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[Nightmare Bites] Kap.1: SCHÖNE AUSSICHTEN ODER STEILES KARRIEREENDE


Der Läuterer
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Matilde, im Büro.

 

Ich höre Clives Wörte, und umarme dabei Luni. Es tut gut, sein Geruch wieder zu atmen. Es riecht wie Zuhause.

Ich bin es einfach müde. Egal wo ich hinlaufe komme ich zu einer Wand.

Jetzt das mit Cainnech, was sollte das? Warum gerade Cainnech entführen, wenn es nicht um von uns etwas zu bekommen? Um einen opfer zu finden? E infacher einen Penner auf der Strasse zu nehmen, und nicht einer unseren Freunde, und dabei ihren Namen nennen. Ich kapiere Gavigan nicht.Ich verstehe es nicht. Nichts. Ich verstehe immer nichts. Immer weniger.

 

Aber Clive hat nicht unrecht. Wenn ich jetzt da einbreche, bin ich wieder die Bösin. Und ohne Beweise, reicht einen Anruf von Lord Penhew, mich zu ruinieren.

 

Ich bleibe lange still, und kümmere mich um Luni.

Dann sage ich einfach:

"Wie du meinst. Dann gehen wir sofort nach Ireland. Wir erledigen die Sache mit Kristine, sie musst sicher sein, und ich reiche bei Walter die Scheidungspapiere ein. Er sollte sie zu einem Rechtsanwalt bringen, und das war es. Warten wir auf Walter, reden wir darüber, und dann nehmen wir den ersten Schiff nach Ireland. Soll mir Recht sein."

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Clive

 

Meine Hand streicht über Matildes Rücken. Es ist als fiele eine enorme Last von meinen Schultern, die sich in den letzten Tagen dort aufgebaut hat.

 

"Danke", sage ich leise. Meine Stimme klingt matt und noch immer etwas heiser, aber die Erleichterung, die in diesem Wort mitschwingt, ist unverkennbar.

 

Schon kreisen meine Gedanken um die Reise ... um mein Landhaus inmitten der Natur.

 

"Jetzt muss ich Euch nur noch sicher nach hause bringen!" Ich frage mich, ob ich mein Heim jemals wieder verlassen werde, wenn mir das gelingt. "Was hätte mir die Welt noch mehr zu bieten?"

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Clive

 

Eine Weile sagt niemand etwas. Es scheint, als seien wir im Moment die einzigen Personen in diesem Gebäude, so dass auch die leisen Hintergrundgeräusche des geschäftigen Treibens an Werktagen fehlen. In der sich ausbreitenden Stille erscheinen selbst der Atem von Luni und das Ticken der Pendeluhr an der Wand laut.

 

Nachdem die Anspannung von mir abgefallen ist, kann ich mich endlich der Ruhe hingeben. Ich schließe die Augen und versuche an nichts zu denken. Da lässt mich das Schrillen des Telefons zusammenzucken. Sein Klang ist aggressiv und fordernd. Und er scheint als Kontrast zu der Stille zuvor schrecklich laut.

 

Ich blicke Matilde besorgt und fragend an. "Ist das der Anruf von Gavigan, mit dem er uns seine Forderungen übermittelt? Ist das der Anruf, der alles wieder zunichte macht?" Ich überlege, ob ich Matilde davon abhalten soll, den Hörer abzunehmen. "Meinst Du, es ist Walter?", frage ich hoffnungsvoll. "Matilde muss mit Walter reden, damit wir abreisen können ..."

Edited by Joran
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Die Expeditionstagebücher

 

Du blätterst das Reisetagebuch durch und liest die Einträge quer. Bei jedem Foto, jeder Karte und jeder Zeichnung hälst Du inne und liest den Text darunter und daneben.

 

Es gibt für die Expedition keine Teilnehmerliste im Buch, aber es kristallisieren sich Namen, Daten und Orte heraus, die Du selbst auflistest...

