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[Nightmare Bites] Kap.1: BÜHNE IN WEISS


Der Läuterer
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St. George’s Channel

Montag, 06.01.1930

 

Noch ein kurzer Blick auf die Taschenuhr, dann schließe ich meinen Mantel. Ich stelle den Mantelkragen auf und ziehe den Schal fest um meinen Hals, bevor ich durch die Schotte trete. Ein eisiger Wind schlägt mir entgegen, als ich an Deck nach frischer Luft schnappe. Ich blicke in den Himmel, während meine Hand in der Hosentasche mit der Kette spielt. „Immerhin hat es aufgeklart“, denke ich. Das Schiff liegt gut im Wind.

 

„So oft habe ich den St. George’s Channel nun schon überquert.“ Ich denke an frühere Überfahrten zurück und an das, was auf sie folgte. „Was wird diesmal wohl an unvorhergesehenen Ereignissen auf mich warten?“ Eine ungute Vorahnung ergreift kurz von mir Besitz. Ich dränge sie beiseite. Solche Gefühle bin ich gewohnt. Das Rauschen des Kanals übertönt die Wellen jenes anderen Meeres in meinem Inneren.

 

„Am Nachmittag erreichen wir Cardiff, so Gott will. Und morgen geht es in aller Frühe mit dem ersten Zug weiter nach London. … Ich hasse London, diesen stinkenden Moloch, errichtet auf britischer Arroganz und Größenwahn. …“ Aber die Aussicht, möglicherweise Matilde wiederzusehen, stimmt mich versöhnlich und hebt meine Stimmung. Ich bin fest entschlossen, mir das auch von Hugh nicht verderben zu lassen. Meine Gedanken wandern zu dem Geschenk in meinem Gepäck für Matildes nahenden Geburtstag. „Der Anhänger ist wie für Matilde gemacht: Das Silber des Weißgolds und das Blau des Aquamarin. Die passenden Farben für den Panzer aus Eis, den sie zu ihrem Schutz gegenüber Fremden trägt. Die passenden Farben für eine Schneekönigin. Die passenden Farben für ihren klaren Verstand. Hugh wird es hassen.“ Ich lächle. „Vielleicht werde ich auch Alexander sehen. Der Kleine wird ja nun bald schon ein Jahr alt.“

 

In meiner Vorstellung habe ich schon längst ein Bild von dem Kleinen mit seinem schwarzen lockigen Haar. Dieser imaginäre Knabe hat so viel von Matildes Zügen. „Alexander … ‘der Beschützer‘ … Ein sehr großer Name mit aristokratischem Klang für ein so kleines Kind“, denke ich. „Das passt zu Hugh.“ Mir fällt auf, dass Hugh für meine Vorstellung von dem Jungen offenbar nicht Modell gestanden hat. Ich lächle über meine unbewusste Missachtung des mir so unsympathischen Vaters. „Alexander, ein Eroberer, der sich ein Weltreich mit dem Schwert erbaut. Das würde Dir gefallen, wie? Du blonder deutscher Zinnsoldat!“

 

Auch wenn ich Matildes Mann Argwohn entgegenbringe, freue ich mich für sie. "Ich wünschte mir, ich hätte den Halt einer eigenen Familie besessen. Dann wäre mein Leben vermutlich anders verlaufen. Aber was hätte ich einer Familie schon zurückgeben können, außer Furcht und Verlust? ..."

 

"Und immerhin habe ich Cainnech.“ Ich blicke hinüber zu dem Jungen, wie er in seiner Fliegerjacke entspannt auf das Meer blickt. „Er ist mir in den vergangenen eineinhalb Jahren zu etwas geworden, was einem Sohn jedenfalls nahekommt. Auch nach dem Ende seines Dienstes bei der Aer Chór na hÉireann ist sein Herz über den Wolken geblieben. Die meisten halten ihn wegen seiner ruhigen, oft abwesenden Art für einen verschlossenen Eigenbrötler. Ich weiß es besser. Ich weiß seinen Blick über das Meer wohl zu deuten: Er stellt sich vor, jetzt in seiner Maschine zu sitzen und das Meer unter sich zu sehen, anstatt sich den Wellen anzuvertrauen.“

 

Ich denke zurück an jenen Morgen, als Cainnechs Mutter mich verzweifelt aufgesucht und um Hilfe gebeten hatte. Damals war die Polizei wegen der Leiche im Bootshaus gekommen und Máirín Ó Caollaidhe war schon beim Anblick der Polizisten erbleicht. „Ein anständiger Junge … zu gut für diese blutdürstigen Extremisten, die ihn für ihre Sache gewinnen wollten. Die bekommen ihn nicht für ihren Kampf.“ Ich werde nachdenklich. „Aber hatte ich ein Recht, Dich für meinen Kampf zu gewinnen, Cainnech? Was würde Máirín sagen, wenn sie es wüsste? Sie vertraut fest darauf, dass ich meine schützende Hand über Dich halte, wie ich es schon in der Vergangenheit getan habe. Für mich war dieser Morgen, an dem ich die Entscheidung traf, Cainnech anzustellen, ein großes Glück. Aber wie wird diese Entscheidung Dein Leben verändern?“

