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Stereotypen - Gut oder Schlecht?


Corpheus
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Viele gute Geschichten arbeiten mit Sterotypen... andere gute Geschichten brechen mit Stereotypen und werden gerade dadurch gut.

Shadowrun bietet hier sehr viele Stereotypen und archetypische Situationen.

 

Wie haltet ihr das als Spielleiter... versucht ihr Stereotypen zu vermeiden oder setzt ihr sie bewußt ein, um gewisse Situationen, Personen und Gegenden zu charakterisieren???

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Ebenso! Damit der Bruch des Stereotyps auch inhaltlich zieht, muss man ihn erst einmal bedienen, weil ansonsten der gebrochene Stereotyp zum neuen Stereotyp wird.

Zu SR2-Zeiten hatte ich mal nach all den Johnsons, die einen nur reinlegen wollen und sowieso bei der Geldübergabe mit 'nem Sniper auftauchen, ausnahmsweise einen ehrlichen Johnson. Das hat die Spieler so nervös gemacht, als der ihnen einfach so das Geld geben wollte, dass sie ihn sicherheitshalber erschossen haben. Als sie nachher feststellen mussten, dass da ECHT keine Falle war, hat sie das so betroffen gemacht, dass sie prompt dem nächsten unehrlichen Johnson auf den Leim gegangen sind.

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Viele gute Punkte! Ich stimme teils zu, muss aber unterscheiden: vor allem Minderheitenstereotype entbehren aller Grundlage und sind so diskriminierende Erzählfaulheit. Also nichts für mich.

Ich versuche (!), ALLE NSC mit einer wenigstens zweidimensionalen Persönlichkeit auszustatten. Alle haben irgendwo Tugenden, Schwächen, Ecken und Kanten. Es muss also abwechslungsreich und flexibel bleiben, auch und insbesondere wenn ein NSC charakterlich teils nah an einem Stereotyp liegt.

 

Stereotype sind in meinen Runden also letztlich nur das gedankliche Sprungbrett der Gruppe, um immer wieder die Komplexität und fehlende Reduzierbarkeit des Lebens abzubilden - im Idealfall. :-)

Edited by Uli
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Bei mir sind Stereotypen gewissermaßen Platzhalter für NSCs, die derzeit nicht spielrelevant, aber anwesend sind. Meist ergibt sich das im Zusammenspiel mit den Spielern - ohne große Erklärung stimmt man überein, dass der dickliche Barkeeper den Tresen wischt, der Kon-Bodyguard mit steinerner Miene seinen Schützling flankiert und der Squatter in zerschlissenen Klamotten im Hauseingang rumlungert.

Allerdings verhalten sich manche NSCs nach bestimmten Mustern, wenn ich diese für "typisch" halte, aber ob das noch als stereotypisch gilt?

Ansonsten versuche ich, zumindest "angespielten" SCs ein paar Eigenheiten zukommen zu lassen, um sie lebendiger zu gestalten.

In meinen Gruppen war es dann meist der Bruch mit (erwarteten) Klischees und Vorurteilen, die witzige Situationen ermöglichten, v.a. wenn manche Spieler auf Grund von MMORPGs und Computerspielen bestimmte Erwartungshaltungen entwickelten (nein, nicht jeder Anzugträger in der Bar ist Johnson oder Mafiosi und die "Johnson"-Bar wurde nach ihrem norwegischen Eigentümer benannt...).

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Ich nutze gerne Stereotypen, weil viele Rollenspielbegegnungen darüber eben nicht hinausgehen.

 

Das ist in der Realität ja nicht anders. Nicht alle Menschen sind so individuell, ich würde sogar sagen: die wenigsten sind so individuell, dass man sie bei einem nur oberflächlichen Kontakt nicht als Stereotyp wahrnhmen kann (mit ein paar Details wie Haarfarbe, Größe etc. die nicht zum Stereotypen gehören und immer mit erwähnt werden). Der bullige Türsteher (dem man dann aufgrund der Statur einen eher niedrigen IQ unterstellt, hier wie da, was aber letztlich nix zur Sache tut), der in Paragraphen sprechende, weltfremde Beamte (der in Wirklichkeit halt wie jeder ein Fachidiot ist und im Alltag eine Fachsprache spricht, die der Bürger meist nicht versteht). Etc. Würde ich die Menschen näher kennen lernen, würden sich automatisch genug Facetten ergeben, die sie von dem Stereotypen unterscheiden, aber so weit kommt es ja meistens nicht. Und da das gleiche für die meisten Begegnungne mit NSCs gilt, finde ich die Verwendung von Stereotypen völlig ok. Türsteher sind nunmal fast alle kräftig gebaut, das ist Einstellungsvoraussetzung, kein Klischee.

