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[Nightmare Bites] Kap.1: SCHÖNE AUSSICHTEN ODER STEILES KARRIEREENDE


Der Läuterer
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Drei Chinesen, mit wallenden orangefarbenen Mönchsroben und hübschen Holzkästchen in den Händen, wachsen vor Dir aus dem Boden und verneigen sich vor Dir. "Ommm!" Ihre Gesichter sind glatte Flächen, auf denen sich die Tiefe des Universums widerspiegelt. "Ommm!" Sie appellieren an deine Vernunft. "Reissen Sie sich doch mal zusammen. Bis jetzt hatten Sie doch ein sorgenfreies Leben."
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Hinter dem Fenster des Krankenzimmers stehen mehrere Männer in Dschungelmontur und mit Tropenhelmen. Du kennst diese Leute nicht, weisst aber wer sie sind, obwohl Du sie nie getroffen, nie gesprochen hast. Aber Du hast Fotos von ihnen gesehen. Sie alle reden auf Dich ein. Sie sprechen durcheinander, dennoch verstehst Du jedes Wort.

 

Prof. Dr. Grenfell sagt zu Dir "Da brauchen Sie doch nicht gleich verzweifeln, Herr Ecklund."

 

Dr. Humphry weiter "Die Zeit heilt alle Wunden, Herr Ecklund."

 

"Andere sind noch viel schlimmer dran als Sie, Herr Ecklund." ergreift Prof. Dr. Darrow das Wort.

 

Prof. Dr. Willoughby schaut Dich an und nickt "Das Leben geht weiter, Herr Ecklund."

 

"Wir sind auf dieser Welt um zu leiden, Herr Ecklund." hörst Du aus dem Mund von Dr. Loomis.

 

Prof. Dr. Van der Meer schüttelt den Kopf "Gottes Wege sind unergründlich, Herr Ecklund."

 

Die Stimme von Prof. Dr. Voorhees "Wer weiss wozu es gut ist und wohin es führt, Herr Ecklund."

 

Zuletzt ergreift Dr. Höllsang das Wort "Lassen Sie Ihre störenden Gefühle wie einen Dieb durch ein leeres Haus gehen, Herr Ecklund."

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Ein Wechselbad der Emotionen überrollt mich.

 

Der freundliche Tomte, die alles erschütternde Totenmaske der Frau, die doch eben noch gar nicht da war, die Expeditionsteilnehmer, die verbrannte Frau Marquard, andere Dinge, die ich nicht zuordnen oder verstehen kann.

 

Mal bin ich von Angst gepackt, mal eingeschüchtert, mal von Freude und Harmonie erfüllt, dann wieder schlicht verwirrt und ratlos und zu guter letzt von weisen Ratschlägen überströmt.

 

Ich muss an die Farben denken. "Orange!", murmel ich.

Die Eindrücke überfordern mich.

 

Warum hat die verkohlte Person die Bücher, die ich selbst in Händen halten müsste?

 

Warum fühlt sich die Hand so kalt an?

 

Wo kommt der orange Sand her?

 

Wo der Schmetterling?

 

Warum der Tomte?

 

Was passiert hier?

 

 

Ich fühle, wie sich der Boden unter meinen Füßen auflöst, wie ich schwächer und schwächer werde, wie ich zu taumeln beginne... immer schneller.... im Strom des strudelnden Quecksilbers an der Decke... oder ist der Fußboden? ... die Wand?

 

Ich will mich setzen, doch kann ich es nicht....

 

 

Die Worte, die ich höre ergeben einen Sinn....

 

Warum dagegen ankämpfen?! Ich muss diese Eindrücke durch meinen Geist ziehen lassen, als wäre mein Geist ein leeres Haus, aus dem nicht geklaut werden kann... die Zeit wird die Wunden heilen, allem einen Sinn geben, auch den vielen Dingen, die ich gerade nicht verstehe.

Wir sind hier um zu leiden... gerade Kristine musste sehr leiden... sie hat für uns alle gelitten....

 

Ich lasse los, gebe dem Ansturm der Eindrücke und Emotionen nach.... ich sinke zu Boden und schaue den vielen Gestalten hinterher, der noch immer um mich herum im Raum oder davor sind und versuchen mich zu quälen.

 

Ich öffne meinen Geist, wie die Tür zum verlassenen, leeren Haus....