 

Mit einem Seufzer schiebe ich diese Gedanken beiseite, verdränge sie mit Politik. Die Zeitungsberichte beunruhigen mich:

 

„1.899.000 Arbeitslose in Deutschland. Natürlich fordert der deutsche Reichspräsident Paul von Hindenburg politische Freiheit und wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten für sein Land. England und Frankreich haben als Siegermächte ihren einstigen Feind erniedrigen wollen und haben den Bogen dabei überspannt. Ich habe eine gute Vorstellung davon, welche Zustände in den Armenvierteln der Städte herrschen, ich habe die Verzweiflung zu oft in den Gesichtern der Menschen gelesen. Ich habe Zweifel, ob die aktuelle Haager Konferenz rechtzeitig kommt, um das Grollen in den Eingeweiden Europas zu heilen.

 

Aber es gibt auch Lichtblicke. Der indische Nationalkongress in Lahore. Dieser Rechtsanwalt Mohandas Karamchand Gandhi hat eine eindrucksvolle Rede gehalten und erneut die Unabhängigkeit Indiens gefordert. Ziviler Ungehorsam … ich bin gespannt, was wir von diesem Mann künftig noch hören werden … wenn die Briten ihn reden lassen.“

 

Ein Matrose scherzt mit Cainnech. Offenbar sind Matrosen und Piloten sich doch nicht so fremd. Der Matrose weist nach Osten. Die Küste von Wales ist als schmaler Streif am Horizont in Sicht.

Edited by Joran
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Metropolitan Police Service - Forensic Service

London

 

Auch wenn die Kälte im nur spärlich beleuchteten Kellerstockwerk gerade an diesen Tagen einem durch Mark und Bein geht, so empfinde ich sie doch auf eine bizarre Weise als wohltuend und "vertraut". Hier bin ich allein, hier kann ich mich frei entfalten. Kurios, dass Enola gerade dies gestern Abend wieder einmal angemerkt hat. Sie spüre "eine Distanz zwischen uns" und glaube, dass es daran liegt, dass meine Arbeit mich zu sehr einnehme. Sie schlug einen gemeinsamen Urlaub vor. Wie lange ist es denn auch schon her gewesen, dass wir beide einmal vereist waren? Ich hatte bestätigend geseufzt, eine Augenbraue hochgezogen und mit den Schultern gezuckt, um ihr zu signalisieren, dass sie ja Recht habe.

 

In Wahrheit habe ich längst vergessen, wann wir zum letzten Mal verreist sind. Es kommt mir so vor, als zerre und zupfe ein nach Aufmerksamkeit gierendes Kind am Zipfel meines Mantels, immer und immer wieder, während ich gerade dabei bin, den entscheidenden Durchbruch in meiner Arbeit zu schaffen. Genau zum falschen Zeitpunkt. Der einzige Unterschied ist nur, dass ich mit diesem "Kind" seit 17 Jahren zusammenlebe und mir mit ihm ein Bett teile.

 

Der angenehm vertraute Geruch nach blankem Stahl und klinisch reinen Chemikalien dringt in meine Nase. Ich öffne den Spind mit einem leichten Quietschen, ziehe meinen Mantel aus und stelle meine Aktentasche auf den Boden. Dann betrachte ich mein Gesicht im Spiegel. Es wirkt zerfurcht und erinnert mich an den schon halb gefrorenen Boden draußen im Stadtpark.

 

Aber du bist gesund. Es geht dir besser, als je zuvor. Du bist auf dem richtigen Weg. Auch, wenn dieser Weg vielleicht Isolation und ein gealtertes Gesicht bedeutet.

 

Mit routinierten Griffen setze ich meine Arbeitsbrille auf, schlüpfe in den Kittel und reinige dann auf akribische Weise meine Hände und Unterarme.

 

Es wäre interessant, wenn ich sehen könnte, was ich alles abwasche von mir. Bevor ich anfange zu arbeiten. Nicht den Schmutz, nein - alles, was belanglos ist. Alles was unwichtig ist.

 

Ich greife mir das Wägelchen mit meinen chirurgischen Instrumenten und kontrolliere die einzelnen Teile in gewohnter Weise. Das vierte Skalpell auf der rechten Seite liegt verkehrt herum. Ich bin nicht so paranoid zu glauben, dass jemand in meinen Räumen war. Anscheinend war ich gestern unachtsam, als ich nach Hause gegangen bin. Das missfällt mir und mit einem - man könnte es affektiert nennen - Seufzen drehe ich das Skalpell richtig herum, tippe dreimal mit den Fingern auf die kühle Metalloberfläche des Wägelchens und streiche dann einmal sanft darüber hinweg. Das ist mein Ritual.

 

Als ob ich eine Wahl hätte!

 

Ich gehe zur Tür, schließe sie und schalte das Licht an. Flackernd füllen sich die Lampen an der Decke mit Leben. Zeit, mit der Arbeit zu beginnen.

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Auf den Straßen 

 

Ich schaue Hudson an. "Ich weiß, dass du Angst hast, so etwas könnte nochmal passieren und natürlich verstehe ich, dass dir der Assistenzjob erstmal ausreicht. Ich stehe hinter dir egal wofür du dich entscheidest.

