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Jakob

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Posts posted by Jakob

  1. Original von Deep One

     

    Wie definierst Du ein Spielerlebnis kosmischen Grauens? - Ich würde aus dem Bauch heraus sagen, die Protagonisten machen dusselige Sachen (das Hexenhaus besuchen, das Buch des toten Onkels lesen, statt es, wie im Testament vorgesehen, zu verbrennen) und haben Angst/werden verrückt. Dann liegt es ja nahe, die Spieler systemseitig dafür zu belohnen, dass sie ihre SCs dusselige Sachen machen lassen und Angst/Wahnsinn schön ausspielen.

     

    Ins Unreine gesprochen, für dusselig/ängstlich spielen gibt es einen Punkt. Diesen Punkt kann der Spieler dann andersherum wieder dafür einsetzen, bei einer Handlung erfolgreich zu sein. Das motiviert die Spieler, sich in die Handlung einzubringen, da sie die Handlung ohne Punkte nicht beeinflussen können.

     

    Jau, so etwas in der Art schwebt mir vor!

     

    Ich habe derzeit eher den Schwerpunkt auf das Konzept der totalen Erschütterung des Weltbilds gelegt und mir gedacht, dass man vielleicht an einem System basteln könnte, dass die Verankerung des Charakters in der Illusion der Wirklichkeit (z.B. auch seine Familie, sein Glaube an die Wissenschaft, sein materieller Wohlstand) gegen das Wissen um die schreckliche Wahrheit ausspielt. Das wäre dann noch ein relativ klassisches, mit dem Charakter verknüpftes erweitertes Stabilitätssystem. Und das könnte man dann z.B. mit einem System der Storybeeinflussung verknüpfen - ein Spieler, dessen Charakter seine Verankerung in der Realität verliert, gewinnt evtl. mehr Möglichkeiten, Art und Verlauf des Grauens zu beeinflussen, in das er verstrickt wird.

     

    Wenn es so etwas wie ein Task-Resolution-System geben sollte, würde ich auf jeden Fall eher zu einem Modell wie dem bei dir tendieren: D.h. nicht irgendwelche Fähigkeiten der Charaktere entscheiden direkt über Erfolg oder Misserfolg einer Handlung, sondern der allgemeine Ausgang einer Situation kann von den Spielern beeinflusst werden, und zwar je nachdem, in welchen Bereichen sie vielleicht vorher Punkte angesammelt haben o.ä. Oder welchen Einsatz sie anbieten (z.B. das Leben oder die geistige gesundheit des Charakters, oder eben seine Familie oder seinen Wohlstand).

     

    Das Ziel ist natürlich, eine Geschichte vom Abstieg der Charaktere in den Wahnsinn oder in die Verzweiflung zu erzählen, diesen Abstieg aber dynamisch und spannend zu gestalten. Da wäre dann wieder Polaris der Hauptbezugspunkt für mich, denn auch da steht von Anfang an fest, dass die Charaktere am Ende sterben oder korrumpiert werden.

     

    Wobei ich das "dumme Sachen machen" nicht unbedingt mit kosmischem Grauen assoziiere. Der Protagonist von "Schatten über Innsmouth" macht ja z.B. nichts leichtsinniges, indem er den Bus über Innsmouth nimmt.

  2. Was ist PE?

     

    Fudge habe ich schon mal überflogen, hat mir erst mal nicht so viel gesagt, liegt aber vielleicht auch dran, dass ich es nie gespielt habe.

     

    Es geht mir allerdings auch nicht darum, ein System zu finden, sondern Inspiration für die Entwicklung eines Systems. Die von mir genannten Spiele zeichnen sich ja alle dadurch aus, dass die Regeln ganz genau auf ein Konzept zugeschnitten sind - PTA simuliert eine Fernsehserie, Fiasco eine bestimmte Art von Film, Polaris eine tragische Mythenerzählung, Don't rest your Head einen atemlosen, surrealistischen Horrortrip ... selbst bei Sorcerer liegt das Hauptgewicht der Regeln auf der Gestaltung des Dämonenpakts, alles andere ist zweitrangig. Die Frage, die ich mir stelle, ist: Wie könnte so etwas zum Thema Kosmisches Grauen aussehen?

    Universalsysteme finde ich da erst mal nicht so interessant für, obwohl da sicher auch einige gute mechanismen bieten ...

