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Eine heitere Seelenkunde


Dingo
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Heut Morgen lief im Radio ne interessante Buchvorstellung, die den Bereich der Psychoanalyse betrifft. Am Titel "Irre! - Wir behandeln die Falschen: Unser Problem sind die Normalen." kann man erkennen dass das ganze Thema nicht bierernst dargestellt wird. Aber trotz des etwas flapsigen Stils hörte es sich so an, als wenn das ganze Thema mit dem nötigen Respekt behandelt wird. Der Autor ist wohl selber Psychologe und kennt sich demzufolge ganz gut aus, scheut auch keine Kontroversen. Sätzen wie "Wenn aus jedem Tränchen gleich eine Deppression gemacht wird, dann führt das nur dazu, dass Leute behandelt werden, die eigentlich gar nicht krank sind." kann ich voll zustimmen.

Auch Aussagen wie "Keiner meiner Patienten ist so abgedreht wie Dieter Bohlen und keine meiner Patientinnen so naiv wie seine Gespielinnen. So verrückt das Ganze auch ist, weder Dieter Bohlen selbst noch seine Alten/Neuen hätten die Chance, in der Psychiatrie behandelt zu werden. So sehr Sie sich dagegen sträuben, lieber Leser: Dieter Bohlen ist normal. Wer wird da noch meine These bestreiten, dass unser Problem nicht die psychisch Kranken sind. An diesem Beispiel von ganz normalem Blödsinn zeigt sich nur umso drastischer: Unser Problem sind die Normalen!" waren längst überfällig.

 

Zweifel am Autor bekam ich allerdings als ich mal sein anderes Buch gegoogelt hab. Eine Abhandlung über Gott zu verfassen ist nichts verwerfliches, aber wenn solche Ausagen wie "An Gott glauben oder Nietzsche zu folgen, das scheint die wirkliche Alternative zu sein. Wenn man aber Nietzsche folgt, dann muss man auch bereit sein, den bitteren Kelch des Atheismus bis zur Neige zu trinken. Dann hat man keine Argumente gegen die kraftvoll skrupellose Macht eines Hitler, Stalin oder Mao Tse Tung, die Millionen von Menschen der eigenen irdischen übermenschenartigen Göttlichkeit opferten." find ich doch reichlich unsachlich und polemisch. Wenn der Mann als Psychologe von Psychoanalyse genauso wenig Ahnung hat wie als Theologe von Religion, dann könnte das "Irre!"-Buch vielleicht doch nicht so doll sein, wie es sich angehört hat.

 

Kennt jemand den Autor/das Buch bereits und kann schon mal eine Meinung abgegeben? Wei? gerade nicht ob es sich lohnt, das Buch zu besorgen.

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Also zu den Hitler, Stalin...

Das ist aber leider richtig! Wenn einer schon mal was von Feuerbach gehört hat (nicht im Bezug Kaspar Hauser, obwohl es der selbe ist), auf den sich Nitsche ja stüzt und aufbaut, kann die Aussage verstehen.

 

Dabei geht es um die Projektion eines Menschenselbst in einer höhere Macht, die man endweder auf etwas übernatürlichen Gott (was immer das dann auch ist...) oder man spricht die projetierten Fähigkeiten auf einen Menschen zu. Genau das ist mit Hitler in Deutschland geschehen. Er war der Erlöser für die Deutschen. Das das im Nachhinein ja der totale Schwachsinn wurde hat die breite Masse nicht gesehen oder nicht sehen wollen.

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@Henker

Das setzt aber vorraus, dass es eine höhere Macht geben muss und unterstellt dem, der sie nicht Gott zusprechen mag, dass er sie sich selbst zusprechen will. Das ist ein Schluss der gerne als Argument gegen Atheismus gezogen wird, dieses aber leider an den nichtvorhandenen Haaren.

 

Diese Unterstellung ist ma?geblich ein Ausdruck der Hilflosigkeit gegenüber dem Säkularismus. Philosophen wie gerade Feuerbach haben mit Aussagen wie "Homo homini deus est" gro?e Leistungen gebracht und das in einer Zeit in der Atheismus noch wesentlich unbequemer war als heute noch.

