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Jakob

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Posts posted by Jakob

  1. Anglizismen sind zuweilen gro?e Klasse. Find's nur schade, dass die sinnvolle trennung Charakter (beim Rollenspiel)/Figur (Film oder Buch) nicht funktioniert, weil sich das Wort Charakter nun langsam auch bei letzteren durchsetzt. Und dass, obwohl Figur doch nun eigentlich ein einfacheres Wort ist.

     

    Will da aber den Gang der Geschichte nicht aufhalten ... wollte nur eine etwas interessantere Einleitung für die ?-Frage finden.

  2. Für Hobbyphilologen:

     

    Seit einer ganze Weile beschäftigt mich schon die Umtriebigkeit, mit der sich das Wort "Charaktere" verbreitet. Interessant ist das, weil meine Theorie ist, dass das Phänomen Rollenspiel einen nicht kleinen Anteil daran hat. Denn "Charakter", wie man den Begriff im Rollenspiel versteht, ist eigentlich eine Fehlübersetzung des englischen Begriffs "character", der unter anderem "Figur" bedeutet. Von daher haben die Erfinder von MIDGARD es richtig gemacht, als sie von "Figuren" statt von Charakteren schrieben, und auch die Leute bei DSA lagen gar nicht so falsch, als sie die Spielerfiguren "Helden" tauften. Spätere ?bersetzungen haben sich dann für "Charakter" entschieden, ein Wort, dass es im Deutschen davor eigentlich gar nicht als Plural gab - "Charakter" bezeichnete die Eigenschaft eines Menschen oder einer Sache ("Er hat einen schlechten Charakter").

     

    Inzwischen hat das Wort "Charakter" sich auch ganz allgemein eingebürgert, um die fiktiven Figuren zu bezeichnen, die in Filmen oder Romanen auftauchen. Ich persönlich finde das sehr unelegant, aber was solls, Sprache ändert sich - und im Rollenspielkontext ist der Begriff sogar sehr sinnvoll, weil das Wort "Charakter" ja viel anschaulicher Macht, dass diese Figur durch ein Bündel von Eigenschaften "charakterisiert" wird.

     

    Ich will also mal wohlwollend den Begriff des "Charakters" im Rollenspiel unterstützen (während er mir bezüglich Filmen und Büchern weiterhin unschön erscheint).

     

    Aber eins geht zu weit:

     

    Charaktäre!

     

    Diese neue Schreibweise greift im letzter Zeit aus mir schleierhaften Gründen im Forum um sich - schleierhaft, weil alle offiziellen Cthulhu-Publikationen "Charaktere" schreiben. Woher kommt der Umlaut, der noch dazu nicht das geringste mit der Lautung des Wortes zu tun hat ("Charaktere" muss doch wohl klingen wie "Charakt+Ehre" (wie in Ruhm und Ehre) und nicht wie "Charakt+?hre (Wie das Korn)).

     

    Soviel vom Rechtschreibpingeling, und eigentlich nur, weil dieses eine Wort mir beim lesen dann doch ein bisschen zu sehr wehtut.

  3. Ich hoffe, del Toro macht seine ?berlegung wahr, nach Hellboy 2 Mountains of Madness zu starten. Ich habe kürzlich seinen Film The Devil's Backbone gesehen und war schwer beeindruckt - einer der interessantesten Gespensterfilme überhaupt. Ich denke, del Toro könnte neben Joss Whedon der ganz gro?e Phantastik-Film-und-Fernseh-Macher unserer Zeit werden ... (womit ich keinesfalls nahelegen will, dass Joss Whedon sich JEMALS an einer Lovecraft-Verfilmung versuchen sollte ... da sehe ich die Qualitäten doch anders verteilt)
  4. Ich denke, der Expeditionen-Band bietet da gute Kost. habe daraus bislang nur "Ewiges Eis" gespielt (bei dem man m.E. allerdings als SL einiges an Arbeit investieren muss, um es etwas freier gestalten zu können als vorgesehen), aber in allen Abenteuern bis auf eines gibt es Kämpfe (und zwar an interessanten Schauplätzen und gegen interessante Gegner), und alle haben ein starkes "Kampf-ums-?berleben"-Element.
  5. Original von Marcus Johanus

    Aber ich fand die stetigen Wiederholungen eher ermüdend und als heutiger Leser fürchte ich, war es einfach recht klar, dass der Erzähler die Stadt eben nicht verlassen kann.