  3. Es ist ja inzwischen schöne Tradition, dass für Cthulhu allerlei Regelwerke angeboten werden. Es gibt Trail of Cthulhu, Savage Worlds' Realms of Cthulhu, die ORE-Adaption Nemesis, Cthulhu D20 ... allerdings handelt es sich bei all diesen Regelwerken um "klassische" RSP-Regelwerke, d.h. um welche, die in erster Linie darauf abzielen, Charaktere mittels relevanter Eigenschaftswerte abzubilden, über die deren mehr oder weniger erfolgreiche Interaktion mit der Umwelt simuliert wird.

     

    Was mir fehlt, ist ein richtiges "Indie-Cthulhu", das sich weiter vom klassischen Rollenspielmodell entfernt und dafür stärker dem eigentlichen Motiv des "Kosmischen Grauens" annähert, dass die genannten Systeme, einschlie?lich BRP, eigentlich kaum bis gar nicht erfolgreich unterstützen. Evtl. geht De Profundis in die Richtung, aber das ist nun mal ein Briefspiel ...

     

    Ich spinne deshalb seit einer weile ein bisschen rum und überlege, ob man ein Rollenspiel um Kosmisches Grauen vielleicht hinkriegen könnte, indem man sich mehr von Spielen insprieren lässt, deren Mechanismen auf anderer Ebene ansetzen, z.B. bei der Vergabe von Erzählrechten - wie Prime Time Adventures oder Dogs in the Vinyard - oder bei der Erzeugung eines dramatischen Handlungsverlaufs, wie z.B. Polaris oder Fiasco. Wichtige Inspirationsquellen wären natürlich auch Sorcerer und Don't rest your head. Eigentlich würde ich mich da gerne auf lange Sicht ranwagen ...

     

    Kennt noch jemand Spiele, die eine gute Referenz darstellen würden? Mir geht es vor allem um RSPs, deren Regelwerke konkret auf die Erzeugung bestimmter Stimmungen/Geschichtentypen ausgelegt sind. Alle eingangs genannten Systeme nehme ich da explizit aus. Ich habe jetzt keine Lust auf allzu ausführliche Erklärungen. Wer nicht zumindest eines von den von mir genannten Beispielen für Indie-Systeme kennt, wird wahrscheinlich einfach nicht mitreden können, was ja nicht weiter schlimm ist.

     

    Was ich gerne hätte, wären Hinweise auf Spiele, die au?ergewöhnliche Story-Mechanismen haben, die denen der obigen vergleichbar sind. Und Ideen dazu, was wichtige Stimmungs- und Storyelemente für ein "echtes" Kosmisches-Grauen-RSP sind. ich habe da selbst natürlich schon einige Ideen, mit denen halte ich aber hinterm Berg, weil mich erst mal interessiert, was die anderen unter kosmischem Grauen verstehen. Nur so viel: Es geht mir definitiv nicht um ein weiteres Cthulhu-Detektiv- oder Cthulhu-Indiana-Jones-Rollenspiel. Stimmungsmä?ig denke ich eher an "Die Farbe aus dem All" und natürlich an meinen Lieblingshorrorautor nach Lovecraft, Laird Barron.

     

    Das Schöne ist, dass ein kleines, schlankes Indie-Cthulhu auch wunderbar mit dem offiziellen Material harmonieren könnte, denn es macht ja Quellenbücher über Monster, Arkham oder Mythoswerke nicht obsolet ...

  4. Original von Cagliostro
    Original von Konradin

    ?h ..... was ist denn das Schlaue und Vernünftige? Kennt mittlerweile jeder den bewu?ten Ansatz und bin ich bloss der Idiot?

     

    Idiot+1 ;)

     

    Keine Sorge, kenne ich auch nicht

     

    Es ist natürlich ebenfalls leicht, sich in der eigenen Ignoranz zu gefallen, indem man die anderen einfach für arrogant erklärt. Beliebte Abkanzlungsstrategie.

  5. Original von Konradin

     

    ?h ..... was ist denn das Schlaue und Vernünftige? Kennt mittlerweile jeder den bewu?ten Ansatz und bin ich bloss der Idiot?

     

    ... Recht einfach, irgendwelche Begriffe in den Raum zu werfen und die als schlau und vernünftig zu bezeichnen.

     

    Denn:

     

    Mann steht als der Fachkenner da. Kompetent, kompetent.

    Wer nicht Bescheid wei?, selbst schuld.

     

     

    Man muss die Sachen halt irgendwie benennen, es spricht ja nichts gegen Nachfragen. So bekannt ist das Zeug von Edwards in Deutschland wohl nicht, nein ... "rules matter" hei?t im Prinzip blo?, dass es beim RSP durchaus auf die Regeln ankommt, auch in insbesondere bei "erzähllastigen" Spielen. Der Punkt dabei ist, dass die Regeln so gestaltet sein sollen, dass sie schon an sich eine Atmosphäre, einen Spielstil, einen dramatischen Verlauf begünstigen. Das klingt selbstverständlich, die allermeisten RSPs machen das aber bestenfalls ansatzweise - meistens stellen sich die Gestalter wohl nur die Frage, welche Bereiche einer Weltsimulation durch Regeln abgedeckt sein müssen und wie komplex die Sache insgesamt sein soll.