Dass es auch heute noch immer Leute gibt, die denen, die göttliche Mächte in Zweifel stellen, den Wunsch nach eigener Göttlichkeit in die Schuhe schieben und sie auf einen Level mit Hitler und Konsorten stellen, finde ich eine erschreckend rückständige Subjektivität.

 

Und jemandem der so etwas in Büchern veröffentlicht, dem traue ich nicht wirklich zu einen objektiven Blick auch auf andere Bereiche wie Psychologie zu werfen.

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Nitsches und Feuerbachs "Glaube" ist nicht das, was du oder wir unter "Glaube" verstehen.

Das Problem iegt im Wort und die damit verbundenen Synonyme. Der Schreiberling, dessen Zitat wir grade besprechen bezieht sich eben auf Feuerbach/Nitsche, während du/ich/wir unsere eigene Definition von Glaube haben, die davon abweicht und wir so eigentlich über zwei verschiedene Dinge reden.

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Original von Henker

Das ist aber leider richtig! Wenn einer schon mal was von Feuerbach gehört hat (nicht im Bezug Kaspar Hauser, obwohl es der selbe ist), auf den sich Nitsche ja stüzt und aufbaut, kann die Aussage verstehen.

das müsstest du mal näher erläutern.

wie weit ist feuerbach eine besondere referenz für nietzsche?

ich lese da auch nur die these gottlosigkeit führe zu moralischer ohnmacht (was ich so nicht teile).

 

deine feuerbachlesart finde ich etwas riskant.

feuerbach führt die prjektion gewisserma?en psychologisch auf den menschen zurück. und das affirmiert er nicht als anthropologische konstante, sondern denunziert es.

du kannst mit feuerbach höchstens einen höheren analysegrad der religiösität der führerpersönlichkeiten erreichen, aber imo nicht diese aussage stützen.

und das problem geht dann ja doch etwas weiter.

während du bei hitler durchaus religiöse projektionen sehen kannst. hitler als von der vorhersehung gesandter befreier der unterdrücktend eutschen, läuft die argumentation maos und stalins doch anders. hier findet sich allein wegen der theoretsichen referenz wenig spiritualität und die führerfigur wird da doch eher zur vaterfigur.

 

um zum letzten post zu springen:

ich denke dingo ist schon klar das feuerbach einen andderen glaubensbegriff hat. aber mir wird nicht klar was das an der argumentation ändert.

ich lese feuerbach (wenn ich den denn dann mal else) eben als eine rückführung des religiösen gehaltes auf seine materiell-psychologische wurzel.

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Original von Dingo

@Henker

Das setzt aber vorraus, dass es eine höhere Macht geben muss und unterstellt dem, der sie nicht Gott zusprechen mag, dass er sie sich selbst zusprechen will. Das ist ein Schluss der gerne als Argument gegen Atheismus gezogen wird, dieses aber leider an den nichtvorhandenen Haaren.

 

 

Feuerbachs Theorie von der Entstehung eines Gottelbildes besagt doch, dass der Mensch (vereinfacht ausgedrückt) nach dem Sinn des Lebens fragt, aber irgendwann an seine Grenzen stö?t. Um diese Grenzen jedoch zu überschreiten und sein Dasein letztendlich sich selbst zu erklären und vielleicht auch rechtzufertigen, schafft er sich ein höheres Wesen.

Dazu nimmt er das was er kennt sich, seine Mitmenschen, usw. und vereint seine Wünsche und ?ngste in einem "perfekten Wesen".

Der Mensch hat Angst vor dem Tod, also ist "das Wesen" unsterblich, der Mensch macht Feheler und wird bestraft: "Das Wesen" ist barmherzig, jemand anderes bestihelt den Menschen und der Dieb kommt davon: "Das Wesen" ist gerecht und bestraft. Die Liste könnte man noch weiter führen.

Viele Menschen schaffen sich mit "das Wesen" so ein Gottesbild. Man muss das aber nicht zwangsläufig auf ein ätherisches Wesen übertragen, sondern kann das aber auch auf einen Menschen übertragen sagt Nitsche.

