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Spielleiterwillkür, "Da sollen wir wohl nicht rein" & Ähnliches


Seraph
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Sehr schönes Thema eigentlich. Ich kann nur aus Sicht von Das schwarze Auge sprechen... aber Spielleiten ist Spielleiten ;)

 

Das beste Abenteuer, was wir je gespielt haben ist aus einem Abend entstanden, der damit anfing, dass die Spieler partout nicht auf den Kernplot des eigentlich geplanten Abenteuers anspringen wollten. Aus der darausfolgenden Improvisation ist der Einstieg und damit der Startgedanke zu einer Kampagne geworden, die uns fast eine komplette Woche an den Spieltisch gefesselt hat.

 

Ich hab seitdem immer eine Sammlung von Plots im Hinterkopf. Ich gehe zur Spielsitzung mit der festen Absicht Plot A zu spielen, klappt das nicht, oder Plot B bietet sich besser an, dann gibts halt Plot A ein andern mal. Mir ist dabei immer wichtig, den Spielfluss fliessen zu lassen, nix stört mehr, als wenn man sich von sowas aus der Fassung bringen lässt und die Spieler dann in den Plot zwingen will. Das gefällt in der Regel auch den Spielern nicht, da sie sich manipuliert fühlen.

Der Spielleiter leitet nur eine Geschichte. Er sollte niemals versuchen, die Spieler wie Puppen in einem Stück tanzen zu lassen. Das macht den Spielern keinen Spass. Wollen die Spieler ein anderes Stück spielen, dann sollte man dieses bieten können.

 

Wir haben uns letztens erst wieder zusammengerauft. Haben jahrelang gar kein Rollenspiel gespielt. Von der alten Gruppe ist nur noch ein Spielerveteran (ich spiele mit ihm seit gut 15 Jahren) und ich als Spielleiter dabei. Wir haben uns dann Neulinge gesucht und sind dann völlig entspannt einfach mal gestartet. Es ist erfrischend mit echten Anfängern zu spielen. Nicht nur, dass ich den Spieler und seine Reaktionen noch nicht kannte, der Spieler kannte auch das Spiel nicht und hat den Charakter völlig naiv gespielt, was hervoragend zu der Rolle passte.

Der Charakter des Spielers hat sich dann im Wald verlaufen und stolperte da theoretisch über eine alte Turmruine (Nebenplot... kann ja keiner ahnen, dass die Spieler sich im Wald verlaufen.) Vor der Turmruine wird er von einem Skelett angegriffen, dass ihn in Panik versetzt und wieder Richtung Dorf fliehen lässt.

Im Hauptplot zurück beginnt der Spieler jetzt, aber auf einmal Nachforschungen zu diesem Turm anzustellen. Darauf war ich natürlich gar nicht vorbereitet. Also erstmal alle jungen Dorfbewohner keine Ahnung haben lassen (ist ja ne Ruine, die Jungen kennen das also schon mal nicht), aber auch alle alten Dorfbewohner haben keine Ahnung. Im Hauptplot kam aber noch ein Druide vor der im Wald lebt, zum Ende des Hauptplots hat dieser dann, als Fortsetzung sozusagen, Hinweise auf den Turm gegeben. Dann endete die Sitzung. Der Spieler kommt sich jetzt nicht verarscht vor, weil da einfach nen Turm rumstand, den keiner je gesehn hat und fühlt sich sogar noch bestätigt und glaubt das er da was ganz tollen geheimnisvollen auf der Spur ist und freut sich auf die nächste Sitzung. Und ich hab Zeit mir den Plot in die Richtung zu überlegen.

 

Also ich spiele mittlerweile immer so. Ich spiele keine gekauften Abenteuer (die sind starr, langweilig und unflexibel und unglaublich anpassungsintensiv) und überlege mir jeden Plot selbst. Jeder Plot beinhaltet mehrere Nebenplots die als Alternative aufgegriffen werden können, falls sie den Spielern besser gefallen.

