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Narrenschiffe?


Deep One
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Eine angebliche spätmittelalterliche/frühneuzeitliche Praxis im Umgang mit Wahnsinnigen bestand darin, Geisteskranke auf sogenannten Narrenschiffen auszusetzen und den Flu? hinabtreiben zu lassen.

 

Da ich denke, dass sich ein Abenteuer, welches solch ein Narrenschiff zum Thema hat, quasi von selber schreibt, habe ich mich in die Weiten des Internets aufgemacht, um nähere Informationen einzuholen.

 

Es scheint, dass Narrenschiffe nicht tatsächlich existiert haben, sondern der Begriff durch Sebastian Brants Allegorie gleichen Namens geprägt wurde. Viel später hat dann der französische Philosoph Michel Foucault diese frühe urbane Legende für echt erklärt und seither geistert diese Mär in sozialwissenschaftlichen Schriften herum.

 

Wenn es Narrenschiffe also nie gegeben hat, ist das ja einerseits sehr schön, weil ich dann frei in der Gestaltung des Abenteuers bin, ohne dass mir ein Spieler alles durch eine einfache Google-Abfrage zerschie?t. Andererseits interessiert es mich als Geschichte-Student ja doch, ob ich da nicht etwas übersehen habe.

 

Daher zwei Fragen:

 

Gibt es Belege für die Existenz von Narrenschiffen, die das Internet mir vorenthält?

 

Gab es da nicht mal was in einer Pegasus-Publikation, in einer CW vielleicht?

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Angesichts der Tatsache, dass Flüsse in jener Zeit so etwas wie die Autobahnen waren und die wichtigsten Handelsrouten, die man mit hohem Aufwand sicherte (militärisch und verkehrstechnisch), halte ich es alleine schon aus praktischen Aspekten her für sehr unwahrscheinlich, dass man ein Schiff oder Boot voller Geisteskranker einfach mal so den Flu? runtertreiben lässt.

 

Die Gefahr für den Schiffsverkehr wäre wohl ziemlich hoch, wenn man vor allem mal davon ausgeht, dass es sich schon um eine grö?ere, flu?nahe Gemeinde handeln muss, wenn man ein ganzes Schiff voller Geisteskranker voll bekommt.

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Passt nicht ganz zum Thema, wenn dich aber Geistesgestörte (hier fallen zu der Zeit auch Behinderte rein) und deren Situation im Mittelalter interessieren:

 

England 1147: Eingesperrt in einer verfallenen Inselfestung, fristen sie ein menschenunwürdiges Dasein, weil sie nicht zu den Kindern Gottes zählen: Simon hat die Fallsucht. Edmund hält sich für einen toten Märtyrerkönig. Regy ist ein Mörder und so gefährlich, dass er an einer Kette gehalten werden muss. Losian hat sein Gedächtnis und seine Vergangenheit verloren. Ausgerechnet Letzterem fällt die Führung dieser sonderbaren Gemeinschaft zu, als eine Laune der Natur ihnen den Weg in die Freiheit öffnet. Er bringt die kleine Schar zurück in die wirkliche Welt, wo Hunger, Not und Rechtlosigkeit herrschen. Auf ihrer Reise gelangt er zu erschreckenden Erkenntnissen über den Mann, der er einmal war. Und gerade als er einer Frau begegnet, mit der ein Neuanfang möglich scheint, beginnt Losian zu ahnen, dass er die Schuld an dem furchtbaren Krieg trägt, der England zugrunde zu richten droht ...

 

klick

 

Ich liebe ihre Bücher, spannend und unterhaltsam geschrieben, einige Fakten aus der Zeit und auch sicher einige Ideen für Plots. Am 20. Mai 2011 kommt auch das Taschenbuch raus.

