der schrieb:

 

Railroading hei?t für mich, dass man im Abenteuer nicht wirklich etwas machen kann, sondern eine Geschichte entlanggegängelt wird und mehr als Alibi-Fertigkeitswürfe zwischendrin nicht erlaubt sind. Quasi eine Geschichte zum Mitwürfeln.

 

Ob da jetzt zufällig eine Bushaltestellenbekanntschaft das Abenteuer weiterbringt, ist mir eher schnuppe. Ansonsten bin ich aber auf Phils Linie. Plot mu? sein, ohne geht es nicht. Mich hat das Thema auch umgetrieben. Vor allem, da fast alle Abenteuer, die Chaosdada als eher railroading-Exponenten bezeichnete, für mich meist, keinesfalls dafür in Frage kämen. Bleicher Mond wäre meiner Meinung nach ein Paradebeispiel für rail...

 

Insgesamt ist railroading doch zu einem ziemlichen Modewort geworden, welches zu schnell herangezogen wird, um ein Abenteuer zu disqualifizieren. Ich persönlich mag ausgefeilte Abenteuer. An denen kann ich nach Bedarf immer noch etwas ändern. Eher mühselig finde ich die Abenteuer von synapse auf der Ruf-Seite, wo man sich alles selbst zusammenfrickeln mu?, da es eigentlich nur eine Einleitung und NSCs gibt . Kostet Zeit und letztlich könnt ich mir auch selbst schnell was ausdenken.

 

Gru?Fox

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Auch nicht zu verachten ist einfach die Art des Mediums, in dem sich Kaufabenteuer präsentieren: der Text.

Ein selbsterdachtes Abenteuer ist eine modifizierbare, schwer abzugrenzende Masse im Hirn des Spielleiters, das wiederum einen ziemlich gewaltigen Datenspeicher darstellt.

Wo aber nun der SL spontan in der Lage ist, eventuell unbedachte Abzweigungen zu ersinnen und auszubauen, andere Abenteuerteile dahingehend zu modifzieren etc., kann der Autor das nicht im Text machen.

Eine Stadt hat 500 Türen und hinter einer sitzt vielleicht ein wichtiger NSC, doch ein SC kann auch 499 weitere Türen aufmachen. Steht aber im Abenteuertext "Betreten die Investigatoren die Schneiderei Nadelöhr, sehen sie...", dann rufen alle möglichen Leute "Railroading!"

Das Abenteuer schrieb aber nie, dass sie die anderen Häuser nicht betreten sollen, sondern beschrieb nur nicht, was dahinter auf sie wartet.

 

Und bevor jetzt alle direkt und spontan "Ja klar..." sagen, behaltet es lieber einfach mal im Hinterkopf. Cthulhu-Abenteuer, DSA-Abenteuer, Abenteuer bei uns auf der DORP, allen hat man schon vereinzelt nachgesagt, sie würden railroaden. Aber warum? Nur weil nicht alle Variablen abgedeckt wurden?

 

An anderer Stelle la? ich mal, Dungeons seien die einzige Railroading-freie Abenteuerform. Warum? Weil die Mauern nicht durch den SL, sondern durch das Setting verankert werden und der "local space" des Dungeons eben doch komplett abgedeckt werden kann.

Sowas gab's ja anno dazumal auch als ?berland-Abenteuer (einige alte Dragonlance-Abenteuer etwa), aber das will ja auch keiner hier, denke ich.

 

Viel Freiheit bedingt viele Variablen, geschriebener Text bietet dagegen eine rein im Medium bedingte Umfangsgrenze.

Und das wiederum, durch die falsche Linse betrachtet, ist in meinen Augen eben jenes Railroading, dass immer wieder Kaufabenteuern vorgeworfen wird.

 

Mut zur Lücke!

 

Gru?,

Thomas

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Nun ja, nur eine Frage des Umfangs ist es auch nicht ... denn nqatürlich macht man sich als Autor Gedanken, wie man denn nun am besten gewährleistet, dass die Gruppe früher oder später in der "Schneiderei Nadelöhr" landet. Wenn ich mein Schreibverhalten so betrachte, würde ich durchaus einräumen, dass ich da vielleicht manchmal zum übertreiben neige und für alles eine Ideallösung parat haben will.