     

    Wieso "eben nicht verlassen kann" - der Erzähler schafft es doch, die Stadt zu verlassen, wenn er auch später zurückkehrt. oder meinst du die Szene mit dem Bus?

     

    Was die Novellenfrage angeht: Ich hab mich damit noch nicht so auseinandergesetzt, für mich war "Novelle" bisher immer eine vage Längenkategorie. Habe neulich aber so eine Art Definition von David Pringle gelesen, die lautet:

     

    "Wenn die Kurzgeschichte eine Figur und eine Situation erschafft, und der Roman eine Figurengruppe und eine 'Welt', dann liegt die Novelle auf halbem Weg zwischen beiden: sie erschafft einige paar wenige Figuren, die sich in einer imaginativ eingegrenzten Welt durch eine eingeschränkte Anzahl Situationen bewegen. Die Novelle hat gleicherma?en an der Eindringlichkeit der Kurzgeschichte und am umfassenden Charakter des Romans teil."

     

    Diese Definition würde wiederum sehr gut auf Innsmouth passen - ist aber wohl auch sehr offen.

  6. Original von Marcus Johanus

     

     

    Insgesamt also ein Buch, dass eher von analytischem Interesse ist als ein Horror-Meisterwerk. Aber schlecht ist es nun auch nicht.

     

     

    Stimmt. Es gibt Dinge, die sind durchaus interessant. Ich persönlich meine aber, das Lovecraft unterm Strich ein Autor von Unterhaltungsliteratur ist. Ein Autor von anspruchsvoller Unterhaltungsliteratur, aber eben auch nicht mehr. Deswegen finde ich literaische Experimente eher unpassend, auch wenn sie noch so interessant sind.

     

    Das klingt jetzt aber ein wenig, als sei Unterhaltungsliteratur der Analyse nicht wert. Ich glaube ja, dass sich auch und gerade bei Unterhaltungsautoren wie Lovecraft eine Menge spannendes über die Gesellschaft, in der die Autoren gelebt haben findet. Ein Roman (oder eine Novelle wie "Innsmouth") muss ja überhaupt nicht experimentell (gedacht) sein, um trotzdem von analytischem Interesse zu sein.

  7. Sorry, dass ich mich erst jetzt dazumelde, habe erst über die Feiertage gelesen ...

     

    Zuerst einmal ist "Innsmouth" auch nicht unbedingt meine Lieblingsstory, bei genauerem hinsehen kann man ihr aber m.E. ein paar interessante Qualitäten abgewinnen.

     

    Spannend finde ich zum einen die Methode der "Einkreisung", der die erste Hälfte des Romans folgt: Die ersten drei Kapitel bestehen jeweils aus berichten, die geographisch immer näher am Zentrum des grauens gegeben werden und auch immer tiefer in die Geheimnisse Innsmouths führen. Das ist sehr schematisch, fast schon ein bisschen zu klar aufgebaut. Die Unterhaltung mit zadok ist dabei auch dadurch interessant, dass der Protagonist eigentlich schon hinter das geheimnis gekommen ist, dass er praktisch alles wei?, aber glaubt, es gäbe noch eine "eigentliche Wahrheit" herauszufinden. das ist eine interessante Umkehr üblicher Horror-Motive, auch wenn sie dramaturgisch eher negative Wirkungen hat ... aber wie gesagt, ein interessantes kleines Experiment.

     

    Die nacht im Hotelzimmer empfand ich dann auch als Spannungshöhepunkt, und die anschlie?ende Verfolgungsjagd als Tiefpunkt. Letzteres hat denke ich vor allen Dingen damit zu tun, das auf der Flucht eigentlich nichts schiefgeht - typischerweise Leben ausgedehnte Actionszenen davon, dass neue, unerwartete Hindernisse auftreten. Hier verhält es sich eher andersrum: Erst denkt man, der held muss einen gefährlichen Sprung aufs benachbarte Dach wagen, und dann findet er plötzlich eine hilfreiche Gardinenstange ...

     

    Logischerweise ist dann auch der vorläufige Höhepunkt, der Anblick der Wesen auf dem Bahndamm, eine Enttäuschung: erstens wissen wir längst, was uns erwartet - dass der Protagonist auf den konkreten Anblick noch mal extremer reagiert, ist dabei für uns als leser kaum von bedeutung. Und dann haben wir uns ja auch noch an den Gedanken gewöhnt, dass bei dieser Flucht eh alles gut geht - und so verhält es sich dann ja auch.