Aber ich sehe jeden Tag wie sehr dir deine Arbeit als Archäologe fehlt und wie du jeden Tag mit leerem Blick zu deinem jetzigen Job gehst. 

Ich möchte einfach nur, dass es dir wieder besser geht. "

 

Traurig blicke ich auf meine Hände und eine kleine Träne tropft auf sie. Sie ist kalt.

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Metropolitan Police Service - Forensic Service

London

 

Ich ziehe das Skalpell mit einem kaum hörbaren Geräusch aus dem kalten Fleisch des Mannes unter mir. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich ungewöhnlich unkonzentriert an diesem Morgen bin. Seufzend richte ich mich auf, strecke den Rücken mit einem leisen Knacken durch und lockere meine Schultern. Was ist es nur? Ganz ohne Aufregung komme ich zu der Schlussfolgerung, dass es nicht mein Gespräch mit Enola vom gestrigen Abend war. Nein, es war etwas anderes.

 

Kannst du es mir verraten, kleiner toter Mann?

 

Gedankenversunken starre ich auf den Mittfünfziger unter mir, der kalt und steif da liegt und sich des langen Schnittes in seinem Brustkorb nicht mehr bewusst ist. Sein Kopf liegt fast auf komische Art Weise auf dem Obduktionstisch und die Kopfhaltung verleiht ihm ein Doppelkinn. Ich schmunzele. Ein weiterer Schnitt am -

 

KOPF!

 

Schrumpfkopf!

 

"Verflucht!", zische ich und reiße mir den Kittel herunter. Ich drehe auf dem Absatz um und stopfe meine Sachen zurück in den Spind, während ich weitere, leise gemurmelte Flüche unterdrücke. Miller war vor knapp 2 Stunden nach unten gekommen - was alleine schon ungewöhnlich für diesen Cretin war - und hatte mir mitgeteilt, dass Hugh Stratton mich im Lancaster-Auktionshaus haben wollte. Er hatte was von Schrumpfköpfen und Händen erzählt, die ich mir ansehen sollte. Ich bezweifle zwar, dass diese Funde aus zweifellos exotischen Ländern meine Aufmerksamkeit wert sind - man findet öfter Plagiate in derlei Auktionshäusern, als man vermuten mag - aber es schadet sich nicht, den Kontakt zur Detektei aufrecht zu erhalten.

 

Ich ziehe meinen Mantel an und beeile mich. Ich bin schon halb aus der Tür raus, als mir einfällt, was ich vergessen habe. Seufzend drehe ich um, kontrolliere die chirurgischen Instrumente und streiche einmal über das Metall. Jetzt kann ich gehen.

 

Wechsel zum Auktionshaus

Edited by Seraph
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DAS BÜRO

 

Hartmut bliebt still. Er wiegt bestimmt was Wahrheit sein wird, und was nicht.

 

Ich kann nicht mehr.

 

"Ich muss dir etwas sagen. Ich wollte es schon lange..aber..es war schön irgendwie auch ein Geheimnis zu haben ich bin sicher, du kennst das Gefühl".

 

Ich drehe mich um, und schaue aus dem Fenster

 

"Als ich in herm war, passierte vieleis. Das komischste war, ein Traum..oder..nein ich war auch kurz tot. Sie dachten ich sei tot.

Ich schwebte durch Zeit und Raum..so was komisches...

Da war ein Planet..nein, mehrere..und ein..ein Gestalt der zu mir sprach. Sah so aus, wie ein Frosch. Gigantisch, aber..er war..nicht böse, weisst du?

 

Er rufte mich zu sich.

Er sagte, Cykranosh gehörte mir

Er sagte, der Schläfer von N'kai würde mich erwarten.

Er nannte sich Hziulquoigmnzhah".

 

Ich drehe mich zu ihm.

 

"Er sagte, ich sollte zu ihm zurück..."

 

"Zurück.." hauche ich.

 

Ich starre ihn stumm an.

 

Die Stille. Diese Stille ist nichts gutes.

Edited by Nyre
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Auf den Straßen von London auf dem Weg ins Büro von Kilmister & Stratton

 

Es ist kalt... nein es ist saukalt. Ich bin einiges gewohnt. In rauhen Winter der Heimat war es auch oft kalt. Aber für Londoner Verhältnisse ist es jetzt verdammt kalt. Auch ich klappere mit den Zähnen. Die kurze Zeit hier, scheint mich schon verweichlicht zu haben. Es ist eine feuchte Kälte, die sich durch den Kragen meines Mantels, vorbei an meinem Wollschal, und an den Ärmelöffnungen entlang an meinen Körper heftet und versucht jede Wärme zu entziehen.

Ich schlinge mir die Arme mit den behandschuhten Händen um den Körper und presse etwas der kalten Luft unter meinem Mantel hervor. So fühlt es sich zumindest an, als die warme Luft durch die Ärmel bläst und die Feuchtigkeit wenigstens für einen kurzen Moment vertreibt.

 

'Was bist du nur für ein Weichei geworden?!', denke ich.

