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Gibt es "typisches" Cthulhu?


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Das Prinzip des Mythos, so wie ich es verstehe, ist, dass die Menschheit erst sehr kurze Zeit auf dieser Welt existiert und längst nicht die Krone der Schöpfung darstellt. Und auch die Erde selbst ist eigentlich ziemlich unbedeutend. Diese Auffassung vertrat Lovecraft tatsächlich, wenn auch nicht so fantastisch ausgeprägt wie in seinen Geschichten. Wir Menschen leben lediglich in einer Phase starker Inaktivität der kosmischen Mächte, von denen nicht wenige in Verstecken auf der Erde schlummern (beliebt ist auch immer wieder die dunkle Seite des Mondes). Ferner geht Lovecraft in seinen Geschichten davon aus, dass die alten Gelehrten wesentlich mehr von diesen Umständen wussten als wir heute. Daher spielen immer wider sehr alte Bücher oftmals unbekannter Herkunft eine gro?e Rolle (besonders populär natürlich das äNecronomiconô aber es gibt noch viele andere). Solche Texte kann man immer wieder auftauchen lassen. Ein Blick in die offiziellen Abenteuer zeigt Dir, dass fast jedes Szenario sich dieses Stilmittels bedient. Du kannst Dir die Titel der Bücher selbst ausdenken oder Du benutzt jene, die Lovecraft erfunden hat.

Das kosmische Grauen an sich ist so unfassbar, dass es den normalen menschlichen Geist einfach überfordert. Menschen werden verrückt, wenn sie zuviel über den Mythos herausfinden. Das ist ja in den Spielregeln umgesetzt worden. Und wer beim Anblick dieser au?erirdischen Monstrositäten nicht den Verstand verliert, wird nicht selten auf grausame eise ermordet aufgefunden. Auch das ist typisch Lovecraft: Jene Protagonisten, die nicht den Freitod wählen, werden am Ende der Geschichte tot aufgefunden. Ein Polizist beschreibt dann auf besonders nüchterne Art den Zustand der Leiche, wie sie vorgefunden wurde. Der oder die Mörder scheinen Bestien gewesen zu sein, Raubtiere, die Wunden scheinen von keinen bekannten Waffen herzurühren.

Um das kosmische Grauen so bizarr wie möglich darzustellen, wählte Lovecraft oft sehr eigenwillige Manifestationen dafür. Nicht selten haben ihn die Kritiker deswegen verspottet, da seine äMonsterô eher zum Lachen als zum Fürchten gewesen seien... Gerade wenn Deine Spieler Lovecraft noch nicht kennen, solltest Du aufpassen, dass Dir hier nicht das Gleiche passiert.

Ein weiteres Problem ist, dass das Grauen, an dem die Protagonisten Lovecrafts häufig verzweifelten, selten durch Splatterorgien ausgelöst wurde. Verstümmelte Leichen sind zwar zahlreich, aber oft ist der eigentliche Auslöser weniger greifbar. Das wieder ist sehr schwer umzusetzen. Vielleicht ist es am besten, Angst durch Unwissenheit zu schüren. Die Spieler sollten zuerst nur ihre scheinbar heile Welt kennen. Sie werden konfrontiert mit dem Mythos, also irgendeiner Kreatur, die offenbar übermenschliche, ja, magische Kräfte besitzt, und vielleicht auch so gut wie unverwundbar erscheint. Bevor es allerdings zu einer direkten Begegnung kommt, sollten die Spieler erkennen, dass was immer sie auch jagen, nicht in ihre heile Welt passen kann, sprich: ?bernatürlich ist. Solange sie nicht wissen, was es ist, werden sie sich ihre(n) Gegner genau nach ihren schlimmsten Befürchtungen ausmalen. Bessere Resultate kannst Du nicht mit hundert wandelnden Toten erzielen! Der darf dann natürlich nicht irgendwelches Kanonenfutter sein, sondern sollte ein richtig hartes Brot sein. Primäres Ziel ist es, die Charaktere wirklich in ausweglose Situationen zu manövrieren, und es nicht von Feuerkraft sondern von überlegenem Intellekt abhängig zu machen, ob sie überleben.

 

Naja, das sind nur Vorschläge und stellt auch nur meine Interpretation des Ganzen dar.