Ich für meinen Teil finde eine solide kombination am besten: Das hei?t, es sollte genügen "Plot" geben, der die verschiedenen Abenteuerstationen durch innerhalb des Settings auch schlüssige und glaubwürdige Hinweise verbindet. Gleichzeitig braucht man aber eine grobe Beschreibung des Settings und ein paar Hilfestellungen zum improvisieren im Abenteuer, falls die Charaktere sich anders verhalten als erwartet. Da hilft es dann oft weniger, noch fünf Alternativen anzusprechen, und mehr, einfach ein paar gut strukturierte und sehr allgemeine Infos zum Setting und zu den NSC zu geben, an denen man sich als SL orientieren kann.

Was mich persönlich am meisten stört sind Hinweise, die innerhalb der Logik des Settings und der NSC eigentlich keinen Sinn ergeben, sondern offensichtlich nur eingestreut werden, um die Gruppe auf Schnitzeljagd zu schicken. (Von dieser Sorte enthält das m.E. ansonsten sehr gelungene "Herz des Grauens" einige echte Klopfer ...) Da ist mir "richtiges" Railroading, dass aus der realen Auswegslosigkeit einer bestimmten Situation entspringt, tausend mal lieber (siehe "Bleicher Mond").

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Und bevor jetzt alle direkt und spontan "Ja klar..." sagen, behaltet es lieber einfach mal im Hinterkopf. Cthulhu-Abenteuer, DSA-Abenteuer, Abenteuer bei uns auf der DORP, allen hat man schon vereinzelt nachgesagt, sie würden railroaden. Aber warum? Nur weil nicht alle Variablen abgedeckt wurden?

Wohl kaum, sondern weil sie einzelne Szenen beschreiben. Wenn man sich Kaufabenteuer anderer Systeme anschaut, die eben nicht als gerailroadet gelten, wird man einen ganz anderen Aufbau feststellen (auch z.B. die neue DSA-Kampagene "Hinter dem Thron" ist offener gestaltet).

Wenn man nicht railroaden will, sollte man statt Szenen zu beschreiben, genauer auf wichtige Schauplätze eingehen, die verschiedenen Beteiligten, deren Motive, übliche Vorgehensweise und mögliche Optionen erörtern und vielleicht noch ein paar Hinweise zu höchstwahrscheinlichen Ereignissen - aber eben nicht einen Plot beschreiben, dem die Spieler im Idealfall genau folgen.

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^^^

 

Ich bin nur ehrlich gesagt ein bisschen unsicher, wie sehr sich Cthulhu für so eine konsequente Form von Nicht-RR anbietet. Ich denke mal, es hat seine Gründe, dass es für Cthulhu sehr viele One-Shots gibt. Das ausführlich ausgestaltete Setting mit angedeuteten Handlungssträngen ist vor allem für Kampagnenspiel nützlich, in dem die Gruppen sich selbst "etwas aufbauen". In Cthulhu geht es dagegen oft um einzelne gro?e Ereignisse, in die die Charaktere hineingezogen werden, denen sie ausgesetzt sind und denen sie auf die Spur kommen müssen, um zu überleben. Ich mag Plot-orientierte Abenteuer ja ganz gerne ... wie gesagt, wenn man genug Hintergrundinformationen geordnet dazugeliefert kriegt, kann man ja auch den Plot ignorieren und ein Abenteuer vorrangig als Quellenbuch nutzen.

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Die meisten Horror-Rollenspiele setzen naheliegender Weise auf Railroading, da sich damit sehr gut Atmosspähre erzeugen lässt (Unknown Armies z.B., dass weniger stark auf Railroading setzt, bezeichnet sich zwar selbst als Horror-Rollenspiel, ist aber eigentlich eher dem Genre "Mystery" zuzuordnen).
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Wohl kaum, sondern weil sie einzelne Szenen beschreiben. Wenn man sich Kaufabenteuer anderer Systeme anschaut, die eben nicht als gerailroadet gelten, wird man einen ganz anderen Aufbau feststellen (auch z.B. die neue DSA-Kampagene "Hinter dem Thron" ist offener gestaltet).
Mea culpa, es folgt ein Minimalausflug nach Aventurien:

Naja, HdT ist auch nicht wirklich frei von Railroading. Das Setting an sich wird ausführlicher beschrieben als man das sonst kennt, keine Frage. Die eigentlichen Abenteuer aber, "Die Gefangenen von Naumstein", "Die Stunde des Todes" und "Träume von Bosparan" folgen wieder dem bekannten Schema-F der 4ten Edition. Texte zum Vorlesen oder Nacherzählen, Szenen, Handlungsfolgen, alles wie immer. Und wenn mal alles nichts hilft, dann werden sogar Alibi-Proben geworfen, deren Ergebnis vorbestimmt ist, damit auch ja alles sauber abläuft (vgl. "Auftritt der Helden", S. 106, HdT).