     

    Strukturell wiederum interessant sind dagegen die zahlreichen Parallelismen der Story - es gibt nicht nur die parallelen, aber im Ergebnis abweichenden geschichten der hauptfigur und seines Onkels (letztere natürlich nur impliziert), sonder auch die Parallele zwischen den "Wilden", die den Stamm auslöschen, der mit den Deep Ones gemeinsame Sache macht, und dem Militärangriff auf Innsmouth, von dem am Anfang die Rede ist. Inhatlich finde ich das im Zusammenhang mit Lovecrafts Rassismus interessant - der ist zwar unbestritten, aber er wird zumindest relativiert durch eine eher allgemeine "pessimistive Anthropologie", in der alle menschen eher primitiv und machtlos erscheinen.

     

    Interessant ist auch, dass am Ende in Bildern der Erhabenheit von den Deep Ones die Rede ist: hier bringt Lovedraft die Angst vor der Degeneration mit einer Art Aufgehen im Ozean, mit der Erleuchtung, in Verbindung. Man sieht ziemlich deutlich, dass Lovecraft hier einfach die gruselnde Faszination von der Evolutionstheorie aufnimmt, die z.B. schon bei den frühen Romanen von H.G. Wells auffiel. Literaturgeschichtlich in jedem Fall interessant.

     

    Insgesamt also ein Buch, dass eher von analytischem Interesse ist als ein Horror-Meisterwerk. Aber schlecht ist es nun auch nicht.

  8. Meistens hab ich zu Beginn nur eine Situation (z.B. eingeschlossen im U-Boot) eine Prämisse (z.B. Besessenheit) oder einen Schauplatz (z.B. Wüste) im Kopf. Dann baue ich darum verschiedene Versatzstücke aus meinem Ideenkasten. Meistens entwickel ich dann irgendwann auf halber Strecke einen passenden Showdown, da sollte man aber immer ein paar Alternativen parat haben - wie schon anderweitig diskutiert, willst du die Spieler schlie?lich nicht gängeln, damit sie genau bei dem Ende landen, dass du dir denkst
  9. Original von Settembrini

    Jakob, wir sind erwachsen.

    Und verhalten uns entsprechend.

    Wenn Du wieder Kind spielen willst, dann kann ich Dich eben nicht ernst nehmen.

     

    Nicht da? kindisches Verhalten abzulehnen ist, aber eben kindisches Verhalten als kleiner atavistischer Ausbruch, der zum Menscheln gehört.

     

    Aber die Sichtweise von Dreijährigen annehmen zu müssen, um Deine Abenteuer gutzufinden, da? ist zuviel und geradeheraus eine lächerliche Forderung.

     

     

     

     

    Du meinst Regression, nicht Atavismus. Atavismus ist ein kultureller Rückfall ins "Wilde".

     

    Desweiteren geht es nicht darum, die Sichtweise von Dreijährigen anzunehmen, sondern mittels einer Metapher die Funktionsweise der konsensuellen Illusion (im Gegensatz zur Lüge) und von dramatischen Strukturen darzustellen. Kasperle unterscheidet sich in diesen Fragen nicht ma?geblich von Shakespeares Hamlet (nur dass bei letzterem, anders als zu Shakespeares Zeiten, heute keine Interaktivität zwischen Bühne und Publikum mehr herrscht).

     

    Desweiteren gibt es durchaus gute Argumente für die Annahme, dass der Regress auf kindliche, "magische" Vorstellungen zentral für die Erzeugung des "Unheimlichen" ist - dass im unheimlichen etwas "zurückkehrt", das in der Kindheit als unwahr verworfen wurde, an dessen Unwahrheit nun aber Zweifel aufkommen. Freud analysiert so z.B. das Doppelgängermotiv (Der frühe Omnipotenzglaube des Kindes, der ihm verspricht, seinen eigenen Tod als Doppelgänger zu überleben, kehrt ins bedrohliche gewendet zurück).

     

    Ich persönlich find's ziemlich absurd, der Beschäftigung mit der menschlichen Kindheit Erkenntniswert für die Untersuchung des Erwachsenenverhaltens abzusprechen. Na, ist wohl Ansichtssache.

  10. Original von gemüse-ghoul
    Original von Settembrini
    Soll mir ja recht sein, dass die besonders schlauen Kinder längst durchschaut haben, dass das Krokodil den Kasper nicht wirklich fressen wird. Aber müssen sie damit den anderen Kindern auf die Nerven fallen, die das vielleicht genausogut wissen, sich aber für den Moment nicht drum scheren, weil sie lieber in die Illusion eintauchen wollen?

