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[Nightmare Files] Kapitel 6 - Der lachende Tod


Der Läuterer
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"Fast alle Ärzte sind sehr alt ...", hallen die Worte der Contessa in mir wieder, als würden sie meine eigenen, mich selbst betreffenden Gedanken vom heutigen Morgen aufgreifen und so vollende ich die Worte für mich selbst: "... und das trifft auch auf Dich selbst zu, Dr. C. M. Savage. Die letzten drei Jahrzehnte sind nicht spurlos an Dir vorübergegangen, der Kongo ... der Große Krieg ... Wenn Du etwas anderes denkst, machst Du Dir selbst etwas vor. Nur in Deinem weißen Zimmer ... auf Deinem weißen Bett ... bei Deinem eisernen Tabernakel ... hast Du die Dinge klar gesehen ... hast Dir eingestanden, dass der Rest Deines Lebens aus Warten besteht. Warum zum Teufel hast Du heute morgen nur die Augen geöffnet. Du hättest Dich weigern sollen. Du hättest auf Deinen Instinkt vertrauen sollen."

 

Ich weiß, dass es wahr ist. Und doch trifft mich die Aussage der Contessa, auch wenn ich mir bewusst bin, dass sie mich damit eigentlich nicht meinte.

 

Der Contessa antworte ich ruhig: "Ich kenne die wenigsten der Ärzte. Wie alt mag Dr. Clark wohl sein? Aber wer möchte schon als junger Mensch auf so einer abgeschiedenen Insel weit ab vom allgemeinen Leben wohnen und arbeiten? Wie könnte ein junger Arzt hier eine Frau finden, eine Familie gründen? Eigentlich wundert es mich nicht, dass es alte Menschen auf diese Insel verschlägt, deren Leben keine Überraschungen mehr zu bieten hat, deren Kinder eigene Familien gegründet haben und die vielleicht bereits verwitwet sind. Auf einer Insel wie dieser lässt es sich leicht in der Vergangenheit leben. Hier herrschen Stillstand und Verfall. Nichts neues lenkt von den eigenen Erinnerungen ab. Ich weiß, wovon ich spreche ... Sie sind noch so jung ... Sie gehören sicher nicht an diesen Ort!

 

Demnach hat es sich bei der Leiche nicht um den jungen Dr. Cooper gehandelt? War dann alles ein Missverständnis und Dr. Cooper lebt oder liegt Dr. Coopers Leiche vielleicht noch an einem anderen Ort, in seinem Bett zum Beispiel? Sollten wir vielleicht in seinen Wohnräumen nachsehen?

 

Andererseits: Vielleicht sollte ich mir die Leiche im Hinterzimmer des Behandlungsraums einmal genauer ansehen, ggf. eine Obduktion durchführen. Vielleicht finde ich ja etwas... Allerdings wird uns diese Leiche auch nicht weglaufen, nicht wahr? Könnte es sich vielleicht um den Sohn oder einen sonstigen Verwandten des Arztes handeln? Eine starke Familienähnlichkeit?

 

Aber ich habe das Gefühl, dass all dies nur Symptome sind und die Antwort irgendwie mit dem Mädchen ... Amanda ... zusammenhängt. Warum ist außer uns nur sie geblieben?

 

Und nein, Contessa, ich glaube nicht, dass wir in einem Traum gelandet sind. Sonst müsste ich akzeptieren, dass Sie nur ein irreales Bild meiner Phantasie wären und nicht wirklich existierten, denn wir wären uns dann erstmals in diesem Traum begegnet. Das kann ich nicht glauben: Sie wirken mir wie das Leben selbst, ich habe ihren Knöchel in den Händen gehalten, ihn untersucht und Ihre Verbrennungen versorgt. Jeder Mensch ist ... individuell ... nein, das war nicht nur eine aus dem Unterbewusstsein gehobene Erinnerung an eine frühere Behandlung. Und Sie könnten sich als ein schlichtes Traumgespinst diese Fragen nicht stellen.

 

Oder natürlich umgekehrt: ich wäre nicht real existent, sondern nur ein Ergebnis Ihrer Traumphantasien. Das wäre sicherlich schmeichelhaft, aber ich ziehe es dann doch vor, mich als reale Person zu betrachten. Sie haben den Schmerz des Feuers im ägyptischen Zimmer gespürt. Hätte Sie das nicht erwachen lassen? Nein, die Geschehnisse sind zu detailliert und bei aller Absonderlichkeit zu 'real', um nur ein normaler Traum zu sein, meine ich.

 

Ich habe schon früher Dinge erlebt, die über das Vorstellbare hinausgingen ... und doch waren sie real.