 

Beispiel:

Dorfbevölkerung lebt in Angst vor ungewöhnlich langanhaltenden Regen (Hauptplot)

Vieh von einem Großbauern der Region verschwunden (Nebenplot, der aber zurück zum Hauptplot führt)

Banditen überfallen Reisende und entführen Bauerstöchter (Nebenplot, der aber zurück zum Hauptplot führt)

 

Zack drei 0815 Plots die mir jetzt nur spontan einfallen (und die böse klischeeartig dahergestiefelt kommen...), die man aber alle drei zu einem großen Finale inklusive bösen Beschwörer und Dämonen ausbauen kann oder einfach bei der Kerngeschichte des Nebenplots belässt und danach was anderes macht. Je nach Belieben der Spieler.

 

EDIT: Während des Tippens, kamen neue Antworten... passt jetzt irgendwie nicht mehr gut dazu... ähh ich habs jetzt getippt und stells auch rein :P

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@Art:

Das finde ich gut.

 

@Tac:

Ein Beispiel, dass an Art's Beispiel anknüpft kann ich dir noch nennen:

 

Ich gehe in der Regel stets in eine Session mit vorbereiteten Motivationen für NSCs, Locations und einer handvoll Stimmungsdetails, die ich grob zu einem möglichen Plot forme.

 

Beispiel:

Die Helden müssen in einer fiesen, von Piraten, Verbrechern und schlimmerem Gesindel bewohnten, unterirdischen Stadt Zugang zu einer geheimen Assassinengilde bekommen. Sie wissen weder, wer Mitglied der Gilde ist noch, wo sich diese trifft. Durch ein vorheriges Abenteuer wissen sie aber, dass der Boss der Gilde wohl auf Gladiatorenkämpfe steht und darüber auch neue Mitglieder rekrutiert.

Der grobe Plot ist also: sich als Gladiatoren verdingen, die Aufmerksamkeit der Gilde erregen und so Zugang erhalten.

 

Meine Vorbereitung:

Die unterirdische Stadt mit ein paar wichtigen Locations

Eine Gladiatorenarena mit den Regeln: alle Kämpfe nur First Blood, Kämpfe auf Leben und Tod sind immer freiwillig

Eine Hand voll NSCs rund um das Thema + paar Stadtbewohner

Ein paar Gladiatoren

Einen maskierter Gladiator, der Mitglied der Gilde ist (Name: Skinsaw, direkt von Pathfinder geklaut, ein fieser Typ, der nur auf Leben und Tod kämpft und bisher immer gewonnen hat)

Ein NSC, der den Spielern helfen soll, sich in der Stadt zurecht zu finden, so eine Art Robin Hood

 

Meine grobe Vorstellung vom Plot:

 

Sie suchen sich eine Arena zum kämpfen, melden sich dort an, freunden sich im Laufe der Zeit mit Robin Hood an, der ihnen mehr über die Stadt sagen und ihnen helfen kann, die Gilde zu finden und erregen durch ihren Erfolg als Gladiatoren so viel Aufmerksamkeit, dass sie am Ende gegen Skinsaw antreten und mit einem Sieg über diesen eine Audienz bei der Gilde selber bekommen.

 

Was meine Spieler draus gemacht haben:

 

Robin Hood IST Skinsaw!

Wir dürfen ihm nicht trauen, er ist der Schlüssel zur Gilde, lass uns alles dran setzen, etwas über ihn herauszufinden! Gladiatorenkämpfe? Das ist Plan B, aber ich wette, Robin Hood ist Skinsaw!!!

