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Erzähltechniken - Diskussions- und Sammelthread


grannus
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Wieder einmal möchte ich den kollektiven Wahnsinn hier anzapfen und eine kleine Sammlung eurer (unsrer? ihrer?) Erzähltechniken kreieren (was natürlich auch viel Stoff für Diskussionen in sich trägt). Hintergrund der ganzen Sache: die letzten zwei Jahre hat sich all meine kreative Energie bezüglich Erzähltechniken in meine Pathfinder-Kampagne ergossen, in welcher ich einige Elemente verbinde und damit ein sehr interessantes Gesamtbild der Erzählung erhalten habe. So richtig bewusst geworden ist es mir aber erst, als ich mir ganz konkret Gedanken dazu gemacht habe, was ich bei dieser Kampagne anders gemacht habe als bisher.

 

Deswegen möchte ich mich mit euch austauschen und sammeln, vielleicht erhalten wir so wirklich eine kleine Sammlung an Techniken aus denen man schöpfen und profitieren kann. Vieles ist natürlich wieder subjektiv gefärbt und für viele Begriffe gibt es natürlich auch irgendwo Definitionen (welche immer wieder ignoriert und neudefiniert werden).

 

Dann fange ich gleich mal mit jenen Elementen aus meiner aktuellen Kampagne an. Natürlich kann man die Elemente nicht immer völlig abgegrenzt betrachten, manche überschneiden sich ergänzen sich in Kombination.

 

Prolog
Vielleicht fällt jemandem hier noch eine bessere Bezeichnung hierfür ein ^^ Gemeint ist damit eine Szene zu Beginn der Kampagne, des Abenteuers oder der Session, in welchem die Spieler eine völlig losgekoppelte Szene erspielen, welche weder mit ihren Charakteren noch (zu diesem Zeitpunkt) mit dem Abenteuer in Verbindung zu bringen ist. Der Tod hatte mal ein nettes Beispiel dazu hier im Forum geschrieben (ich konnte es leider nicht mehr finden), in welchem es um eine Szene geht in welcher die Protagonisten sterben/ ermordet werden was-auch-immer. Die Spieler erleben diese Szene aus erster Hand ohne sie zuordnen zu können. Erst im Verlauf fügt sich diese Szene dem Gesamtbild hinzu.
 
Foreshadowing
Ähnlich wie im oben beschriebenen Element, lassen sich auch hier Hinweise und Kommendes andeuten. Jedoch kann dies über diese Technik immer und überall geschehen. Ein wichtiger NSC betritt die Bühne welcher im späteren Verlauf eine wichtige Rolle spielen wird, dazu eine passende Betonung des Namens und die Spieler vermuten richtig: "Der Kerl wird noch wichtig werden!". Nur das wie, warum und wann....DAS wissen die Spieler erst dann wenn es soweit ist. 
 
Living City
Ich verwende dieses Konzept um den Spielern die Möglichkeit zu geben, die Story aus anderen Blickwinkeln zu betrachten. Man drückt ihnen für ein Abenteuer/Session/Szene die NSC in die Hand und lasst sie von der Leine. Zum einen wächst natürlich die Spielwelt (man kann ganz neue Fleckchen auf der Landkarte erkunden), die NSC werden als mehr als nur Statisten wahrgenommen und für den Spielleiter öffnet sich eine Möglichkeit, die Story um eine weitere Dimension zu heben. Eingeführt habe ich dieses Element das erste Mal nach der simplen Frage "Was passiert zum gleichen Zeitpunkt eigentlich an Ort XY?" 
Dieses Konzept kann man natürlich hervorragend sowohl mit dem Prolog als auch mit Foreshadowing kombinieren.
 
Flash Forward
Um Tempo und Spannung ganz oben zu halten, spule ich wenn nötig sehr gerne vorwärts. Ja, wir alle wissen, dass nicht jeder Einkauf ausgespielt werden muss. Das kann man immer überspringen (ja ja, außer natürlich bei Rollenspielneulingen etc. bla bla). Seit meiner aktuellen Shadowrun-Runde mit StarWars-Regeln möchte ich diese Technik häufiger und extremer einsetzen, sprich sehr schnelle Schnitte kreieren. Alles was langweilig oder redundant ist, wird gnadenlos weggeschnitten. In einer Szene passiert nichts mehr? Weiter! Die Spieler haben alle Informationen oder würden sie so oder so erhalten? Weiter! Die Informationen kann man ihnen auch kurz erzählen alá "ihr erfahrt, dass...." Das lange Zeit aufrecht zu erhalten ist für mich persönlich schwierig und benötigt noch einiges an Training, verspricht aber ein echt flottes, interessantes Spiel. Natürlich sollte man damit nicht die Spieler in ihrem Charakterspiel beschneiden (gerade bei witzigen oder dramatischen Szenen), doch mit ein bißchen Fingerspitzengefühlt sollte das nicht passieren.
 