     

    Das ist das peinlichste Argument (nicht wegen Kasperle!), das ich jeh von einem erwachsenem Menschen gehört habe.

     

    Fühlt Euch ausgelacht und nicht mehr ernstgenommen.

    Ja, da hab ich auch Lachkrämpfe gekriegt, Hofrat. :D

     

    Hm, tut mir leid für euch, dass ihr offenbar nicht die Gelegenheit habt, durch Kontakt mit Kindern mitzukriegen, wie Menschen lernen, Geschichten als solche zu erkennen und sie zu genie?en. Da muss der gedankliche Horizont dann wohl zwangsweise ein klein wenig eng werden ... hoffe, er fängt früher oder später an, euch ein bisschen zu drücken, auf dass ihr ihn doch mal überschreitet.

  11. Original von Martin

    Ich denke, da? "unser Götter" sehr wohl ihre Entsprechungen im Mythos haben können.

    Im Mythos finden sich bereits ein Teil antiker Götter bzw. deren Entsprechungen wieder, es sollte daher nicht schwerfallen, auch unsere Götter zu adaptieren, sei es im Rahmen der Outer Gods oder in einem grö?eren Kontext. Nichts, auch nicht die blasphemischten Texte des Mythos nimmt für sich in Anspruch, mehr denn ein kleines Fenster dieses Universums zu beschreiben.

     

    Ich möchte vor allem der ?u?erung widersprechen, der Mythos sei eine Wissenschaft - genau diesem widersprach schon Lovecraft selbst. Ich versuche besonders meinen Spielern immer wieder zu verdeutlichen, da? alles, was man zu wissen glaubt, im einen Moment wahr und im nächsten Moment Trug ist.

    Ich wei?, da? die Aufstellung im Quellenbuch oder die alphabetische Ordnung im Mythos Lexikon dazu verführen kann, aber ihr seid die Keeper und ihr prägt das Bild, da? eure Investigators von Lovecrafts Werken erhalten, also verdeutlicht euch bitte, da? Lovecraft selbst seinen Mythos immer so wie zu Beginn von The Call of Cthulhu sah:

    ?The most merciful thing in the world, I think, is the inability of the human mind to correlate all its contents.

    We live on a placid island of ignorance in the midst of black seas of infinity, and it was not meant that we should voyage far.½

    Das schlie?t eine wissenschaftliche Erfassung des Mythos kategorisch aus!

     

    Die These des "Nicht-magischen" Mythos hat nichts mit dem Cthulhu-Regelwerk zu tun, sondern leitet sich aus Erzählungen wie "Berge des Wahnsinns", "Träume im Hexenhaus" oder "Der Schatten aus der Zeit" ab. Lovecraft assoziiert immer wieder die zeitgenössischen Wissenschaftlichen Diskurse mit dem "Unbegreiflichen". Man darf das "Wissenschaftliche" nicht mit dem Begreiflichen verwechseln. Natürlich hat die Wissenschaft das Ziel, zu begreifen, ihr Effekt kann aber ein ganz anderer sein; da sie nämlich den Anspruch hat, unpersönlich zu sein und das universum zu entzaubern, macht sie es dem Menschen zugleich auch immer unzugänglicher.

    OK, das ist jetzt eher dogmatisch, und noch keine theoretische Begründung, die habe ich in obigem Blogeintrag geschrieben. Dennoch unterscheiden sich gerade Lovecrafts spätere Erzählungen deutlich von "magischen" Entwürfen und deren symbolischen Logiken, ihren Schuld-und-Sühne Themen. Wenn bei Lovecraft jemand einen Familienfluch hat, liegt das üblicherweise nicht an einer alten Schuld, sondern an einer genetischen Verbindung zu den Tiefen Wesen o.?.

     

    ?brigens belegt gerade das angeführte Lovecraft-Zitat diese Sichtweise: "We live in a placid island of ignorance" bedeutet ja, dass das Wissen nicht nur nicht weit genug fortgeschritten ist, sondern, dass das Fortschreiten der wissenschaftlichen Erschlie?ung des Universums selbst den menschlichen Geist überfordert. Wohlgemerkt, der wissenschaftlichen Erschlie?ung, nicht der magisch-symbolischen.

