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Indie-Cthulhu: Eine Spinnerei


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Es ist ja inzwischen schöne Tradition, dass für Cthulhu allerlei Regelwerke angeboten werden. Es gibt Trail of Cthulhu, Savage Worlds' Realms of Cthulhu, die ORE-Adaption Nemesis, Cthulhu D20 ... allerdings handelt es sich bei all diesen Regelwerken um "klassische" RSP-Regelwerke, d.h. um welche, die in erster Linie darauf abzielen, Charaktere mittels relevanter Eigenschaftswerte abzubilden, über die deren mehr oder weniger erfolgreiche Interaktion mit der Umwelt simuliert wird.

 

Was mir fehlt, ist ein richtiges "Indie-Cthulhu", das sich weiter vom klassischen Rollenspielmodell entfernt und dafür stärker dem eigentlichen Motiv des "Kosmischen Grauens" annähert, dass die genannten Systeme, einschlie?lich BRP, eigentlich kaum bis gar nicht erfolgreich unterstützen. Evtl. geht De Profundis in die Richtung, aber das ist nun mal ein Briefspiel ...

 

Ich spinne deshalb seit einer weile ein bisschen rum und überlege, ob man ein Rollenspiel um Kosmisches Grauen vielleicht hinkriegen könnte, indem man sich mehr von Spielen insprieren lässt, deren Mechanismen auf anderer Ebene ansetzen, z.B. bei der Vergabe von Erzählrechten - wie Prime Time Adventures oder Dogs in the Vinyard - oder bei der Erzeugung eines dramatischen Handlungsverlaufs, wie z.B. Polaris oder Fiasco. Wichtige Inspirationsquellen wären natürlich auch Sorcerer und Don't rest your head. Eigentlich würde ich mich da gerne auf lange Sicht ranwagen ...

 

Kennt noch jemand Spiele, die eine gute Referenz darstellen würden? Mir geht es vor allem um RSPs, deren Regelwerke konkret auf die Erzeugung bestimmter Stimmungen/Geschichtentypen ausgelegt sind. Alle eingangs genannten Systeme nehme ich da explizit aus. Ich habe jetzt keine Lust auf allzu ausführliche Erklärungen. Wer nicht zumindest eines von den von mir genannten Beispielen für Indie-Systeme kennt, wird wahrscheinlich einfach nicht mitreden können, was ja nicht weiter schlimm ist.

 

Was ich gerne hätte, wären Hinweise auf Spiele, die au?ergewöhnliche Story-Mechanismen haben, die denen der obigen vergleichbar sind. Und Ideen dazu, was wichtige Stimmungs- und Storyelemente für ein "echtes" Kosmisches-Grauen-RSP sind. ich habe da selbst natürlich schon einige Ideen, mit denen halte ich aber hinterm Berg, weil mich erst mal interessiert, was die anderen unter kosmischem Grauen verstehen. Nur so viel: Es geht mir definitiv nicht um ein weiteres Cthulhu-Detektiv- oder Cthulhu-Indiana-Jones-Rollenspiel. Stimmungsmä?ig denke ich eher an "Die Farbe aus dem All" und natürlich an meinen Lieblingshorrorautor nach Lovecraft, Laird Barron.

 

Das Schöne ist, dass ein kleines, schlankes Indie-Cthulhu auch wunderbar mit dem offiziellen Material harmonieren könnte, denn es macht ja Quellenbücher über Monster, Arkham oder Mythoswerke nicht obsolet ...

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Original von Dr. Clownerie

FATE, siehe Spirit of the Century oder Dresden Files :)

 

Nene, das ist es nicht ... Fate kenne ich von Diaspora, da gibt es schon ein paar nützliche Ansätze, aber mir schwebt wie gesagt eine weniger "klassische" Richtung vor.

 

Und bevor jemand "Dread" (das mit dem Jenga-Turm) sagt: das finde ich leider grandios missglückt ...

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...was hältst du von FUDGE?

 

Oder, wenn es dir sehr um eine "erzähl-perspektive-verteilende" Engine geht - da könnte man auch auf die Enginevon PE zurückgreifen, ich stelle mir nur gerade die Frage, ob sie für die Atmosphäre was taugt... mit den "passenden" Spielern sollte es funktionieren.