Rückblenden
Da ich selbst kein Fan von 10 DIN A4-seitigen Charakterhintergründen bin, war dies der erste Grund diese Technik zu verwenden. Im Laufe einer Kampagne werden die Charaktere durch die Spieler und deren Aktionen geprägt und nicht durch einen bis ins Detail ausgearbeiteten Hintergrund. Oft sind Lücken viel interessanter zu erspielen als wenn man gleich am ersten oder zweiten Lagerfeuer sich gegenseitig die eigenen Geschichte erzählt. Ein Beispiel aus meiner aktuellen Kampagne:
 
Ein zwergischer Paladin wurde aus seiner Stadt verbannt. Fakt. Nur das "warum" wurde nie geklärt. Als es story-technisch in die Kampagne passte, habe ich eine solche Rückblende eingebaut. Dabei habe ich den Spielern eine grob ausgearbeitete Szenerie (eine inoffzielle Verhandlung) und einen Auslöser (wie es zu dieser Szene kam) beschrieben sowie mit einem 5-Zeiler die NSC die sie spielen. Wir haben also den Beginn der Szene (das Setting) und das Ende (der betroffene Zwerg wird verbannt) festgemacht. Alles weitere wurde von den Spielern beschrieben und ausgespielt. Ich als SL konnte mich zurücklehnen. 
 
Auf diese Weise kann man Charakterhintergründe dann ins Spiel bringen, wenn es gut passt undd/oder wenn die Spieler mit ihren Charakteren vertraut sind und sich um dieses Detail kümmern wollen. Selbst erspielt ist immer interessanter als wenn man alles vorgekaut bekommt (meine Meinung).
 
Träume/Visionen
Auch hier kann man einige Elemente verbinden (Rückblenden, Foreshadowing et.), aber mit dem Unterschied, dass Träume und Visionen gerne überzogen und bizarr sein dürfen. Hinweise dürfen gut verschachtelt und versteckt werden, alles darf ein wenig verrückt sein und muss vom Spieler interpretiert werden. Ich finde dass man besonders Spieler, welche eine Freude an Rätsel etc haben, damit fordern kann seinen eigenen Traum/ seine eigene Vision zu deuten.
 
In media res
Sowohl bei Cthulhu (Tempus Fugit) als auch bei anderen Systemen wie D20 gibt es einige Abenteuer welche mitten in der Action einsteigen und dem Spieler im ersten Augenblick keine ruhige Minute zum Nachdenken lassen. Wie kommen wir hierher? Wo sind wir? Warum machen wir das? Das alles sind Fragen, auf die es erst später Antworten gibt. Die Spieler sind sofort in der Szene und müssen innerhalb dieser agieren, es wird Spannung und Tempo generiert. 
 
Collage
Gerade das Ende der Berge des Wahnsinns-Kampagne zieht an meinem inneren Auge vorbei wenn ich an die Technik der Collage denke. Der Höhepunkt des Abenteuers/ der Kampagne ist vorüber und dennoch gibt es Kleinigkeiten die erzählt werden müssen (müssen?). Eine Flucht, eine Heimreise, ein letztes Telefonat. Solche Dinge eben. Und oft reihen die sich in eine lange Schlange ein. Eigentlich ist so etwas nach dem eigentlichen Highlight völlig uninteressant und antiklimatisch. Erst vor wenigen Tagen habe ich mir Indiana Jones und der letzte Kreuzzug angeschaut. Die machen es dort richtig! Die Helden kommen aus dem Tempel, alles war actionreich und cool und zusammen reitet man in den Sonnenuntergang. Interessiert es jemanden wie sie wieder in der Stadt ankommen und die Reisevorbereitungen in die Heimat treffen? Nicht wirklich. 
 