Sie haben also nach dem ersten Kampf als Gladiatoren alles dran gesetzt, Robin Hood als "Skinsaw" zu überführen. Das hatte mit meinem Plot rein gar nichts mehr am Hut, aber da ich sehr flexibel bin und sie das so begeisterte, war Robin Hood am Ende Skinsaw. Ich improvisierte schnell eine Story rund um ihn (Adelsspross, der um seine bei einem Reitunfall gestorbene Liebe zurückzubekommen, einen Pakt mit Dämonen eingegangen ist, die Blutopfer von ihm verlangen. Da er aber keinen Unschuldigen töten will, hat er sich auf die Gladiatorennummer sozusagen als Tick eingelassen und tötet nun einmal im Monat als Skinsaw einen freiwilligen Gegner). Natürlich machte es keinen Sinn mehr, diesen Robin Hood Mitglied einer fiesen Meuchelmördergilde sein zu lassen, also fiel Skinsaw als Türöffner zur Gilde weg und ich musste hier neue NSCs und Möglichkeiten improvisieren.

Das Enttarnen von Robin Hood aka Skinsaw hat den Spielern aber so viel Spaß gemacht, dass es doof gewesen wäre, beim ursprünglichen Plot zu bleiben.

 

Fazit:

kenne deine Assets und Improvisation ist kein Problem!

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Ja da sprichst was an: Motivation! Das sollte man immer beachten. Bei uns dauert der Bau eines Charakters gerne zwischen 4-12 Stunden, da wir immer gleich die gefürchteten "20 Fragen" mit machen. Wichtigste Frage: Was treibt deinen Charakter an? Warum ist er Held geworden (DSA spezifisch)?

 

Das ist extrem wichtig. Wenn ein Spieler diese Frage nicht beantworten kann, ist der Charakter nicht rund. Kann er sie beantworten, hat man super Anhaltspunkte für viele funktionierende Plots.

 

Viele dieser belanglosen Hintergrundsfragen zu Charakteren bieten ein wahres Sammelsurium an Abenteuerideen und man kann prima noch Dinge rausarbeiten, die nur angedeutet waren. Ich konnte bei einem Charakter erfolgreich einen unterschwelligen Vaterkomplex nutzen um einen NPC in die Gruppe einzuschleussen, der dann tragisch starb. Der Held hätte alles gemacht, um den Tod zu rächen. Fantastisch. Sowas sind Vorlangen die man nutzen muss.

 

Daraus kann man ableiten: Baut man gescheite Charaktere mit seinen Spielern (und macht sich da schon viel Arbeit), spart man sich später viel Hirnarbeit bei den Plots :)

 

Wobei... Ähh wenn ich das richtig sehe, ist die Sterberate bei CoC recht hoch. Da ist es sicher nicht so toll, so ausgearbeitete Charaktere zu verheizen, oder? Kenn das System leider zu wenig.

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@ Art: sehr schön.

 

Ich unterscheide dann mal genauer: in allen Systemen außer Cthulhu spiele ich nur eigene Sachen weil ich dort die Abenteuer oft sehr seltsam finde (AD&D, Vampire usw.). Zudem macht mir das Improvisieren viel Spaß und wie Synapscape schreibt sind die Ideen der Spieler oft unterhaltsamer als offizielle Wege. Meine Plots bestehen meist aus 1-3 Zetteln, das reicht oft für mehrere Wochen, ähnlich wie von Art beschrieben.

 

Bei Cthulhu spiele ich bisher nur Kaufabenteuer. Ich finde die Qualität enorm hoch (klar, ab und an gibt es auch mal ein schlechtes Abenteuer) und wir haben auch alle noch relativ wenig Erfahrung, daher kommt es (noch) nicht zu Wiederholungen. Kleine Anpassungen nehme ich immer mal vor, bisher klappen die meisten Abenteuer aber sehr gut wenn ich sie relativ nahe am Original umsetze. In 2-3 Jahren werde ich sicherlich auch eigene Sachen machen, solange habe ich aber noch so viel Dinge die ich spielen möchte, daher spare ich mir hier auch die Zeit. 

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Finde die beiden Beispiele von Art und Synapscape sehr gut, danke euch ;-)

 

Ich leite momentan auch noch vermehrt Kaufabenteuer, werde mich jetzt aber auch mal ran halten und das ändern, da sind eure Beschreibungen sicher auch gold wert.

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