Nur weil mehrere Abenteuer in einem Band sind und diese von exzessiven Quellen begleitet werden, ist das noch lange kein Garant für freieres Rollenspiel.

Um's mit Cthulhu zu sagen - "Der tanzende Faun" zwingt meinen Spielern nicht weniger Handlungen auf, nur weil das Handlungsumfeld "Berlin" im Band besser definiert wird.

 

Wenn man nicht railroaden will, sollte man statt Szenen zu beschreiben, genauer auf wichtige Schauplätze eingehen, die verschiedenen Beteiligten, deren Motive, übliche Vorgehensweise und mögliche Optionen erörtern und vielleicht noch ein paar Hinweise zu höchstwahrscheinlichen Ereignissen - aber eben nicht einen Plot beschreiben, dem die Spieler im Idealfall genau folgen.
Bestimmte Abenteuertypen erfordern aber nun einmal genau das: eine festere Reihenfolge. Nicht alles ist als Szenario zu realisieren.

Das hei?t aber noch lange nicht, nur weil ich eine feste Szenenfolge habe, dass ich da eben wie auf Schienen durchzuckel.

 

Die Abkehr einer Szenenfolge ist auch keinesfalls notwendig. Spätere "Earthdawn"-Bände gehen da ganz hart vor, schneiden allen Fluff drum herum weg und liefern die einzelnen Szenen gnadenlos aufgelistet, also Prämisse, Szene 1 bis n, Finale, Nachfolgeereignisse.

Aber nur weil die Gruppe in Szene 1 dieses und jenes tut und in Szene 2 dann die Handlung fortgesetzt wird, sagt ihnen niemand, dann sie nun direkt zu Szene 2 eilen sollen.

 

Die meisten Horror-Rollenspiele setzen naheliegender Weise auf Railroading, da sich damit sehr gut Atmosspähre erzeugen lässt (Unknown Armies z.B., dass weniger stark auf Railroading setzt, bezeichnet sich zwar selbst als Horror-Rollenspiel, ist aber eigentlich eher dem Genre "Mystery" zuzuordnen).
Auch hier muss ich widersprechen, zumindest der Pauschalisierung. Nimmt man etwa "A Few Of My Favorite Things" von John Tynes aus dem Band "Weep", so hat man in meinen Augen ein Paradebeispiel, wie man ein Abenteuer nicht zu strukturieren hat.

Es ist eine Abfolge von Szenen, die aber irgendwie nicht wirklich als gro?es Ganzes harmonieren, sondern nur vor den Spielern ablaufen. Die irren nur da durch und sind froh, am Ende wieder raus zu sein. ?hnlich "Kerkerwelten", nur ohne den Kontext.

Aber auch etwa das so viel gelobte "Bill in three Persons" aus dem Grundregelwerk hat für mich das Problem, dass die Grundprämisse, der Unfall, sehr geskriptet abläuft.

 

Du hast natürlich recht, es gibt Abenteuer, die freier gestaltet sind. Aber das auf ein System zu pauschalisieren, finde ich nicht machbar.

 

 

Gru?,

Thomas

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Original von Thomas Michalski

Mea culpa, es folgt ein Minimalausflug nach Aventurien:

Naja, HdT ist auch nicht wirklich frei von Railroading.

Was ich auch nirgendwo behauptet habe. Es ist offener als die üblichen DSA-Abenteuer - und auch Cthulhu-Abenteuer.

 

Das Setting an sich wird ausführlicher beschrieben als man das sonst kennt, keine Frage. Die eigentlichen Abenteuer aber, "Die Gefangenen von Naumstein", "Die Stunde des Todes" und "Träume von Bosparan" folgen wieder dem bekannten Schema-F der 4ten Edition. Texte zum Vorlesen oder Nacherzählen, Szenen, Handlungsfolgen, alles wie immer. Und wenn mal alles nichts hilft, dann werden sogar Alibi-Proben geworfen, deren Ergebnis vorbestimmt ist, damit auch ja alles sauber abläuft (vgl. "Auftritt der Helden", S. 106, HdT).

