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[Nightmare Files] Prolog - Die Anreise


Der Läuterer
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„Betrachten Sie diese Männer, wie sie Ausschau halten. Versehnt. Nach einem Sinn im chaotischen Wellengang. Woran mögen Sie denken ? Empfinden sie Ihr Leben als erfüllend oder tragen sie alle auch eine Last aus der Vergangenheit oder sind sie erschlagen von den Wogen der Gegenwart ? Na gut, ich male vielleicht etwas schwarz. Ich denke wirklich, dass es gut ist sich einmal fern ab des Herzschlages dieses pulsierenden Molochs Europa einen kurzen Moment der Besinnung zu geben. Und die frische Luft wird uns allen gut tun.

 

Aber - und das möchte ich unverblümt sagen - ich möchte die Hypothese aufstellen, dass der momentane Puls der Zeit uns - seine Kinder und Kreateure - eines Tages verschlingen wird. Es ist nicht gesund für einen Menschen, wenn er gleich einer Maschine im Gleichschritt der Vorgabe des Fließbandes folgt. Wir können so ein Meisterwerk wie den Hindenburgdamm nach Sylt bauen, eine Insel an einen Kontinent binden, aber schaffen es nicht unseren Nachbarn, unseren Freund, unseren Bruder oder unseren Sohn von einer simplen Krankheit zu heilen oder es alleine schon ohne Abscheu zu betrachten. Hat jemand von Ihnen diesen Film gesehen ? Von diesem Lang ? Metropolis ? Worauf steuert unsere Gesellschaft zu ? Worauf werden wir hingesteuert ?

 

Wer von Ihnen würde denn sich hier und jetzt hinstellen und guten Gewissens behaupten können, dass das Volk noch irgendwo seinen Willen bekunden darf und selbst, wenn es das täte, es irgendeinen der hohen Herren - egal welchen Landes - beeinflussen würde ? Wir werden gesteuert und ich meine behaupten zu können, dass wir wieder auf die nächste Katastrophe zusteuern.

Vielleicht nicht nächste Woche. Vielleicht nicht im nächsten Jahr. Aber wo wird unser Kontinent stehen in 10-15 Jahren ? Wird er erblühen oder im Blut eines neuen Krieges ertrinken ? Was wird sein 1930, 1940, 1950 ?

 

Und dieses arme Mädchen hat Angst vor dem bösen Wolf. Wer wird ihm verraten, dass der größte Wolf schon in ihm steckt ? Wie in jedem Menschenkind egal welchen Alters. Der Mensch ist des Menschen Wolf; lupus est homo homini. Wir schaffen es mit einer Dunstwolke hunderte von Menschen zu töten, aber nicht diesem armen Kind seine Angst zu nehmen. Ja, und der kleine Mann im Zug ? Hat er nicht schon den Wolf des Hasses und des Vorurteils in sich ? Habe Angst, möchte man diesen Kindern zurufen. Lauft zu Euren Müttern und sucht Trost, so lange Ihr noch nicht auf den Feldern der sogenannten Ehre auf dem Altar der Moderne geopfert werdet und durch das Blut und den Kot und das Erbrochene Eurer Kameraden stapfen müsst oder Euch vor Verzweiflung die Haare rauft, während Ihr auf die Rückkehr Eurer Männer wartet und .... Fürchterlich. Verzeihen Sie.

 

In mir steigen die Bilder des Krieges auf. Was für Schrecken habe ich gesehen. Und ich bin nicht der einzige gewesen.

 

Was meinen die Herren dazu, die mich nach Herm begleiten ? Ich hoffe, es stört Sie alle nicht, wenn ich ein wenig politisiere."

Edited by Fragmentis
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Die Zeit der Überfahrt geht langsam dahin.

An Bord ist es nicht langweilig. Hier und dort gibt es Gewöhnliches oder Interessantes.

 

Eine Gruppe von Frauen sitzt mit ihren kleinen Kindern Backbord an der Reling.

 

http://www.blogto.com/upload/2011/06/2011626-ferry-passengers-1908-f1244_it0234.jpg

 

Am Heck der Fähre haben sich viele Passagiere versammelt, um einer Blaskapelle zuzuhören.

 

http://www.rochestersubway.com/images/photos/ontario1-rochester-common-council-outing-1912-02.jpg

 

Dann... Urplötzlich. Wie aus dem Nichts wird das Wetter schlechter und Wolken bilden sich, die sich schnell zusammenziehen. Die Passagiere schlagen die Kragen ihrer Mäntel hoch.

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"Selbst das Wetter scheint den aufkommenden Problemen den rechten Rahmen verpassen zu wollen."

 

Ich schlage meinen Kragen auch hoch.

 

"Was halten Sie alle davon, wenn wir uns unter Deck begeben und versuchen, eine Kleinigkeit zu essen zu erstehen. Mir knurrt der Magen trotz Wellengang."