 

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Was ist PE?

 

Fudge habe ich schon mal überflogen, hat mir erst mal nicht so viel gesagt, liegt aber vielleicht auch dran, dass ich es nie gespielt habe.

 

Es geht mir allerdings auch nicht darum, ein System zu finden, sondern Inspiration für die Entwicklung eines Systems. Die von mir genannten Spiele zeichnen sich ja alle dadurch aus, dass die Regeln ganz genau auf ein Konzept zugeschnitten sind - PTA simuliert eine Fernsehserie, Fiasco eine bestimmte Art von Film, Polaris eine tragische Mythenerzählung, Don't rest your Head einen atemlosen, surrealistischen Horrortrip ... selbst bei Sorcerer liegt das Hauptgewicht der Regeln auf der Gestaltung des Dämonenpakts, alles andere ist zweitrangig. Die Frage, die ich mir stelle, ist: Wie könnte so etwas zum Thema Kosmisches Grauen aussehen?

Universalsysteme finde ich da erst mal nicht so interessant für, obwohl da sicher auch einige gute mechanismen bieten ...

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Ich bin jetzt nicht so wirklich der Indie-Kenner, gebe aber trotzdem mal meinen Senf dazu. :)

 

Wie definierst Du ein Spielerlebnis kosmischen Grauens? - Ich würde aus dem Bauch heraus sagen, die Protagonisten machen dusselige Sachen (das Hexenhaus besuchen, das Buch des toten Onkels lesen, statt es, wie im Testament vorgesehen, zu verbrennen) und haben Angst/werden verrückt. Dann liegt es ja nahe, die Spieler systemseitig dafür zu belohnen, dass sie ihre SCs dusselige Sachen machen lassen und Angst/Wahnsinn schön ausspielen.

 

Ins Unreine gesprochen, für dusselig/ängstlich spielen gibt es einen Punkt. Diesen Punkt kann der Spieler dann andersherum wieder dafür einsetzen, bei einer Handlung erfolgreich zu sein. Das motiviert die Spieler, sich in die Handlung einzubringen, da sie die Handlung ohne Punkte nicht beeinflussen können.

 

Meinst Du so was oder verstehe ich Dich gerade völlig falsch?

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Original von Deep One

 

Wie definierst Du ein Spielerlebnis kosmischen Grauens? - Ich würde aus dem Bauch heraus sagen, die Protagonisten machen dusselige Sachen (das Hexenhaus besuchen, das Buch des toten Onkels lesen, statt es, wie im Testament vorgesehen, zu verbrennen) und haben Angst/werden verrückt. Dann liegt es ja nahe, die Spieler systemseitig dafür zu belohnen, dass sie ihre SCs dusselige Sachen machen lassen und Angst/Wahnsinn schön ausspielen.

 

Ins Unreine gesprochen, für dusselig/ängstlich spielen gibt es einen Punkt. Diesen Punkt kann der Spieler dann andersherum wieder dafür einsetzen, bei einer Handlung erfolgreich zu sein. Das motiviert die Spieler, sich in die Handlung einzubringen, da sie die Handlung ohne Punkte nicht beeinflussen können.

 

Jau, so etwas in der Art schwebt mir vor!

 

Ich habe derzeit eher den Schwerpunkt auf das Konzept der totalen Erschütterung des Weltbilds gelegt und mir gedacht, dass man vielleicht an einem System basteln könnte, dass die Verankerung des Charakters in der Illusion der Wirklichkeit (z.B. auch seine Familie, sein Glaube an die Wissenschaft, sein materieller Wohlstand) gegen das Wissen um die schreckliche Wahrheit ausspielt. Das wäre dann noch ein relativ klassisches, mit dem Charakter verknüpftes erweitertes Stabilitätssystem. Und das könnte man dann z.B. mit einem System der Storybeeinflussung verknüpfen - ein Spieler, dessen Charakter seine Verankerung in der Realität verliert, gewinnt evtl. mehr Möglichkeiten, Art und Verlauf des Grauens zu beeinflussen, in das er verstrickt wird.