Nur weil mehrere Abenteuer in einem Band sind und diese von exzessiven Quellen begleitet werden, ist das noch lange kein Garant für freieres Rollenspiel.

Um's mit Cthulhu zu sagen - "Der tanzende Faun" zwingt meinen Spielern nicht weniger Handlungen auf, nur weil das Handlungsumfeld "Berlin" im Band besser definiert wird.

Bei der DSA-Kampagne sind aber weitere Szenarien neben den Ausgearbeiteten angebracht. Und mehr Hintergrundinfos sind zwar kein Garant für freieres RPG, aber dabei offensichtlich hilfreich.

 

Bestimmte Abenteuertypen erfordern aber nun einmal genau das: eine festere Reihenfolge. Nicht alles ist als Szenario zu realisieren.

Das hei?t aber noch lange nicht, nur weil ich eine feste Szenenfolge habe, dass ich da eben wie auf Schienen durchzuckel.

Was ich ebenfalls nie behauptet habe. Du kannst alles mögliche Improvisieren, aber das Abenteuer unterstützt eben einen anderen Spielstil (und wenn die vorgegebenen Szenen nicht stattfinden, ist ein Teil deines teuer gekauften Abenteuers nutzlos).

Die Earthdawn-Abenteuer sind wiederrum Railroading, allerdings auf das Wesentliche reduziert. Klar sind auch da weitere Szenen zwischen den gegebenen angebracht, aber genau das ist für mich Railroading (und das kommt der Forge-Definition zumindest nahe): Was du auch immer vorher tust, du kommst in etwa immer zu der gleichen Szene.

 

Auch hier muss ich widersprechen, zumindest der Pauschalisierung. Nimmt man etwa "A Few Of My Favorite Things" von John Tynes aus dem Band "Weep", so hat man in meinen Augen ein Paradebeispiel, wie man ein Abenteuer nicht zu strukturieren hat.

Es ist eine Abfolge von Szenen, die aber irgendwie nicht wirklich als gro?es Ganzes harmonieren, sondern nur vor den Spielern ablaufen. Die irren nur da durch und sind froh, am Ende wieder raus zu sein. ?hnlich "Kerkerwelten", nur ohne den Kontext.

Und wo soll da der Wiederspruch zu meiner Aussage sein? Das ist für mich (ziemlich schlechtes) Railroading, also Horror-typisch.

Oder meinst du, du widersprichst dem, dass UA weniger railroadet. Das hat es sich zumindest zum Ziel gesetzt (Ein Spiel um Macht und Konsequenzen) und es gibt dafür solche Abenteur (auch wenn nicht alle dazu zählen).

 

Aber auch etwa das so viel gelobte "Bill in three Persons" aus dem Grundregelwerk hat für mich das Problem, dass die Grundprämisse, der Unfall, sehr geskriptet abläuft.

Das wäre für mich kein Problem, aber danach wird extrem gerailroadet - was im Grundregelwerk eines Spiels mit dem oben genannten Motto ziemlich unangebracht ist.

 

 

Du hast natürlich recht, es gibt Abenteuer, die freier gestaltet sind. Aber das auf ein System zu pauschalisieren, finde ich nicht machbar.

Ich hingegen problemlos. Es gibt zwar immer Abweichungen, aber im Durchschnitt kann man doch Abweichungen sehen. Z.B. würde ich so eine Anordnung von Railroading zu freiem Spiel vornehmen: DSA>Cthulhu>Earthdawn>WoD>Inspectres>Primetime Adventures

 

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Chaosdada, ich werde deine Einzelpunkte jetzt nicht Zeile für Zeile beantworten - nicht, weil ich nicht die Diskussion wünschenswert finde, aber weil ich glaube, wir verzetteln uns sonst zu sehr in Details.

 

Ich denke, es hat auch immer was mit der Art und Weise zu tun, wie man selber, subjektiv, bis dato ein System wahrnimmt. UA etwa verkörpert für dich freies Spiel, okay, kann man sagen. Ich kenne aus der Spielpraxis eben die beiden genannten offiziellen Abenteuer und war davon ziemlich gegruselt.