 

Cochinchina Expedition oder auch Cambridge-Utrecht-Expedition; Okt. 1908 bis Mai 1910

 

Universität Cambridge

Bernard Pyne Grenfell - Prof. Dr. - Anthropologie

Anthony Darrow - Prof. Dr. - Paläanthropologie

Horace Willoughby - Prof. Dr. - Kryptozoologie

Grigórios Loomis - Dr. - Mikrobiologie

Gordon Reed Humphry - Dr. - Humanmedizin

James Gardner - Doktorand Anthropologie

Edith Gavigan - wissenschaftl. Mitarbeiterin

 

Universität Utrecht

Jan Ruben Voorhees - Prof. Dr. - Ornithologie

Cornelis Stijn Van der Meer - Prof. Dr. - Lepidopterologie

Gotthilf Cees von Höllsang - Dr. - Anthropologie

 

Okt. 1908, Kompong Som; Phnom Penh; Serei Sophon; Pursat;

Dez. 1908, Battambang;

Feb. 1909 bis März 1910, Dschungel von Angkor;

Mai 1910, Bangkok.

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Ich zucke leicht zusammen, als ich die Stimme am anderen Ende der Leitung höre.

 

"Matilde! Sehr gut. Ich habe im Buch gelesen... in den Bücher... ", meine Stimme überschlägt sich fast.

 

Ich mache eine Pause und versuche mich zusammenzureißen.

Bevor Matilde etwas sagen kann, beginne ich von vorn.

Mit bemüht ruhigerer Stimme sage ich nun:

"Matilde. Hier ist Ove. Ich habe in den Büchern von Frau Marquard gelesen. Sie haben die Tcho bereits vor etlichen Jahren das erste mal kennengelernt."

 

Ich schlage mein Notizbuch auf, blättere mit einer Hand darin herum, während die andere Hand weiter den Hörer hält.

 

Eine leichte Wut ergreift mich, als ich feststelle, dass ich mir zur Ankor-Expedition und den anderen Expeditionen keine Daten aufgeschrieben habe.

 

"Verdammt!", zische ich.

 

"Es war... so ... um 1908 oder 1910 ... in Ankor.... in Asien." Ich schiebe ein einschränkendes "Glaub ich." hinterher.

 

"Der Knüller ist... es gibt eine Verbindung zwischen Gavigan und allem anderen... Eine Edith Gavigan aus Cambridge war Teil der Expeditionen." Ich blättere eine Seite weiter. Und sehe erleichtert, dass ich für Ankor doch eine Jahreszahl aufgeschrieben habe.

 

"Ankor und die Tcho, das war bereits 1909 bis 1910.... ich habe es hier gerade gefunden. Es stehen Namen, Institutszugehörigkeiten und vieles mehr darin.... aber wie gesagt, es kann eine Verbindung zu Gavigan geben. Wenn er bei euch nebenan ... ", ich versuche den Namen Penhew zu vermeiden, "... wenn er bei euch dort viel Einfluss hat, wenn er dort den Einfluss seines vermeintlichen Chefs nutzen kann, dann  ... Matilde... hörst du mich... Ich befürchte, dass Gavigan mit den Tcho in Verbindung steht... entweder auf deren Seite oder auf einer anderen. Beides ist kein beruhigendes Gefühl."

 

Ich atme tief durch, stecke mein Notizbuch wieder ein.

 

"Matilde,... ich habe kein gutes Gefühl. Ich habe ein furchtbares Gefühl. Vielleicht weil ich erschöpft bin, vielleicht, weil wir hier von Mächten und Gruppen gejagt werden, die... gegen die wir keine Chance haben. Wir müssen uns treffen... so schnell wie möglich.

Aber sag mir erst, ob es euch gut geht."

 

Matilde antwortet ohne lange zu zögern: "Ja, hier ist es okay. Aber keine Spur von Cainnech."

In diesem Moment bemerke ich, dass ich Cainnech ganz vergessen hatte.

 

Ich gebe ihr einen Treffpunkt in einem kleinen Restaurant nahe der Detektei an.

 

Als Matilde mir einen anderen, in ihren Augen sichereren, Treffpunkt nennt bestätige ich ihr den.

 

Ich schließe mit den Worten "Wir müssen hier weg... Bis gleich."

 

Dann hänge ich den Hörer ein, und eile zurück aufs Zimmer. Dort packe ich die Bücher und die Hand ein und mache mich umgehend auf den Weg zum Treffpunkt.