 

Wenn ich mir jetzt die Problematiken von der Weim. - Rep. anschaue, die Wünsche und ?ngste des Gro?teiles der Menschen betrachte und ich dann durch diese Brille einen Blick auf Hitler werfe, dann entspricht er doch genau dem obigen Schema:

 

Der Mensch will Arbeit: Rüstungsindustrie, Autobahnbau, Subunternehmen, usw. schaffen durch die Nazi-Politik wleche.

 

Die Weim. - Rep. verfügt nur über eine "Chaosregierung": Hitler nimmt das Ruder fest in die Hand.

 

Die Reperationen sind zu hart: Hitler setzt sich drüber hinweg.

 

Unsere Ländereien wurden nach dem Gro?en Krieg zu stark beschnitten: Hilter holt sie wieder zurück.

 

Wir wollen einen Sündenbock: Hitler schafft auch den herbei...

 

Da? das LEIDER genau so funktioniert hat, kann ja keiner abstreiten.

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Also ich für meinen Teil verstehe unter "Glaube" schon eher das was Feuebach unter "Glaube" versteht. Soweit weiche ich da nicht ab, daher sehe ich hier eine Falschinterpretation des "Zitateschreibers". Und zwar zu offensichtlich polemischen Zwecken, was wiederrum ein schlechtes Licht auf seine Fähigkeit wirft, sich mit kontroversen Themen auseinanderzusetzen.
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Viele Menschen schaffen sich mit "das Wesen" so ein Gottesbild. Man muss das aber nicht zwangsläufig auf ein ätherisches Wesen übertragen, sondern kann das aber auch auf einen Menschen übertragen sagt Nitsche.

 

Aha, da ist der Knackpunkt. Man KANN, man MUSS nicht. Bisher klingt es so, als wenn es die logische Konsequenz sein müsse, stattdessen ist es eher eine ebenso negative Alternative. Diese Alternative darf man aber nicht als zwingend vorraussetzen, nur um Abweichler der eigenen Weltanschauung im schlechten Licht dastehen zu lassen.

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Ich muss bei nochmaligen leses des Zitates anerkennen dass ich auch nur mit 75% einverstanden bin:

 

 

An Gott glauben oder Nietzsche zu folgen, das scheint die wirkliche Alternative zu sein. Wenn man aber Nietzsche folgt, dann muss man auch bereit sein, den bitteren Kelch des Atheismus bis zur Neige zu trinken.

 

 

Und dann muss ich jetzt hal zurückrudern. Ich halte das für sehr spitz formuliert, damit auch für polemisch, aber ein nachvollziehbarer Kern ist da (F?R MICH) schon.

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ich halte es für problematisch feuerbachs projektionsthese als selbstverständliche erklärung des nazismus einzuführen.

das psychologische muster am werk waren ist -denke ich- unbestritten. es gab und gibt aber nicht umsonst einen haufen forschungsliteratur dazu wie denn nun genau welche psychoogischen muster aktiviert wurden.

die fixierung auf den erlösenden hitler ist nur ein teil davon und darf imo nicht so verasbsolutiert werden...

 

daneben darf man nicht vergessen das hitler hier mal eben neben mao, stalin etc. gestellt wird. und da sah das ganze dann -wie oben angedeutet- doch etwas anders aus...

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FYI und als Realitätsabgleich:

Hitler war sehr wahrscheinlich KEIN Atheist, sondern katholischer Christ. Er war bis zu seinem Tod Mitglied der katholischen Kirche. Einfach mal googlen oder in der Wikipedia nachlesen.

Für die ganz harten Skeptiker: Google Bildersuche nach "Gott mit uns" (ich will das aus rechtlichen Gründen nicht direkt verlinken).

 

Au?erdem waren Hitler und Stalin beides Bartträger! Wenn man der Logik des Autors folgt müsste man daher alle Bartträger als potentielle Gefährder wegsperren.

 

Daher erst das Gehirn einschalten, bevor man die Gräuel einiger Wahnsinniger an deren (teilweise nicht vorhandenem) Atheismus festzumachen versucht.

 

Zu diesem Thema gibt es in Richard Dawkins "Der Gotteswahn" auch ein sehr lesenswertes Kapitel.

 

Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

 

Gru?,

Matthias

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