Es gibt Gegenbeispiele, sicherlich, mir kämen da spontan "Jailbreak" und "And I feel fine" vom ohnehin grandiosen Geoffrey C. Grabowski in den Sinn, beide aus "Oneshots". Aber das Problem ist, dass meine Spielpraxis mir ein gegenteiliges Bild eingeprägt hat (eben dank "Bill" und der "Things").

Daher auch mein Einwand, dass eine Klassifikation schwer fällt.

 

DSA hat eine klare Tradition sehr linear strukturierter Abenteuer, auch da widerspreche ich nicht. Aber auch da gibt es solche und solche. "Schlacht in den Wolken" ist ziemlich gruselig auf der Negativ-Schiene einzuordnen, aber "Blutige See", "Die Herren von Chorhop" finde ich da schon besser. Oder die beiden uralten "Löwe und Rabe"-Bücher zum Khomkrieg.

 

Worauf ich eigentlich hinaus will? Rezeption ist Subjektiv.

Ja, fünf Euro in die Phrasenkasse, aber wie gesagt, ich finde eine allgemeine Kategorisierung echt schwer.

 

Die andere Frage, damit schleppen wir uns langsam mal wieder zum Thema zurück, ist halt wirklich die Definition von Railroading. Forge-Definitionen könnten mir egaler nicht sein, so am Rande angemerkt - kann man nutzen, tue ich nicht. Wenn ich also irgendwelche vorbelasteten Begriffe verwenden sollte, nicht forgig lesen *g*

 

Was mir hier allerdings noch aufgefallen ist, ist ein gewisses Schwarzwei?-Denken. Sowie es vorgegebene Szenen-Eckpunkte gibt, ist es Railroading?

Ich meine, klar, es wird in die Spielerfreiheit in dem Sinne eingegriffen, dass bestimmte Konstanten existieren, aber ich finde, man sollte da einfach noch weiter untergliedern.

Wenn die Spieler nach dem Treffen mit ihrem Auftraggeber im Club Obi Wan (Szene n) nunmal Hinweise darauf finden, dass sich das Kokssyndikat Grüner Drache im Keller der Schneiderei Nadelöhr trifft, ist es doch naheliegend, dass sie diese als nächstes aufsuchen (Szene n+1).

Ich finde, Railroading würde es erst dann, wenn das Abenteuer dies und das Vorgehen vor Ort rigoros verschreiben würde. So ein bisschen wie diverse Computerspiele das machen - "Oh, ich kann nicht über den Jägerzaun springen, dann muss ich mich wohl doch durch das ganze Dorf zur Fahne vorkämpfen".

 

Ich vermute mal, dass die Absolutheit der Definition, die Abwesenheit einiger "leitendereren" Zwischenschritte, mir am Ehesten gegen den Strich geht.

Einfach, weil dann auch irre viel in einen Topf geworfen wird.

 

Und mir ist klar, dass das jetzt mehr als laut gedacht denn sorgfältig formuliert war. Man möge mir vergeben, mir fehlt es wie immer an Zeit...

 

 

Gru?,

Thomas

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Ich hab immer noch etwas zu viel um die Ohren, um jetzt alles im Detail durchzulesen, aber ich denke, ich sollte mal drauf hinweisen, dass es IMHO zweierlei Arten von Railroading gibt:

 

1) RR durch das Abenteuer: das immer dann vorliegt, wenn es für ein bestimmtes, für den weiteren Verlauf entscheidendes Informationselement vollkommen wurscht ist, was die Charaktere tun, weil sie mit den ihnen zur Verfügung gestellten Mitteln nie da drauf kommen werden und der ganze Verlauf einzig und allein davon abhängt, dass der SL ihnen das irgendwann mal zwischen die Pfoten schmei?t, und dann müssen sie sehen, was sie damit tun. Sehr unbefriedigend. (Das ist der erwähnte Krimi, in dem der Fall nur deshalb gelöst wird, weil der Protagonist irgendwann mal in der Stra?enbahn durch Zufall die richtigen Leute belauscht.)