 

Ich lächle den Umstehenden unbeholfen zu und strecke meinen Arm galant Frau Stürmer entgegen, auf dass sie sich einhaken möge und winke Nathaniel zu.

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"Ja, Sie haben Recht" murmele ich, und nehme seinen Arm. Ich schaue Luni an.

"Haben Sie keine Angst, der Wolf ist sehr gut erzogen. Er ist meinen treuen Begleiter, seit ich in der Klinik gewesen bin"

Ich schaue zu Rick, und nicke höflich.

"Wir brauchen uns keine Lungenentzündung zu holen"

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Ein älterer Mann nimmt seinen Feldstecher herunter und stupst Bernward leicht am Arm an, gerade als Ihr gehen wollt. Und er deutet dabei mit dem anderen Arm gen Westen. "Na, meen Jong. Kieke oenmoll dor."

 

Du folgst dem Arm und siehst ein Schlachtschiff, das auf spiegelglatten Wasser dahingleitet.

 

http://i.imgur.com/04dkxdR.jpg

 

"Ik krieg en Gooshuud. Ooch hei joo. Des is dei HMS Dreadnought. En wacker Mennowoar."

 

Geräuschlos gleitet sie dahin... wie ein Papierschiffchen.

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Ich habe meine Jacke ausgezogen, um sie um meinen Bücherstapel zu wickeln und diesen damit vor der Witterung zu schützen. Dennoch tanzt ein Lachen in meinem Gesicht, während ich in meinem lumpigen braunem Pulli im Regen stehe. Gerne folge ich Bernwards Aufforderung, geselle mich zu ihm und Matilde und sage dabei:

"Gerne doch, eine gute warme Mahlzeit, genau so muss man es nehmen Bernward! Man muss das beste aus dem machen, was kommt. Auch ich sehe dieses Kriegsschiff dort hinten und auch ich sorge mich, ob es erneut einen großen Krieg geben könnte. Dennoch erfreue ich mich an den kleinen Dingen, an den guten Dingen. Menschen wie ihnen und mir, die gegen Krieg und Vorurteile sind. Ich meditiere, versuche mit mir selbst in das Gleichgewicht zu kommen, um dann etwas an der gesamten Lage ändern zu können, um die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.

Bernward, wollen wir nicht einfach gemeinsam versuchen, diese Welt ein bisschen besser zu machen, statt missmutig unseren Kopf in Sorgen zu vergraben?

Miss Stürmer wird dem sicherlich auch beipflichten, dass es stets besser ist, wenigstens zu versuchen etwas zu ändern.

Ich denke wir sollten direkt nach unserer ersten Meditationsrunde die Köpfe mal über diesem Thema zusammenstecken, Bernward!"

Ich lache leise, lege ihm meine Hand auf seine Schulter und bin im Begriff mit ihm unter Deck zu gehen.

Edited by Tac
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Bernwards Worte kreisen in meinem Inneren wie lodernde Kreisel von Scherben, Scherben eines Spiegels, der zerbrochen galt (Hans), und geflickt wurde (Hartmut). Gut - schlecht?, nicht zu beurteilen, was ist, das ist, das Beurteilen überlasse ich meinen Mitmenschen, meinen Leidensgenossen, Freya, der lieben Freya, die so stur meine Launen erträgt und sich an die Hoffnung klammert, der Spiegel möge immer verhüllt bleiben. Aber er ist da, die Risse wachsen zusammen und hinterlassen einzig Narbengewebe, dass es womöglich noch scheußlicher macht, noch unerträglicher?

"Ich denke, dass es nichts hilft, sich vor den Anzeichen zu verschließen, dass es nichts hilft zu hoffen, wo doch Achtsamkeit vonnöten ist. Der Mensch neigt zur Selbstzerfleischung, er ist gemacht, um sich Leid zuzufügen, wo ihm keine Grenzen gesetzt werden. Sind wir nicht deshalb hier? Irgendjemand muss es einmal aussprechen: Wir sind die Restschlacke eines ach so perfekten Gefüges aus Metall und Beton - eine Maschinerie, die unaufhaltsam Zahnräder spuckt und im Gerüst knirscht und unter Tränken aus Öl und Rausch ächzt und jauchzt und doch nicht mehr unterscheiden kann, ob dies Freude oder Qualen sind." Ich drehe mich zu Bernward um und blicke ihm tief in die Augen. Dann flüstere ich unheilvoll: "Mit anderen Worten: Ich habe Angst vor dem nächsten Ausbruch der menschlichen Natur." Dann schaue ich zu Nathaniel und lächle entschuldigend. "Ihre Einstellung in allen Ehren, aber es fällt mir einfach schwer, mir vorzustellen, wie Sie etwas verändern wollen." Beinahe ist ein flehendes Funkeln in meine Züge getreten.

Im Inneren wünsche ich mir, seine naiven Hoffnungen teilen zu können, doch nach allem, was ich durchgemacht habe, nach all den Metamorphosen, Veränderungen, Entwicklungen ist es mir trotzdem unmöglich, mein Weltbild grundlegend auszuhebeln. Ja, ich bin ein anderer Mensch geworden, ich bin Paul Anderson, doch das hilft nicht gegen die entsetzliche Realität.