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Clive

 

Matilde berichtet mir kurz von dem Telefonat. Oves Verfassung scheint ihr fast mehr Sorge zu bereiten, als der Inhalt des Telefonates.

 

"Ich MUSS ohnehin zurück in die Pension. Mein Koffer ist noch dort. Ich KANN NICHT ohne ihn gehen. Entweder ich fahre alleine dort hin und hole alles, was wir brauchen zu unserem Treffpunkt ... oder Du rufst Ove noch einmal zurück und wir treffen uns gleich in der Pension mit ihm."

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Clive in der Pension

 

Ich gehe die Treppe herab und trete auf die Straße heraus. Ich versuche, mich aus dem Blickfeld der Fenster des Nachbargebäudes zu halten. Sofort nach Verlassen des Gebäudes wende ich mich in die andere Richtung und halte mich dicht an der Häuserfassade. Zu Fuß mache ich mich auf den Weg in Richtung Queen Street. Jeder Schritt bringt mehr Distanz zwischen mich und die Stiftung. Und gleichzeitig entferne ich mich von dem Princess Grace Hospital und dem Auktionshaus, in dem ich das Epizentrum der Gewalt vermute, die derzeit diesen Teil Londons überflutet. Ein paar Straßen weiter finde ich ein Taxi. Die Fahrt zur Pension dauert dann nur noch wenige Minuten.

 

Die Witwe Loock sitzt am Empfang. Ich teile ihr mit, dass wir heute abreisen werden, und bitte sie, die Abrechnung für alle Zimmer vorzubereiten. Als sie sich nach Cainnech erkundigt, erkläre ich einsilbig, die Polizei habe ihn ohne Grund mitgenommen und er sei seither verschollen. "Die Polizei hat ihn 'verloren'. So etwas kommt in London offenbar vor ... jedenfalls wenn man Ire ist." Ich bereue meine unklugen Worte sofort, nachdem ich sie ausgesprochen habe. Aber zu meiner Überraschung lese ich eher Betroffenheit im Blick der Witwe als Kränkung. Ich überlege, ob die Witwe Elischewa Loock gegenüber den Themen Verfolgung, Repressalien und staatlicher Gewalt möglicherweise aufgrund einer eigenen Familiengeschichte selbst sensibel reagiert. Aber das ist jetzt ohne Bedeutung. Daher wende ich mich ab und gehe herauf zu den Zimmern.

 

Ich klopfe kurz bei Ove Ecklund und bitte ihn, sich reisebereit zu machen.

 

Meine Sachen habe ich schnell zusammengesucht. Die Auswahl an Anzügen wurde ja in den letzten Tagen stark reduziert. Ich ziehe den Überseekoffer unter dem Bett hervor, lege meinen Kleiderkoffer darauf und gehe herüber in Matildes Zimmer. Auch ihre Kleidung ist schnell verstaut.

 

Dann kommt der schwerste Teil. Ich kehre zurück in Cainnechs Zimmer. Ove Ecklund hat bereits seine wenigen Sachen zusammengeräumt. Der Schrank steht offen. Darin hängt nur noch Cainnechs Kleidung ... sein guter Anzug. Ich lege die Kleidung mit besonderer Sorgfalt zusammen und in seinen Koffer. Auf dem Tisch liegt noch Herman Melvilles 'Moby Dick' aus meiner Bibliothek. Das unsterbliche Buch über den Kampf des modernen Menschen mit dem Unbeherrschbaren, den aussichtslosen Kampf mit urtümlichen wilden Kräften, jenseits unserer Vorstellungen von Moral und Ethik. "Bin ich Kapitän Ahab und Cainnech wurde von diesem Monstrum London in den Abgrund gezogen, weil er mir gefolgt ist?" Ich wende mich ab von diesen sinnlosen Gedanken, lege das Buch auf den Anzug und schließe den Koffer darüber.

 

"Wollen Sie noch etwas aus Ihrer Wohnung mitnehmen, Mr. Ecklund?", frage ich. Als er den Kopf schüttelt, greife ich mir den Koffer und sage: "Dann lassen sie uns nach Kristine sehen!"

Edited by Joran
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Matilde, im Büro.

 

Ich hole John, und packe ihn sorgfältig ein.

