Jump to content

[Das Ende des Wahnsinns] Kapitel 3: Antiquariat Schubert – Bayern, 04. Juni 1924, München, 14:21


grannus
 Share

Recommended Posts

Was war das? Katharina? ... ja das ist eine gute Idee.

 

"Komm Franzl, wir gehen nach unten zu den andern. Du kannst meine Unterlagen später wieder haben."

 

Mit einem gekonnten Griff habe ich die Unterlagen wieder sauber in der Hand und stecke Sie in meine umgehängte Aktentasche.
 

Gelernt ist gelernt ... ich  habe 5 Jahre als Kurator dafür gebraucht den Leuten sicher und schnell Unterlagen weg zu nehmen, die nicht für Ihre Augen bestimmt sind.

 

Lächle ihn an: "Ich glaube wir waren zu lange im Elfenbeinturm ... die Welt da draußen ist anders. Lass uns zu den Anderen gehen, ich glaube es ist wichtig."
Ich mache eine einladende Geste die Treppe runter, er soll vorgehen.

  • Like 1
Link to comment
Share on other sites

Franz-Rüdigers Fingerknöchel treten blassweiß hervor - ein Farbton, der sich in seinen Gesichtszügen wiederfindet - und der Kurator muss erst durch etwas kräftigeres Zupfen darauf aufmerksam machen, dass er die Dokumente zurück haben möchte, bevor sich der verkrampfte Griff des jungen Bayern löst.

 

"Wos? Ähm ... freili", stammelt er und ein nicht völlig katastrophaler Menschenkenner kann sehen, dass ihm der Inhalt der Schriftstücke, die er in der Kürze der Zeit überfliegen konnte, ziemlich zugesetzt hat. Sofern Rudolf es nicht bereits verstaut hat, nimmt er das Tagebuch des Antiquars Schubert an sich und taumelt damit in Händen die Stiege ins Erdgeschoss hinunter, wo die anderen Leute bereits warten. Für diese muss er aussehen wie jemand, der wenige Augenblicke zuvor seiner toten Großmutter begegnet ist.

Edited by MazeBall
  • Like 2
Link to comment
Share on other sites

Als die beiden wieder da sind blicke ich in ihre Gesichter.

 

Warum ist der junge Mann jetzt noch verstörter? Vermutlich setzt der Schock ein, ihm wird bewusst was hier geschehen ist.

 

Ich bin über die sich daraus ableitende Erkenntnis schockiert: ich habe den Leichenfund schon mehr oder weniger verdaut. Ihn sogar erwartet, früher oder später. Und bin nur froh, dass es niemand von uns ist.

 

Hat ein Menschenleben noch eine Bedeutung? Das Leben eines Unbekannten? Oder haben Krieg und Plauen mich derart abstumpfen lassen?

 

Ich weiß es nicht. Mein Blick streift Katharina.

 

Hat sie einen solch kalten Menschen verdient? Oder einen lebensfrohen Mann? Auch sie wurde in Plauen ein neuer Mensch. Das ging an keinem von uns spurlos vorbei. Und dank Erich ist es noch nicht vorbei. Das sagt uns die Warnung und die Leiche mehr als deutlich. Besteht Hoffnung? Die Zeit heilt alle Wunden sagt man, auch dieses? Ich werde es herausfinden. Hoffentlich mit Katharina an meiner Seite, sie gibt mir so viel Kraft und Mut.

 

Dann verscheuche ich diese Gedanken, dafür ist jetzt einfach keine Zeit. Wir müssen den Burschen loswerden. Zu seiner eigenen Sicherheit. Und hier verschwinden. Aber was wird er machen? Und mit Sicherheit bei der Polizei melden, wenn sie ihn ansprechen. Er hat ja keine Ahnung von den Hintergründen. Ich ringe etwas mit mir.

 

"Es tut mir Leid, dass sie hier reingeschlittert sind. Wir müssen hier weg. Wir sind seit fast einer Stunde an einem Tatort, haben Gegenstände verändert. Und nicht die Polizei gerufen. Das Artefakt ist weg. Und die Leute die es haben sind zu allem fähig. Vielleicht haben sie uns beobachtet. Wir haben also eine Entscheidung zu treffen: Polizei rufen, ja oder nein. Wenn ja, was sagen wir denen. Ich nicke zu Erich als Franz-Rüdiger kurz unsicher zwischen den anderen hin und her schaut um an seine spezielle Rolle zu erinnern. Wenn wir abhauen finden sich Spuren von uns hier und es könnte uns jemand gesehen haben. Allein der Taxifahrer wird sich erinnern."