     

    Wenn die Regeln mit Blick auf das zu unterstützende Spielerlebnis gestaltet werden, dann sind sie eben nicht mehr Beiwerk, dass man auch ignorieren kann, sie gehören zum Kernbestand des Spiels. Irgendwo gab es auch diesen schönen Satz von Greg Stolze: "The Setting is what you get when you play the game".

     

    Spiele, bei denen dieser Ansatz konsequent durchgezogen wird, sind meistens kleine Independent-Sachen - "Sorcerer" von Ron Edwards, "Prime Time Adventures" (in dem es z.B. keinen Regeltechnischen unterschied zwischen Fähigkeiten und Kontakten gibt), "Polaris" (In dem im Prinzip eher das "Schicksal" der Charaktere durch die Regeln abgebildet wird als ihre Fähigkeiten), oder auch das inzwischen etwas bekanntere Fantasy-Spiel "Reign".

     

    Bei Cthulhu lässt sich das selbstverständlich mit dem bestehenden System nicht verwirklichen, man könnte aber durchaus auch mit diesem System ein bisschen mehr Einblick darin geben, welche Spieldynamiken es erzeugt und an welchen Punkten es gute Gründe gibt, die Regeln gerade im Sinne einer guten Atmosphäre und eines dramatischen Verlaufs am Spieltisch durchzuziehen. Bei der gS deuten sich solche ?berlegungen zumindest an, da ist von der "Abwärtsspirale" die Rede. Aber so besonders durchdacht ist das noch nicht.

  6. Original von Eliot Ness

    Handouts sind allerdings eine andere Sache - es gibt sie doch nicht nur, weil der PC so tolle Schreibschriften ausspucken kann, sondern weil es spielpragmatisch von Vorteil ist, wenn die Spieler jederzeit den Inhalt eines von ihren Charakteren erbeuteten Dokumentes nachlesen können. Das ist keine reine Stimmungsmache, insofern verstehe ich Euer Problem nicht.

     

     

    Dafür reicht aber ein neutral gestaltetes Handout, wie ich sie inzwischen normalerweise benutze.

    Dazu kommt, dass bei den Cthulhu-Abenteuern oft eine gewisse Handoutmanie auffällt. meine Gruppe ist tendenziell genervt, wenn sie den dritten gekrikkelten, mit Pseudoblutflecken beklecksten Zweiseitentext entziffern muss. Cthulhu galt bei uns eine Weile als das Spiel bei dem man die Hälfte der Zeit mit Lesen verbringt ...

  7. Original von Cagliostro

    Was möchtest Du denn haben? Tipps, wie man Abenteuer aufbereitet/testet/spielfähig macht? Hm, prinzipiell gar nicht mal so doofe Idee; bei mir klappt das leider immer erst nach dem ersten Spieltest, nie im Vorfeld.

    Aber ich glaube kaum, dass eine Redaktion sagen würde: Hier, das Abenteuer drucken wir ab, aber hier sind die Tipps, wie Du merken kannst, was alles doof daran ist ;)

     

     

    Soll das jetzt hei?en, dass man den Kunden besser nicht verraten sollte, wie ein gut aufgebautes Abenteuer aussieht, damit sie nicht merken, dass manche Cthulhu-Abenteuer NICHT gut aufgebaut sind? Also so viel Zynismus traue ich der Redaktion nicht zu ...

     

    Natürlich müssten gute Tipps zur Gestaltung und Aufbereitung von Kampagnen Hand in Hand mit einer dem angemessenen Gestaltung der Abenteuer gehen. Die meisten Cthulhu-Sachen folgen aber doch eher der Schule, dass die Autoren mit viel Freude wahnsinnig viele tolle (manchmal auch weniger tolle) Ideen haben, sei es für Abenteuer oder für Geschwurbel zum Thema Atmosphäre, aber sehr wenig Lust, das dröge Handwerk einer guten, systematischen Aufbereitung zu leisten (da nehme ich mich nicht aus).