Dann hole ich noch etwas trockenfleisch für Luni.

"Wir gehen weg, mein Grosser" flüstere ich zu ihm.

"Wieder Wälde, frischer Luft...aber nur du und ich. Alex ist nicht dabei..vermisst du ihn? Ich schon" Ich schucke die Tränen.

Dann lächele ich.

"Wir fahren aber nicht nach Norwegien. Da nicht. Nie mehr, es tut mir Leid"

Nichtmal tot.

Danach rufe ich einen Taxi, und fahre zum Privatklinik, wo Kristine frisch gebracht worden ist.

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PENSION LOOCK
110 Queen Street
Inhaberin: Witwe Elischeva Loock

 

Clive

 

 

Nachdem ich die Zimmer mit der Witwe Loock abgerechnet und mich von ihr verabschieded habe, werden die Koffer herabgeholt und im Taxi verladen.

Edited by Joran
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Nachdem der Fahrer Euer Gepäck verstaut hat, geht Ove nach hinten zum Fond des Wagens.

 

Er wirkt fahrig und unkonzentriert, verloren in einer Welt, die so gar nicht die seine ist und nichts mit der Welt des winterlichen London gemein zu haben scheint. Seine Wahrnehmung ist voll und ganz von der Umgebung entrückt... nur auf die Seiten des Tagebuchs gerichtet. Wieder und wieder knistern die Seiten, als er hastig vor, zurück und wieder vor blättert. Er spricht mehr zu sich selbst, als zu Dir "Einer der Männer hat im Fieberwahn gesprochen. Hier steht der genaue Wortlaut... und er redete über etwas wie eine Festung... ein Haus in den Bergen oder etwas dergleichen. Ob damit das Dach der Welt und Leng gemeint waren?"

 

Du musst ihn beim Einsteigen von der Fahrbahn zurückziehen, als er gedankenverloren auf die Strassenmitte hinaus tritt, immer den Blick in eines der Tagebücher... und dabei fast von einem anderen Taxi erfasst wird.

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Montgomery Spital
Crawley, Sussex
Klinik und Kur,
Donnerstag, 09.01.1930


Clive

 

Als unser Taxi durch die Straßen von London fährt, denke ich daran, dass wir schon einmal auf dem Weg zu Kristine Gren waren. Wir wollten nur einen kurzen Besuch bei Mrs. Marquard machen. Schon meine ich wieder den Geruch von Rauch wahrzunehmen und es kratzt in meinem Hals.

 

Die Gedanken führen mich zurück zu dem Gespräch zwischen Matilde und mir, am Morgen davor. “Ich würde gerne ihn jetzt hier bei mir haben", hallen mir Matildes Worte in den Ohren.

 

Ich schüttle die Erinnerungen ab und werfe einen Blick auf meinen Begleiter.

 

Ove macht auf der Fahrt einen unruhigen, ängstlichen Eindruck. Immer wieder blickt er in die Tagebücher. Möglicherweise benutzt er die Bücher, um sich von den Sorgen um Kristine abzulenken.

 

Als das Taxi langsamer wird und unweit des Eingangs zum Krankenhaus zum Stehen gelangt, verhandle ich noch einen Augenblick mit dem Fahrer, bis wir uns einig werden. Er wird uns heute bis zur Abreise zur Verfügung stehen. So können wir das Gepäck gleich im Wagen lassen. Ove Eklund bleibt während der Verhandlung neben mir sitzen. Ich bin mir nicht sicher, ob die Verzögerung ihm aus Sorge vor dem Kommenden eher willkommen ist oder ob sie ihn aufregt.

 

Auch auf dem kurzen Fußweg zur Weg zur Klinik bleiben wir wortlos. Es gibt nichts zu sagen.

Edited by Joran
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Ove kann sich vom Inhalt der Bücher kaum trennen. Er redet zwar nicht, doch ab und an entgleitet ihm ein "Oh!" oder ein "Ah!"

Fast scheint es, als habe er vergessen, wen er hier wiedersehen wird. "Ich muss die Namen noch den unterschiedlichen Expeditionen zuordnen. Vielleicht bringt das mehr Licht ins Dunkel."

Edited by Der Läuterer
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