 

Dann wende ich mich an Franz-Rüdiger.

 

"Sie haben noch ein Entscheidung zu treffen. Nachdem Rudolf und Eduard sie kennen, bzw. ihren Vater, dürften man ihnen vertrauen können. Wir haben wirkliche Probleme, sie stehen noch am Anfang. Wenn die Mörder von Herrn Schubert sie nicht gesehen haben können sie einfach gehen und das hier vergessen. Wenn sie weiter gehen setzen sie ihr Leben aufs Spiel. Ob sie schon bekannt sind, ob wir beobachtet werden, dass weiß ich nicht. Überlegen sie es sich gut. Wir haben es hier mit skrupelosen Feinden zu tun." Um den Worten Nachdruck zu verleihen blicke in nochmals zur Leiche und der Warnung. 

  • Like 2
Link to comment
Share on other sites

Franz-Rüdiger hat visuell die Wahl zwischen Pest und Cholera: entweder, er starrt in das Antlitz der menschlichen Mumie vor sich und erlaubt seiner Phantasie, das unbekannte Terrain hinter den Mullbinden mit Fetzen grässlich verbrannter Haut zu füllen, oder er schaut hinunter auf den steifen Antiquar am Boden, dessen Leichnam dank des gerinnenden Blutes allmählich eine klebrige Fusion mit dem Teppich eingehen dürfte.

 

Kurz droht sein Frühstück, sich einen Weg hinauf in seinen Mund zu bahnen, doch er schluckt das bittere Unbehagen wieder herunter.

 

So riecht also der Tod aus nächster Nähe. Irgendwie anders als eine verendete Kuh oder ein schlachtreifes Schwein.

 

"I woass ned", sagt er zögerlich und sieht unstet vom einen zum anderen, bleibt schließlich an dem Schriftzug an der Wand hängen. "Wos san des denn fia Menschn, de fia a Otiquität tötn?"

 

So viele Fragen tanzen Pogo in seinem Kopf, doch nur ein Bruchteil davon erreicht seinen Mund, während der Rest im mentalen Schlamm zu Boden geht.

 

"Und wer san Sie übahaupt? Kenna Sie olle meina Voda? Und den Herrn Schubert? I meina ... denka Sie wirkli, de Mörda hobn des Artefakt? Warum dann de Nachricht? Und wos is mid da Quittung vo obn?"

 

So ist's richtig, Franz. Flucht nach vorne. Wer nicht fragt bleibt dumm. Und wer nichts weiß, kann keine vernünftigen Entscheidungen treffen.

  • Like 1
Link to comment
Share on other sites

Ich muss mich verabschieden ... hoffentlich stehe ich das durch.
 

Ich gehe in den Raum und gehe zu meinem Freund hin. Achte dabei auf den Boden, dass ich nichts kapputt mache oder in das Blut trete.

 

Oh Gott ....

 

"Es tut mir so Leid ... mein Freund es tut mir so Leid ... " Tränen rinnen mir heiß die Wange herunter ...

 

Wische sie mit einem Taschentuch weg. Hole tief Luft ....
Siehe Dich um, vielleicht sehe ich etwas, was mir eine Hinweis auf den Mörder gibt.

Sicht von Außen:

Rudolf ist sehr bleich und zittert, während er sich konzentriert im Raum umsieht, offensichtlich sehr bemüht seine Atmung zu kontrollieren ... dabei rinnen ihm immer noch Tränen unaufhaltsam die Augenwinkel herunter. Er scheint davon aber keinen Notiz zu nehmen ... Es holt sein Notizbuch heraus und skizziert mit geübten Strichen die Szene ... je weiter das Bild Gestalt annimmt, desto mehr versiegen die Tränen.

Schließlich wendet er sich schweigend wieder seinen Freunden zu ... sein Gesichtsausdruck ist hohl, vollkommen leer - die Trauer und die Schuld haben sämtliche Herzlichkeit des kleinen Mannes gefressen. Eine Hülle eines kleinen zerbrechlichen Männchens, das mehr gesehen hat, als Menschen erblicken sollten.