Mit der Collage kann man also viele Kleinigkeiten zusammenfassen und den SL erzählen lassen. Natürlich gibt es immer wieder Spieler die sich daran stören ("mein Charakter hätte das aber anders gemacht!"). Deswegen nehme ich meistens eben solche Kleinigkeiten die nicht wirklich ins Gewicht fallen. 
 
Die gemeinsame Erzählung
Eigentlich kein alleinstehendes Element, sondern eine Ergänzung. Wie schon oben bei den Rückblenden beschrieben, handhabe ich es oft so, dass ich den Spielern Start und Ende einer Szene klar mache (also wo sie starten und wie die Szene enden MUSS) und lasse sie dann einfach drauf los. Kann ich nur jedem empfehlen mal zu testen. Auch hier gibt es viele Varianten. Eine davon finde ich persönlich ganz amüsant: jeder Spieler erweitert die Erzählung um einen Satz und gibt dann weiter. So bildet sich nach und nach eine Story bei der sich die Spieler die Bälle und Fäden zuwerfen können.
 
Bäumchen wechsle dich 
Geht ein wenig in Richtung Living Cities, hat aber einen ganz konkreten Fokus. In dem Abenteuer Tempel des Mondes erreichten die Investigatoren eine Grabungsstelle und haben diese erkundet. Zeitgleich hatten zwei unterschiedliche NSC-Gruppen ebenfalls Interesse an dieser Örtlichkeit und planten einen Angriff. Ich habe, als die Gruppe in einer Kammer des Tempels war, einen Cut machen lassen und zunächst NSC-Gruppe 1 ausgeteilt und auf das Camp vorrücken lassen. Anschließend Gruppe 2, die zum Gegenangriff überging. Als der Sieger feststand, mussten sich die eigentlichen Investigatoren dann mit den übrig gebliebenen auseinandersetzen. Den Spielern hat es viel Spaß gemacht gleich zweimal in die Rolle der Bösen zu schlüpfen.
 

Im Sessel Platz nehmen

Das sind die fünf Minuten am Anfang einer jeden Runde, möglicherweise nach ein paar einleitenden Sätzen oder Ortsbeschreibung, in denen sich die Spieler warmspielen und anspielen können. Hier sollte man sich als SL zurücknehmen und den Investigatoren den nötigen Raum geben.
 
Perspektivwechsel
Nun bin ich Katzen-Fan. Ich mag Katzen. Ich mag Katzhulhu. Wie wäre es, wenn ich den SC Katzen-Charaktere in die Hand drücke, die auf dem Dach eines Hauses hocken und den Mord aus Katzensicht beobachten? Und das als drei- viermal wiederkehrendes Element im Abenteuer, die gleichen Katzen an verschiedenen Orten, die immer die Off-handlung beobachten und vielleicht auch kommentieren. Wie gesagt, die Katzen sehen auch nur das, was den SC später bei Befragungen aus menschlicher Sicht erzählt wird, die Katzen sind dann erzählperspektivisches Ambiente und kein SC-Ersatz.
 

Die Off Time

Auch wenn viele das womöglich seltsam finden, so kann es im Laufe einer langen Kampagne auch stimmungsfördernd sein, bewusst in Offgespräche zu wechseln. Wie sieht das aus? In manchen herausragenden Situationen möchte ich die Spieler erreichen, nicht primär die Charaktere. Es ist zwar interessant und spannend zu sehen, wie die Charaktere mit moralischen Fragen umgehen, aber manchmal, so mein Eindruck, entsteht dadurch auch eine Barriere bzw. eine leichte Hürde für die wichtige Entscheidung.
Einmal gab es im großen Finale unserer Kampagne die Wahl, den vermeintlichen Antagonisten aus dem Verkehr zu ziehen und damit dem Hauptagitator der schrecklichen Ereignisse zu helfen oder andersherum. Beide gleichzeitig waren nicht aufzuhalten. Es gab keinen leichten Ausweg. Statt überstürzt etwas geschehen zu lassen, habe ich in eine Offzeit wechseln lassen. Auf diese Weise habe ich eine bedeutungsvolle Diskussion ermöglicht, die natürlich Intime nicht möglich gewesen wäre. Die Spieler hatten die Möglichkeit zu überlegen, wie sie dieses Finale (das wie gesagt hauptsächlich auf moralischen Konflikt hingezielt hat) gestalten möchten. Manchmal ist diese Lösung befriedigender, auch wenn sie rollenspieltechnisch natürlich nicht ganz sinnvoll ist. FUnktioniert hat es dennoch einwandfrei und ich würde (und werde) es wieder machen.
 