 

'Sollen sie doch sehen, dass es hier nichts zu holen gibt. Ich werde warten, bis es wieder ruhig ist... ich bin zu erschöpft.'

 

Ich sitze auf dem Boden des Krankenzimmers, schaue unfokussiert in den Raum und sage und mache nichts.

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Clive

 

"So soll es sein. Warte hier auf mich. Ich gehe eben zu Mr. Ecklund und frage ihn, ob er mit uns kommen mag. Wenn nicht, hole ich sein Gepäck."

 

"Ich habe Ove Eklund am Bett von Kristine gesehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sie zurücklassen wird."

 

Ein wenig beneide ich Ove Eklund um diese unverbrüchliche, bedingungslose Treue.

 

"Es gab einmal eine Zeit, in der ich auch so dachte, in der ich andere Menschen nicht zurückgelassen hätte ... um weiter zu leben und meine Aufgabe zu erfüllen. Es ist nicht so, dass mir andere Menschen gleichgültig wären ... ich bin immer noch bereit für andere zu kämpfen ... aber das Leben hat mich gelehrt loszulassen, wo keine Hoffnung ist. Und mit dieser Abgeklärtheit lässt man auch einen Teil von sich selbst zurück ... unwiederbringlich.

 

Aber Kristine wird sich erholen. Und wenn Matilde und ich erst weg sind, gibt es auch keinen Grund mehr, ihr etwas anzutun. Warum sollte er sie auch zurücklassen?"

 

Ich schüttle diese Gedanken ab und mache mich auf den Weg. Jetzt, da der Entschluss gefasst ist, habe ich es plötzlich eilig, weg zu kommen und möglichst viel Abstand zwischen uns und London zu bringen.

 

"Es wird auch Zeit, wenn wir noch Zimmer in Brighton finden wollen. ..."

 

Der Gedanke, Irland mit Matilde im Schlepptau ein wenig näher zu kommen, gibt mir den nötigen Antrieb, mich selbst nach diesem Tag ... nach diesen Tagen noch einmal aufzuraffen.

 

"Wenn ich eines in meinem Leben gelernt habe, dann ist es, einfach weiterzulaufen und zu funktionieren, egal wie erschöpft ich bin. Eine Fuß vor den anderen setzen, auch wenn man den Kampf aufgegeben hat."

 

Und wieder stelle ich mir vor, wie werden KÖNNTE, wenn ich es nur mit Matilde zurück schaffe.

 

"Zu zweit bin ich aus Irland nach London gereist ... und zu zweit kehre ich wieder in meine Heimat zurück. Auf eine gewisse Weise mag das irgendeiner archaischen Gerechtigkeit jenseits unseres rationalen Verstehens entsprechen."

 

Als ich vor Kristine Grens Krankenzimmer anlange, klopfe ich leise an der Tür.

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Vor dem Zimmer von Kristine Gren:

 

Leise hörst du ein Murmeln, doch die Worte ergeben für dich keinen wirklichen Sinn... oder ist es gar nicht der Sinn der Worte, den du nicht erfasst, sondern ist es die Sprache an sich?

 

Ein Singsang, eine dir nicht unbekannte Sprachmelodie ist zu hören.

 

Du kannst nur wenige Worte raushören, die eine weiche männliche Stimme spricht.

 

"Tomte..... stanna .... Kristine .... far .... nej.... jag... när .... tomte... stanna... hjälp .... " so oder soähnlich klingen die Worte für dich.

Es könnte eine skandinavische Sprache sein. Aber ganz sicher bist du dir nicht. Zu abgehackt sind die Sätze, zu gedämpft klingt es durch die geschlossene Tür.

 

Du zögerst nur kurz durch die Tür zu treten, als ein kleinwüchsiger Mann, offensichtlich ein Arzt, aus dem Nachbarzimmer tritt. Er hat ein fast schon schweineartiges Gesicht und schaut dich durch seine kleine runde Brille an.

Mit ruhiger, freundlicher Stimme sagt: "Gehen Sie nur... Es ist bereits ein Besucher bei Ihr." und dann nickt er dir freundlich aufmunternd zu.

Er nimmt sein Klemmbrett in die andere Hand und dreht sich um, um weiter zu gehen.