 

Dementsprechend kann man das Klischee dann ab und zu bewusst brechen, um interessante Situationen zu schaffen oder besondere NSCs sofort so zu schildern, dass Spieler sie nicht übersehen. Aber bitte nicht immer, wie Finarfin so gut bemerkt hat.

 

Und auch aus stereotypen NSCs können sich eben bei näherer Beschäftigung mit ihnen immer noch facettenreiche, individuelle Charaktere ergeben (vgl. auch das GRW zu Wissensfertigkeiten: zwei Samurai mit identischen Werten, aber unterschiedlichen Wissensfertigkeiten unterscheiden sich eben doch gewaltig). Ich habe meinem weiblichen Ares-Johnson ene Ork-Leibwächterin mitgegeben. KON 7, Ares Alpha, Kunstmuskeln. Aber der Troll fand die Gute irgendwie interessant und hat sich mit ihr erstmal ein Blickduell geliefert, woraus dann ein Date wurde. Das ist dann der Zeitpunkt, wo der NSC etwas mehr Futter braucht. Als Urban Brawl Fan (Ares Predators!) mit etwas familiärem Hintergrund ist sie am Ende immer noch relativ stereotyp (sie sollte den Spielern hauptsächlich zeigen, wie gehirngewaschen eine Konzerndrohne ist), aber dennoch ein Charakter, der in Erinnerung bleibt.1 Mit jedem Kontakt kommt aber irgendwas dazu, sodass es eher die Intensität und Anzahl der Interaktionen ist, die die Tiefe von NSC-Beschreibungen bestimmt, und nicht, ob sie Stereotypen sind oder Individualisten.

Das merkt man auch am Umkehrschluss: Ich baue einen NSC mit Generierungssystem und schreibe dazu 5 Seiten Hintergrundtext, die Runner sehen den Typen aber nur einmal für 2 min und wechseln 3 Sätze mit ihm. Was wird den Spielern von dem NSC im Gedächtnis bleiben? Bestenfalls wohl der Stereotyp, dem der NSC in der kurzen Zeit am nächsten kam. ;)

 

1 Und wenn die Runner von ihrer Weltreise zurück sind, werden sie erfahren, dass auch NSCs in der Zwischenzeit unschöne Dinge passieren können...

Edited by Sam Stonewall
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vor allem Minderheitenstereotype entbehren aller Grundlage und sind so diskriminierende Erzählfaulheit.

 

Kommt darauf an. Aus dem Bettler am Bahnhof einen Ork zu machen, ist stereotyp, aber einer mit Grundlage, da Orks durch die allgemeine Diskriminierung überproportional oft in dieser Situation landen.

Ich nutze gerne Stereotypen, weil viele Rollenspielbegegnungen darüber eben nicht hinausgehen.

 

Das ist in der Realität ja nicht anders. Nicht alle Menschen sind so individuell, ich würde sogar sagen: die wenigsten sind so individuell, dass man sie bei einem nur oberflächlichen Kontakt nicht als Stereotyp wahrnhmen kann (mit ein paar Details wie Haarfarbe, Größe etc. die nicht zum Stereotypen gehören und immer mit erwähnt werden). Der bullige Türsteher (dem man dann aufgrund der Statur einen eher niedrigen IQ unterstellt, hier wie da, was aber letztlich nix zur Sache tut), der in Paragraphen sprechende, weltfremde Beamte (der in Wirklichkeit halt wie jeder ein Fachidiot ist und im Alltag eine Fachsprache spricht, die der Bürger meist nicht versteht). Etc. Würde ich die Menschen näher kennen lernen, würden sich automatisch genug Facetten ergeben, die sie von dem Stereotypen unterscheiden, aber so weit kommt es ja meistens nicht. Und da das gleiche für die meisten Begegnungne mit NSCs gilt, finde ich die Verwendung von Stereotypen völlig ok. Türsteher sind nunmal fast alle kräftig gebaut, das ist Einstellungsvoraussetzung, kein Klischee.