Skills/Backgrounds
Der Spieler würfelt eine erfolgreiche Chemie Probe um zu bestimmen was das für eine Substanz ist. Der SL erklärt ihm das es sich um einen experimentellen und sehr seltenen Sprengstoff handelt und fragt den Spieler danach woher er das weiß bzw woher er den Sprengstoff kennt. Die Antwort des Spielers hat nichts mit dem Plot o.ä. zu tuen, schafft aber ein klareres Bild des Charakters und kann vielleiht auch später wieder aufgegriffen werden. Ein mMn schönes Mittel um Charakterhintergrund ohne viel vorarbeit von Spielerseite im Spiel zu entwickeln.
 
Montage
Es gibt ein Problem, das sich auf verschiedene Weise bearbeiten lässt. Die Spieler*innen beschreiben eine Handlung. Erfolg wird notiert. Das ganze zwei bis drei mal. Wenn 2/3 der Aktionen erfolgreich wahren, super. Bei 1/2 immerhin nicht ganz schlecht. 
 
Beispiel: Schiff im Sturm. Man kann stark sein und Seite halten, NSCs kommandieren, die Götter anrufen,  Lecks abdichten etc. Voller Erfolg: Problemlos weiter. Teilerfolg: Seemann ist über Bord. Oder so. 
 
Wichtig: Spieler*innen können Teilprobleme selbst einbringen. Die Reihenfolge ist egal, aber jeder nur zwei bzw. drei mal. 
 
 
Ballsaal / Marktplatz 
Standardproblem: Wie stellt man viele NSCs auf einmal vor? Kurzbeschreibungen auf Karteikarten und Probe dazu. Auf die Rückseite genauere Informationen. 
 
Karten auf einer Karte des Raums verteilen. Spieler*innen können Karten angucken und bei erfolgreicher Probe auch die Rückseite anschauen. Wenn NSCs woanders hingehen, Karte umlegen.
 
Amnesie (Ähnelt "In media Res")
Die SC haben tatsächlich einen kollektiven Gedächtnisverlust erlitten (Magie oder Chemie). Sie kommen in einer fremden Situation zu Bewusstsein und müssen die letzten Stunden rekonstruieren.
 
Deja Vu
Warum müssen Visionen wirr sein? Eine reale Situation, die scheinbar normal wiederholt erlebt wird kann ebenso spannend sein. Insbesondere, wenn auf den ersten Blick nicht klar ist, was hier genau abläuft. (Traum oder nicht Traum?) Hier wird auch perfekt gezeigt, wie massiv die SC die Geschichte beeinflussen können.
 
Vogelperspektive
Entweder positioniert man die SC auf einem erhöhten Ort und beschreibt von Dort eine Schlacht oder Naturkatastrophe oder der Erzähler wechselt die Perspektive und beschreibt die Szene, wie sie im Kino laufen würde.
 
Feindperspektive
Für den Gobblin sieht das wohl so aus... Die Szene aus Sicht des Feindes zu erzählen kann nützlich sein, um einen Konflikt in Richtung Diplomatie zu bewegen. Einfach die Situation mit Motiven und Gefühlen aus sicht des Feindes schildern.
 
So, das erst einmal von mir. Wie macht ihr das bei euch?
Edited by grannus
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Ohne erstmal auf deine Punkte einzugehen:

 

Bäumchen wechsle dich

Geht ein wenig in Richtung Living Cities, hat aber einen ganz konkreten Fokus. In dem Abenteuer Tempel des Mondes erreichten die Investigatoren eine Grabungsstelle und haben diese erkundet. Zeitgleich hatten zwei unterschiedliche NSC-Gruppen ebenfalls Interesse an dieser Örtlichkeit und planten einen Angriff. Ich habe, als die Gruppe in einer Kammer des Tempels war, einen Cut machen lassen und zunächst NSC-Gruppe 1 ausgeteilt und auf das Camp vorrücken lassen. Anschließend Gruppe 2, die zum Gegenangriff überging. Als der Sieger feststand, mussten sich die eigentlichen Investigatoren dann mit den übrig gebliebenen auseinandersetzen. Den Spielern hat es viel Spaß gemacht gleich zweimal in die Rolle der Bösen zu schlüpfen.