 

Von drinnen hörst du wieder die Stimme. Sie scheint "orange" und "Pavian" oder "Gavian" zu sagen. Immer wieder.

Als du die Türklinge leise und behutsam runterdrückst, als wolltest du niemandem in dem Raum aufwecken, hörst du keine Stimme mehr.

 

Als du in den Raum schaust, siehst du Ove Eklund an Kristines Bett knien, seinen Kopf an ihren Oberarm gelehnt. Er scheint zu weinen und dreht sich langsam um, als er das Geräusch der sich öffnenden Tür hört. Einige Tränen rinnen über sein Gesicht als er dich anschaut und freundlich, milde lächelt.

 

"Kommen Sie, Doktor... bitte kommen Sie doch her. Nehmen sie sich einen Stuhl." sagt er ruhig und einladen. Du meinst einen ähnlichen Klang wie eben durch die geschlossene Tür in seiner Stimme zu hören.

Edited by Puklat
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Clive

 

"Was ist hier los?", frage ich mich.

 

Ich beäuge misstrauisch die Situation. Schon erwarte ich den nächsten Rückschlag, das nächste Ereignis, das unsere Abreise verzögern könnte. Sogleich stellt sich auch wieder das unbestimmte Gefühl ein, getrieben zu sein.

 

"Aber warum weint Ove Eklund ... und lächelt dabei ... wie ein naives Kind ... oder ein ... Idiot? ... Welchen Grund zur Freude könnte es hier und jetzt geben?" Kristine Gren wirkt unverändert. Kein Anzeichen deutet auf eine Besserung hin. Ich lasse meinen Blick einmal durch den ganzen Raum schweifen.

 

Misstrauisch und verunsichert frage ich: "Ist sie ... aufgewacht?"

 

Meine Erfahrung als Arzt sagt mir, dass Kristine heute kaum erwacht sein kann. Aber eine andere plausible Erklärung für Oves Freude will mir nicht einfallen.

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Ich schaue Kristine an.

 

"Nein. Aufgewacht ist sie nicht." Ich klinge sehr traurig und wieder rinnen neue Tränen über mein Gesicht.

 

"...leider", flüstere ich.

 

"Aber.... Doktor... ich fürchte ....", ich schaue mich um. Ich sehe, dass Doktor Savage noch abwartend und vielleicht sogar unsicher in der Tür steht.

 

"Doktor, bitte schließen Sie die Tür... ich muss mit ihnen reden... ich füchte Sie werden mir nicht glauben... "

Ich warte, bis Doktor Savage scheinbar zögerlich die Tür schließt. Er kommt näher heran, wahrt aber einen gewissen Abstand. Ich spüre, dass er kein gutes Gefühl dabei hat jetzt mit mir zu reden. Vielleicht ist es sogar Angst vor dem, was ich erzählen könnte.

 

Ich warte, bis sich Doktor Savage etwas an die Situation gewöhnt zu haben scheint. Dann beginne ich.

 

"Doktor Savage... ich fürchte ich habe Halluzinationen... oder schlimmeres. Vielleicht auch nur Schlafmangel. Ich habe Dinge gesehen. Leute... unter anderem die Totenmaske."

Immer wieder kratze ich mich an der recht Hand. Ohne es wahrzunehmen.

 

Ich mache keine Pause, berichte Doktor Savage ruhig und ohne Emotionen von den Erscheinungen, die ich hatte. Ich berichte so ausführlich wie möglich.

 

"Doktor Savage... Sie halten mich nun vermutlich wirklich für verrückt. Aber ich glaube, dass einige der Aussprüche, die ich gehört habe, Sinn ergeben. Wir wissen nicht was los ist,  was passiert ist oder wird... aber wir werden es noch erfahren... und wir dürfen im Geist nicht zu sehr dagegen ankämpfen... schließlich hat uns das in diese Situation gebracht.

 

Ich bin mir sicher, dass es die Frau, Mr. Gavigan, Mrs. Marquard und die Expeditionsteilnehmer hier im Raum nicht gab... aber ich bin mir bei dem Arzt und dem Schmetterling nicht sicher. Und ich weiß mit der Farbe nichts anzufangen... warum orange?"

 

Ich kratze mich wieder beiläufig an der Hand und schaue dann traurig zu Kristine, die unbeweglich in ihrem Bett liegt.

