[Rant] Nazis und SR

[apple]

Weil einfach JEDES Spiel besser wird, wenn man ein paar Nazis umlegen kann.

 

Ohne jetzt spezifisch auf Rolfi einhacken zu wollen, aber diese Aussage hat mich zum Nachdenken gebracht. Was jetzt kommt, hat nichts mit Political Correctness oder Gutmenschentum zu tun. Mir geht es darum, ob das Element des Nationalsozialismus wirklich für jede Art von Rollenspiel tauglich ist, Auslöser ist natürlich WAR! und die etwas arg unglückliche Ausschwitzmelange da.

 

Ungeachtet der historischen, moralischen und menschlichen Folgen und strikt reduziert auf die Augen eines Spielers/Autors/Designers: der zweite Weltkrieg und die Nazis sind eine wahre Goldgrube: epische Schlachten, eine ziemlich klare Gut gegen Böse Trennung, optische/akustische Erkennbarkeit - um sofort eine Szene klar zu definieren und immer ein dramatisches Element zu haben, ist der Auftritt des 190cm Ariers in schwarzer SS Uniform, der ein "Heil dem Führer" mit rrrrrollender Basstimme einem entgegenschmettert, einfach perfekt.

 

Ich selber verwende Nazis und Bösewichter, welche an Nazis angelehnt sind, schamlos in einigen meiner Spiele aus, beispielsweise Feng Shui (Action Movie Martials Arts RPG). Für Pulp-Spiele ist das auch IMHO perfekt - spätestens wenn man sich an die Indiana Jones Filme erinnert. Nur: ich finde gerade für Shadowrun ist das Thema "Nazi" dermaßen überflüssig, deplaziert und einfach nur lächerlich, daß es mir weh tut, wenn in einem SR-Produkt auch nur mehr als ein Punkt Tinte oder Pixel dafür verschwendet wird. Ich meine damit nicht Rechtsradikalismus, Fremdenhass, Genozid etc generell, das sind sogar wichtige Elemente in SR, um die Welt zu beschreiben. Auch Ausschwitz als SR-Hintergrundelement für die Beschreibung der Hintergrundstrahlung absolut ok - man kann sich sofort die Relation einer solchen Beschreibung vorstellen. Aber in SR haben SS Geisterpanzerdivisionen und jetzt Ausschitz-Runs - und ganz ehrlich: diese Art von aktiver Beschreibung, sowohl als festes Element als auch als Spielpunkt halte ich einfach nur für unpassend für SR und das Genre (Cyberpunk, Transhumanismus und die ganzen Ableger und Nachfolger davon).

 

Warum? SR1 hat sich noch selber als ein Cyberpunkspiel bezeichnet, spätere Editionen haben da rumgedruckst, später kamen noch Elemente des Transhumanismus etc hinzu. Egal wie man es dreht, ausgehend von der jeweiligen Zeit war SR und andere Cyberpunkspiele imemr in die Zukunft gerichtet. SR1 basierend auf den Ängsten der Amerikaner nach einer übermächtigen japanischen Wirtschaft, während die eigene Nation stillsteht, SR4 mit der Frage, was Realität eigentlich ist, weil echte, virtuelle und magische Realität stark vermischt ist, futuristische Gadgets, Gesellschaftsformen, welche immer eine Projektion der Ängste vor der Zukunft ist (Verbrechen, Arbeitslosigkeit, soziale und menschlische Verrohung, Kulturschock, die Angst vor dem Morgen). Dabei hat das Cyberpunk Gerne und SR selber eine Viehlzahl von neuen Antagonisten erschaffen, die auf ihre Weise ungemein faszinierend sind. KIs, Konzerne, echte organisierte Kriminalität, der undefinierbare Feind des sozialen Verfalles und nicht zuletzt der eigene Körper und Geist (Cyberpsyschosen, Essenzverlust, Menschlichkeitsprobleme). Das ist auch für ein Rollenspiel neue und interessante Dinge.