 

Übung

Vieles von dem bereits gesagten kann und muss man bei Fiasko anwenden. Ich kann das nur jedem ans Herz legen, insbesondere mit der Cthulhu-Kulisse Wenn die Sterne richtig stehen (via Link siehe Signatur).

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@grannus

Das was Du als 'Prolog' beschreibst, würde ich als Déjà-vu-Erlebnis beschreiben.

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Im Sessel Platz nehmen

Das sind die fünf Minuten am Anfang einer jeden Runde, möglicherweise nach ein paar einleitenden Sätzen oder Ortsbeschreibung, in denen sich die Spieler warmspielen und anspielen können. Hier sollte man sich als SL zurücknehmen und den Investigatoren den nötigen Raum geben.

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Foreshadowing verstehe ich so, dass das Element welches vorgestellt wird unheilschwanger wahrgenommen wird, die Spieler es also als Omen erkennen.

 

@Läuterer: wie meinst du das mit dem Deja Vu? Wieso würdest du die von mir mit "Prolog" betitelte Szene als Deja Vu bezeichnen?

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Da ein längerer Beitrag von mir gerade geschluckt wurde :(, jetzt nur die Stichpunktversion:

 

Sehr schöner Beitrag grannus, danke dafür und eine tolle (erste) Auflistung deinerseits!

 

Fiasko ist wirklich toll für solche Sachen und die Bücher geben einige Anregungen zu Erzählperspektive und Zeitsprüngen.

 

Das AB Ringkabale aus anduin 89 probiert mit solchen Mitteln rum, ab. S. 61.

 

Und Schreibratgeber jeder Art und Sachen zu Improtheather können hier Impulse geben bzw. in kondensierter Form Spielleiterbücher - hierin finden sich auch immer wieder Hinweise auf das, was grannus als In medias res bezeichnete. Es heißt da eher szenisches Spiel o. ä. Man spielt die Essenz einer Szene und wenn das durch ist - CUT - und weiter mit der nächsten Szene - hart reinschneiden und nur das spielen, was von Bedeutung/Interesse ist (steht aber auch bei Fiasko drin). Die Art des Spiels ist für mich mit abnehmender Zeit für Rollenspiel immer wichtiger geworden ;).

 

Zuletzt: Zwischenspiele aus dem Savage Worlds Regelwerk - kurzer Schwank aus einem Investigatorenleben (wobei das Thema mittels Kartenziehen bestimmt wird), wenn das AB an einer Stelle Zeit dafür hat (abends am Lagerfeuer, ...). Wie bei grannus' Paladin Beispiel kann die Szene erst ersonnen werden, wenn davon erzählt werden soll oder früher; und liefert so die Möglichkeit entweder an einem lange ausgearbeiteten Background teilhaben zu lassen oder sich einen zu erfinden und den Investigatoren so mehr Tiefe zu geben.

Edited by 123
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Soweit ich weiß, bedeutet Foreshadowing nicht:

 

Zu Foreshadowing: Eigentlich ist fast alles Foreshadowing, wenn man nur relevantes fuer den weiteren Abenteuerverlauf hierunter versteht. Das ist in etwa so wie bei einem Krimi, in dem alle Hinweise, alle scheinbar beilaeufigen Ereignisse einen Sinn haben und zwar auch einen tieferen, der spaeter noch deutlicher werden kann. Kein Hinweis ist irrelevant, kein NSC egal - selbst Red Herrings haben eine tiefere Bedeutung.

 

Warum? Weil der Begriff dann beinahe komplett an Sinnhaftigkeit einbüßen würde und für die Literaturwissenschaft damit unbrauchbar wäre. In einem Roman, bei dem Hinweise gestreut werden, würde, wie du schon beschreibst, alles als Foreshadowing gelten (falls der Roman smart genug die Hinweise zu verknüpfen scheint - und nur dann -).