  12. Ich habe das ganze an ein Vorgängerabenteuer angehängt - die Charaktere waren af der Suche nach einem bestimmten Buch, in dem sie hofften, ein Mittel gegen einen Fluch zu finden, den sich einer ihrer Charaktere zugezogen hab, und dieses Buch gab es angeblich in einer Bibliothek in Danzig. Ich habe das ganze dann auch noch vage mit der Geschichte um Zielonka verbunden, der selbst ein häufiger Gast der entsprechenden Okkulten Abteilung war.
  13. Für Götter, vor allem aber für Gott, ist m.E. im Cthulhu-Kosmos kein Platz. Lovecrafts Götter sind ja entweder au?erirdische Kreaturen (Cthulhu) oder kosmische Prinzipien (Azatoth) oder irgendwelche Mitteldinger dazwischen (Shub Niggurath). Seine Magie hat nichts mit Glauben zu tun, sondern ist schlicht eine Wissenschaft, die sich dem menschlichen Begreifen entzieht (vgl. dazu "Träume im Hexenhaus"). Das schreckliche an dem Cthulhu-Kosmos ist ja gerade, dass er "moralisch wertfrei" ist.

     

    Auf meinem alten blog habe ich einen längeren Beitrag dazu geschrieben, allerdings auf englisch:

     

    http://www.scifinet.org/scifinetboard/index.php?automodule=blog&blogid=36&showentry=684

  14. Original von Settembrini
    wie ich die Bedürnisse meiner Spieler nach Handlungsfreiheit und nach dem erleben einer Geschichte sinnvoll gegeneinander abwägen kann

     

    Woher stammt Deine ?berezeugung, da? Rollenspiel irgendwas mit Dramatik zu tun hat? Und da? Spieler erzwungene "Aristotelik" wünschen?

    Wer hat Dir das gesagt?

     

    Abwägen kannst Du da nämlich nichts, es widerspricht sich diametral:

     

    Wenn das was wichtig ist, nicht beeinflu?t werden kann, ist alles andere ja eben Unwichig, kann also weggelassen werden.

     

    Wer sich fragt, von welchen Horrermeistern ich spreche, der lese hier:

     

    http://www.cthulhu-forum.de/thread.php?threadid=3881&boardid=10

     

     

     

    zu Punkt 1: Meine Spieler haben es mir gesagt. Explizit. Wir reden gemeinsam über den bevorzugten Spielstil, musst dU wissen.

     

    Auf die Erklärung, wie "das, was wichtig ist" beim narrativen Spielstil sehr wohl beeinflusst werden kann, hast du nicht reagiert und bevorzugst es, einfach weiter das Gegenteil zu behaupten.

     

    Sowieso ergibt Satz Nr. 2 Kaum Sinn. Du schreibst: "Wenn das was wichtig ist, nicht beeinflu?t werden kann, ist alles andere ja eben Unwichig, kann also weggelassen werden". Warum ist alles andere dann "eben unwichtig"? Weil "das, was nicht beeinflusst werden kann" wichtig ist? Das wäre so keine logische Folgerungen, verschiedene Aspekte können schlie?lich gleich wichtig sein, das eine wird nicht zwangsläufig durch die Betonung des anderen entwertet.

    Es handelt sich also nicht etwa um eine Flogerung (wie durch das "also" impliziert), sondern um eine Setzung. Du gibst diese Setzung als logische konsequenz der Argumentation anderer aus, eine solche kann sie als Setzung aber eben nicht, niemals und unmöglich sein. Sie könnte bestenfalls zufällig richtig sein. Der von dir aufgemachte "diametrale Widerspruch" ist damit Blödsinn sondersgleichen und spricht vom völligen Unverständnis der Regeln der Logik und Semantik.

  15. Original von Settembrini
    gemeinsam das Abenteuer "meistert".

     

    Wenn es aber doch nicht so ist?

    Wenn das Lüge ist?

     

    Wie kann es Abenteuer ohne Gefahr geben?

     

    Wo ist da der unsichere Ausgang?

     

    Ok, hier scheint es Probleme mit der Abgrenzug des Konzepts der "Lüge" vom "dramatischen Handeln" zu geben. Dramatische Inszenierungen können durchaus unter der Prämisse eines gemeinsamen Einverständnissen über ihren Charakter als eben solche "ehrlich" praktiziert werden. Der Schauspieler im Theater belügt mich schlie?lich auch nicht, indem er eine Rolle verkörpert.