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Clive

 

Ich beobachte Ove Eklund während er spricht. Ich registriere, wie er fast schon zwanghaft seine recht Hand kratzt.

 

Mir liegt es fern, Träumen eine Bedeutung abzusprechen. Ich weiß, dass unser Gehirn uns manchmal Bilder offenbart, deren Verständnis und Interpretaion unseren Geist überfordern ... und die doch auf eine für uns unbegreifliche Weise 'WAHR' sind. ... Aber ein Tomte? ... Dies scheint mir bestenfalls ein verschrobener Versuch von Oves Verstand, die Dinge in eine schon aus Kindertagen stammende Weltordnung einzusortieren ... der Versuch, die Geschehnisse der letzten Tage in ein altbekanntes Muster einzuordnen, um nicht den Verstand zu verlieren.

 

"Das alles spricht nicht für die geistige Stabilität dieses Mannes. Ove Eklund braucht Hilfe, wie mir scheint. Aber ich bin kein Psychiater. Und Cainnech hätte auch Hilfe gebraucht. ... Ich habe keine Zeit dafür.

 

Und was ist das mit seiner Hand? Ein harmloser Juckreiz? Ein durch die Belastung ausgelöster unbewusster Tick? ... Oder mehr? Eine Folge der Berührung der Hand des Tcho-Tcho-Priesters? ... Steht der Realitätsverlust im Zusammenhang mit der Berührung der Hand ... oder ist das nur eine Folge der Belastungen der letzten Tage? ... Wann hat Ove Eklund die Hand wohl zum ersten mal berührt ... vor oder nach dem Angriff auf Kristine? ... Kristine wurde irgendwann überfallen, bevor wir uns in der Pension zuerst getroffen haben. Wissen wir, wo Ove zu diesem Zeitpunkt war? ... Was wenn ... Nein, das macht keinen Sinn. Ganz offensichtlich steckte Dalgliesh hinter der Sache ... aber schließt das die Benutzung von Ove Eklund als Werkzeug aus?

 

Nein ... es ist nicht vorstellbar, dass Ove Eklund Kristine dies angetan hat ... oder?

 

Es muss eine logische Erklärung geben, aber ich bin zu erschöpft, um sie zu sehen."

 

Ich sehe Ove Eklund in Gesicht und ich lese nichts darin, was auf eine Schuld schließen ließe. Aber manchmal tun Menschen Dinge, für die sie nicht verantwortlich sind. So klein der Zweifel auch ist, der mich überkommt, er weicht nicht wieder und beginnt sich zu drehen und zu winden. Die Saat ist aufgegangen.

 

"Ove wäre in dieser Verfassung nur eine Last ... ein Gefährdung für Matilde. ... Nein, auch von Mitleid lasse ich mich nicht aufhalten. ... Das habe ich auch für Cainnech nicht getan! ... Manchmal muss man loslassen ... den einen gehen lassen, um einen anderen zu schützen."

 

Ich merke, dass Ove auf eine Reaktion meinerseits wartet und ich schon einen Moment zu lange schweige. Ich gebe mich ernsthaft nachdenklich und lächle Ove Eklund an.

 

"Mr. Eklund, das hört sich sehr interessant an. Aber auch ich kann Ihnen das nicht erklären. Die Farbe Orange ... nein, sie mag für Sie persönlich eine Bedeutung haben ... aber mir fällt dazu spontan nichts ein. ... Buddhistische Mönche tragen orange Gewänder ... die Farbe des Feuers, der Weisheit und der Reife.

 

Jedenfalls waren Ihre Träume nicht bedrohlich. Vermutlich sind Sie einfach an Kristines Bett eingeschlafen. Die Rauchvergiftung und die Ereignisse der letzten Tage haben ein übriges getan. ... Es wäre fast schon erstaunlich, wenn Sie nach alldem keine wirren Träume hätten. ... Geben Sie nicht zuviel darauf, würde ich sagen.

 

Mr. Eklund, ich fürchte, unsere Wege trennen sich jetzt. Sie wollen sicher bei Kristine bleiben, nicht wahr? Matilde und ich sind nicht außer Gefahr. Die Leute, die uns angegriffen haben, werden uns weiter verfolgen. Im Moment bedeutet unsere Anwesenheit nur Gefahr für Sie und Kristine. Wir wollen weiter, uns noch vor der Nacht eine Unterkunft suchen und dann nach Irland aufbrechen. Aber wir halten Kontakt zu Mr. Kilmister. Egal wohin wir oder Sie gehen, über ihn werden wir uns Nachrichten schicken können.