     

    Man kann sich ja sehr wohl bestens Gedanken darüber machen, wie man die Verzahnung der Charaktere mit der Kampagne gut hinkriegt, auch und gerade, indem man die Spieler selbst mitgestalten lässt. Wenn man das vermitteln will, dann sollte man aber vor allem Wert darauf legen, eine klare Darstellung mit konkreten Handlungsvorschlägen zu präsentieren, wie Z.B. Dominic Wäsch in "Spielleiten" oder Ron Edwards oder Greg Stolze in ihren Essays zum Rollenspiel. Das ist alles Material, das mir für weniger Geld und auf kleinerem Raum viel mehr gebracht hat als das SLHB.

     

    Unklug finde ich auch gerade für Einsteiger die Betonung von Gimmicks wie Musik. Musik, Kerzen, Handouts - das sind Spezialeffekte, die meiner Erfahrung nach unverhältnismä?ig viel Arbeit machen und wenig beitragen. Handouts verwende ich nicht mehr, da sie in meiner Gruppe Erfahrungsgemä? die Immersion massiv stören - was soll das, das plötzlich ein Brief oder Zeitungsartikel aus dem Abenteuer in schlecht nachgemacht auf dem Spieltisch liegt? Musik wird in meiner DSA-Gruppe noch ausgiebig verwendet, obwohl ich eher dagegen bin, weil alle paar Minuten wer findet, dass die Musik jetzt gerade nicht passt und man wieder was neues suchen muss. Bei meiner ArsMagica-Runde verwenden wir prinzipiell keine Musik, und die Atmosphäre ist dort sehr viel dichter.

     

    Selbst wenn diese Dinge positive Effekte bei manchen Runden haben, handelt es sich um Gimmicks, die in keiner Weise die sorgfältige Vorbereitung ersetzen können. Statt sich zu fragen, wie man Atmosphäre oder Dramatik über Spezialeffekte erzeugt, sollte man sich doch wohl lieber fragen, wie man Atmosphäre und Dramatik aus dem Spielgeschehen selbst erzeugt. Da ich kürzlich noch mal die Original-Star-Wars-Filme gesehen habe, fällt mir dazu das Beispiel ein, dass die eben trotz für heutige Verhältnisse dürftiger Effekte überzeugen, weil der Gehalt stimmt, während die Prequels dagegen trotz ma?loser Gimmick-?berfrachtung total abstürzen.

  8. Ophiuchus, du hebst jetzt genau darauf ab, dass Leute, denen die Tipps im SLHB nicht gefallen, vielleicht einfach die falschen Spieler für Cthulhu sind. Darum kann's doch aber nicht gehen: Wer sich als RSP-Einsteiger Cthulhu kauft, der wird zweifellos Interesse an einem atmosphärischen, nicht übermä?ig actionlastigen Spiel haben (das wird ja durchs Marketing entsprechend vermittelt). Wenn die tollen Tipps im SLHB dann aber irgendwie gar nicht dabei helfen, Atmosphäre aufkommen zu lassen, sondern eher für Frust sorgen, dann kommen die Neueinsteiger eben ganz schnell zu dem Schluss, dass so was wie atmosphärisch orientiertes Rollenspiel einfach "nicht geht" oder "doof ist".

     

    Wenn man eh schon wei?, wie der Hase läuft und, eingespieltes Team mit seiner Gruppe ist und Ironie im Regelbuch fünf Meilen gegen den Wind riecht, dann braucht man ja eh keine SL-Tipps. SL-Tipps sollten klar strukturierte, sorgfältig durchdachte Vorschläge und Richtlinien sein, die tendenziell funktionieren, wenn man sie befolgt, damit Einsteiger erst mal eine klare Struktur haben, von der sie dann nach und nach immer weiter abweichen können, wenn sie ihren eigenen Stil finden. Und in dieser Beziehung bietet mir das knapp hundert Seiten umfassende Regelwerk von "Sorcerer" auch nach 20 Jahren Rollenspiel z.B. mehr als das ganze Cthulhu-SLHB. Das sollte einem vielleicht schon zu denken geben ...

     

    Man muss vielleicht auch hinzufügen, dass das Regelwerk von Cthulhu natürlich nicht besonders geeignet ist, um den Spielern seine konsequente Verwendung anzuempfehlen. Das ist so eine Altlast, die man leider nicht über Bord werfen kann, deshalb wird so etwas Schlaues und Vernünftiges wie der Rules-Matter-Ansatz von Ron Edwards bei Chaosium/Pegasus-Cthulhu nie wirklich anwendbar sein.

  9. Noch mal allgemeiner: Ich finde, Red Wraith hat das ziemlich fundiert zusammengefasst, und sein Eindruck entspricht auch dem, was ich im Gedächtnis habe. Man kann die genannten Beispiele natürlich auch anders verstehen, aber das Buch ist ja für Einsteiger, und nicht für Leute, die eh schon wissen, was man sich als SL alles besser verkneifen sollte.