 

So verlockend die Vorstellung auch ist, wir könnten einfach aufwachen und all dies würde sich als ein böser Traum erweisen, ich vermag nicht mehr daran zu glauben."

 

Ich mache eine kurze Pause und denke nach.

 

"Traum oder Realität, wir müssen etwas unternehmen, um das hier zu beenden!

 

Was meinen Sie? Was sollte unser nächster Schritt sein?"

Edited by Joran
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"Der Toter..er..seine Lippen haben sich beweg, und was gesagt..."asch" Ich weiss nicht was das sein sollte...kann sowas nach dem Tod noch vorkommen?"

Ich schaue ihn unsicher an.

"Ich habe ihn fixiert, mit Hilfe von Paul. Am Bett fixiert. Ich weiss nicht, ob es eine gute Idee ist ihn zu obduzieren..ich...ich habe das Gefühl er würde etwas dagegen haben."

Ich merke, das ich Unsinn rede.

"Hören Sie, versuchen wir in Coopers Zimmer zu schauen. Vielleicht liegt er da. Ich hoffe es aber nicht"

Ich nicke ihm zu.

 

"..und dann gehen wir zurück zu Paul"

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Ich überlege kurz, ob die Leiche möglicherweise gar nicht tot ist, sondern lebt und meiner Hilfe bedarf. Ich habe mich nicht vom Tod der Person überzeugt.

 

Aber Ärzte müssten ihn untersucht haben, bevor sie ihn in der Zimmer brachten ... wenn es überhaupt die Ärzte waren. Ist dieser Mann möglicherweise wie wir in den Sog dieser Ereignisse geraten?

 

Was mag Amanda ... oder wer auch sonst ... mit diesem Mann angestellt haben? "Besteht da ein Zusammenhang zwischen dem Ritual im ägyptischen Zimmer und der Verjüngung des Arztes?", überlege ich.

 

Aber diese Überlegungen erscheinen mir in diesem Moment zu wirr.

 

"So machen wir es. Danach sehe ich mir den Leichnam einmal an.", antworte ich der Contessa.

 

Ich bedeute der Contessa, ihr zu folgen, habe ich doch keine Ahnung, wo ich die Wohnräume von Dr. Cooper suchen sollte.

 

Ich verspüre Erleichterung, dass mich die Contessa von meinem ursprünglichen Vorhaben abbringt. "Hätte ich es überhaupt gekonnt?", frage ich mich erneut. Ich bin der Contessa dankbar, dass ich die Antwort auf diese Frage nicht herauszufinden brauche ... jedenfalls zunächst nicht ...

Edited by Joran
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Wahrnehmung

 

Die Kinderstimme singt ein Lied. Ein neues Lied. Zuerst zaghaft. "Warte..., warte noch ein Weilchen..."

Dann wird die Stimme höhnisch und lauter.

"Warte, warte noch ein Weilchen, dann kommt auch der Tod zu Dir,

mit dem kleinen Hackebeilchen, macht er Hackefleisch aus Dir.

Aus den Augen macht er Sülze, aus dem Hintern macht er Speck,

aus den Därmen macht er Würste und der Rest wird aufgeleckt."

 

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"Hören Sie das, Contessa? Das ist sie wieder ... das kleine Biest!"

 

Ich merke, wie der Zorn mich erfasst und Finger aus Finsternis nach mir greifen. Mit Mühe reiße ich mich zusammen und presse hervor:

 

"Das ist doch nicht normal für ein Kind. Sie droht uns ... Aber wir sollten sie wohl ignorieren und zunächst weiter unserem Plan folgen. Soll sie doch zu uns kommen. Ich bin es leid hinter ihr herzulaufen."

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"Ja, ich höre es auch" flüstere ich, und meine Augen funkeln böse.

"Wir sollten weiter suchen. Ich wil Coopers Zimmer finden"

Ich schaue Savage an.

"Ich bezweifele da Antworten zu finden, aber vielleicht finden wir heraus, ob er..noch lebt. Und wenn ja, wovon hat dann Livingstone gesprochen?"

Ich laufe neben ihn weiter.