 

Ich lasse die Arme nach einigen Schritten wieder sinken und gehe wie unbeteiligt durch das Verkehrschaos.

Ich denke an Kristine und frage mich, wo sie nun sein mag. Vermutlich sitzt sie in der Bilbiothek - in der warmen Bibliothek - und liest in den Büchern oder sie studiert Abschriften. Vor meinem inneren Auge treiben Bilder vorbei:

Kristine und ich im letzten Winter...

... auf eisig verfrorener Straße.

 

Dieses Bild ist schnell entstanden, ist doch alles um mich herum ein Abbild dessen.

 

Wir tollen durch den Schnee und bewerfen uns mit Schneebällen. Wir, mittem im Park. ... Ein Schnitt ....

 

 

... Wir wälzen uns wie kleine Kinder ausgelassen im weißen Schnee und balgen uns um die Zuckerstange, die Kristine mir geklaut hat ehe ich davon kosten konnte.

 

.... Wir lachen ausgelassen .... halten uns heftig atmend im Arm ... küssen uns.

 

 

Ein weiterer Schnitt:

 

Es ist Sommer oder Frühjahr ... Kristine bietet einen wunderschönen Kontrast zu noch zarten Grün der Pflanzen um sie herum. Sie hat einen dunklen Mantel an, er steht ihr hervorragend. ...

 

Zeitsprung: .... Ich warte noch auf sie .... habe immer ausschau nach ihr gehalten... ihren Bus erwartet.... sie ist aber früher ausgestiegen und schleicht sich von der anderen Seite heran. .... ich höre ihre Stimme... sie ruft meinen Namen... ich drehe mich um und sehe sie wieder, in ihrem schönen Mantel, vor dem zarten Grün der Pflanzen... sie strahlt... ihr Gesicht, ihre Kleidung, sie strahlt von Innen heraus, strahlt mit der Sonne um die Wette ..... sie läuft die letzten paar Schritte auf mich zu und...

 

 

.... und stolpert?

 

... ich stolper?

 

Was passiert hier?

 

Ich merke erst jetzt, während sich mein Tagtraum auflöst, dass ich auf einer gefrorenen Pfütze ausgerutscht bin. Ich sehe die schreckgeweiteten Augen einer Passantin, die meinen Sturz mit anschaut. Alles verläuft wie in Zeitlupe, doch bin ich zu langsam, kann mich nicht mehr fangen und gleite zu Boden und pralle unsanft auf meinen Rücken... nur mit Mühe und meiner im letzten Moment aufkommenden Körperspannung kann ich verhindern, dass mein Kopf ebenfalls hart auf dem Boden aufschlägt.

Schmerz durchzuckt mich... und Scham.

 

'Kristine... verschwinde nicht... nur weil ich so ungeschickt bin', schießt es mir durch den Kopf - trauere ich dem verschwundenen Gedankengebilde nach. Sofort erkenne ich wie dumm der Gedanke war und meine Scham wächst.

 

Ich versuche meine Gedanken zu sortieren... 'Was ist heute nur mit mir los? Wo steht mein Kopf?'

 

Langsam sortiere mich meine verknoteten und teilweise schmerzenden Gliedmaßen und rappel mich vom Boden auf.

 

Einige Leute sind stehen geblieben. Die dicke Frau, die mich mit den großen Augen beim Sturz angeschaut hat, ist ganz bleich geworden vor Schreck. Sie hält noch immer eine Hand an ihren dümmlich geöffneten Mund. "Mister... geht es ihnen gut?", fragt sie mich.

 

"Ja, ... alles bestens", antworte ich, während ich mich vom Boden aufrichte.

 

"Ich war wohl einen Moment unkonzentriert... " ... ganz offensichtlich war ich das. Wie dumm von mir. Ich sollte mich mehr um die Dinge um mich herum konzentrieren.

 

Kristine scheint mir vollständig den Kopf verdreht zu haben. ... nein... es scheint nicht nur so. Es IST so. Sie bringt mich um den Verstand. Und wenn ich nicht langsam aus meinen Tagträumen erwache, dann bringe ich mich noch um.

 

Ich klopfe mir den schmutzigen Schnee von Mantel und Hose und mache nicke den Passanten entschuldigend zu.

 

Dann gehe ich weiter... ich versuche ein normales Tempo zu gehen, doch schon nach wenigen Schritten merke ich, dass ich es eilig habe. Meine Beine wollen mich schnellst möglich hier wegbringen. Es ist schon fast ein Wunder, dass ich nicht Laufe. Die Scham ... sie treibt einen voran.

 

Ich bremse mich wieder und versuche erneut meinen Kopf gerade zu rücken - meine Termine und Gedanken zu sortieren.

 

Jetzt muss ich zu Kilmister und Stratton. Es gab noch etwas zu tun... ja... das stimmt. Nur was?

 

 

Ein paar Bilder... genau!

 

Und dann muss ich noch erfragen, was es noch zu tun gibt. Es wird Zeit, dass ich meinen Kopf wieder mit anderen Dingen als Tagträumen fülle. Dazu kommt die Arbeit gerade Recht.

 

Eilig und ohne Umwege gehe ich zum Büro.