     

    Gute Einsteigertipps sind für mich eher der Hinweis, dass man nicht versuchen soll, Atmosphäre zu erzwingen, wenn sie gerade nicht aufkommen will; Dass man vorher in seiner Gruppe besprechen sollte, ob man prinzipiell die Regeln beugt oder nicht, anstatt einfach vorzugeben, dass der SL das ruhig machen soll, wenn er meint, dass es besser für Atmosphäre oder Geschichte sei; Dass man darauf achten sollte, welche Spielinteressen die Spieler über ihre Charaktere signalisieren.

    Viel im SL-Handbuch finde ich dagegen eher kontraproduktiv. z.B. Seite 11ff, "Sorgen Sie für viele Bedrohungen gleichzeitig": Wann immer ich das gemacht habe, war es schädlich für die Spielatmosphäre. Verwirrung ist etwas, was als reale Erfahrung Schrecken auslösen kann, am Spieltisch ist es ein reiner Frustfaktor. Das gleiche gilt für die angepriesene "Rätselhaftigkeit": Es ist eben überhaupt nicht leicht, aus einem "Geheimnis" und dem Unbekannten und Unverstandenen Grusel zu erzeugen. Viel eher erzeugt man auf diese Art Langeweile. Ich will jetzt nicht darauf hinaus, dass man jedes Monster im Detail beschreiben soll. Das Problem ist vielmehr, dass man Spielleiter mit den Worten im SLHB tendenziell anleitet, nicht-motivierte Ereignisse ins Abenteuer einzuführen, weil sie die für irgendwie atmosphärisch oder gruselig halten, um dann, wenn die Spieler der Sache nachgehen und es keine vernünftige Auflösung gibt, mit den Schultern zu zucken und zu sagen: "Das ist eben das Mysterium. Gruselig, was?" Ich denke da nur wieder mit Schaudern an die Diskussion um "Winternacht" aus Nocturnum, wo zurecht die enormen Logiklöcher im vorgegebenen Ablauf kritisiert wurden und dann so etwa die Antwort kam, das sei kein Problem, weil man sich als SL doch eh nicht in die Karten schauen lassen soll und weil die Atmosphäre des Abenteuers gut sei. Ich bin der Meinung, dass diese Mentalität gerade unter Einsteigern zu extremem Frust bei den Spielern führt.

     

    Und genau das sind Schlussfolgerungen, die viele Einsteiger mit Sicherheit aus solchen Passagen ziehen, weil es eben auch bequem ist, solche Schlussfolgerungen zu ziehen.

     

    Wobei es wirklich auch gute Elemente in dem Spielleitertipps gibt, z.B. die Beispiel-Flowcharts und Mindmaps zum Gaukler von Jusa, die Anregungen geben, wie man sich flexibel auf ein Abenteuer vorbereiten kann.

  10. Nicht, dass das so entscheidend wäre, aber: "Gib dem Affen Zucker" ist zwar definitiv eine Redewendung, hat aber auch definitiv eine abfällige Konnotation. So viel Sprachkompetenz sollte man als Regelwerksautor schon haben, um das miteinzubeziehen. Wenn es hei?t, "den eigenen Schwächen nachgeben", dann ist die Actionlust ja schon mal als "Schwäche" abgewertet und noch dazu geht es in diesem Fall ja nicht mal um die "eigenen" Schwächen des SL - nein, er soll den "Schwächen" der Spieler entgegenkommen, indem er dem einfachen Volk einfache Unterhaltung präsentiert. So verstehe ich das zumindest.

     

    Man hört da schon einen gewissen Dünkel raus.

  11. Diese Trollvorwürfe schaden doch nur dem Cthulhu-Forum. Heretic mag konfrontativ sein, aber er formuliert eine konkrete Kritik und geht auf Einwände ein. Das ist kein Trolling. Und der Inhalt des verlinkten Threads ist ganz und gar nicht der Gleiche.

     

    Irgendwie lassen mich diese Reaktionen immer wieder schnellstens ins Tanelorn zurückprallen, wo Kontroverse Diskussionen möglich sind, ohne dass gleich die Reihen der treuen Fans geschlossen werden ...

  12. Tja, dass deutsch SLHB ist eben doch eher eine Kreuzung aus frühem und streckenweise recht naivem Chaosium-Material zum Thema Spielleiten und der deutschsprachigen DSA-Tradition, auf der Bedeutung von Atmosphäre herumzureiten, gleichzeitig aber nur Tipps zu geben, wie die durch äu?ere Gimmicks (Musik, Kerzen, Wettermaschinen) herzustellen ist, anstatt sich der Frage zu widmen, wie Stimmung aus dem Spielprozess heraus gefördert werden kann. Mal etwas verschärft gesagt.