Meiner Erinnerung nach umschifft sich dieses Problem dadurch, dass man Foreshadowing als häufig ironisches Andeuten von zukünftigen Gegebenheiten deutet, das im Nachhinein einen Spiegel des Zukünftigen bietet oder auf eine vorher ungeahnte Weise auf das Ereignis hindeutet. Bei einem Krimi zieht diese Definition nicht. Das Verbrechen ist in der Regel begangen, die Hinweise weisen zurück, anstatt nach vorne. Nur weil die Lösung des Falls in der Zukunft ist, beziehen sich die Hinweise nicht auf eine Art und Weise auf dieses Event, wie sie es im üblichen Sinne tun. Das ist, glaube ich, eine Verschiebung des Fokusses auf andere Ebenen. Die Hinweis-(Inhalts)-Ebene und die poetologische (Meta-)Ebene. Im Moment bin ich mir nicht sicher, ob ersteres nicht auch in letzteres übergehet, aber letzteres ist definitiv, worauf es hinausläuft und was relevant für das Stilmittel ist.

 

Ein Beispiel, weil ich es gerade für die Uni nochmal lese: Watchmen

 

 

Die Graphic Novel ist voll mit bedeutungschwangeren Foreshadowing-Elementen. Die Ironie funktioniert meist durch die Verknüpfung von Text und Bild, die aus künstlerisch dramaturgischen und hochironischen Gründen übereinander gelegt werden. Der Effekt: Der Leser erhält die Chance, sich an das phänomenale Ende, die komplexen Gedankengänge und die permanent depressive Weltanschauung der Graphic Novel heranzutasten, hat man einmal das Muster durchschaut. Dann wird sofort klar, was noch passieren wird (nur vielleicht nicht das Wie).

 

Bei der Beerdigung des Comedians wechselt die Szene immer wieder zu einem Gespräch zwischen Mutter und Tochter. Letztere kann nicht begreifen, wie erstere mit einem Vergewaltigungsereignis so leichtfertig umgehen kann und sich ihr entzieht. Ihre Antwort: "It rains on the just an' the unjust alike ...  except in California." Nächstes panel: Ozymandias, der bei der Beerdigung des Comedians unter einem Schirm steht.

 

 

[Damit alle etwas davon haben, geht es außerhalb der SPOILER weiter]

Teilweise ist das prätentiös. Teilweise ist es Holzhammermethode. Aber nichtsdestotrotz ist es eine raffinierte Methode, um Spannung zu erzeugen und um Ästhetik und Abwechselung zu fördern. So auch beim Rollenspiel.

 

Meine Erfahrung damit: In unserer Kingsport-Kampagne haben meine Spieler Silhouetten in den Traumlanden gesehen, die exakt der Spieleranzahl entsprechen ---> Foreshadowing, dass sie nicht zum letzten Mal in den Traumlanden waren/gewesen sein werden.

 

Ich hoffe, das ist verständlich gewesen und dass ich keinen Denkfehler habe. :) Sonst berichtigt mich gerne. Toller Thread! Vielleicht sogar etwas fürs Wiki?

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Sehr interessante Beiträge. Danke dafür. Und mir ist beim Lesen eine Idee gekommen und würde mich über eine Meinung freuen.

 

Beispiel: im Abenteuer passiert ein Mord. Die SC sind aber nicht zugegen und erhalten später lediglich die Info von der Polizei, dass Herr X von mehreren Messerstichen getroffen wurde und Zeugen eine schwarzgekleidete Gestalt haben weglaufen sehen.

 

Nun bin ich Katzen-Fan. Ich mag Katzen. Ich mag Katzhulhu. Wie wäre es, wenn ich den SC Katzen-Charaktere in die Hand drücke, die auf dem Dach eines Hauses hocken und den Mord aus Katzensicht beobachten? Und das als drei- viermal wiederkehrendes Element im Abenteuer, die gleichen Katzen an verschiedenen Orten, die immer die Off-handlung beobachten und vielleicht auch kommentieren. Wie gesagt, die Katzen sehen auch nur das, was den SC später bei Befragungen aus menschlicher Sicht erzählt wird, die Katzen sind dann erzählperspektivisches Ambiente und kein SC-Ersatz.

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Die Off Time

Auch wenn viele das womöglich seltsam finden, so kann es im Laufe einer langen Kampagne auch stimmungsfördernd sein, bewusst in Offgespräche zu wechseln. Wie sieht das aus? In manchen herausragenden Situationen möchte ich die Spieler erreichen, nicht primär die Charaktere. Es ist zwar interessant und spannend zu sehen, wie die Charaktere mit moralischen Fragen umgehen, aber manchmal, so mein Eindruck, entsteht dadurch auch eine Barriere bzw. eine leichte Hürde für die wichtige Entscheidung.