Nur langsam lässt sich der Schmerz in meinem Rücken und meinem Hintern verdrängen. Aber jeder Schritt löst etwas von dem Schmerz ab... lässt ihn ein wenig weiter verblassen.

 

 

 

An der Tür zum Gebäude angekommen, klopfe ich erneut den Schnee von meinen Kleidern und treten den Schnee so gut es geht aus dem Profil meiner Stiefel. Beim Abtreten des Schnees von den Schuhe melden sich die Prellungen wieder. 

 

Das wird ein paar schöne blaue Flecken geben. Da wird Kristine aber Augen machen, wenn sie die sieht.

 

 

Falls sie die Flecken sieht.

 

Leider treffen wir uns nicht jeden Tag... es passt nicht immer... und sie braucht ihren Freiraum... vielleicht sind die Flecken dann auch schon wieder verschwunden, wenn wir uns das nächste Mal treffen.... wir werden sehen.

 

 

Ich öffne die Tür, nehme meinen Hut vom Kopf, klopfe auch dort den Schnee ab und gehe die Treppe hinauf.

Edited by Puklat
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Das Büro

 

"Das war ein Traum, Schatz. Ein realistischer Traum. Doch nur ein Traum. Nichts weiter. Mach Dir darüber nicht zu viele Gedanken. Es war eine Projektion Deines Verstandes, ausgelöst durch zu viel Stress und durch Deine Phantasie. Dein Gehirn hat das in dieser Nahtodsituation erschaffen. Du beschäftigst Dich jetzt bereits seit geraumer Zeit mit dem Thema der anderen Seite. Du gewinnst an Wissen. Bekommst Kenntnisse und Einsichten. Das hinterlässt Spuren. Nichts ist umsonst. Und für mache Dinge zahlt man mit seiner geistigen Gesundheit. Du hast Einblicke in Dinge bekommen, die der Verstand des Menschen als Irrsinn abtut. So fing es auch bei Dir in Norwegen an, als Du Ithaqua begegnet bist. Der Preis dafür waren Deine Aufenthalte in der Klinik und im Sanatorium. Du bist in die Materie eingetaucht. Du hast hinter den Vorhang der Dinge geblickt. Vorher warst Du blind. Deine Augen wurden Dir geöffnet. Jetzt musst Du lernen zu sehen. Irgendwann wirst Du auch erkennen können. Du wirst Dir manches Mal wünschen, dass Du besser blind geblieben wärst. In jenen Situationen musst Du noch lernen, dass Du auch wegschauen musst, damit Dein Verstand nicht leidet, wenn das Andere auf Dich zurück blickt. Das alles hinterlässt Spuren an Körper, Geist und Seele. Denn wenn Du erst in den Fokus der Anderen gerätst, wirst Du vom Jäger zum Gejagten. Das darf Dir nicht passieren. Halte Dich möglichst bedeckt. Fall nicht auf. Das Krötenwesen in Deinem Traum ist die Kreatur Hziulquoigmnzhah. Sie steht in enger Verbindung mit Cxaxukluth, Ghisguth und Tsathoggua. Dieser wird auch als Schläfer von N'kai bezeichnet, bzw. Zhothaqquah genannt. Er soll auf verschiedenen Welten leben; auf Xoth, bekannt als Sirius B; Yaksh, bekannt als Neptun und Cykranosh bekannt als Saturn. Bei N'kai soll es sich um ein Höhlensystem unter dem Voormithadreth handeln; dem höchsten Berg der zyklopischen Eiglophian Bergkette im Zentrum von Hyperborea, einem alten, untergegangenen Kontinent. Viele Namen und Orte musst Du nicht kennen. Du musst sie weder lernen, noch wissen. Es gibt hier wie dort viel unnötiges Wissen. Ich werde Dir helfen, das eine vom anderen zu unterscheiden."

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Ich höre alles genau zu, und dann zucke ich mit den Schulter.

Ich habe geträumt.

Das ist alles.

Nun gut, das kann gut sein.

Immerhin hatten wir da die Mappen gefunden.

"Wie du meinst. Ich sehe, es ist echt schwierig dich zu beeindrücken"

Ich gehe zu der Tür.

"Über die Tatsache, das du schon mal in 1902 in China besichtet wurdest, hatte ich dich auch schon angesprochen. Vergeblich"

Ich gehe auf ihn zu.

"Eines Tages wirst du mir alles sagen, alles, und dabei wirst du weinen, und mich um Vergebung bitten. Du wirst mir alles erzählen, und ich werde in deinen Arme sein. Und ich werde schweigen, es wird zu spät sein. Denn ich werde tot sein"

Ich mache die Tür auf, und gehe wieder raus, zu Alexander.

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Auf den Straßen

 

Ich schaue Amelia an.

 

Sie will dir nur helfen. 

 

"Wollen wir nicht gleich zur Auktion? Die findet hier doch in der Nähe statt... außerdem siehst du aus, als sei dir kalt!"

 

Ich packe ihren Mantel an den Innenseiten, öffne ihn und schließe ihn nochmals enger. 