    Was fehlt ist eben die tiefgreifendere Auseinandersetzung mit der Verzahnung von Regeln, Atmosphäre und Erzählstil, die man von neueren nicht-deutschen RSPs gewohnt ist, wie z.B. Unknown Armies oder Savage Worlds. In gewisser Weise leistet selbst D&D4 da in Sachen konsistentes Konzept sehr viel mehr. Das liegt wohl daran, dass die Forge-Diskussionen (Stichwort: System Matters!) an kaum einem neueren RSP aus dem englischssprachigen Raum gänzlich vorbeigegangen sind, während man sie in Deutschland einfach nicht zur Kenntnis genommen hat.

     

    Trotzdem bietet das SLHB ja viel gutes Material. Aber die SL-Tipps darin finde ich auch eher kontraproduktiv. Am Spieltisch hatte ich mit Cthulhu immer nur Quälerei, wenn ich mich am offiziellen SLHB-Stil orientiert habe. Früher, als ich Cthulhu nur mit dem Laurin-Regelwerk und aus dem Bauch heraus gespielt habe, hatte ich dagegen sehr viel Spa? damit, und jetzt, wo ich gelegentlich Abenteuer aus "Grauen in Arkham" spiele und dabei eher die ?berlegungen zum Leiten aus Indie-Systemen wie dem One Roll Engine oder Sorcerer im Kopf habe, läuft dagegen alles wieder sehr rund und spa?ig.

     

    Ich glaube, die eine gro?e Gemeinsamkeit zwischen Cthulhu und DSA ist, dass beide Spiele kaum über den eigenen Tellerrand schauen. Das liegt sicher auch an den eingeschworenen Communities. Da nimmt es nicht Wunder, dass das SLHB eben inhaltlich nicht gerade auf dem Stand der Debatte ist, sondern eher Altbekanntes und Oberflächliches auswalzt ...

  13. Original von Dingo

     

    Wenn man nun zwischen Lovecraftscher Tradition, dem Cthulhu Mythos oder dem kosmischen Schrecken seine Trenungslinien zieht, geschieht dies grö?tenteils wilkürlich und innerhalb des CoC-Rollenspiels aufgrund individueller Vorlieben.

     

    So willkürlich ist das nicht, die Trennung zwischen "Yog-Sothothry" und "Cosmic Horror" stammt ja von Lovecraft selbst. Nicht in dem Sinne, dass das eine das andere ausschlie?t, sondern dass es sich eben um zwei verschiedene Aspekte von Lovecrafts werk handelt, die nur lose zusammenhängen und leicht voneinander gelöst werden können (wie Derleth es ja auch gemacht hat).

     

    Ich sage auch gar nicht, dass das eine schlechter ist als das andere (obwohl ich persönlich finde, dass ein Gro?teil der Cthulhu-Mythos-Literatur nach und neben Lovecraft eben nicht so toll ist, während es viele tolle Literatur in Lovecrafts Tradition gibt, die eben nicht zu Cthulhu-Mythos gehört). Es ist eben nur deutlich erkenntlich, dass ein klassisches RSP wie Cthulhu sehr viel besser darin ist, ein Setting zu vermitteln (also den Cthulhu-Mythos) als ein bestimmtes philosophisches Prinzip, das dem Horror zugrundeliegt (also den Kosmischen Schrecken).

  14. Original von Konradin

    Und noch einmal: All die verfallenden Häuser, die rückständigen Provinzler, die isolierten Privatgelehrten ...

     

     

    Mit Ausnahme der Rückständigen Provinzler sind das doch nicht unbedingt typische Lovecraft-Motive. Die Gelehrten in seinen Geschichten haben zumindest meistens direkte Unianbindung ...

     

    Natürlich gehörte ein schauerliteratur-mä?ig romantisiertes Neu-England zu Lovecrafts Geschichten, das hat aber nur wenig mit deren Horroraspekt zu tun. der Schrecken ist bei ihm überwiegend modern: Evolutionstheorie (Berge des Wahnsinns, und In Innsmouth weist Zadok Allen ja sogar darauf hin, dass alles Leben aus dem Meer kommt), Strahlung (Farbe aus dem All), um Mathematik (Träume im Hexenhaus), Zeitreise und moderne Gesellschaftsmodelle (Farbe aus dem All), Anonymität der Städte (Grauen von Red Hook), der Primitivismus in der modernen Kunst (Pickmann) ...