"Gegen etwas zum Essen hätte ich allerdings auch nichts." löse ich die Spannung auf, die um uns herum zu knistern beginnt.

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Ihr geht in den überdachten Bereich der Fähre hinein. Viele Passagiere haben sich hier bereits versammelt, um sich vor der Witterung zu schützen. Die Warteschlange an der Theke zu Essensausgabe ist lang.

 

Trotz der langen Warteschlange sind die Mitarbeiter engagiert und freundlich.

http://i.ebayimg.com/00/s/NTI1WDY0NQ==/z/rkUAAOxy0NtTFs2j/$_35.JPG

 

Es gibt heisse Kartoffelsuppe mit Würstchen und Speck.

 

Es duftet köstlich.

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Einige Passagiere haben sich schon ihr Essen abgeholt und geniessen die Mahlzeit.

http://www.holocaustresearchproject.org/nazioccupation/images/Winterhilfe%20Soup%20kitchen.jpg

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Ich hole mir auch ein Teller Suppe, und setze mich hin.

Ich rede sogut wie nicht, und konzentriere mich aufs Essen.

Ab und zu schaue ich nach draussen.

Ich fühle mich wieder in Gefangenschaft.

Das hasse ich, und das kann man auch sehen, und spüren.

Edited by Nyre
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Völlig unerwartet fällt ein grosser Schatten auf Dich. Du hörst Cole's brummige Bass-Stimme. "Essen sie weder Fleisch noch Kartoffeln, sonst wird es Ihnen Leid tun, Frau Stürmer. Nur ein guter Rat."
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Cole scheint leicht amüsiert. Er beugt sich über Dich und Du riechst seinen sauren Atem, als er zu Dir spricht. "Schon gut, Frau Stürmer. Schon gut."

...

"Vergessen Sie, dass ich etwas gesagt habe. Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit."

Edited by Der Läuterer
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Ich setzte mich vor Kopf an den Tisch und raune der erblassten Italienerin zu: "Schauen Sie ihm nicht in die Augen, dass könnte er als Affront oder gar als Herausforderung verstehen..."

Ich verziehe mein Gesicht, fasse mir in den Nacken, gebe dem Gefühl nach, meine Nackenwirbel betasten zu müssen.

 

Im nächsten Moment atme ich tief durch, führe meine Hände zu dem Besteck, ein Lächeln spielt sich wieder auf mein Gesicht zurück und ich fange manierlich an, meine Suppe zu löffeln.

Da die Herrn Anderson und Borwic zu beiden Seiten neben mir sitzen, versuche ich unser Gespräch fortzusetzen:

 

"Paul, verändert sich den nicht schon etwas dadurch, dass drei vernunftbegabte Menschen, wie wir es sind, uns über die Missstände in der Gesellschaft unterhalten? Damit, dass wir eine produktive Diskussion anstoßen?

 

Der nächste Schritt ist einfach, " Ich pausiere kurz, wische mir die Mundwinkel ab "dass im Anschluss jeder von uns seiner Seits wieder auf andere vernunftbegabte Menschen zu geht und diese Diskussion und unsere Erkenntnisse weiter trägt." Selbstbewusst und Zuversichtlichkeit ausstrahlend halte ich direkten Augenkontakt mit ihm.

 

"Ich glaube nicht nur, dass wir etwas bewegen können... Ich weiß es. Das versichere ich ihnen aus vollster Überzeugung. Wenn eine Gruppe von Menschen ein Ziel, ein Ideal vor Augen hat, das sie erreichen wollen. Wenn diese Gruppe bereit ist, alles für dieses übergeordnete Ziel zu geben, dann können diese Menschen Berge versetzen!

Ich zumindest, werde keinen Tag länger schweigend herum sitzen und meinen Kopf in den Sand stecken. Ich werde für das einstehen, woran ich glaube und selbst mit dem letzten Funken Energie darum kämpfen." Während der letzten Worte spürt man Aufregung und Mut in meiner Stimme. Meine Augen, die noch immer Herrn Anderson fokussieren, strahlen Entschlossenheit und Willenskraft aus. Meine Atmung wurde heftiger und die Adern ließen sich auf meinem Hals erkennen.

Nun senkt sich meine Atmung, ich räuspere mich leise, richte die Serviette erneut auf meinem Schoss, falte sie langsam und penibel zusammen und lege sie neben meine leere Schüssel. Ich lehne mich zurück und beobachte die Reaktion meiner Gesprächspartner, ebenso wie meine sonstige Umgebung.

 

War ich zu laut? Zu exzentrisch? Anderer Seits, kann man es in dieser Art übertreiben, wenn man Menschen wachrütteln möchte? Wenn man Sie wahrhaft zu überzeugen sucht?

Ich werde etwas verändern!

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