 

"Ich bin gespannt wer alles da ist. Harry vom Institut zum Beispiel... der interessiert sich doch sehr für diese ganzen Folterinstrumente und die stehen ganz oben auf der Liste."

 

Ich warte keine direkte Antwort ab, nur einen kurzen Blick von ihr um zu sehen, dass sie mir zuhört. Ich weiß das sie sich Sorgen macht, aber man kann von allem ablenken.

 

"Hast du dir die Broschüre nochmal angesehen, mein Schatz?"

 

Ich winke mit dem Papier vor ihrem Gesicht hin und her und lächle.

 

"Du solltest vorbereitet sein... man weiß nie, was kommt..."

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Das Büro

 

Während ich meine geschundenen Knochen die Treppe hoch wuchte, denke ich erleichtert daran, dass ich meine Pistole heute zu Hause gelassen habe.

 

Es wäre nicht auszudenken gewesen, was hätte passieren können wenn ich auf diese Gefallen wäre oder sie mir aus der Tasche gefallen wäre. Die Leute waren schon so irritiert genug. Da hätte ich nicht noch erklären wollen, woher nun diese Waffe stammt. Die Leute sind sowieso nicht sonderlich gut darauf zu sprechen, wenn Ausländer Waffen tragen. Ausländer könnten damit offensichtlich schlimmere Dinge anstellen als die Einheimischen.

 

Aber was rege ich mich darüber auf?! Ist es in meiner Heimat anders? .... vermutlich nicht. Nur bin ich dann nicht der Ausländer und werde wie hier argwöhnisch beäugt, sondern vermutlich ist es dann genau umgekehrt.

Menschen sind überall gleich... egal, ob sie es wahrhaben wollen oder nicht.

 

 

Ich komme am Ende der Treppe an und sehe die Bank auf der vor fast 2 Jahren Mr. Blackwood saß. Ein Mann, den ich seitdem nie wieder gesehen habe. Ein sonderbarer Zeitgenosse. Er hat sich vemutlich einen Witz daraus gemacht mich auf den Arm zu nehmen und so zu tun als hätte er den Job, auf den ich mich bewerben wollte, bereits.

Ich blicke auf die Tür zum Eingang ins Büro. Ich klopfe kurz an und betrete gleich darauf die Büroräume.

 

Ich komme gerade in dem Moment durch die Tür in dem Matilde mit ihrem niedlichen Alexander aus einem anderen Raum kommt.

 

"Guten Tag Mrs. Kilmister.", sage ich. Ich habe mich noch immer nicht recht daran gewöhnt Matilde mit ihrem Vornamen anzusprechen. Ich frage mich seit langem ob es an ihrer generellen Ausstrahlung liegt oder ob sie etwas Besonderes sagt oder tut, was diese Authorität  vermittelt.

 

"Weißt du", ich zwinge mich sie zu duzen, "ob es einen Auftrag gibt?"

 

"Ich hätte sonst nur noch ein paar nicht eilige Abzüge zu machen. Für den "Webster"-Fall."

 

"Es war ja eher wenig los, in der letzten Zeit. Liegt vielleicht auch am strengen Winter."

Als ich mit dem letzten Satz in den belanglosen Smalltalk wechsel, fällt mir eine innere Anspannung bei Matilde auf. Es ist nicht sonderlich auffällig, aber es ist zu erahnen, dass ihr etwas missfällt. Ich ärgere mich sofort, dass mir das nicht früher aufgefallen ist und ich hoffe, dass nicht ich der Auslöser für diese Anspannung bin - oder als Blitzableiter fungieren muss.

Edited by Puklat
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Ich lächele Ove an.

"Schön, dass du hier bist!" sage ein wenig erleichert. Ich muss es jetzt einfach sein lassen, und mich aufs Arbeit konzentrieren.

"Sieht so aus, als hätten wir ein Arbeit, neuer Auftrag"

Ich bete ihn rein.

"Der Kleine schläft gerade, wir können noch in Ruhe sprechen. Hugh meinte, etwas könnte an diesem Job..faul sein. Komischer Kerl, der Auftraggeber, zu viel Geld"

Ich starre ihn an.

"Un wenn er das sagt, stimmt normalerweiser"

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Mrs. STRATTON! Sie heißt doch jetzt STRATTON... Wieso kann ich mir das einfach nicht merken?!

 

Matildes Worte erleichtern mich sehr. Sie scheint keinen Groll gegen mich zu hegen oder mich als willkommenes Opfer zu ihrer eigenen Entlastung zu sehen. Das wäre auch nicht unbedingt ihr Stil, aber diese Frau kann fast alles und für berechbar halte ich sie noch immer nicht. Auch nach fast 2 Jahren nicht.

 

"Was bedeutet das genau? Sollten wir den Fall niederlegen?"

 

"Wieso hat Mr. Stratton den Fall dann überhaupt erst angenommen, wenn er uns nun davon abrät?"

 

"Worum soll es denn überhaupt gehen, wenn es so gefährlich werden kann? Sollen wir jemanden beschatten oder Dinge entwenden?", frage ich mit gespielt verschwörerischem Tonfall.

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Ich lächele ihn an.