 

Abschlie?end mal eine Liste mit IMHO typisch lovecraftschen Stilmitteln:

 

- alte Bücher mit verbotenem oder geheimem Wissen

- staubige Bibliotheken mit blinden Fensterscheiben, Spinnweben etc.

- seltsam missgestaltete Menschen, die irgendwie nicht wirklich menschlich wirken

- Ruinen unbekannter Herkunft aber beträchtlichen Alters, oft von enormen Proportionen û viel zu gro?, um für Menschen gemacht worden zu sein

- heidnische Kulte, bei denen seltsame, oft obszön anmutende Wesen angebetet werden

- hinterwäldlerische Dörfer und Kleinstädte û der Protagonist ist nicht sehr willkommen

- verstörende Träume von bizarren Wesen und Welten, die scheinbar nicht so irreal sind, wie man das von Träumen vermuten sollte

- In den Ruinenstädten realer untergegangener Kulturen (Maya, ?gypter) werden Reliefs, Wandmalereien oder kleine Kultgegenstände gefunden, die fremdartige Wesen zeigen. Manchmal schienen die Städte auf den Grundmauern wesentlich älterer offenbar nichtmenschlicher Stätten errichtet worden zu sein.

- allgemein fremdartige Artefakte, übersäht mit unbekannten Schriftzeichen und Symbolen. Nicht selten ist das Material, aus dem sie bestehen, völlig unbekannt.

 

Soviel mal dazu. Viele Cthulhu-Veteranen werden solche Dinge schon hundert Mal gesehen haben, doch für eine Start-Gruppe, die ohnehin die Originalgeschichten gar nicht kennt, dürfte es erst mal reichen.

 

Achja: Wie bei allen auf Dauer angelegten Horror-Rollenspielen gilt auch hier: Verschie? Dein Pulver nicht schon im ersten Abenteuer. Am Ende des Szenarios sollten die Spieler nicht viel mehr wissen, als dass es doch mehr zu geben scheint, als sich die Schulweisheit träumen lie?e. Keinesfalls sollten sie allzu bald wirklich tiefer gehende Kenntnisse von der Welt des Mythos bekommen. Schon gar nicht auf einem Silbertablett!

 

 

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@Ovir:

Prima Liste!

Wenn ich sie durchlese, stellt sich mir allerdings irgendwann die Frage: Brauchen wir zum x-ten mal das gleiche Abenteuer? Brauchen wir die alten Folianten, die untergegangenen Kulturen, die hinterwäldlerischen Dörfer? Ich gebe zu: Auch ich benütze diese Motive, natürlich. Sie gefallen den Spielern, und sie machen es dem SL leicht, weil er wei?, da? er sich auf ihre Wirkung verlassen kann.

Aber dennoch: Irgendwann tritt vielleicht der Effekt auf, den ich mit Lovecrafts Geschichten selbst hatte - dieser Moment, an dem man sich fragt, warum der Mann wieder und wieder die gleiche Story schreibt und sie jedesmal anders nennt. Ich will das Idol nicht stürzen, ich finde Lovecraft immer noch prächtig. Aber ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich alle seine Werke gelesen habe, und mir nicht noch weitere aus Sammlerzwang reinziehen mu?. Horror ist das Gegenteil von Gewohnheit, und wo er erst einmal anfängt, in immer gleichen Bahnen zu laufen, bleibt er bald auf der Strecke - man erinnere sich an Franks Artikel von der Cthulhu-Matrix.

 

Wie wäre es also mit Abenteuern, in denen das ?berleben der Charaktere von purer Feuerkraft abhängt? Das kann verdammt gruselig werden, wenn langsam die Munition ausgeht. Mit Abenteuern ohne Folianten, Ruinenstädte und Hinterwäldler? Oder, wenn doch, dann wenigstens in Variationen, die wir wirklich noch nicht hatten? Aber das dürfte wohl schwer werden... Ich bin ja selber ständig dabei, nach neuen Wegen Ausschau zu halten.

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Original von Sternenfluter

Aber "Schwarzwald Requiem" und "Im Zeichen des Stiers" - wie komme ich da ran??

Schwarzwaldrequiem gab es in der Zauberzeit. Bei Bedarf kann ich dir das Abenteuer kopieren.

