Im Neo-Anarchist's Guide to Real Life (oder wars to North America?) war eine Abhandlung zu den Prinzipien des Neo-Anarchismus, die es leider nicht in die deutsche Übersetzung geschafft hat. Ich hatte den Text mal für die Shadowhelix übersetzt und er befasst sich praktisch ausschließlich mit den ökonomischen Aspekten. Die stehen 2050 wie heute konträr zur oben beschriebenen Forderung nach der Erhaltung der Nationalstaatlichkeit. Wie im übrigen in den meisten, wenn nicht sogar fast allen anarchistischen Strömungen. Die sind grundsätzlich internationalistisch, oder zumindest antinationalistisch – da Nationalstaat nur eine Ausprägung der abgelehnten Herrschaftsstrukturen – ausgeprägt. Nichtsdestotrotz gibt es aber auch nationalistisch geptägte Strömungen wie dem Anarcho-Nationalismus (oder Nationale Anarchisten), die sich allerdings lediglich am Begriff des Anarchismus bedienen zum Zwecke der Querfrontbildung gegen die parlamentarische Demokratien. Diese Strömungen erwachsen auch nicht aus linken Kreisen sondern aus rechten, zumeist sogar ursprünglich faschistisch geprägten Szenen (Stichwort: Autonome Nationalisten, Nationale Globalisierungsgegner). Die Identitären heute bedienen sich ähnlichen Mechanismen wie Autonome Nationalisten und Co. Sie vereinnahmen Codes des politischen Gegners oder anderer politischer Bewegungen (bspw. den Aktionismus von Greenpeace oder Sea Shepherd) sowie Stilelemente aus anderen Jugendkulturen um einen gesellschaftlichen Anschluss zu konstruieren und über eine vermeintliche Querfront eigene Inhalte salonfähig zu machen. Insofern kann es durchaus sein, dass es vergleichbare Gruppen in 2050+ gibt. Es kann aber genausogut eine nicht konsensfähige Erklärung einer einzelnen, sich selbst als neoanarchistisch bezeichnenden linken Gruppe sein oder gar nur eines einzelnen Autoren. Innerhalb des linken Spektrums gibt es ähnliche Ausfälle, bspw. im sozialistischen oder kommunistischen Lager (ganz aktuell in Form von Äußerungen von Wagenknecht und Lafontaine). Andere Strömungen wie der Anarcho-Kapitalismus bedienen sich ebenfalls am Begriff Anarchismus um damit eigene Ziele zu verfolgen. Deren Fokus liegt ebenfalls auf wirtschaftliche Mechanismen, es wird im Gegensatz zum Neo-Anarchismus aber keine gleichmäßige Verteilung von (Produktions)gütern angestrebt sondern der Aspekt Anarchie, sprich Herrschaftslosigkeit, bezieht sich hier einzig auf das Nichteingreifen staatlicher Instutionen in den Markt. Also zügelloser, vermeintlich sich selbst lenkender Kapitalsmus. Daher eine liberale, keine libertäre Ideologie. Insofern muss nicht alles, was den Namen "Anarchismus" trägt auch tatsächlich auf den Grundwerten der herrschaftsfreien Gesellschaft fußen. Regional bezogen gibt es allerdings anarchistische Strömungen, die zumindest bedingt nationalistisch auftreten, etwa in Form eines selbstverwalteten Autonomiegebietes in Abgrenzung zum restlichen Staatsgebiet. Je nachdem wie stark der Fokus hier auf die regionale bzw. lokale Abgrenzung liegt, käme das Endergebnis einem neuen Nationalstaat gleich und ist insoweit als nationalistisch geprägt, zu werten. Dazu wird in Teilen die baskische Seperationsbewegung gezählt. Ab hier muss man dann aber stark zwischen einzelnen Protagonisten differenzieren. Während einige die quasinationalen Gebietsanspruch als Ziel definieren, sehen viele andere die Formung eines Autonomiegebietes nur als Mittel zum Zweck um darin eine anarchistische Gesellschaftsordnung frei von staatlichen Zwängen praktizieren zu können (der Gebietsanspruch ist also lediglich der Tatsache geschuldet, dass dieser Freiraum von Nationalstaaten geografisch eingeschlossen ist und gegen jene verteidigt werden muss).