"Nein, keine Beschattung. Ist eine interessante Sache eigentlich, an einem Auktion teilnehmen, und etwas ersteigern. Der Auftraggeber allerdings ist sehr..dubiös. Es ist ja nur ein Gefühl. Ich werde dir mehr erzählen unterwegs. Wir gehen erstmal einen alten Freund von mir treffen. Er wollre ursprünglich auch hier mitarbeiten, aber er hatte damals wichtigere persönliche Angelegenheiten zu erledigen. Er wird dir gefallen, er ist ire, und hat es drauf"

"Wie geht es Kristine? Wann werde ich das Vergnügen sie kennezulernen?"

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"Hmm... was kann am ersteigern so schlimm sein? Da bin ich mal gespannt, was Mr. Stratton dabei für ein schlechtes Gefühl hat.", ich grinse schief.

 

"Kristine geht es sehr gut. Allerdings muss sie bald wieder nach Schweden zurück.", ich versuche mir meine Traurigkeit darüber nicht ansehen zu lassen. Aber das gelingt mir eher schlecht als recht.

 

"Sie freut sich zwar darauf ihre Studien zu beenden und auch auf die Heimat... aber du kannst dir sicher vorstellen, dass ich sie lieber hier hätte. Sie ist so etwas wie meine Muse. Seitdem ich mit ihr die Penhew-Stiftung erneut besichtigt habe und sie mir bei der Recherche über einige der Exponate geholfen hat, bin ich mit meinem Buch um einiges weiter gekommen. Und du hast Recht, ich hätte sie euch längst vorstellen müssen. Vielleicht können wir das in ein oder zwei Wochen nachholen. Vielleicht kann ich deinen Mann und dich am Wochenende zum Essen zu uns einladen?"

 

Ich habe keine Ahnung, ob Kristine dann Zeit hat. Aber ich hoffe es mal.

 

"Wer ist der Freund, den du erwartest?"

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Cardiff, Wales

Montag, 06.01.1930

 

Wir erreichen Cardiff. Der Hafen öffnet sich vor uns. Wir legen in einem alten Bereich der Docks an, der für die großen Dampfer zu schmal ist. Hier sind die Hafenbecken vermutlich auch dem Tiefgang der modernen Stahlgiganten nicht gewachsen. Die großen Frachter und Passagierdampfer suchen sich stampfend ihren Weg zu modernen Docks aus Stahl und Stein. Dieser Segler und ich, wir sind beide alt und nun wenig mehr als lebendige Teile der Geschichte.

 

Wir gehen an Land und Cainnech kümmert sich um das Reisegepäck. Er eilt zu den Arbeitern, die zum Löschen der Fracht bereitstehen, ohne dass ich ein Wort sagen muss. Wenn Cainnech mit seinen Gedanken nicht in den Lüften ist, beobachtet er aufmerksam, was um ihn herum geschieht. Es bedarf selten vieler Worte. Er weiß selbst, was zu tun ist. Er wird meinen alten Überseekoffer nicht aus den Augen lassen.

 

Nachdem unser Gepäck vollständig ist, verlassen wir den Hafen und fahren ins Zentrum.

 

Ich kenne Cardiff gut. Bei jedem Besuch entdecke ich Veränderungen. Auch die Stadt beginnt sich mehr und mehr zu wandeln. Was die Jahrhunderte überdauert hat, wird gefangen in ein Netz aus modernen Straßen, mit dem der Fortschritt bis in die letzten Winkel getragen werden soll. Straßenbahnen, Busse, Automobile, Fahrräder … die Menschen eilen … alles wird hektischer in diesen Zeiten. Es ist erstaunlich, wie schnell ich mich zuhause immer wieder an die Ruhe des Landlebens gewöhne und wie fremd mir das pulsierende Leben in den industrialisierten Städten noch immer ist.

 

In der Queen Street erreichen wir unsere Pension. Alles verläuft reibungslos. Das Gepäck wird entladen und auf unsere Zimmer getragen. Ich lege den Mantel ab und stelle den Gehstock an die Garderobe. Meine rechte Hand gleitet routiniert in die Hosentasche und ertastet den Schlüssel, während meine linke Hand die Uhr aus der Westentasche zieht und aufspringen lässt. Alles in bester Ordnung. Ich setze mich auf das Bett. Die Zimmer sind schlicht, aber sauber. Es gibt nichts zu beanstanden.

 

Und doch … die Hektik der Stadt hat mich mitgerissen. Eine innere Unruhe hat von mir Besitz ergriffen und gibt mich nicht wieder frei. Die ungute Vorahnung vom heutigen Morgen macht sich wieder in mir breit. Ich frage mich, was genau die Ursache hierfür sein mag, finde jedoch keine befriedigende Antwort:

 

„Was hältst Du für mich bereit? Was verschweigst Du mir?“, frage ich die Stimme in meinem Innern. Aber SIE antwortet mir nicht. Ich horche in mich hinein, aber da ist nur das stete Rauschen des Meeres. Und doch spüre ich eine Spannung. Ich kenne diesen atmosphärischen Vorboten eines aufziehenden Sturms. Von IHR werde ich keine Antworten erhalten. SIE schweigt verdrossen, seit ich Matilde geschrieben und ein Treffen angeregt habe.