 

Wenn es so etwas wie ein Task-Resolution-System geben sollte, würde ich auf jeden Fall eher zu einem Modell wie dem bei dir tendieren: D.h. nicht irgendwelche Fähigkeiten der Charaktere entscheiden direkt über Erfolg oder Misserfolg einer Handlung, sondern der allgemeine Ausgang einer Situation kann von den Spielern beeinflusst werden, und zwar je nachdem, in welchen Bereichen sie vielleicht vorher Punkte angesammelt haben o.ä. Oder welchen Einsatz sie anbieten (z.B. das Leben oder die geistige gesundheit des Charakters, oder eben seine Familie oder seinen Wohlstand).

 

Das Ziel ist natürlich, eine Geschichte vom Abstieg der Charaktere in den Wahnsinn oder in die Verzweiflung zu erzählen, diesen Abstieg aber dynamisch und spannend zu gestalten. Da wäre dann wieder Polaris der Hauptbezugspunkt für mich, denn auch da steht von Anfang an fest, dass die Charaktere am Ende sterben oder korrumpiert werden.

 

Wobei ich das "dumme Sachen machen" nicht unbedingt mit kosmischem Grauen assoziiere. Der Protagonist von "Schatten über Innsmouth" macht ja z.B. nichts leichtsinniges, indem er den Bus über Innsmouth nimmt.

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Interessantes Konzept. Wenn der Charakter nach und nach hinter die Geheimnisse des Mythos kommt und psychisch immer weiter abdriftet, könnten ihm per System mehr Möglichkeiten offenstehen, verstärkt Visionen und Träume zu haben, die ihn dann aber auch weiterbringen. Womöglich wären auch seine magischen Beschwörungen effektiver. Sowas fänd ich spannend!
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Original von Curwen

Interessantes Konzept. Wenn der Charakter nach und nach hinter die Geheimnisse des Mythos kommt und psychisch immer weiter abdriftet, könnten ihm per System mehr Möglichkeiten offenstehen, verstärkt Visionen und Träume zu haben, die ihn dann aber auch weiterbringen. Womöglich wären auch seine magischen Beschwörungen effektiver. Sowas fänd ich spannend!

 

Im Prinzip ja, wobei ich den Einfluss auf die Geschichte gar nicht direkt an den Charakter binden würde.

 

Bei Polaris z.B. können die Spieler mittels bestimmter Schlüsselsätze über das Schicksal ihres Charakters verhandeln. Dabei gibt es auch Regeln, die haben aber nur sehr wenig mit den Fähigkeiten der Charaktere zu tun (na gut, es gibt so etwas wie die Willenskraft des Charakters, die bei Ja/Nein-Entscheidungen zum Einsatz kommt).

 

Z.B. müsstest du nicht sagen: "Weil man Charakter so wahnsinnig ist, hat er eine Vision darüber, was das Tiefe Wesen mal für ein Mensch war." es ginge auch: "Weil mein Charakter auf dem Weg des Wahnsinns so weit fortgeschritten ist, bestimme ich nun, dass das Tiefe Wesen seine verschollene Schwester ist."

 

Klingt erst mal komisch, aber wenn man ein paar von den Systemen gespielt hat, die so funktionieren, merkt man ziemlich schnell, welche Vorzüge das haben kann ...

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Original von Jakob Z.B. müsstest du nicht sagen: "Weil man Charakter so wahnsinnig ist, hat er eine Vision darüber, was das Tiefe Wesen mal für ein Mensch war." es ginge auch: "Weil mein Charakter auf dem Weg des Wahnsinns so weit fortgeschritten ist, bestimme ich nun, dass das Tiefe Wesen seine verschollene Schwester ist."

 

Klingt erst mal komisch, aber wenn man ein paar von den Systemen gespielt hat, die so funktionieren, merkt man ziemlich schnell, welche Vorzüge das haben kann ...

Witzigerweise ist das meiner Erfahrung nach, wie viele n00bs an Rollenspiel herangehen. Ein Mädel in nmeiner Gruppe bringt ganz gern mal Sachen wie "Ich kenne da einen Salonlöwen, der mal in einer meiner Seancen war. Den rufe ich jetzt an und frage ihn, was er über schleswig-holsteinische Adlige wei?."