 

 Dem stimme ich zu. Die Klischeezuweisung erfolgt oft anhand eines oder zweier faktisch vorhandener Merkmale, der Rest wird vom Betrachter bis zum Beweis des Gegenteils als ebenfalls faktisch gegeben angenommen.

Und man muss zwischen Stereotyp/Klischee und Vorurteil unterscheiden. Stereotype kommen einfach oft genug vor, um von uns als Normalfall wahrgenommen zu werden, Vorurteile hingegen sind das Ergebnis unzulässiger Verallgemeinerungen.

Die türkische Putzfrau ist ein Klischee, kein Vorurteil. Es ist tatsächlich so, dass in entsprechenden Großstädten Frauen türkischer Herkunft überproportional oft in diesem Berufsfeld landen. D.h. nicht, dass sie zu nichts anderem fähig wären - das wäre ein Vorurteil - oder dass es eine Einstellungsvoraussetzung ist, sondern einfach nur, dass sie aus IRGENDWELCHEN Gründen überproportional oft dort landen (Vermutung: Im Zuge einer Eheschließung nach D gekommen, welchen Job kann sie ohne Deutschkenntnisse schon machen PLUS wenn eh schon viele Türkinnen dort arbeiten, kann sie wenigstens mit der übrigen Belegschaft sprechen. Viele türkische Einwanderer kamen ja gezielt aus strukturschwachen Gebieten der Türkei mit einem geringen Bildungsniveau; da der Bildungsgrad der Eltern im deutschen Schulwesen einen deutlichen Einfluss auf den Schulerfolg der Kinder hat, setzt sich das oftmals über Generationen fort: welchen Job kann sie sonst schon machen. Diskriminierung in D: welchen Job LÄSST man sie sonst schon machen.)

Je nach dem, welches Minderheitenklischee man auswählt, kann man sogar auf die Diskriminierung hinweisen.

 

Insgesamt erschafft man mit Stereotypen eine graue Masse an Bevölkerung, in der relevante NSCs untertauchen können, gerade WEIL der Spieler dem SL Denkfaulheit unterstellt.

 

Gegenbeispiel: Im Fantasybereich habe ich eine Zeit lang "Der Mann mit dem roten Hut" gespielt, in mehreren unabhängigen Runden: Marktplatzszene beschrieben und ausdrücklich einen Man mit rotem Hut beschrieben. Jedes Mal von da an konnte man einen Count Down starten, wie lange der Typ noch lebt. Er war ein NSC ohne Relevanz, lediglich von der bösen SL-Gottheit markiert. Die Spieler gingen deswegen JEDES MAL von Relevanz aus, bohrten so lange nach, bis zu Relevanz hätten finden müssen und haben irgendwann sicherheitshalber diesen mysteriösen Typen erschlagen. JEDE EINZELNE RUNDE, nur weil er keinen Stereotyp hatte.

 

Die graue Masse ist also wichtig, um nicht rotierende Fragezeichen über den Köpfen der relevanten NSCs einzublenden.

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  • 4 weeks later...

Die Spieler gingen deswegen JEDES MAL von Relevanz aus, bohrten so lange nach, bis zu Relevanz hätten finden müssen und haben irgendwann sicherheitshalber diesen mysteriösen Typen erschlagen. JEDE EINZELNE RUNDE, nur weil er keinen Stereotyp hatte.

 

Das hat die Spieler so nervös gemacht, als der ihnen einfach so das Geld geben wollte, dass sie ihn sicherheitshalber erschossen haben.

 

Deine Gruppen gehen mit verhängten Todesurteilen anscheinend recht freizügig um, wenn sie - "nur um sicher zu gehen" - lustig jeden NSC mit vermuteter Relevanz über die Klinge springen lassen. Bin tatsächlich mal froh, das meine Spieler da etwas mehr differenzieren (man lobt sie ja eher selten  :D )!