Einmal gab es im großen Finale unserer Kampagne die Wahl, den vermeintlichen Antagonisten aus dem Verkehr zu ziehen und damit dem Hauptagitator der schrecklichen Ereignisse zu helfen oder andersherum. Beide gleichzeitig waren nicht aufzuhalten. Es gab keinen leichten Ausweg. Statt überstürzt etwas geschehen zu lassen, habe ich in eine Offzeit wechseln lassen. Auf diese Weise habe ich eine bedeutungsvolle Diskussion ermöglicht, die natürlich Intime nicht möglich gewesen wäre. Die Spieler hatten die Möglichkeit zu überlegen, wie sie dieses Finale (das wie gesagt hauptsächlich auf moralischen Konflikt hingezielt hat) gestalten möchten. Manchmal ist diese Lösung befriedigender, auch wenn sie rollenspieltechnisch natürlich nicht ganz sinnvoll ist. FUnktioniert hat es dennoch einwandfrei und ich würde (und werde) es wieder machen.

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@grannus

Zuerst einmal meine besten Wünsche zum Geburtstag.

 

Das Déjà-Vu-Erlebnis bezog sich auf...

...eine Szene zu Beginn ... in welchem die Spieler eine völlig losgekoppelte Szene erspielen, welche weder mit ihren Charakteren noch (zu diesem Zeitpunkt) mit dem Abenteuer in Verbindung zu bringen ist.

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Rückblenden kann man auch für andere Dinge als Charakterhintergrund einsetzen. Beispiel aus meiner Berge des Wahnsinns Runde: Bei einen geplanten Einsatz von Dynamit in der Antarktis schwenkt das Geschehen zurück in die Expeditionsvorbereitung um festzustellen ob damals genug eingepackt wurde. Der Charakter prüft also die Frachtlisten (ich würde hier den Spieler sogar beschreiben lassen wie er dies anstellt, aber das ist ein anderes Erzählerisches mittel) und macht seine passende Probe (Verborgenes entdecken, Bürokratie, Prepardness etc). Das Ergebnis der Probe wirkt sich wiederum auf die Gegenwart aus.

Richtig gut kommt diese Technik bei Einbruchs oder Heist Szenarios, da man die Vorbereitungs- und Planungsphase extrem abkürzen kann. Falls es jemanden interessiert, die Spiele Leverage und Nights Black Agents haben das schon in die Regelmechaniken verpackt.

 

Zum Prolog/Foreshadowing

Ich hab mir bei einen anderen SL abgeschaut eine Session mit einer kurzen Einleitungsszene zu beginnen. Konkretes Beispiel: In der letzten Session hat die Gruppe den Kultführer ein Dokument gestohlen. Die nächste Session fängt mit einer kurzen Szene an in der der Kultführer seine rechte Hand für den Diebstahl verantwortlich macht und ihn anweist die Täter ausfindig zu machen. Einfach als kurzer Einstieg um die letzte Session in Erinnerung zu rufen und die Spieler auch schon ein wenig auf die anstehenden Probleme einzustellen.

 

Eine weitere Technik, die ich jetzt nicht wirklich einordnen kann:

Der Spieler würfelt eine erfolgreiche Chemie Probe um zu bestimmen was das für eine Substanz ist. Der SL erklärt ihm das es sich um einen experimentellen und sehr seltenen Sprengstoff handelt und fragt den Spieler danach woher er das weiß bzw woher er den Sprengstoff kennt. Die Antwort des Spielers hat nichts mit dem Plot o.ä. zu tuen, schafft aber ein klareres Bild des Charakters und kann vielleiht auch später wieder aufgegriffen werden. Ein mMn schönes Mittel um Charakterhintergrund ohne viel vorarbeit von Spielerseite im Spiel zu entwickeln.

Edited by purpletentacle
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Zum letzten Absatz von Purple: ich kann hierbei nur auf die "Background"-Mechanik verweisen welche bei 13th-Age genutzt wird. Grob gesagt: bei jeder Probe muss der Spieler schauen ob er die Probe mit einem seiner Backgrounds bewältigen kann und dies dem SL in wenigen Sätzen darlegen. Somit lassen sich döse Backgrounds sehr flexibel einsetzen und mit jeder Probe wächst der Charakterhingergrund. Eine sehr geniale Sache um die Kreativität der Spieler zu nutzen.
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