 

„Möglicherweise sind es einfach nur die düsteren Erinnerungen, die für mich seit vielen Jahren mit London verknüpft sind“, denke ich. Aber diese Begründung will mich selbst nicht recht überzeugen. Sie ist zu unbestimmt, zu wenig konkret.

 

„Ist es die Sorge, welche Träume die Nähe zum Pentonville Prison, zu dem Galgen und zu Rogers Gebeinen auslösen wird? Eigentlich habe ich meinen inneren Frieden mit diesen Geistern der Vergangenheit gemacht … nun sagen wir, ich habe einen Waffenstillstand geschlossen, brüchig zwar, aber fest genug, um einem Besuch in London standzuhalten.

 

Möglicherweise beunruhigt mich das bevorstehende Treffen mit Matilde und Hugh. Ich habe mich fest entschlossen, dem Benehmen von Hugh keine Bedeutung beizumessen. Es geht nur um ein kurzes Treffen, wir werden gemeinsam dinieren, vielleicht die Oper aufsuchen … nichts von Gewicht. Ich werde den kleinen Alexander sehen. Ein paar lobende Worte, wie wohl das Kind geraten ist, und der Vaterstolz sollte eine friedliche Koexistenz für einen kurzen Zeitraum ermöglichen.

 

Wohlmöglich ist es die unbewusste Sorge, die Begegnung mit Matilde könne Erinnerungen an Herm wachrütteln? Erinnerungen an Paul? Die Bilder von Blut und Verfall, die sich in mein Gedächtnis gebrannt haben? Die offenen Fragen, die uns seit Jahren nicht recht zur Ruhe kommen lassen wollen? Das Gefühl, damals etwas Wichtiges übersehen zu haben, verfolgt mich seit dem Moment, in dem das Schiff vom Kai dieser verfluchten Insel ablegte und ich ihr den Rücken kehrte. Mich fröstelt bei dem Gedanken an meine Träume: Paul liegt in einem einsamen Gefängnis und wartet vergeblich auf seine Rettung durch uns … irgendwo in den Kellern, Höhlen, verborgenen Kammern und Grüften, die vor Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden von Mönchen, Nordmännern und längst vergessenen Völkern in den Fels der Insel gegraben wurden. Manchmal habe ich Paul in meinen Träumen im Meer treiben sehen, ohne mir sicher zu sein, die Wellen welchen Ozeans dies wohl sein mochten. Aber auch das ist kaum der Grund für meine Unruhe; diese Bilder begleiten mich ohnehin.“

 

Meine Gedanken wandern zu dem eigentlichen Vorhaben, das mich nach London führt.

 

„Hängt meine Unruhe mit dieser Auktion und deren Exponaten zusammen? Möglicherweise will mich mein Instinkt vor dem warnen, was ich dort zu finden hoffe und gleichzeitig zu finden fürchte. Vielleicht will etwas tief in mir mich vor dem wirklichen Preis warnen, den ich für weitere Erkenntnisse werde zahlen müssen.“ Wieder überkommt mich der Zweifel: „Beruht diese Auktion nicht auf einem Zufall? Entspricht meine Reise nach London nicht nur meinem Willen, sondern folge ich unbewusst einem Ruf … einem Ruf, der mich in den Abgrund führt?“

 

Ich unterdrücke die dunklen Bilder, die in mir aufzusteigen beginnen, und wische den Gedanken hinfort.

 

„Es gibt keinen Grund für düstere Gedanken. … Als wenn Du einen Grund dafür bräuchtest! Es ist aussichtslos, nach einer Ursache für ein unbestimmtes Gefühl zu suchen“, sage ich zu mir selbst.

 

Und doch bin ich erleichtert, als ich Cainnech an meine Tür klopfen höre. Er sorgt für Ablenkung: Ein gemeinsames Essen und einen Besuch im ‘Coronet‘, einem Lichtspielhaus. Sie spielen Blackmail‘. Die Wochenschau nehme ich kaum war. Der Hauptfilm spielt in London. Die Bilder wecken erneut meine Unruhe. Ein Kriminalfilm von Alfred Hitchcock nach einem Theaterstück von Charles Bennett. Als die Protagonistin Alice einen Mann ersticht, der sie zu vergewaltigen versucht, wandern meine Gedanken zu Matilde … zu ihren vertraulichen Worten auf Herm … zu dem, was Paul über Matilde angedeutet hat. Hinter Matildes Lächeln verbergen sich so viele Geheimnisse … so viel Schmerz. Ich hänge meinen düsteren Gedanken nach und verpasse weite Teile der Handlung. Der Film nähert sich bereits seinem Höhepunkt, als ich die bewegten Bilder wieder bewusst wahrnehme. Das Geschehen hat sich ins Britische Museum verlagert. Die Bilder der Ausstellungsstücke lassen meine Gedanken wieder zu der bevorstehenden Auktion wandern.

 

„Morgen werde ich die Exponate begutachten. Morgen … Was wird dieser Tag bringen? Wertlosen Tand oder eine Zäsur in meinem Leben?“

Edited by Joran
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