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Mein Blick haftet auf dem Toten, den gespannten Lederriemen, dicke schwere Haut, die ihn nach unten presst, gegen die Liege - alles scheint belebt! Ach! Nicht der Tod residiert hier, das Leben reicht ihm seinen Kelch und was verbleibt ist ein Ringen, ein Wechselspiel aus grausamen Buhlen von Ewigkeit und Sterben. Die Gebäude, die Tiere, die Gebeine, die Menschen, die Ärzte, die Patienten -

 

Unten an meinen Hüften krümmen sich meine Hände, als seien sie sterbende, nein, balzende Insekten, es wird zu viel, wieder will ich schreien, das Ende ist so nah, so grauenhaft nah, doch mein Blick haftet auf dem Wunderwerk vor mir, das allein diese Insel oder meine Fantasie oder böswillige Magie in die Welt zu setzen imstande ist. Ich schlucke.

 

Matilde kommt wieder. Sie holt Savage, dann ist sie wieder da, solange passe ich auf, solange bewahre ich die Fassung ... Aber das Krabbeln und Kreuchen, das Zappeln und Verrecken, das so allgegenwärtig ist, drängt sich mir mehr und mehr auf.

 

Um mich abzulenken, schaue ich, ob ich noch etwas in dem Raum entdecken kann.

Edited by Blackdiablo
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Von dem ägyptischen Zimmer aus nach links, befindet sich der Wohntrakt der Ärzte hinter der Doppeltür.

http://www.nswmasonicclub.com.au/wp-content/uploads/2012/12/Entrance-to-Club.jpg

 

Der Bereich ist auch vom Erdgeschoss aus über ein kleines Treppenhaus zu erreichen.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/94/StateLibQld_2_15902_Entrance_hall_in_a_private_home,_featured_in_a_magazine,_1906.jpg

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Ich schaue mich um, gehe an das ägyptischen Zimmer vorbei, und mache die zwei Türen auf.

"Hier entlang, Dr. Savage. Ich glaube das ist den richtigen Weg"

Ich gehe als erste, er folgt mir ohne zu zögern.

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Vor Euch liegt der Ärztetrakt, mit den Zimmern des medizinischen Personals.

Acht Zimmer auf beiden Seiten, die alle gleich aussehen. Ohne Türschilder. Dafür aber mit Nummern versehen; von 1-16.

Am Ende des Ganges befindet sich eine weitere Flügeltür, die vermutlich zum kleinen Treppenhaus führt.

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"Ich schlage vor, jeder nimmt die Türen auf seiner Seite. Mal sehen, ob die Kollegen Ihre Türen absperren..."

 

Ich gehe zur ersten Tür auf meiner Seite, drücke die Klinke nieder und versuche die Tür zu öffnen.

 

"Was wir hier tun ist zwar indiskret, aber möglicherweise stoßen wir auch bei dem einen oder anderen Arzt noch auf eine Überraschung."

Edited by Joran
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Die Tür zu Deiner Rechten öffnet sich leicht, aber mit einem Quietschen. Der Raum ist Ins Zwielicht getaucht. Nur sparsam lassen die Vorhänge vor den Fenstern das Licht von draussen herein.

Im Zimmer riecht es muffig. Es ist wohl bereits länger nicht gelüftet worden.

Das Bett sieht unbenutut und frisch bezogen aus.

Weder Kleidung noch persönliche Gegenstände sind hier zu sehen.

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"Dieses Zimmer ist unbewohnt", informiere ich über den Flur die Contessa.

 

Tür für Tür arbeiten wir uns voran, in der Hoffnung, das Zimmer von Dr. Cooper zu finden und ggf. auch die anderen Räume ihren Bewohnern zuordnen zu können.

 

"Wie viele Ärzte mögen in diesen Sanatorium aktuell arbeiten?", denke ich und versuche anhand der von mir heute morgen durchgesehenen Unterlagen die Zahl der Patienten und des Personals zu schätzen.

 

"Vielleicht finden wir ja auch das Zimmer, in dem Dr. Warner einquartiert wurde. Wenn es auf diesem Flur freie Zimmer gibt, liegt es nahe und entspräche der Höflichkeit, dass man Dr. Warner hier bei seinen Kollegen untergebracht hat.

 

Weil hier alles in dem Zustand geblieben ist, in dem sich das Hospital heute morgen befand ... also in dem Augenblick, als Sie in Coopers Büro eingesperrt waren ... müssten sich die Habseligkeiten von Dr. Warner noch in seinem Zimmer befinden. Alles was die Leute nicht am Leibe trugen, scheint ja noch hier zu sein. ... Einen Versuch wäre es wert oder was meinen Sie, Contessa?

 

Ich möchte nicht indiskret erscheinen und Sie müssen mir natürlich nichts erklären, wenn es Ihnen unangenehme sein sollte, aber eine Frage spukt mir schon den ganzen Morgen durch den Kopf:

 

Es war offensichtlich, dass Sie Dr. Warner verachten und sehr zornig auf ihn sind. Ihre Ärzte müssen das doch gewusst haben, als sie mit Dr. Warner Kontakt aufnahmen ... und da hat man Sie ohne Vorwarnung mit Dr. Warner konfrontiert, statt Sie in Ihrer Lage zu schonen?