     

    Nur weil Lovecraft Moderne und Modenrismus abgelehnt hat, hei?t das ja nicht, dass er sich in seinen Geschichten nicht mit ihr befasst hat - im Gegenteil. Lovecrafts Horror hat in den allermeisten Fällen doch gerade nichts vom wohligen Romantizismus der Schauerliteratur mit ihren knarreden Häusern.

  15. Original von Cagliostro

    Lovecraft war thematisch oft voll auf der Höhe seiner Zeit und hat neueste Forschungsergebnisse in seine Geschichten einflie?en lassen.

     

    Sorry, so wie Du sagst stimmt es mMn nicht, bzw. nur in Bezug auf die Zeit. Und selbst da nicht ganz, den Melting Pot den er ablehnt ist ja schon 1920

     

    Lovecraft war erklärterma?en kulturell rückwärtsgewandt und gleichzeitig in der Themen- und Motivwahl gerade seiner späteren Geschichten absolut modern. Das ist eben so ein Widerspruch an der Person. Die scheu?lich rassistische Geschichte "Das Grauen von Red Hook" ist z.B. nicht nur eine direkte Reaktion Lovecrafts auf seinen Aufenthalt von New York, sie dürfte auch etwas mit dem rassistischen Immigrationsrestriktionsgesetz zu tun haben, das ein Jahr vor ihrer Entstehung verabschiedet wurde.

  16. Original von Dingo

    Auch bei Lovecraft gehen die Protagonisten beizeiten mit Zaubern und Mythosbuch bewaffnet los, um die bösen Kultisten von nebenan oder gar den Gro?en Alten im Tal um die Ecke auszutreiben.

     

    Das tun sie in "Das Grauen von Dunwich", "Das Ding auf der Schwelle" und (wenn auch mit verheerenden persönlichen Folgen) in "Träume im Hexenhaus". Sie tun es nicht in "Die Farbe aus dem All", "Berge des Wahnsinns", "Der Schatten aus der Zeit", "Der Flüsterer im Dunkeln", "Pickmanns Modell", "Cthulhus Ruf" ...

     

    Aber tatsächlich ist der Cthulhu-Mythos (oder "Yog-Sothothry", wie Lovecraft es nannte) nicht der Kern des Lovecraftianischen Horrors, sondern nur Staffage für das Motiv des Kosmischen Schreckens. Das sieht man auch wunderbar daran, dass einige der besten Autoren in Lovecraftianischer Tradition gerade nicht Cthulhu-Mythosgeschichten schreiben.

     

    Das Cthulhu-RSP kann eben von der Tendenz nur die Staffage aufnehmen, das Motiv des kosmischen Schreckens entzieht sich ihm. Um das besser einzufangen, bräuchte man wahrscheinlich andere Spielkonzepte, wie z.B. etwas in die Richtung von Indiespielen wie "Don't Rest Your Head". Vielleicht leistet "de Profundis" das eher, hab ich noch nie probiert ...

     

    worauf ich hinauswollte: Man sollte nicht den Lovecraftschen Horror, den Cthulhu-Mythos und dann noch das Rollenspiel zu letzterem in einen Topf werfen. Cthulhu greift da einen Teilaspekt von Lovecrafts Geschichten auf und deutet sie so um, wie es fürs Rollenspiel auch sinnvoll ist, mehr aber auch nicht.

     

    Ist alles übrigens ganz schön aufgedröselt in "The Rise and Fall of the Cthulhu Mythos" von S.T. Joshi.

  17. Original von Konradin

    Inhatlich und tendenziell bin ich deiner Meinung. Nur, entschuldige, dein Ansammlung üblester und flachester Klischees ist nicht gerade hilfreich und schlichtweg Schwachsinn. Hätte ich von dir eigentlich nicht erwartet.

     

    Wer ist "wir" - Wer beschwert sich? Ich nicht. Du ja offensichtlich ..... warum sonst wir? ..... Oder war das nur ein läppischer rhetorischer Trick?

     

     

    Ich glaube, Synapscape bezog sich auf die einleitenden Worte des CthulhuNow-Bands (insbesondere Abschnitt "Der Wandel der Zeiten"), die eben selber vor allem antimoderne Klischees verbraten. Und die "Stimmung" der Angst vorm kulturellen Niedergang, die da vermittelt wird, passt eben eigentlich fast besser in die historischen 20er als in die Gegenwart und ist insgesamt ein bisschen abgeschmackt (das wurde ja auch damals schon hier im Forum kritisiert, glaube ich, ebenso wie die falsche Verwendung des Begriffs "Moderne").