     

    Ich wei? auch nicht, wie du auf "ohne Gefahr" kommst oder darauf, dass der Showdown nicht beeinflusst werden könnte. Wer hat hier eine solche Spielweise propagiert? Ich bin für narratives Spielen (zumindest in meiner Gruppe), aber das hei?t doch nicht, dass die Handlungen der SC keinen Einfluss haben - ich versuche vielmehr, die Ereignisse immer in Richtung auf eine dramatische Entwicklung zu strukturieren. Im letzten Abenteuer, das ich gespielt habe, "Ewiges Eis" aus "Expeditionen" habe ich den halben Expeditionsverlauf und den geplanten Showdown geknickt weil die SC frühzeitig das Lager durchsucht haben und dabei jemandem auf die Schliche gekommen sind. Trotzdem gab's einen Showdown, eben nur unter etwas anderen Vorzeichen. Trotzdem handelte es sich um "narratives Spielen".

     

    Und keine Gefahr? ich kann auch nur aus meiner Erfahrung sprechen, da sind während der letzten 4 Abenteuer nur 2 Charaktere draufgegangen. Ist das nun zu wenig? Zu viel? Was wei? ich. Ich würfle prinzipiell alles offen, d.h. wenn jemand in einem Kampf stirbt, kann ich als SL auch nix dran ändern. Meine Spieler wissen aber auch, dass, wenn sie sich auf einen Kampf einlassen, sie mit Toten rechnen müssen.

     

    Ich denke, du schie?t hier auf Pappkameraden, Settembrini. Und selbst wenn nicht - selbst wenn jemand all seine Charaktere mit Samthandschuhen durch einen vorgegebenen Abenteuerparcours leitet, ist mir das reichlich egal. Ich will hier nicht darüber diskutieren, ob diese Leute fehlgeleitet sind, sondern darüber, wie ich die Bedürnisse meiner Spieler nach Handlungsfreiheit und nach dem erleben einer Geschichte sinnvoll gegeneinander abwägen kann, und zwar auch mit Hilfe von Tricks, die du als "Lügen" bezeichnest. Die konsensuelle Illusion ist die Grundlage des Geschichtenerzählens in allen Medien, und sie ist kategorisch grundsätzlich unterschiedlich von der taktisch-strategischen Täuschung durch Lügen. Meine Güte, wenn's sein muss, lies Habermas, um der Sache auf die Spur zu kommen ...

  16. Original von Settembrini
    Soll mir ja recht sein, dass die besonders schlauen Kinder längst durchschaut haben, dass das Krokodil den Kasper nicht wirklich fressen wird. Aber müssen sie damit den anderen Kindern auf die Nerven fallen, die das vielleicht genausogut wissen, sich aber für den Moment nicht drum scheren, weil sie lieber in die Illusion eintauchen wollen?

     

    Das ist das peinlichste Argument (nicht wegen Kasperle!), das ich jeh von einem erwachsenem Menschen gehört habe.

     

    Fühlt Euch ausgelacht und nicht mehr ernstgenommen.

     

    Adios.

     

    Natürlich wissen besonders schlaue Kinder auch, dass Settembrini nicht wirklich "Adios" meint, wenn er es sagt ...

     

    Aber mal ehrlich: wenn es nicht wegen dem Kasperle peinlich ist (das könnte ich ja noch ansatzweise verstehen), weshalb dann? Weil ich dafür plaädiere, dass Menschen legitimerweise absichtlich auch mal eine Reflektionsebene ausschalten oder zumindest aufschieben können? Tja, genau das ist es aber leider, was Menschen machen, wenn sie in Filme, Bücher oder Fussballspiele oder was wei? ich eintauchen. Das hei?t ja nicht, dass vorher oder nachher keine kritische Reflektion mehr möglich ist. Das wäre allerdings schlimm.

    (Du bemerkst übrigens möglicherweise, dass ich zum autoritären akademischen Duktus zurückgekehrt bin und Worte wie "Reflektionsebene" verwende. Ups, da handelt es sich wohl ein Reflex auf die allzugro?e Ehre, von dir geihrzt zu werden, werter Settembrini.)

  17. Mir ist gerade eingefallen, dass ich ja auch Spieler bin, wenn auch bei DSA und nicht bei Cthulhu. Und da werde ich, wie es sich für DSA gehört, durchaus dann und wann mal heftiger "gerailroadet". Solange das auf gemeinsamen Aushandlungsprozessen basiert, habe ich dagegen nichts einzuwenden. Damit sei also eine "Spielerperspektive" eingebracht.