 

Ich hatte übrigens Deinen Einstiegsbeitrag falsch gelesen; ich dachte, Du wolltest mit dem System auch offizielle Abenteuer bespielen wollen. Da Du diese Absicht aber tatsächlich gar nicht erwähnt hast, besteht natürlich keinerlei Notwendigkeit, sich an etablierte Erzählstrukturen zu halten.

 

Als weitere Ideen/Anmerkungen:

 

Re. "Was Dummes tun": ?bergreifend vielleicht "für den SC von Nachteil" oder "schicksalhafte Verstrickung" oder ähnlich, im Sinne von Mechanischer Vorteil, wenn Du Deinen SC reinreitest.

 

Re. "?ngstlich sein": Ist mir mal bei einem LARP aufgefallen - wir hatten die Pappmaschee-Larve von so einem Alien-Viech gefunden und der Mitspieler neben mirt ist voll in sonner "Oh mein Gott! Mein Weltbild ist zerbrochen! Ich werde wahnsinnig!"-Darstellung aufgegangen. Auch wenn ich es damals etwas überzogen fand (:D), denke ich dennoch, dass sich so eine Stimmung ganz gut auf die Mitspieler überträgt.

 

Re. "Alle sterben": Oder es gibt einen Mechanismus, der Leben und Sterben zulässt, um die Spannung aufrecht zu erhalten.

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ein Spieler, dessen Charakter seine Verankerung in der Realität verliert, gewinnt evtl. mehr Möglichkeiten, Art und Verlauf des Grauens zu beeinflussen
Hier möchte ich eine Warnung aussprechen! Wenn?s nicht wirklich, wirklich richtig durchdacht wird, kommt da schnell nur eine Superhelden-Nummer raus.

 

Ansonsten:

Generell seh ich Indies sehr skeptisch,[... ] Da ist zuviel artsy fartsy Scheiss ohne Substanz dabei, der (mMn) viel zu sehr und unberechtigterweise gefeiert wird.
+1
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Original von Heretic

Die Indies, die ich kenne, die haben Cthulhu nichts zu bieten. Generell seh ich Indies sehr skeptisch, aus eigener Erfahrung mit besagten Spielen.

 

 

Tja, ich bin halt aus eigener Erfahrung sehr glücklich mit gut konzeptionierten Indies. Die sind auch meistens nur halb so artsy wie so manche von den "Gro?en" (WoD und Konsorten) sich gebärden und dafür doppelt so lustig.

 

EDIT: Ach ja, es geht ja auch nicht drum, ob man Indies mag oder nicht. Ich spiele die Dinger nun einfach schon seit einer Weile und bei mir flutschen sie tendenziell sehr viel besser als die herkömmlichen Systeme. Das würde ich gerne auch auf den Cthulhu-Mythos übertragen.

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Kennst Du Lacuna?

 

Da jagt man in einer Traumwelt die Manifestationen von Serienkillern. Vom System her würfelt man X W6 gegen TN und das Ergebnis des Würfelwurfs wird zum Puls des SCs addiert. Wenn der Puls einen bestimmten Wert übersteigt, wird der SC aus der Traumwelt geschleudert oder stirbt. Ich denke, diesen Mechanismus gibt es, damit sich alle Spieler gleichmä?ig am Spiel beteiligen. Ich hab' das mal auf'm OdenseCon gespielt, ging erstaunlich flüssig.

 

Vielleicht könnte man etwas ähnliches für den Abstieg in den Wahnsinn andenken.

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Original von Deep One

Kennst Du Lacuna?

 

Da jagt man in einer Traumwelt die Manifestationen von Serienkillern. Vom System her würfelt man X W6 gegen TN und das Ergebnis des Würfelwurfs wird zum Puls des SCs addiert. Wenn der Puls einen bestimmten Wert übersteigt, wird der SC aus der Traumwelt geschleudert oder stirbt. Ich denke, diesen Mechanismus gibt es, damit sich alle Spieler gleichmä?ig am Spiel beteiligen. Ich hab' das mal auf'm OdenseCon gespielt, ging erstaunlich flüssig.

 

Vielleicht könnte man etwas ähnliches für den Abstieg in den Wahnsinn andenken.

 

Das klingt interessant - werd ich mir besorgen, danke!

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