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Houellebecq


Tom
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So hab jetzt beim Amazon.com ca. 50 Biographien zu Poe entdeckt, nur die entscheidung fällt mir jetzt sehr schwer, und an die Amazon-Kunden Bewertung will ich mich auch nicht unbedingt halten.

 

Gibt es eine irgend eine Internetseite mit Buchrezensionen und Bewertungen die ihr häufig zu Rate zieht?

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  • 6 months later...

Auf die Gefahr, eine alte Diskussion neu anzufeuern, schreibe ich noch ein paar Zeilen zu Houellebecq, da ich das Buch vor ein paar Tagen nochmals gelesen habe.

Houellebecq entdeckt sich durch HPL in der Tat selbst. HPLs Rassismus und Houellebecqs Vorbehalte gegen den Islam, wie er sie in seinem Roman äPlattformô äu?ert, ähneln sich. Houellebecqs Analyse HPLs Rassismus ist von einem gewissen Standpunkt aus sogar einfühlsam und in ihren wenigen Worten besser nachvollziehbar als die Wortreichen Versuche De Camps, die in altklugen Phrasen enden und die Versuche Derleths, den Meister von Sünden reinzuwaschen, wie Max Brod das mit seinem Freund Franz Kafka auch versucht hat.

Houellebecq ist von HPL affiziert und übernimmt in seiner Deutung seine Neurosen und versetzt sich in den Meister so tief hinein, da? ihm eine plausible Interpretation einiger Aspekte in den HPL Geschichten einfällt, die sich auf den Rassismus gründen (Bsp.: Innsmouth). Die Kenntnis vom alltäglichen Rassismus im Amerika der 20er Jahre, die durch De Camp vermittelt wird, ist ein wichtiger Fakt, den Houellebecq aufgreift. Aus eigener Erfahrung kann jeder bestätigen, da? in gewissen Extremsituationen Idiosynkrasien manchmal überhand nehmen. Das ist keinesfalls verwerflich. HPL war ein Rassist und er war es vielleicht sogar extremer als sein soziales Umfeld. Machen wir ihm das zum Vorwurf? Houellebecq versucht es zu erklären. Lesen wir dazu De Camps Erklärung von HPLs Abhängigkeit von Providence und die Beschreibung, die HPL selbst liefert (z.B. seine Beschreibung von seiner Heimkehr nach dem New York Abenteuer), verstehen wir, warum HPL seinen Rassismus so extrem gepflegt hat: es war seine Unfähigkeit, die Vergangenheit loszulassen. Seine Paranoia, sein Ekel, seine Furcht waren evident, auch ohne Ausländer oder Einwanderer. In diesen Menschen fand er nur ein Ziel, denen er seine narzi?tische Kränkung aufbürden konnte, die ihn aus seiner Kindheit her begleitete und seine generelle Unfähigkeit beursacht. Houellebecq kann das nachempfinden. Zwar versuchen viele Kritiker zu zeigen, da? sich HPLs Ansichten im Laufe seines Lebens änderten, aber Joshi sieht das anders und warnt davor, das überzubewerten. In der Tat äberuhigtô sich HPL in seinen letzten Jahren, legt seinen Ha? aber niemals wirklich ab.

Ich kenne nicht genug intime Details aus Houellebecqs Leben, aber ich empfinde gewisse Sympathie mit seiner Offenheit. HPLs Leben ist ein Faszinosum für sich. Er war in der Tat äseine eigene phantastische Schöpfungô, in einer absichtlichen unabsichtlichen Mischung. Vieles drang von au?en auf ihn ein, vieles legte er sich als Attitüde zu. Zu diesem Ergebnis kommt auch Houellebecq. Nicht neu ist natürlich die literarische Analyse, die er abliefert.

Der Antiquarismus als Eskapismus ist ein besonders hervorstechender Charakterzug HPLs, der ihn uns eigentlich noch sympathischer macht. Was aussteht: eine detaillierte Analyse der Motivik. Der Materialist und Determisnist HPL spielt immer wieder auf die Bedeutungslosigkeit der menschlichen Epoche im Universum an. Zahlreiche Textstellen und Zitate aus den Briefen gleichen sich, wenn das Nichts Mensch analysiert und betrachtet wird. Wesentlich pointierter als bsp. De Camp äu?ert sich Houellebecq. Ein tapferer Zug von HPL, denn zwischen seinem neunzehnten und vierundzwanzigsten Lebensjahr tat er so gut wie nichts. Sein Gro?vater war tot und das Anwesen mu?te verkauft werden. Hei?t, er sah sein Arkadien den Bach runter schwimmen. Das hat seine zarte Seele nicht verkraftet. Ohne übermä?ig psychologisieren zu wollen, HPLs Verhalten ist nachvollziehbar. Houellebecq erkennt das und beschreibt es in wenigen Worten. Der Vorteil seines Werks gegenüber dem von De Camp: es ist kurz. Obwohl man nicht genug von De Camps Fakten haben kann, man will sogar noch mehr, meinetwegen über 1000 Seiten, so trifft Houellebecq einfach besser. Er ist behutsamer und einfühlsamer. Vielleicht ist er mehr HPL als De Camp dies in seinem Perfektionswahn jemals hätte sein können. Man wünschte sich eine ähnlich dicke Biographie HPLs von Houellebecq, der gnädig über HPLs professionelle Unzulänglichkeiten hinweg sieht und ihn als Schriftstellerkollegen nicht seiner verpa?ten Chancen zeiht. Er setzt sich nicht wie De Camp hin und zählt die Wörter und verteilt Schulnoten. Das Dorfschulmeisterlein De Camp steht da wie ein verbitterter alter Knochen im Regen, Houellebecq, rauchend, sieht mit einer gewissen gelassenen Anspannung den Kollegen HPL aus einem vollkommen anderen Blickwinkel. Houellebecq schreibt nämlich eine ganz andere Literatur. Er ist kein Schriftsteller des Phantastischen, er lotet die Abgründe der Seele aus und damit kommt er dem gro?en HPL Vorbild Poe viel näher als De Camp es bei HPL versucht. Houellebecq hat das Diametrale, das Ambivalente an HPL erkannt und aus sich selbst heraus übertragen. Es ist ein Glücksfall, da? Houellebecq vielleicht tatsächlich über sich schreibt, statt über HPL.- Aber De Camp gerät dieser Fehler auch in die Feder und das mit einer obszönen Deutlichkeit. Die Distanz der Genres klärt Houellebecqs Blick für den Menschen HPL und seine Fehler.

HPL war ein Rassist, Reaktionär und komischer Kautz. Er hätte mehr als die Hälfte von uns vielleicht nicht gemocht, aber wir alle mögen ihn und verzeihen ihm diese Schrullen. Kann man aber den Rassismus als Schrulle bezeichnen? Wie De Camp uns sehr gut erklärt: zu HPLs Zeiten war dieser Rassismus gang und gäbe. Seine besondere Ausprägung liegt in seinem Antiquarismus begründet. Noch in den 80er Jahren haben wir im Englischunterricht gelernt, da? der Schwarze ein äNegroô ist. Lassen wirÆs dabei. Alle guten Schriftsteller sind menschlich Totalversager. De Camp mag einwenden, da? HPL auch schriftstellerisch ein grö?erer Versager als De Camp selbst war, aber der alte Mann liefert uns eine 600 Seiten Biographie über ihn, weil dessen Leben ihn selbst auch nicht loslä?t. Schon im ersten Kapitel legt er die Ambivalenzen HPLs offen. Das wollen wir wissen. Aber Houellebecq nähert sich dem einfach mit besserem Verständnis an.

 

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