 

Und da liegt der Hase begraben: für mein persönliches Verständis dieses Gerne, so vermischt, aufgeweicht und breitgefächert es auch ist: es guckt immer in die Zukunft. Das ist eines der Grundlagen, wie man es in SR1234, CP020/3, Eclipse Phase, Cybergenerations, Transhumanismus etc immer wieder finden kann. Ein Rückschreiten von dieser Grundlage, indem man bewußt ein komplett anderes Element reinbringt, nämlich VampirwWerewolfzombienazis from the Atlantismoonbase (habe ich eine gängige gängige Nazi-Verschwörungstheorie ausgelassen?), zerstört für mich geanu diese Grundlage des gesamten Genre. Es ist keine gute Geschichte, nicht in SR, Cyberpunk was man auch immer dazu zählen will. Es passt wunderbar zu Feng Shui, zu Pulp Action, zu GURPS WW2, vielleicht auch zu reinen Horror-Rollenspielen, aber IMHO zerstört solches bewußt als aktives Spielelement eingebrachtes Element aus der Vergangenheit mit ganz eigenem Flair und Atmosphäre die Grundlage, Flair und Atmosphäre von Spielen im Genre von Shadowrun 1-4.

 

Um es klar zu sagen: IMHO sind Nazis in SR absolut überflüssig. Dafür ist SR als Welt und System viel zu interessant und hat so viele Möglichkeiten, die ureigenen Elemente zu verarbeiten, daß es eine Schande wäre, nicht genau diese eigenen Elemente kreativ zu verwerten, sondern einfach nur auf die billige Nazi-Klatsche aus der Vergangenzeit zu setzen.

 

SYL

[Rolfi]

Ich hätte es vielleicht deutlicher als Zitat kennzeichnen sollen, n paar Posts später hab ich das nochmal getan - der Spruch stammt, genau wie der von Mahagon direkt davor, von einer Munchkin-Karte.

Nur um diesen Teil vorneweg klarzustellen, da Munchkin reine Satire ist, muss das weder meine, noch die Meinung der Autoren darstellen

Aber schön, wenn ein kleiner Gag trotz allem einen positiven Effekt (tieferes Nachdenken über Bekanntes) mit sich bringen kann

 

So, jetzt les ich den Rest des Postes und editiere einen Kommentar hinterher hier an diese Stelle.

 

Dem Kerngedanken deines Posts hingegen stimme ich vollkommen zu - ich frage mich auch, wofür SR Nazis braucht. Rassismus zwischen Ethnien ist bei SR ja längst veraltet, Metamenschen, SURGElinge, andere Freaks usw sind die neuen Ziele. Rassismus ist mittlerweile etwas fast normales, die Nazis werden da niemanden mehr groß schrecken.

Selbst wenn ein SC/NSC Geschichtskenntnisse hat, wird das ganze im Gegensatz zu z.B. der Nacht des Zorns, die ja viel aktueller ist, verblassen ("Was sind schon 5 Millionen? Wenn von heute auf morgen (oder, noch besser, im Laufe einiger Monate/Jahre) 5 Millionen SINlose ausm RPP und anderen Ballungsgebieten verschwinden würden, würde es nichtmal wem AUFFALLEN!").

Hinzu kommt die von dir angesprochene Zukunftsorientierung - SR propagiert, in der Zukunft zu spielen, in der sich Vieles verändert hat, und nur das Wenigste davon zum Guten. Nazi-Storys hingegen sind altbacken und ausgelutscht, eigentlich das genaue Gegenteil von dem, was SR will.

Man hat genug rassistische Organisationen da, wenn man eine will - Humanis allen voran.

Das einzige Problem mit diesen neuen Antagonisten ist, dass man sich ohne weiteres nichts unter ihnen vorstellen kann, sie erscheinen auf den ersten Blick flach und typisiert, während sich wohl jeder was unter ner Gruppe Nazis vorstellen kann. Es ist einfach leichter, bereits Bekanntes einzubinden, als etwas Neues zu erfinden und auszubauen, weil es einfach viel viel mehr Arbeit ist, das ganze Hintergrundmaterial zusammenzustellen.

Und weil die momentane CGL-Redaktion nicht gerade für ihre ausführliche Recherche und Kreativität bekannt ist, war eigentlich mit dem Aufwärmen von altem Kaffee zu rechnen.

[fexes]

Mal von jetzt 60 Jahre in die Zukunft gedacht und ich habe generell das selbe Bild von Neonazis vor Augen, wie heute. Das Feld der Rassisten ist vielleicht dank der erwachten Metamenschheit etwas breiter geworden, aber sollte das wirklich so Vollpfosten davon abhalten von einer reinblütigen arischen Herrenrasse träumen zu können? Gerade was die Rückkehr der Magie angeht bietet dies doch dem okulten Zweig der Nationalsozialisten endlich einen greifbaren Ansatz für ihren Wahn. Geisterbeschwörung, Neopaganismus, Satanismus gepaart mit Pseudoritterschaften und Geheimbünden. Davon haben so einige Leute vor (19)45 sich die Finger geleckt. SS-Kult in der Wewelsburg ist bis heute der Mythos schlechthin für allerlei NS-Fans (nicht zwangsläufig nur Neonazis).