 

Ich würde Ihnen raten, sich hier selbst untersuchen zu lassen. So können Sie gleichzeitig direkt in Kristines Nähe bleiben.

 

Wenn Sie einverstanden sind und nicht mit uns abreisen wollen, würde ich Ihnen Ihr Handgepäck aus der Pension heraufbringen ... dann können Sie bei Kristine bleiben?"

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"Ja, die Strapazen werden es sein... aber finden Sie die Parallelen nicht auch... bestechend? Aber vielleicht spielt mir mein Geist nur einen Streich. Ich bin tatsächlich sehr erschöpft.

 

Wissen Sie, ob ich hier bei Kristine bleiben kann? Ich habe bisher nicht gefragt. Und nun ist es schon so spät. Ich fürchte, ich muss mir eine Unterkunft hier in der Nähe suchen. Vielleicht gibt es hier ein Gästehaus. Oder ... ja... so wie sie sagten... ich lass mich hier untersuchen und verlange für einen Tag unter Beobachtung zu bleiben... der Rauch war sicher nicht gut."

 

Ich kratze mich wieder an der rechten Hand.

 

"Doktor Savage... Wenn ich hier bleibe, kann ich aber unmöglich die 'Hand' bei mir behalten. Ich kann sie alleine nicht beschützen. Ich würde sie Ihnen gerne mitgeben... aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie sie entweder verwahren, bis wir uns wiedertreffen, oder dafür Sorge tragen, dass diese Hand unwiderbringlich zerstört wird. Ihr haftet Negatives an..."

 

Ich stutze kurz.

"Wissen Sie... ich höre mich für mich selbst schon verrückt an. Aber bitte... tun Sie mir den Gefallen und nehmen Sie die Hand mit, wenn Sie die England verlassen sollten. Und verwahren Sie sie gut... bis sie einen Weg gefunden haben sie zu vernichten. Werfen Sie sie auf gar keinen Fall einfach so weg... Die Preise, die wir für all diese Strapazen in den letzten Tagen bezahlt haben. Wir und andere...", dabei schaue ich zu Kristine, "...die Preise sind viel zu hoch. Und wir müssen sehen, dass wir sie nicht unnötiger Weise bezahlt haben."

 

"Ich werde hier bleiben, ich werde noch einige Dinge in Erfahrung bringen wollen. Und ich will Kristine in Sicherheit wissen. Das geht aber nur, wenn die Hand nicht hier oder gar nicht mehr ist."

 

Ich schaue auf meine recht Hand, als wäre etwas mit ihr nicht in Ordnung.

 

"Irgendwas ist mit meiner Hand!", murmel ich mehr zu mir selbst als zu Doktor Savage und wische mit meiner Linken über meine recht Hand, dann schaue ich zu Doktor Savage und erwarte seine Antwort.

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Clive

 

Ich denke einen Augenblick nach und streiche müde über die ungewohnten Stoppeln an meinem rasierten Kinn.

 

Natürlich möchte ich auch wissen, dass von der Hand kein Unheil mehr ausgehen kann. Und das geht wohl nur, wenn die Hand vernichtet ist ... wenn ihr tatsächlich eine böse Macht innewohnt und wenn diese Kraft die Hand nicht bereits verlassen hat.

 

Skeptisch betrachte ich Oves gerötete Hand.

 

"Wie soll ich die Hand so schnell vernichten? Wenn die Tcho-Tcho die Hand bei uns vermuten, werden Sie uns weiter verfolgen. Der Besitz der Hand ist gefährlich, egal ob sie nur ein für sich gesehen harmloses Kultobjekt für ein paar Irre ist oder ob sie selbst etwas beherbergt ... und sei es nur ein Fluch. ... Flüche können sehr machtvoll sein."

 

Ich denke ernsthaft einen Moment darüber nach, die Hand einfach auf der Passage nach Irland über Bord zu werfen  ... oder sie irgendwo stehen zu lassen ... sie zu vergraben. "Keine Gefahren mehr ... keine Verzögerungen ..." Das wirkt verlockend.