Link to comment
Share on other sites

"Wie bereits erwähnt bin ich Sachverständiger und wurde von Herrn Tierzek angeworben um das Artefakt zu untersuchen und seine Echtheit zu prüfen. Dann gab es auf der Reise ... einen Zwischenfall. Der ist auch der Grund für meine Bandagen. Eigentlich sollte das hier alles ein Kinderspiel werden. Routine. Artefakt abholen, untersuchen, nach Berlin bringen. Geld bekommen und in den Urlaub. Doch leider wird das nichts werden. Weder Herrn Schubert noch ihren Vater kannte ich bisher. Das sind Kontakte von Herrn Bock und Herrn Tierzek.

 

Die Mörder haben das Artefakt, fürchte ich. Die Warnung ... ich weiß es nicht."

 

Der Mann ist ein Fremder. Wir wissen nichts über ihn. Wir sind vor ein paar Arabern durch die halbe Stadt geflohen, warum sollten wir ihm also jetzt blind vertrauen? Das muss erstmal reichen.

Link to comment
Share on other sites

"Ja oiso ... aha", antwortet der im Angesicht der komplexen Zusammenhänge sichtlich überforderte Student. Dennoch scheint sein Verstand schnell und systematisch zu arbeiten, auch wenn ihn der weinende kleine Kurator mehr als nur irritiert. Was ist diesen Leuten nur widerfahren?

 

"Ähm, Herr Tierzek? Wos denkn Sie denn vo desem Telegramm? Es gibt ja wohl scheinbar no mehr Interessentn - wobei i ned glaube, dass da Herr Schubert des Stück oafach verkauft hod, er wusste doch, dass mia in da Fakultät daran arbadn."

 

Wieder schaut er stirnrunzelnd zu der Drohung an der Wand und meint zu Jaques: "Oiso i woass ned, dadn Sie so a Botschoft hinterlassn, wenn sie längst hättn, wos sie hobn woin?"

Edited by MazeBall
Link to comment
Share on other sites

Räuspere mich ...

"Das denke ich auch. Es scheint zwei Parteien zu geben. Wovon eine über Leichen geht.
Wenn die Wände doch reden könnten."

Gucke mich noch weiter um ...

 

Rudolf, denk nach ... was passt hier nicht hin, fehlt etwas das hier sein müsste?

 

"Fällt einem von Euch noch was besseres ein, als den potentiellen Käufer über die Chifre ausfindig zu machen?"

Link to comment
Share on other sites

Eduard steht in der Ecke und starrt auf die Leiche - er scheint zu träumen.

Ganz ganz leise mit fast geschlossenem Mund stimmt er ein Lied an:

 

"Die Witwe Quinche, die im Leb`n
Mit Schande aß ihr Brot,
An der so viele Makel kleb`n,
Sie schlug den Gregy tot, Juchhe!

Die Quintchen, dit verruchte Weib,
gesteht den Mord nicht ein.
Dit Quintchen schlug den Gregy tot,
kocht ihn sich zum Abendbrot.

 

Dit größte Portmonnö,
hat Ladewig, hat Ladewig,
die Bügel sind entzwee,
det schadet nich, det schadet nich....
"

Edited by Ruud van de Grachtenspeel
Link to comment
Share on other sites

Franz-Rüdiger hält sich mit weiteren Kommentaren zurück, solange der Rest dieser merkwürdigen Truppe sich nicht geäußert hat. Ein Seitenblick streift den leise summenden Hünen und die Mimik des Bayrischen Landeis lässt spontane Assoziationen an gesprungene Porzellantassen zu.

  • Like 2
Link to comment
Share on other sites

"Schubert hatte ein Termin mit einem Professor an der Uni. Vielleicht könnte man über den noch an weitere Informationen kommen?"

 

Das klingt sehr nüchtern. Und genauso wirke ich im Augenblick auch. So als würde mich das alles hier gar nicht mehr berühren, so als würde ich durch die Linse einer Kamera sehen. Es ist einfach zu viel passiert in letzter Zeit, und ich habe Schlimmeres gesehen. Traurig aber wahr. Einfach alles ausblenden und auf die Fakten konzentrieren.

Link to comment
Share on other sites

"Dazua konn i wos song", mischt sich Franz-Rüdiger kleinlaut ein. Auch ihm scheint sehr an einem rationalen, planerischen Gespräch gelegen, welches ihn von der bitteren Wirklichkeit ablenkt. "De erwähntn Professoan Hommel und Otto sans meine Dozentn, sie untersuchn ja aa de Reliquie und hobn mi hierha gschickt. Sie müssn aa unbedingt vo den ... Ereignissn do erfahrn! Den Professoa Gendron kenn i nur vom Hearnsong, i bin ja schliaßli koa Geologe."

Link to comment
Share on other sites

 Share

×
×
  • Create New...