 

Auch als Gegenbewegung zur Konzerndikatur sollten Neonazis eine Rolle spielen. Es sind nicht nur Anarchos und sozialistische Rebellen, die den Widerstand proben. Da kann ich mir sogar Koalitionen mit reaktionären Stalinisten vorstellen. Hitler-Stalin-Pakt war zwar nur ein kurzes Intermezzo, wer die extrem Rechte im heutigen Russland mal verfolgt wird sehen, dass Hitler posthum doch an der Wolga angekommen ist. Stalingrad hat den NS-Geist nicht aufhalten können. Es vergeht kaum ein Monat, an dem nicht von Morden an russischen Antifaschisten zu lesen ist.

 

Betrachtet man die aktuelle Neonazi-Szene in Skandinavien, ist auch hier durchaus vorstellbar, dass die im Norden an Boden gewinnen werden. Allein die rassistische Komponente sollte denen guten Zulauf verschaffen.

 

Es geht mir hier nicht drum Neonazis in den Fokus von SR zu schieben, aber sie einfach aus der sechsten Welt auszublenden wäre am "realistischen" Anspruch des Spiels deutlich vorbei. Dann können wir auch lateinamerikanische Rebellengruppen oder Dschihadisten samt deren Folgeerscheinungen streichen.

[apple]

Es geht um Nazis, nicht um Neonazis

 

SYL

[fexes]

Es geht um Nazis, nicht um Neonazis

 

SYL

 

Altnazis kann es biologisch gesehen 2072 praktisch keine mehr geben

,mal von einer gewissen Unsterblichen abgesehen,

und jeder der sich nach '45 den NS-Gedanken und alles andere was sich darum geballt hat zum Ziel setzt, kann nur als Neonazi bezeichnet werden.

[apple]

Und SS-Geisterdivisionen und Judenzombi-Killen in Ausschwitz würdest Du als was genau bezeichnen? Neonazis?

 

Das ist eine retheorische Frage natürlich. Die sollte auch im korrekten Bereich (SR Fragen/Info => WAR!) besprochen werden, nicht hier. Wenn Du meinen Rant genau gelesen hättet, wüßtest Du, daß es mir nicht um Neonazis, magischen Satanistengeheimgesellschaften und Rechtsradikale oder fremdenfeindliche Ströme geht. Genausowenig geht es mir darum, daß solche Strömungen wie Thule-Neuauflagen nicht in SR begründbar wären. Sie sind es ja.

 

SYL

[Nekekami]

Meinst du die Kampfgruppe Pfeiffer, die, soweit ich weiss, exakt ein einziges mal in einem einzigen (Ab)Satz erwähnt wurde vor ein paar Jahren mal?

[fexes]

Der Hinweis auf War! ist sowohl in deinem, als auch in Rolfis Beiträg mehr oder weniger zweitrangig. Es sah für mich danach aus, dass die Auschwitz-Story nur der Anlass war, um allgemein über NS-Plots in Shadowrun zu reden. Genau dazu hab ich meine Meinung gesagt. Judenzombi-Killen hat keiner von euch erwähnt. Über deren Sinnhaftigkeit will ich mich auch nicht weiter auslassen, solange ich die Story noch nicht selbst lesen konnte. Was ich bisher über diverse Foren lesen konnte, hat bei mir aber auch nur für Kopfschütteln gesorgt.

 

SS-Geisterdivisionen sind sicher ein Überbleibsel von damals, dennoch mit Neonazis in SR vereinbar. Gerade der okulte Flügel der SS hat ja, wie ich beschrieben habe, in der sechsten Welt konkrete Mittel und Wege gefunden um auch sowas nutzen zu können. Eine Trennung von 2072er Neonazis und dem was vor '45 passiert ist, ist faktisch nicht möglich, da sich eben jene ja genau darauf beziehen.

 

Wenn das jetzt immernoch an deinem Thema vorbei ist, musst du bitte nochmal konkret sagen, worauf du hinaus wolltest. Ich sehe die Zukunft nämlich nicht ohne einen Blick auf Vergangenheit. Immerhin spielen wir mehr oder weniger einen Plot, der schon vor über 5000 Jahren begonnen hat. Nur weil ein Thema aus der Geschichte aufgegriffen wird, heißt das ja nicht, dass SR zu einem Historien-RPG wird. Mit einem Sturmgewehr 44 wird sich kaum einer mehr gegen anstürmende Rotarmisten verteidigen müssen.