 

Doch dann höre ich mich etwas resigniert einräumen: "Gut, ich nehme die Hand und überlege mir etwas. Ich verspreche es Ihnen."

 

Es erscheint mir fair, Ove Eklund nicht alleine mit der Hand hier zurückzulassen. Ein Preis, den ich zahlen muss, um hier weg zu kommen.

 

"Ich sage Matilde Bescheid und bringe Ihnen Ihr Gepäck." Ich nicke Ove noch einmal kurz zu, dann drehe ich mich um und öffne die Tür. Schon in der Tür blicke ich noch einmal über die Schulter:

 

"Ich wünsche Ihnen von Herzen gute Besserung, Kristine! Und besuchen Sie mich, sobald Sie können!"

 

Dann trete ich auf den Gang hinaus und schließe leise die Tür hinter mir.

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Clive

 

Auf dem Gang ist wieder der Arzt auf seiner Abendvisite unterwegs. Inzwischen ist er ein paar Zimmer vorangekommen.

 

"Entschuldigen Sie!", melde ich mich höflich. Als der kleine Mann auf mich aufmerksam geworden ist, stelle ich mich kurz vor. Ich berichte von dem Hotelbrand in London, dem wir nur knapp entkommen sind:

 

"Ich fürchte unseren Freund ... Ove Eklund ... hat der Überfall auf seine Verlobte sehr mitgenommen. Dann noch der Brand. Ich mache mir Sorgen um ihn. Vielleicht liegt es an dem vielen Rauch, den wir atmen mussten. Ich hatte mir feuchte Tücher vor den Mund gebunden, aber er nicht. Eben wirkte er etwas verwirrt. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie veranlassen könnten, dass Herr Eklund gründlich untersucht wird und zumindest für diese Nacht hier aufgenommen werden könnte."

Edited by Joran
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"Guten Abend. Freut mich Sie kennenzulernen. Mein Name ist Dr. Cubbert. Sie sind sicherlich derjenige, der die Patientin hier her bringen liess."

 

Der Arzt schaut auf seine Kladde. "Meiner Patientin geht es nicht gut. Hin und wieder erlangt sie kurz wieder das Bewusstsein. Eine Schwester ist Tag und Nacht immer bei ihr. Rund um die Uhr. Es wird gut für sie gesorgt... aber ich kann Ihnen nichts versprechen. Ich bin kein Wunderheiler. Vielleicht wird Frau Gren nie wieder so, wie sie einmal war. Körperlich eher als seelisch. Ich bedauere es, Ihnen keine bessere Prognose stellen zu können, Herr ...?"

 

"Herr Eklund erscheint mir auch fähig und verwirrt zu sein. Er macht in der Tat einen sehr mitgenommen Eindruck. Er ist zum Teil nicht ansprechbar... als würde er nicht verstehen, was man gerade gesagt hat, oder gerade völlig woanders zu sein."

 

"Und natürlich... wenn Sie es wünschen, dann lasse ich Herrn Ecklund sofort ein Zimmer herrichten."

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Clive

 

Ich nenne Dr. Cubbert noch einmal meinen Namen und bedanke mich für die besondere Sorgfalt, mit der Kristine Gren behandelt wird.

 

Und ich zeige meine Erleichterung, dass er sich auch Ove Eklunds annehmen wird. Dann verabschiede ich mich und eile herunter, zum Empfang, dann weiter zum Taxi. Ich hole das wenige Gepäck, dass Ove mit in die Pension gebracht hatte, aus dem wartenden Fahrzeug. Einen Augenblick betrachte ich die Fototasche, in der sich die Hand befindet und bin kurz versucht, sie einfach mit dem weiteren Gepäck am Empfang für Ove abzugeben. Es würde unsere Flucht erleichtern. Aber dann erinnere ich mich an mein Versprechen und mir ist bewusst, dass Ove schon zu lange dem tatsächlichen oder auch nur eingebildeten Einfluss dieser Hand ausgesetzt war. Ich lasse die Fototasche also beim restlichen Gepäck und erkläre dem Fahrer, dass wir nun in wenigen Minuten weiterfahren können.

 

Dann eile ich wieder zurück, bringe Ove Eklund seine Tasche, erkläre ihm, dass ich mit Dr. Cubbert seine Aufnahme in der Privatklinik besprochen habe und verabschiede mich so rasch es die Höflichkeit erlaubt. Ich wünsche ihm und Kristine noch einma gute Besserung.