 

2) RR durch den SL: gibt's in gro?er Spannbreite, ich nenne mal zwei Extreme:

2a) böses RR (alias "Thatchering", nach der politischen Railroaderin entsprechenden Namens): der SL hat seine Vorstellung/Vorgaben, wie das Abenteuer abzulaufen und zu enden hat, und prügelt seine Spieler auf diesem (für sie womöglich gar nicht sichtbaren, und dann haben sie noch Glück gehabt) Weg entlang, koste es was es wolle. Stichwörter "Autoritätsgehabe" etc, blabla. Macht mir als Spieler kein' Spass, und wenn sich irgend die Möglichkeit dazu ergibt, werde ich versuchen, dem SL da nen Strich durch die Rechnung zu machen. Und wenn er mich dafür draufgehen lässt, ist mir das erst recht noch egal - dann wei? ich sicher, dass ich mir nächstes Mal n andern SL suche. Oder überhaupt was andres tu - bei Kino oder Fernsehen wei? man wenigstens von vornherein, dass man eh blo? zuschauen kann...

2b) lässliches RR (alias "auf die Sprünge helfen"): irgendwann passiert's: jeder steht aufm Schlauch, keiner wei? mehr weiter. Aus Spielerperspektive ziemlich besch...eiden; man steht dumm rum, es gibt kein' Plan... also gut, probieren wir halt auch die abwegigeren Kombinationen von Dingen aus - was je nach Veranlagung und Tagesform der Spielergruppe früher oder später ins Rumgealbere führt... in Fantasykampagnen kann sowas ja zu sehr angenehmen Intermezzi führen, aber bei Cthulhu (das IMHO genreentsprechend starke Tendenz zum in sich geschlossenen Abenteuerabend hat) isses tendenziell eher weniger erwünscht - und in dem Fall macht sich die Möglichkeit zu Wissens-, Ideen- oder Glückswürfen wirklich bezahlt (alles immer meiner Meinung nach). Die erlauben es, solche Situationen kurzzuschlie?en und den Spielern aus dem Innern der Spielwelt heraus Anstö?e dazu zu geben, wie's weitergehen könnte. Ist das RR oder nicht? In schwacher Weise ja, würde ich sagen... aber eine statthafte Technik des guten SL, solange er sich bewusst bleibt, dass diese Knilche damit alles mögliche anstellen können und nicht blo? das, woran er mit seiner beschränkten Vorstellungsgabe dachte. (Sonst landet man nämlich ganz schnell bei 2a.)

 

...und dann gibt's da noch die Ereignisse, die sich ohne Zutun der Spieler logisch aus dem Plot des Abenteuers ergeben. Der Nachbar kommt von seiner Geschäftsreise zurück, die vorbereitete Beschwörung wird durchgeführt, die Ebbe kommt. Die haben alle nix mit RR zu tun, sondern sind einfach nur Handlungselemente. Und auch die können hin und wieder statt W/I/G zum Einsatz kommen, um das ganze n bisschen weiterzubringen - genau das sind in meiner Erfahrung aber auch Momente, wo sich Spieler leichter mal über RR beklagen, weil sie das Gefühl haben, sie hätten im vorhergehenden Zeitraum mehr tun können, auch wenn es nix gab... (wenn jemand dazu ne Meinung undoder Idee hat, dann mal her damit)

 

Phil

 

 

Edit: Unterm Strich scheine ich zu sagen, dass RR zwar im Prinzip von ?bel ist, in minimalster Dosierung aber durchaus nicht immer von Schaden sein mag. Wie in der Heilkunde, vielleicht: die Menge macht das Gift...

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Forge-Definitionen könnten mir egaler nicht sein, so am Rande angemerkt - kann man nutzen, tue ich nicht.

Dürfte aber wohl das nehliegenste für eine Definition sein. Woher sollte man sie sonst ziehen?

 

Ich finde, Railroading würde es erst dann, wenn das Abenteuer dies und das Vorgehen vor Ort rigoros verschreiben würde. So ein bisschen wie diverse Computerspiele das machen - "Oh, ich kann nicht über den Jägerzaun springen, dann muss ich mich wohl doch durch das ganze Dorf zur Fahne vorkämpfen".

Das halte ich für eine total miserable Definition von Railroading. Wozu soll man den Begriff dann brauchen? Es wird es kaum irgendein Abenteuer geben, dass darauf ausgelegt ist und wenn doch, würden es die allermeisten Rollenspieler wohl niemals spielen. Der Begriff ist dann nutzlos.