Im Zeichen des Stieres ist das meistgesuchtete Laurinabenteuer und taucht ab und an zu Horrorpreisen bei Ebay auf.

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Guest Hõretiker

Ich schliesse mich den anderen Beiträgen an.

 

Für mich ist der psychologische Aspekt eines der wichtigsten Stilmittel überhaupt. Der Horror sollte sich nicht nur auf die Beschreibung der althergebrachten typischen Athmosphäre beschränken.

 

Die Story sollte zwar passen, doch verstehe ich sie lediglich als Grundgerüst. Der Plot kann noch so simpel sein, wenn die Spieler allerdings richtig "getroffen" werden, hinterlässt das Abenteuer einen nachhaltigen intesiven Eindruck.

 

Wenn Du Deine Spieler, ihre realen ?ngste und neurotischen Ticks, kennst, dann spiele mit Ihnen. Das sollte natürlich dosiert werden, nicht unbedingt an jedem Spielabend.

 

 

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@Frostvater:

 

Die Liste sollte ja auch nur bestimmte Stilmittel hervorheben, die wie Du sehr richtig feststellst in sehr (vielleicht sogar zu) vielen Lovecraft-Stories auftauchen. Der gro?e Vorteil, den Sternenfluter hat, ist, dass seine Gruppe noch nie was von Cthulhu oder Lovecraft gehört und gelesen hat. Insofern kann er eigentlich auch nach Herzenslust manches schon ausgebrannte Klischee verwenden.

Au?erdem sollen solche Stilmittel auch nur für Atmosphäre sorgen. Es muss sich ja nicht das ganze Abenteuer darauf konzentrieren. Die Idee mit der überlegenen Feuerkraft finde ich gar nicht schlecht. Das schlie?t aber nicht aus, dass die Charaktere sich in einem hinterweltlerischen Dorf oder einer alten Ruinenstätte verschanzen müssen und sich dort einer Flut von Tiefen Wesen - oh, hei?t ja jetzt "Wesen aus der Tiefe" ;) - erwehren müssen. In "Hinter den Schleiern" wird ein Abenteuer enthalten sein, das Du genau für eine solche Session verwenden kannst. Trotzdem fand ich, dass dort das Cthulhu-Feeling nicht unterging.

?berhaupt bin ich der Meinung, dass Klischees im Rollenspiel nicht unbedingt negativ sein müssen (schreib ich so ziemlich in jedem "Atmosphäre-Thread" in jedem Forum...). Wenn man sehr bekannte Bilder verwendet: Ein Friedhof mit verwitterten Grabsteinen und efeuberankten Grüften, ein Sumpf über dessen ölig schwarze Wasser dünne Nebelschleier ziehen, oder eben auch einen wei?en Sandstrand am azurblauen Meer mit Palmen und dem Geschrei von Vögeln und anderen Tieren die aus dem nahen Dschungel herüber hallen, hat jeder Spieler sofort bestimmte Bilder und damit auch Atmosphäre im Kopf. ?hnlich sehe ich das mit den "typisch lovecraftschen" Elementen.

Das Problem bei Lovecrafts Stories ist IMHO vielmehr, dass auch die Handlung immer denselben Verlauf nimmt. Dann wird's auch schneller langweilig. Interessante Stories oder ausgefallenen Ideen kann man aber auch in altbekannten Umgebungen einsetzen.

Wenn man ein bestimmtes System jahrelang intensiv spielt - insbesondere eines, das so sehr auf einen bestimmten Hintergrund zugeschnitten ist, wie Cthulhu - wird einem ohnehin nichts anderes übrig bleiben. Die meisten haben trotzdem noch Spa? daran. Und wer nach mehr Abwechslung dürstet, kann ja auch auf exotischere Settings wie 1000AD, Delta Green oder Katzulhu umsteigen. Im Prinzip ist Cthulhu ja auch nicht enger oder begrenzter als andere Rollenspielwelten. Der allgemeine Hintergrund ist der gleiche: Statt Aventurien haben wir die reale Welt, die viel grö?er ist und viel mehr Kulturen bereit hält als der eine Kontinent. Es ist genau die Bandbreite an Abenteuern möglich wie auf Faerun: Detektivabenteuer in Städten oder entlegenen Dörfern; Horror jeder Spielart; Expeditionen, Intrigen etc. Der Vorteil von Cthulhu ist aber, dass er einen sehr komplexen und einzigartigen ?berbau hat - eben den Mythos -, der aber nicht immer die Hauptrolle spielen muss.