[sirdoom]

1. Cliché-Nazis im Pulp Umfeld sind schwer zu ersetzen und immer wieder gerne gekillt. Nicht unersetzbar, aber selbst Kommunistenpack luscht gegen eine Bande Nazischergen vom Stil einfach immer ab.

 

2. Wenn man sich von Pulp entfernt und etwas ernster wird, dann gibt es schnell Settings, wo solche Cliché-Nazis nichts zu suchen haben. Bei Shadowrun passt eigentlich ehr etwas aus der großen Auswahl an real existierenden Faschisten- und Whatever-Supremacy-Gruppen, damits nicht lächerlich oder wie bei WAR geschmacklos wird.

 

imho

 

3. Gespenster Ghost-Divisions gibt es auch schon im DidS 2, allerdings geringfügig weniger debil und marktschreierisch in Szene gesetzt.

[Nekekami]

Ja, das wäre die von mir erwähnte Kampfgruppe Pfeiffer, die sich im Troll-Königreich-Schwarzwald zeigte.

[Richter]

Jemand hatte im Dumpshockforum irgendwo in dessen Rant-threads eine wirklich goldene Idee zu Auschwitz als Setting. Es ist nciht so dass Auschwitz ein großes "do not touch" Schild trägt und man es nicht anfassen darf. Es hat allerdings durchaus ein "Handle with Care"-Schild, und daran sollte man sich halten.

 

Ich kann nciht wirklich sagen, ob der Autor hier einfach provozieren wollte, ob er meinte es wäre düsterer und härter, wenn man Judenzombies erschießt, oder ob das auf eine tiefer gehende Geisteshaltung bei ihm (und potentiell bei anderen bei CGL) schließen lässt, wie manche behaupten. Aber es ist klar: Das war ein Griff richtig, richtig tief ins Klo.

 

Ich finde, Apple hat vollkommen recht. Shadowrun ist nicht HKAT, Feng Shui oder ein anderes Pulp-Style-System. So eine Behandlung hat kein Teil des Settings verdient.

[Nekekami]

Ja, die Idee auf Dumpshock hatte Potential.

[Mahagon]

Ich geb apple da auch Recht, Nazi's umbringen ist echt nen klische Hack'n'Slay Element, was jegliche geistige Tiefe aus dem Spiel nimmt.

Aber meiner Ansicht nach ist Nazi's töten noch um WELTEN besser als Judenzombies zu töten. Vorallem wenns dabei um ein Mysteriöses Nazi-Nekromantische-Killer-Artefakt geht. Aber beides ist so kein SR Setting.

Kann jemand mal den Dumpshock Post dazu wenigstens zitieren wenn ihr euch darüber auslasst? - Bin da nicht aktiv.

 

Nen Storyansatz wo okkulte Neo-Nazi's Runner beauftragen um Macht zu gewinnen ist was wo man im Spiel auch moralische Tiefe, Fallstricke und Story reinbringen kann. Die Idee finde ich passt ins Setting und man kann sie auch umsetzen.

[Nekekami]

Also zitieren kann ich es nicht, aber im großen und ganzen wurde aus Wirths Skalpell erst im Scherz Wirths Kugelschreiber.

Weil das logischer ist, da er selbst nicht geschnitten sondern im Prinzip nur Buch geführt und schriftliche Befehle erteilt hat.

Dann dachte man sich:"Hey, wieso nich?" Finde einen Nachfahren von Wirth. Dieser muss mit dem Stift mit seinem eigenen

Blut Entlassungspapiere oder sowas ähnliches für die Geister vor Ort schreiben. In dem alten Büro. Während die Geister

den Nachfahren aus Rachsucht umbringen wollen. Und das beste: Der Nachfahre WEISS, dass er sich mit dem Stift und dem

Benutzen seines Blutes langsam aber sicher selber umbringt. Und draussen vor dem Fenster und vor der Tür lauern die alten

leidenden Seelen der Verstorbenen. Und kratzen an der Tür, an den Fenstern, an den Wänden, an der Decke, am Boden.

Und an den Nerven der Personen, die sich in dem Raum befinden natürlich. Welche verhindern sollen, dass der Nachkomme

durch irgend etwas anderes stirbt als durch erschöpfung/verbluten durch schreiben mit dem Stift. Wirths Stift. Mit dem die

Befehle zu Mengeles und anderen Experimenten unterschrieben wurden. Und Todesurteile. Und Anforderungsformulare.

[Eismann]

Ist die Frage, ob so ein klein-klein bei so einem Thema so gut zündet (oder überhaupt).