 

Was mir hier allerdings noch aufgefallen ist, ist ein gewisses Schwarzwei?-Denken. Sowie es vorgegebene Szenen-Eckpunkte gibt, ist es Railroading?

Du selbst denkst sehr undifferenziert. Du unterscheidest nur zwischen Railroading oder nicht Railroading. Wenn es Szenen-Eckpunkte gibt ist es Railroading, aber dabei gibt es zahllose verschiedene Grade. So verkörpert UA für mich sicherlich nicht freies Spiel, aber eben freier als Cthulhu.

 

@Chaosdada:

Bin ich zu pointiert, wenn ich denke, Du brauchst eigentlich nur ein paar Quellenbücher mit kurzen Abenteuer-Hooks? Wie etwa das Kairo-Guidebook u.ä.

Abenteuer-Hooks sind zwar ganz nett, aber sparen nicht wirklich Zeit gegenüber dem völlig selbstständigen Abenteuer basteln. Ich denke ja eigentlich auch das Railroading bei Horror-Rollenspielen hilfreich ist. Falls du aber, wie ich stark vermute, auf den "Cthulhu-Abenteuer ohne Railroading"-Thread anspielst: Das ging von einem meiner Spieler aus, ich störe mich als Spieler nicht daran. Ich wei? auch noch nicht wie offen gestaltet es die Spieler dieser Gruppe ihre Abenteuer bevorzugen, da ich noch nicht oft mit ihnen gespielt habe (und der auslösende Kommentar war nach dem stark gerailroadeten, aber dennoch schönen, "Herr der Winde").

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Phil hat allerdings einen wichtigen Punkt bei seinen Differenzierungsversuchen angesprochen: Es gibt einen Unterschied zwischen Zwängen und Ereignissen, die sich schlüssig aus dem Hintergrund und den Aktionen der NSC ergeben und solchen, die den Charakteren durch irgendwelche dem Abenteuerverlauf genehmen "Zufällen" aufgebürdet werden. Und wenn Spieler sich über RR beschweren, halten sie das erfahrungsgemä? nicht immer ganz sauber auseinander ...

 

Ein Beispiel aus einer D&D-Runde, in der ich Spieler war: Ein anderer Spieler spielte einen Druiden, der als "Haustier" einen Tiger dabei hatte. Nun führte gleich das erste Abenteuer in eine Gro?stadt, und die Wache am Tor wollte verständlicherweise nicht, dass er das Tier auf ihre schöne Zivilisation loslässt (Tiger müssen drüssen bleiben.) Die Gruppe ist an diesem Punkt kollabiert: der Spieler hat nicht eingesehen, dass ihm Steine in den Weg gelegt wurden, fand den Tiger essentiell für seinen Charakter und meinte, der SL würde ihn gängeln und alles müsste wühl genau nach dessen Vorstellungen gehen. Der SL dagegen hat sich völlig schlüssig verhalten und erklärt, dass das schlicht udn einfach die Reaktion der Torwachen ist, mit denen der Druide es zu tun hat. Wie er wiederum darauf reagiert, bleibt ihm überlassen: Er kann zu dem Schluss kommen, dass es doch nicht so wichtig ist, in die Stadt zu gehen und umdrehen. Er kann versuchen, sich anderswo einzuschleichen (wobei die Chancen, mit dem Tiger unentdeckt und unbehelligt zu bleiben, natürlich gering gewesen wären). Sprich: Er kann alles mögliche machen, nur sind die meisten Optionen nicht besonders erfolgversprechend, und das naheliegendste ist tatsächlich, das Tierchen drau?en zu lassen. Die Beschwerden des Spielers waren insofern völlig unberechtigt: Was er wollte, war nicht Entscheidungsfreiheit, sondern, dass der SL von der Logik des Hintergrunds absieht und ein Auge zudrückt.

 

RR wäre die gleiche Situation für mich dann gewesen, wenn der SL gesagt hätte: "Dein Tiger hat plötzlich Durchfall. Da kommt eine freundliche Heilerin vorbei, die dir sagt, dass sie ihn gesundpflegen kann. Dazu nimmt sie ihn mit in ihre Hütte einige Kilometer au?erhalb der Stadt. So, die Stadtwachen lassen dich jetzt rein."

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