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Was ich noch gerne als "Mittel zur Angst" (so mir dieser Ausdruck gestattet sei) ins Spiel bringen möchte ist Zweifel.

Etwas was die Spieler/Charaktäre als normal, bekannt oder bewiesen kennen und das dann doch nicht so ist wie sie gedacht hätten! Gute Beispiele wären: Bäume. Bäume stehen fest verwurzelt in der Erde und haben Bläter oder Nadeln. Sie wachsen und spenden im Sommer schatten, usw. Und dann schau dir mal ein "Dark Young" an. (sry, es kommt mir auf englisch einfach besser von der Hand) Oder ein Clown: Clowns sind zu unserer Belustigung da. Ach was haben wir als Kinder im Zirkus doch über sie gelacht! Und dann haben wir da Stephen King's "Es"! So etwas erschaft Unsicherheit, das Bröckeln dessen was der Mensch als natürlich und gegeben bezeichnet und daraus resultiert dann eine gewisse paranoia. Mann sollte nicht von Anfang an mit schweren Geschütz auffahren aber das ist auch ein gutes Mittel den Lovecraftschen Horror ein bi?chen 'rüber zu bringen.

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Guest Mr. Joe
Wie wäre es also mit Abenteuern, in denen das ?berleben der Charaktere von purer Feuerkraft abhängt? Das kann verdammt gruselig werden, wenn langsam die Munition ausgeht. Mit Abenteuern ohne Folianten, Ruinenstädte und Hinterwäldler? Oder, wenn doch, dann wenigstens in Variationen, die wir wirklich noch nicht hatten? Aber das dürfte wohl schwer werden... Ich bin ja selber ständig dabei, nach neuen Wegen Ausschau zu halten.

 

Ich denke, Variation ist der Schlüssel zum Erfolg.

 

Einige meiner derzeitigen, klischeebeladenen Ideen sehen so aus:

Die Charaktere werden über ein Losverfahren von einer Hotelkette ausgewählt, eine Woche kostenlos in ihrem neuesten Luxushotel zu verbringen û sozusagen als PR-Gag. Ihre Statments würde das Hotel dann in Anzeigen veröffentlichen. Das Hotel steht in einer idyllisch abgelegenen (!!!) Bucht und bietet jegliche Komfort. Leider wurde es auf einem uralten Opferplatz errichtet; der dazugehörige Kult ist (fast) ausgerottet û aber der Nachkomme des letzten Hohepriesters gehört zum Hotelpersonal und wird seit einiger Zeit von blutigen Träumen gequält...

Das Szenario endet damit, dass das Hotel in einer gigantischen Sturmflut absäuft und die ?berreste ins Meer gespült werden.

 

In der zweiten Idee geht es um einen Selbstmord, der sich als Mord entpuppt. Grund war ein Mythosbuch (!!!), das sich im Safe des Verstorbenen befindet, und dass der Mörder jetzt zu erben hofft... (Es wäre zu umfangreich, die Details hier zu schildern; leider habe ich die Spuren so unauffällig gemacht, dass die SC den Mord wohl nie aufklären werden; daher bedarf die Idee der ?berarbeitung).

 

Vielleicht kannst Du ja diese kruden Konzepte irgend wie für dich verwenden.

 

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Guest GeorgJahrend
ich hab zur zeit ne eigene campagne, und lasse die scs durch die welt reisen, geradeeben waren se in nem berliner hotel (zu einstieg, alles newbies), jetzt gehts ab nach Frankfurt, irgendwann auch ins schwabenländle und dann lernen se auch noch HPL persöhnlich in arkham kennen
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Dunwich und Innsmouth sind auf jeden Fall sehr "schoene" Gegenden in Neu-England. Dass man Probleme mit einer Uebertragung in den europaeischen Raum damit haben sollte, liegt im Wesentlichen daran, dass hier eines fehlt, was in Amerika im Ueberfluss vorhanden ist: Platz und Abgeschiedenheit.
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