Edited by Slino
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Deine Gruppen gehen mit verhängten Todesurteilen anscheinend recht freizügig um, wenn sie - "nur um sicher zu gehen" - lustig jeden NSC mit vermuteter Relevanz über die Klinge springen lassen. Bin tatsächlich mal froh, das meine Spieler da etwas mehr differenzieren (man lobt sie ja eher selten   :D )!

Letzte Runde: Kampf gegen 8 Ganger. 3 Charaktere + Überkiller One-Hit-Wonder Schwertadeptin. Ich war baff als die Schwertadeptin die einzige war die keinen getötet hat "Warum auch, die waren einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort." Während der Rest der Runde sich rücksichtlos durch die schwer verwundeten am Boden liegenden und sich ergebenden Ganger gemetzelt hat, um keine Zeugen, keine Rache, etc zu ermöglichen. Das war ein sehr seltsamer Moment.

Edited by Wandler
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Vorneweg: Klar ist es immer eine Sache des Charakterkonzepts! (denkt dran, ich hab es vorneweg geschrieben, nachher nicht vergessen! ;) )

Dennoch, ich ziehe meinen Hut vor dem Spieler/der Spielerin der "One-Hit-Wonder Schwertadeptin"! NSC`s zu killen wird meistens von den "strategischen Schachspielern" unter den Spielern betrieben, solche Leute beschäftigen sich aber eher selten mit dem "spielen der Rolle" eines Charakters. Tatsächlich ist es (so glaube ich :huh: ) nicht so einfach, einem um Gnade winselnden 17jährigen, der auf starker Mann gemacht und sich blutend in eine Ecke gezogen hat, mit einer großkalibrigen Waffe ins Gesicht zu schießen, NUR um zu verhindern das der mit Freunden wiederkommt! 

Es ist leider eine weit verbreitete Unsitte unter Spielern, bloß keine losen Enden in Form von Überlebenden zurück zu lassen.

Das sie damit ohne Ende Potential für den Spielleiter vernichten, rund um den eigenen Charakter eine coole Geschichte entstehen zu lassen, darüber sind sich die meisten anscheinend nicht bewusst. Da herrscht der alte Trugschluss vor: der SL ist mein Feind! Doch jeder Rollenspieler sollte wissen: Wenn das so wäre, gäbe es niemanden mehr, der spielen will, denn dann würde immer die Bank (der SL) gewinnen!

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Ich auch. War wirklich baff und von den anderen fast ein wenig enttäuscht. Ich hätte die Überlebenden sicher als Gratis Connections ("Ihr habt uns am Leben lassen, jetzt revanchieren wir uns") verteilt, anstatt immer nur die Rache-Karte auszuspielen: Tja. Chance vertan.

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Ich auch. War wirklich baff und von den anderen fast ein wenig enttäuscht. Ich hätte die Überlebenden sicher als Gratis Connections ("Ihr habt uns am Leben lassen, jetzt revanchieren wir uns") verteilt, anstatt immer nur die Rache-Karte auszuspielen: Tja. Chance vertan.

 

Genau das meine ich! Man stelle sich folgende Szene vor: eine verregnete Gasse, Mülltonnen, Patronenhülsen am Boden. Acht jugendliche Ganger haben gerade innerhalb kürzester Zeit eine Abreibung bekommen und aus den Schatten kommt ein gefährlich ruhiger Typ auf den blutenden 17jährigen zu.... und hilft ihm mit dem Spruch: "Sei froh das ich heute gute Laune hab, Junge!" auf die Beine. Daraus kann man doch was machen. Und ist eine viel interessantere Wendung als "Ich lauf ihre Reihen ab, verteil Kopfschüsse und zünd ihre Leichen an". ;)

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Da haben sich meine Jungs auch schon nicht gerade mit Ruhm bekleckert, als die Magierin einen am Tatort auf eigene Faust ermittelnden Detectiv von KE Hongkong per Stufe-8-Manablitz umgeblasen haben. Dabei war er im Nebenraum und hatte sie noch nicht mal gesehen. <_<

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