     

    Wo wir gerade bei DSA sind, möchte ich noch auf die Gemeinsamkeiten von Rollenspiel und Kasperletheater hinweisen: wer mal mit einem kleinen Kind beim Kasperletheater war, wei?, dass es, wenn es gut ist, interaktiv funktioniert, d.h. die Geschichte auf Zuruf der Kinder minimal variiert wird ("Hinter dir, Kasper! Hinter dir ist das Krokodil!"). Die Kinder fahren auf den Aspekt auch meistens voll ab. Andererseits wäre es sicher kein gutes Kasperletheater, wenn man den Kindern sagen würde: "Das ist Kasper. Er schmeckt dem Krokodil. Das ist das Krokodil. Es will Kasper fressen. So, jetzt, seht mal, was ihr dagegen unternehmt, ihr Halbwüchsigen."

     

    Will sagen: Das Kasperletheater rei?t mich heutzutage nicht mehr vom Hocker, die Erfahrung aber, an einer Geschichte teilzunehmen, habe ich trotzdem ganz gerne. So oder so muss dafür aber in gewissem Ma?e eine geschichte stattfinden, d.h. ich muss auch teilweise Konsument sein können, mich in wechselnden Graden einbringen, mit wechselndem Nachdruck die Ereignisse in eine bestimmte Richtung drängen oder ihnen ihren Lauf lassen. Und ich will, dass die Ereignisse auch ohne mein ständiges Zutun interessante Wendungen nehmen, und - ja - einer groben Dramaturgie folgen. Dazu gehört nicht zwangsläufig ein Showdown am Ende, sehr wohl aber meistens ein Umgang mit der Erwartung eines Showdowns (eine bewusste Enttäuschung der Erwartung, eine Verschiebung des Abenteuerziels im Lauf der Geschichte z.B.).

     

    Und ich betone nochmals: Eine Dramaturgie mag sich ergeben, das ist dann gro?e Klasse, aber wenn man als SL kein Universalgenie ist, dann ist man vielleicht glücklich über ein dramaturgisches Gerüst, um die Erfahrung einer Geschichte zu erzeugen.

     

    Um nochmal zur Metapher zurückzukehren: Soll mir ja recht sein, dass die besonders schlauen Kinder längst durchschaut haben, dass das Krokodil den Kasper nicht wirklich fressen wird. Aber müssen sie damit den anderen Kindern auf die Nerven fallen, die das vielleicht genausogut wissen, sich aber für den Moment nicht drum scheren, weil sie lieber in die Illusion eintauchen wollen?

  18. @Settembrini:

    Ja glaubst du denn, dass Spieler, die am Spieltisch so eingeschüchtert von ihren Autoritären SL-Dramaturgen sind, es in der Íffentlichkeit des www wagen würden, wahrheitsgemä? zu erklären, dass sie den Spielstil ihres SL so sehr hassen? Dass sie sich nur deshalb alle zwei Wochen zur Spielsitzung quälen, weil sie fürchten, ihr Spielleiter würde sie oder sich selbst bei Nichterscheinen aus dem Fenster oder ins Messer stürzen?

  19. Eine Geschichte ist die Reglementierung von Ereignissen. Bestes Beispiel sind Biographien, die aus den Ereignissen auswählen, sie ausschmücken, verkürzen und abwandeln, um eine Abfolge in eine Geschichte zu verwandeln. Das hei?t nicht, dass alles nach Schema F präsentiert werden muss, aber sehr wohl, dass eine Geschichte einfach "passiert", wenn man den Ereignissen seinen Lauf lässt. Sicher, es kann dazu kommen, aber das ist eher unwahrscheinlich.

    Am Spieltisch ist aber die Aufbereitung und Gewichtung von Ereignissen nicht so einfach möglich, wie das z.B. der Autor einer Biographie machen kann, um Ereignisse in eine Geschichte zu verwandeln. Und deshalb kann es sinnvoll haben, wenn das Abenteuer ein "reglementierendes" dramaturgisches Gerüst bietet.

     

    Edit @Dingo:

    Verstehe das zwar so, dass du für den Geschichtenaspekt eintrittst, trotzdem aber der obige inhaltliche Einwand.

  20. Jetzt ist es wieder die Railroading-Diskussion geworden ...

     

    Es ist doch ganz offensichtlich, dass es um unterschiedliche Ansprüche ans Spiel geht, die sich eben nicht ALLE unter einen Hut bringen lassen.

     

    1. Komplexität und Handlungsfreiheit: Das Abenteuer soll einen glaubwürdigen Hintergrund liefern, mit dem ich als Spielleiter die Charaktere interagieren lassen kann, ohne sie zu bevormunden. Das fordert Settembrini. Die Billigversion von sowas ist ein Dungeon, in dem die Charaktere sich freu bewegen können, der aber meistens unglaubwürdig und künstlich begrenzt ist und keine interessanten Herausforderungen zu bieten hat. Komplexere Beispiele sind dagegen z.B. das Abenteuer "Triebfedern" aus dem Unknown Armies Basisbuch, und auch einige alte MERS-Module.