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*Nickt* Und wenn man dazu überlegt, dass Schiffe/Boote ja nun auch nicht soo preiswert sind und nichts die Wahnsinnigen daran hindert, den Kahn bei nächser Gelegenheit am Ufer auf Grund zu setzen und davonzuspazieren ... darauf wäre dann im Abenteuer in irgendeiner Form einzugehen.

 

SirRobert: Danke für den Tip!

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Naja, Salem lehrt doch auch irgendwie, dass Wahnsinnige (oder nur leicht Verhaltensgestörte) häufig mit dem Teufel in Verbindung gebracht wurden... und da ist so ne Kreuzfahrt doch dann keine wirklich angemessene Strafe, oder?

 

Der Narr hat in der Literatur ja auch eine andere Konnotation: Er ist der einzige, der frei sprechen kann und deshalb der Obrigkeit (und dem neu entstandenen Bürgertum) ungestraft den Spiegel vorhalten darf...

 

Das Narrenschiff (Brants) ein eher ein Spiegel der Gesellschaft, der sich mahnend an den sieben Todsünden und an dem Bruch der zehn Gebote abarbeitet und wohl hauptsächlich durch die Stiche so populär wurde.

 

Heute wär das Narrenschiff wohl so ne Art Party und Vergnügungsdampfer mit völlig normalen Jugendlichen und Alkopops

 

:D

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Hehe, wohl wahr. "La? uns diese armen Seelen, von denen wir annehmen, dass sie von bösen Geistern besessen sind, mal alle zusammen vom Hof jagen. Ein Haufen sich selbst überlassener, böser Geister allein auf weiter Flur ... was kann da schon schiefgehen?" :D

 

Ich schätze auch, dass mein fiktives Narrenschiff eher in der frühen Neuzeit zu verorten wäre, so mit Reformation und sozialen Umwälzungen und wat nich alles ist es da eher vorstellbar, dass eine Stadt so was durchzieht, zumal wenn sie vielleicht durch eine rattenfängerartige Gestalt hinter einer bleichen Maske dazu motiviert wird ... macht auch das Handoutschreiben einfacher. :)

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Von echten Narrenschiffen habe ich in der Frühen Neuzeit noch nie gehört, wohl aber von etwas ähnlichem:

 

Das 1628 vom Stapel gelaufene schwedische Kriegsschiff Vasa war ein gewaltiger Kahn, der aber die offene See nie erreicht hat. Schiffbau war noch trial-and-error und die Vasa schlicht nicht seetüchtig.

Im 20ten Jahrhundert hat man das Schiff wiedergefunden und darauf auch die Skelette der Kernbesatzung, welche beim Stapellauf an Bord war. Dabei handelte es sich zu einem gro?en Teil um Entstellte, Krüppel oder vermutlichen Kriminellen so dass die Forschung vermutet dass man um die Himmelfahrt-Wahrscheinlichkeit des Stapellaufs wusste und "entbehrliche" Besetzung an Bord gestellt hat...

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Das Konzept von einem "Narrenschiff" finde ich hoch spannend, habe vorher nie davon gehört.

 

Allerdings würde (ohne Recherchiert zu haben) meine Logik auch dafür plädieren, dass es unwahrscheinlich ist Geisteskranke völlig alleine auf einem Schiff einen Flu? runter schippern zu lassen.

 

Ich würde mir so ein Narrenschiff eher wie eine Art Sträflings- oder Aussätzigentransport vorstellen. Also mit einer "normalen" Besatzung, die eine zusammengepferchte Gruppe Geisteskranker irgendwo hinverschifft, zu einer speziellen Kolonie oder so.

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Aber da es solche Dinge wie Gefängnisse, Irrenanstalten, Häftlingskolonien und eigentlich auch abgesonderte Kranken-/Aussätzigenkolonien im Mittelalter so nicht gab halte ich das auch für unwahrscheinlich.

 

Ich denke eher dass es sich bei dem Bild des Narrenschiffs - ähnlich z.B. dem Totentanz - um ein Symbol und nicht Abbildung etwas real gegebenen handelt.

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