 

Ist es nicht sehr erstaunlich, dass man Dr. Warner extra auf diese Insel hat reisen lassen ... Von woher kam er noch, aus Skandinavien? Das ist doch ein erheblicher Aufwand. Haben Sie in Ihrer Akte einen Hinweis gefunden, warum man diesen Schritt unternommen hat? Warum war das persönliche Erscheinen von Dr. Warner nach Ansicht der behandelnden Ärzte so wichtig und warum gingen diese davon aus, dass Dr. Warner der Bitte überhaupt folgen würde? ... oder hatte Warner persönliche Interessen, hierher zu kommen und musste gar nicht erst überzeugt werden?"

Edited by Joran
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Ich schaue ihn an ernst.

"Ihre Fragen sind überaus berechtigt, Dr. Savage."

Ich denke kurz nach, schliesse die Augen, und sehe Warner noch vor mir. Mit einer Spritze in der Hand.

"Ich habe meine Akte gar nicht gefunden, sie waren nicht in Coopers Büro. Aber ich kann ihnen erklären wieso Dr. Warner meine Meinung nach hierher gekommen ist.

Er war einer meiner Ärzte in Norwegien. Aber war nicht wirklich wie die anderen. Ich meine, es gab solchen...die waren eben wirklich an meine Genesung interessiert. Dr. Andrews, zum Beispiel. Aber er starb..." Meine Stimme bricht kurz.

"..Dr. Warner..an ihn habe ich ganz böse Erinnerungen. Ich kann Ihnen leider nicht sagen, ob was ich noch im Kopf habe alles real war, aber ich denke..vieles davon ist wirklich passiert. Denn Dr. Andrews, und auch manche Pfleger haben nicht gut über ihn gesprochen."

Ich schaue den Savage in den Augen.

"Dr. Warner nutze seine Stelle aus, um mich zu misshandeln. Er betäubte mich ständing, und..ich meine, Sie wissen schon. Er war grausam, und ich konnte mich nicht wehren. Manchmal schlitze mich auf, so wie ein Stück Fleisch. Sie haben mich untersucht, vielleicht haben sie an meinen Rücken eine Narbe gesehen, die so wie einem Herz aussieht? Das war er"

 

Ich schaue wieder nach unten, starre meinen Brieföffner an.

 

"Er sagte, er hätte sich in mich verliebt." Ich schüttele den Kopf.

"...Verrückter..." murmele ich dann.

"Und dann, als mir besser ging, und ich wieder in der Lage war, zu sprechen, und zu erzählen...kündigte er. Er war nicht mehr in der Klinik. Komisch, oder?"

 

"Ich erzählte das alles hier zu Dr. Cooper. Ich nehme an, er dachte eine Konfrontation würde mir helfen...doch Warner platze in meinem Zimmer, ohne auf ihn zu warten..das war gester Abend"

 

Ich schlucke.

 

"Mistkerl..." sage ich bitter.

"Dann kam Dr. Cooper zu mir und entschuldigte sich dafür. Er sagte, er würde mit ihm reden, um was zu prüfen. Ich sagte ihm, es nicht allein zu machen, Warner ist gefährlich, und ein perverser.." Wieder bricht meine Stimme.

"..Ich weiss nicht was gestern geschah. Ich wollte es wissen, ich wollte es von ihm wissen. Und er hat mich eingesperrt, und ausgelacht"

 

"Ob er persönliche Interessen hatte, um hier zu sein? Ich glaube er hat eine Obsession, und die bin ich. Leider."

Edited by Nyre
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Meine Gesichtszüge gefrieren, während die Contessa spricht. Das meiste was sie sagt, nehme ich nur auf, ohne es bereits gedanklich zu verarbeiten oder gar die darin enthaltenen Andeutungen weiterzudenken.

 

Nur ein Satz hallt immer wieder durch mein Bewusstsein: "Ich habe meine Akte gar nicht gefunden, sie waren nicht in Coopers Büro."

 

Nur langsam bin ich bereit, die Bedeutung dieses Satzes zu akzeptieren. Dann plötzlich erwache ich aus meiner Starre und Zorn spült alle anderen Gedanken hinfort.