 

Dann schließt sich die Tür des Krankenzimmers hinter mir. ... Ein Geräusch, dass eine Zäsur verspricht. Hinter mir schließt sich ein Abschnitt meines Lebens ... vor mir liegt ein neuer ... gemeinsam mit Matilde ... in meiner Heimat.

 

Eine Anflug einer freudigen Erregung erfasst mich. Ich wünschte, mir würde bereits eine steife Brise Meeresluft um die Nase wehen und ich spührte schwangende Planken unter meinen Füßen.

 

Erneut eile ich herab in den Salon ... zu Matilde. Ich berichte ihr kurz, dass Ove Eklund wie erwartet bei Kristine bleiben will. Ich deute an, dass er sich nicht wohl fühle. Offenbar sei er sehr erschöpft ... mehr als wir bisher bemerkt hätten. Ich erzähle Matilde mit wenigen Worten, dass ich für seine Unterbringung hier in der Klinik gesorgt habe. Kristines Zustand stelle ich etwas hoffnungsvoller dar als Dr. Cubbert, indem ich berichtet, sie habe nach Aussage des Arztes bereits hin und wieder für kurze Zeit das Bewusstsein erlangt.

 

"Das ist ein gutes Zeichen! Auch wenn ihr Zustand natürlich noch kritisch ist, macht mir das Hoffnung", betone ich. "Ich denke, wir sollten nun aufbrechen. Wir können nichts mehr weiter für die beiden tun. Tatsächlich bedeutet unsere Anwesenheit wohl eher eine Gefahr für sie. Der Fahrer ist informiert, Oves Gepäck ist oben ... Wir können nun endlich aufbrechen ... und all dies hinter uns lassen!"

 

Mir ist klar, dass alleine diese Worte Matildes Mattigkeit nicht beseitigen werden. "Aber es reicht für den Augenblick schon aus, wenn Sie nur in dieses Automobil steigt. Um alles andere werde ich mich kümmern..."

Edited by Joran
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Dr. Cubbert kommt nach einer Weile wieder in das Krankenzimmer zurück, in welchem Kristine liegt. "Herr Ecklund, ich habe mit Doktor Savage gesprochen. Ich habe seinem Wunsch entsprochen und ein Zimmer für Sie herrichten lassen."

 

Er tritt auf Dich zu und berührt Dich sachte am Ellenbogen. "Kommen Sie bitte. Ihr Zimmer ist auf dieser Etage, drei Zimmer weiter den Gang hinunter."

 

"Sie brauchen Ruhe und Erholung... Wenn Sie sich gesammelt haben und genesen sind, dann dürfen Sie uns beide wieder verlassen."

 

Der Doktor legt seine Hand auf Deinen Rücken und schiebt mit leichtem Druck. "Sehen Sie freudig diesem baldigen Tag entgegen, Herr Ecklund, dann wird dieser auch schnell kommen. Denken Sie positiv."

Edited by Der Läuterer
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Ich fühle mich überfordert. Ich höre Doktor Savage zu, doch ich habe nicht das Gefühl, dass er mich richtig verstanden hat und ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich wirklich verstanden habe, was er wollte oder was ihn antreibt. Er will hier fort. Das kann ich verstehen, aber dennoch weiß ich nicht genau, was wirklich dahinter steckt. Doktor Savage wirkt auf mich fahrig. Sicherlich braucht er Ruhe. Der Mann ist auch nicht mehr der Jüngste und er hat seit den paar Tagen, die er in London ist auch schon viel erlebt. Zu viel. Aber ich verstehe nicht, wie ihm das Verschwinden seines jungen Freundes so egal sein kann. Er sagte zwar, er wolle ihn wiederfinden, aber was hat er wirklich unternommen? Ist es ihm nicht vielleicht sogar Recht, dass er nun fort ist? Aber warum hat er ihn dann erst mit hierher gebracht?

 

Das sind alles Fragen, die ich nicht beantworten kann... oder nicht beantworten will. Es ist mir auch langsam egal. Ich habe andere Sorgen.