     

    2. Charakterentwicklung: Für manche Spieler ist es zentral, dass ihre Charaktere sich entwicklen können, Freiraum haben und auch mal was vom SL zugestanden kriegen (z.B. die eigene Galerie für die Kunstkennerin).

     

    3. Dramaturgie: Natürlich kann man sagen, das Abenteuer ist das, was sich aus dem Handeln der Charaktere ergibt. Ob daraus dann aber eine Geschichte wird, ist eine ganz andere Frage, denn eine Geschichte braucht eine Dramaturgie. Wer glaubt, Spannung und das Gefühl eines geschlossenen Handlungsbogens lie?en sich einfach aus dem ?rmel schütteln, hat noch nie selbst versucht, einen erzählenden Text zu schreiben. Auch und gerade zur Dramaturgie gehören eine Menge detaillierte ?berlegungen. Auf diesen liegt bei den "verbrämten Kurzgeschichten" eben der Schwerpunkt; und das hat auch seinen Sinn, weil der durchschnittliche Spielleiter eben nicht noch nebenbei die Fähigkeiten eines erfahrenen Romanautoren hat, Figurenkonsistenz und Dramaturgie intuitiv in Einklang zu bringen - noch dazu ganz spontan am Spieltisch. Also braucht es dramaturgische Vorschläge, Vorüberlegungen, Eckpunkte - Zumindest, wenn die Gruppe Wert darauf legt, eine Geschichte (im Gegensatz zu einer Abfolge von Ereignissen) zu erleben.

     

    Anders gesagt: ich habe gar nichts dagegen einzuwenden, wenn Abenteuer teilweise auch "verbrämte Kurzgeschichten" sind, solange es gute Kurzgeschichten sind. Andererseits ist es natürlich wünschenswert, dass Punkt 1 soweit bedacht wird, dass das Abenteuer auch als Material für einen freieren Spilstil genutzt werden kann.

     

    Was ich echt nicht kapiere ist, warum hier der Aspekt der "Geschichte" beim Rollenspielen so verwerflich gemacht wird.

  21. Bei allem berechtigten ?rger über Verzögerungen ist aber auch zu bedenken, dass es um das definitive deutsche Cthulhu-Regelwerk für einige Jahre geht, bei dem alle Macken besonders schwer wiegen. Da ist es vielleicht doch gerechtfertigt, es noch mal zurückzuhalten, wenn vielleicht noch Kleinigkeiten auszubessern sind, oder? Au?erdem ist das Cthulhu-Team in manchen Bereichen so gro? auch nicht, und wenn sich ein Band verzögert, kann es schon mal zu Staueffekten bei Nachfolgetiteln, z.B. im Layout, kommen.

     

    OK, ich besitze schon ein komplettes Regelwerk (genaugenommen die erste, einbändige Pegasus-Version + SLHB), von daher bin ich nicht so in Not. Aber wenn schon eine neue Version, dann möchte ich auch wissen, dass die wirklich mit aller gebotenen Sorgfalt erstellt wurde.

  22. Original von Settembrini
    Und wer verbietet einem in einer Sequenz in der ein kniffliges Problem zu lösen ist ein taktisches Abenteuer zu spielen und darüberhinaus als langfristige Komponente ein psychologisches Erzählspiel zu inszenieren und in kurzen Nebenhandlungen zur Entspannung einmal etwas pulpiger zu werden?

     

    Weil so wie Du es sagst, es inkonsequent und also mindestens in einem Punkt dysfunktional ist.

     

    "Dysfunktional weil inkonsequent" ist nun allerdings leider Unsinn.

     

    Funktionalität gehört in den Bereich der Pragmatik - Funktional ist das, was einem gegebenen Zweck auf möglichst unkomplizierte Weise zuträglich ist.

     

    Konsequenz ist ein idealistisches Konzept; Hier geht es nicht um das möglichst unkomplizierte Erreichen eines Ziels, sondern um das durchhalten eines bestimmten Aussage- oder Handlungsprinzip.

     

    Beides schlie?t einander zwar nicht aus, aber es gibt wohl genügen Beispiele für Handeln, dass inkonsequent, aber im Rahmen gegebener Zwecke absolut funktional ist. Tatsächlich ist das von dir kritisierte Konzept ein gutes Beispiel für "Funktionalität (im Sinne des Spie?spa?es) vor Konsequenz".

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