 

"DIESES KLEINE MISTSTÜCK!", brülle ich, ziehe das Messer aus meinem Gürtel und renne los. Die erstaunte Contessa lasse ich ohne weitere Begründung stehen. Ich habe das Gefühl, dass nun keine Zeit zu verlieren ist. Wieder ist das Biest uns einen Schritt voraus gewesen. Wieder wusste es, dass wir die Akte der Contessa suchen würden und hatte sie vorher gestohlen ... und vermutlich gelesen. Ich bin nicht mehr bereit, ein Spielzeug für dieses ... was auch immer dieses Ding in der Gestalt eines Mädchens ist ... zu sein. Ich bin nicht bereit, zu akzeptieren, dass dieses Monstrum sich über die Akten Zugang zu Wissen über uns verschafft ...

 

Ich renne den Weg, den wir gekommen sind, zurück ... die Treppe in die große Eingangshalle hinab und weiter den Flur mit den Behandlungsräumen entlang ... ich sehe den Gang hinunter die Tür von Coopers Büro ...

 

"... sich Zugang zu WISSEN über uns verschafft ...", hallt es unter dem Mantel aus Wut gedämpft durch meinen Verstand. Etwas in meiner Erinnerung wird durch diese Worte berührt ... Gedanken, die ich erst vor wenigen Stunden gedacht habe, tauchen langsam und bruchstückhaft wieder an die Oberfläche ...

 

Die Tür von Coopers Büro ist schon ganz nah vor mir. Ich bremse und gleite mit meinen Ledersohlen über den blanken Boden auf die Tür zu.

 

"... WISSEN ist eine Krankheit. Eine Seuche, begleitet von einem inneren Fiber, welches kein Thermometer zu messen vermag. Unheilbar. Ansteckend. Eine Pest der Seele, übertragen mit dem Wort, gesprochen oder geschrieben. Myriaden von Wörtern überall um uns tragen unsichtbare Tropfen mit Erregern, ausgespiener Speichel aus prähistorischer Zeit. Einzig ein Immunsystem aus Einfalt und Unglauben vermag den Menschen vor diesem VIRUS zu schützen. ...", dringen die Gedanken feinen Gespinsten aus Finsternis gleich leise aus meiner Erinnerung in mein Bewusstsein vor. Ein wimmelndes Heer von tastenden Fäden, gewoben aus boshafter Freude über meine zu späte Erkenntnis. "... Bald ist es so weit. Bald beendet man meine Quarantäne. Bald werde ich, der Seuchenträger, durch Dr. Clarks Unverständnis zwischen die Menschen geworfen. Mit sanftem Druck wird Dr. Clark mich inmitten dieser armen, ungeschützten Seelen befördern, fruchtbarer Boden für das VIRUS. ..."

 

Ich erreiche die Tür von Coopers Büro. Sie steht offen, wie ich sie verlassen habe. Ich halte mich kurz am Türrahmen fest und stürze dann in das Zimmer, auf den Rollstuhl hinter dem Schreibtisch zu, auf dessen Sitzfläche ich die Akte habe gleiten lassen. Mein rasendes Herz scheint einen Schlag auszusetzen, bevor der Blick auf den Sitz frei wird. Erleichtert sehe ich die Akte. Sie liegt noch dort, wo ich sie hingelegt habe. Mit zitternden Händen nehme ich die Akte an mich, presse sie an meine Brust wie etwas sehr Wertvolles, etwas, das unbedingt geschützt werden muss. Ich bin erleichtert, nicht erneut auf Amanda hereingefallen zu sein.

 

Aber als die Wut langsam verschwindet, tritt an ihre Stelle Angst.

 

"Was ist mit meiner Akte? Was mag darin gestanden haben? Welche Informationen mag Dr. Clark mir entlockt und darin niedergelegt haben?

 

Hat dieses Mädchen meine Akte gelesen? ... Hat sie mehr begriffen, als Dr. Clark? ... Habe ich sie mit meinem Wissen infiziert und so das Ungeheuer aus ihr gemacht, das sie nun ist. Auf dass ihr verunstalteter Geist nun wie der Unhold Grendel im Beowulf immer wieder kehrt, um unschuldige Menschen zu verschlingen?

 

Hat mein Wissen dem Herzen der Finsternis das Tor zu ihrer Seele geöffnet?

 

Warum habe ich nur meine Augen geöffnet? Warum suche ich immer wieder nach Hoffnung ... nach einer Zukunft, wo keine ist?"

 

Mein Atem rast. Mit der Düsternis meiner Gedanken fühle ich auch die körperliche Schwäche zurückkehren und von mir Besitz ergreifen. Meine Schultern sinken herab.

 

"Wo ist Dr. Clarks Büro?", frage ich mich.

Edited by Joran
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