 

Mit Unbehagen, habe ich Doktor Savage meine Kameratasche mit der Hand übergeben. Ich habe mit ihm zusammen noch kurz das Vorhandensein der Hand in der Tasche überprüft und sie ihm dann mitgegeben. Dann war Doktor Savage auch schon verschwunden. Einige Augenblicke, oder waren es viele Minuten, später kam er wieder und brachte mir mein spärliches Gepäck, das ich mit in der Pension hatte. Dann verabschiedete er sich knapp und ging davon.

 

'Er läuft weg... vor etwas oder jemandem. Warum sonst hat er es so eilig? Läuft er vor mir weg? Dem was ich ihm berichtet habe? Läuft er vor den Ereignissen hier weg?'

 

Ich stelle mir zwar diese Fragen, doch habe ich noch immer die Stimmen der Expeditionsteilnehmer in den Ohren... ich sollte es auf sich beruhen lassen, und das Leben seinen Gang gehen lassen. Es wird sich alles aufklären und ich interpretiere es so, dass jeder sein Leid zu durchleben hat. "Wir sind auf der Welt um zu Leiden", soetwas in der Art hatte doch Herr Höllsang gesagt. Jeder leidet auf seine Art und Doktor Savages Art zu Leiden scheint die rastlose Flucht zu sein. Wenn Matilde leidet, und davon gehe ich aus, dann ist es eher eine stille Trauer, eine zurückgezogene Art des Leidens. Aber sie ist eine mutige, selbstbewusste Frau... vielleicht bricht sich ihr Leid auch noch andere Bahnen... doch das vermag ich nicht vorherzusagen.

 

Doktor Savage verschwindet. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich ihn besonders gut kennengelernt hätte. Ich habe nicht mal besonders viel Vertrauen in ihn. Ich fange auch an mich zu fragen, ob es überhaupt gut war gerade IHM die Hand übergeben zu haben. Ich hätte sie Matilde geben sollen. Aber wo war Matilde? Ist sie noch hier? Oder ist sie ebenso verschwunden wie dieser junge irische Flieger?

 

Bevor meine Zweifel größere Formen annehmen können, kommt der Tomte-Arzt wieder ins Zimmer. Er führt mich ruhig aber bestimmt aus dem Raum. Ich komme mir erst bevormundet und entmündigt vor, aber auch erst ist der Dieb in meinem leeren Gedankenhaus, der vielleicht versucht etwas zu stehlen, doch hier gibt es nichts mehr. 'Ihr habt mir schon alles genommen! Ihr könnt mir nichts mehr tun!', denke ich mit einem gewissen Hohn und einer leichten Genugtung. Ich bin zu erschöpft um über diese Aussage nachzudenken. Sonst würde mir auffalen, dass diese Aussage so nicht stimmt. Man kann mir noch so viel nehmen. Aber nicht mehr heute. Heute kann man mir nichts mehr nehmen.... höchstens meinen Schlaf und meine Ruhe, die ich so dringend brauche.

 

Nachdem der Arzt mich auf ein Zimmer gebracht hat, das Kristines Zimmer sehr ähnelt, beginne ich mich dort einzurichten, so gut es geht. Ich ziehe mir meinen Schlafanzug an, mache mich frisch und merke wie mich eine bleierne Müdigkeit ergreift. In einem kleinen Schränkchen im Zimmer bringe ich meine Habseligkeiten unter. Mein Notizbuch, stecke ich in die Brusttasche meines Schlafanzugs. Eigentlich ist diese Tasche nur zu modischen Zwecken da. Sie soll wohl für ein Einstecktuch sein, doch passt das Notizbuch da gerade so hinein. Es ist drückt etwas, da es nicht wirklichin die Tasche passt, aber ich will es bei mir haben. Es ist fast wie eine Art Talisman für mich.

 

Kurz bevor ich einschlafe, denke ich noch kurz über den Tag nach, doch ich komme nicht sehr weit. Ich sehe Flammen, spüre Verzweiflung, fühle Hilflosigkeit aber auch einen Eifer, den ich beim Lesen der Bücher spürte, dann wieder Traurigkeit und tiefe Trauer beim Gedanken an Kristine. Alles sind nur kurze Schlaglichter. Und dann spüre ich eine starke seelische Erleichterung.

 

'Der Tomte hat mich in seinem Haus aufgenommen... er hat mich eingeladen zu bleiben. Er wird uns beschützen!', sind meine Gedanken, bevor ich in einem tiefen Schlaf falle.

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