    Synapscapes Hinweis darauf, dass Antimodernismus unter anderem ein wesentlicher Bestandteil nationalsozialistischer Ideologie war, soll doch erst mal nur den historischen Kontext verdeutlichen, d.h. darauf Hinweisen, dass diese ?ngste vor Anonymität, fremdkontrolle durch abstrakte Mächte und allgemeinem "Niedergang" eben ganz und gar kein spezifisches Charakteristikum "unserer" Zeit sind, sondern gerade typisch für den Beginn des 20. Jahrhunderts - und dass sie damals wie heute natürlich aus verschiedenen politischen Richtungen "bedient" wurden und werden.

     

    Ich muss in diesem Zusammenhang jetzt doch mal auf meinen Essay zu Lovecraft und den ?ngsten der Moderne hinweisen, der leider nur in einem teuren Buch zu haben ist - das sich aber ansonsten durchaus auch lohnt. Da geht es um ganz ähnliche Fragen:

     

    http://www.aisthesis.de/titel/9783895287695.htm

  18. Du könntest ja einfach mal ein paar Gegenwarts-Horrorautoren anlesen, die Cthulhu-Kompatibel sind.

     

    Empfehlenswert finde ich vor allem Laird Barrons Sammlungen The Imago Sequence und Occultation (viele der Stories spielen zwar auch in der Wildnis, sind aber doch von den Figuren und Motiven her sehr Gegenwartsbezogen). Leider gibt es von dem bisher nichts auf Deutsch, aber ein gro?artiger Autor!

     

    Boris Koch hat in seinem Büchlein "Dionysos tanzt" auch eine sehr hübsche Cthulhu-Gegenwartsstory, überhaupt bieten seine Kleinverlagssammlungen (darunter noch "Der Adressierte Junge") interessanten Gegenwartshorror abseits von abgedroschenen Vampirmotiven.

     

    Und Jeffrey Thomas könnte auch gute Anregungen bringen - dessen zwei auf deutsch erschienene Bücher Punktown und Monstrocity sind zwar SF mit Cthulhu-Einschlag, aber viele SF-Motive lassen sich ja gut in die Gegenwart transplantieren.

     

    Gene Wolfe hat mit "An Evil Guest" auch einen sehr hübschen Cthulhu-Roman in der Zukunft geschrieben, der skurillerweise von seiner 40er-Jahre-Atmosphäre lebt. Trotzdem finden sich da sicher auch schöne Ideen für einen "moderneren" Umgang mit dem Cthulhu-Mythos. Gibt's allerdings auch nur auf Englisch.

     

    Dann gibt's noch "Kult", einen Cthulhu-Mythos-Roman von Ljubko Deresch, der sehr abgefahren sein soll und wohl auch in der gegenwart spielt, habe ich aber noch nicht gelesen.

  19. Original von Ophiuchus

     

    Sicher sind die ?bergänge da etwas flie?end, und Cthulhu-Horror und "Pulp" sind sicherlich irgndwo "benachbart", aber mehr denke ich nicht.

     

     

    Es gibt halt viele Arten von Pulp. Lovecraft war praktisch stilbildend für eine davon, deshalb finde ich es so komisch, cthulhu von Pulp abgrenzen zu wollen.

    Ich halte Pulp aber auch nicht für ein Schimpfwort. Ich finde halt nur, bei der Cthulhu-Spielerschaft herrscht manchmal so ein Gewisser Dünkel ("Das ist nur was für Erwachsene", "das ist kein anspruchsloses Monsterplätten"), den ich nicht recht nachvollziehen kann. Für mich schreit alles an Cthulhu "Pulp", bis hin zu den gro?artig grellen, vollgestopften Coverdesigns. Und ich finde, das ist zum grö?ten Teil absolut geeignet, wenn nicht gar perfekt, für typische Gemütslagen im Alter von 14 ...

  20. Original von Ophiuchus

    Das kommt sicher darauf an, was die Spieler wie auch der SL von einem Setting erwarten.

    CoC ist für mich definitiv nicht "Pulp"

     

    [...]

     

    In dieser Diskussion fand ich es sowieso schon ein wenig seltsam, wie oft es überhaupt um "Splatter" ging - das hat mMn im CoC-RPG so richtig gar nix verloren.

     

     

    Nun ist Splatter aber eben auch wieder etwas ganz anders als klassischer Pulp. Indiana Jones ist ja die Pulp-Liebeserklärung schlechthin, und abgesehen von ein bisschen dezenter Lust am Ekel hat das ja nun wieder gar nichts mit Splatter zu tun.

     

    Aber eigentlich sind wir da schon wieder bei dem Thema, wie viel CoC noch mit dem Pulp-Autor Lovecraft zu tun hat ...

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