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Tabu-Themen im Rollenspiel und der Umgang mit ihnen


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Es fällt mir schwer das jetzt so zu schreiben, ohne dabei missverstanden zu werden... aber bei manchen Themen (so wie diesem hier gerade) kommt man doch recht schnell an den Rand der Schublade eines Perverslings, wenn man selbst nicht eine gewisse ablehnende Haltung an den Tag legt. [...]

 

Ich habe ehrlich gesagt überhaupt kein Problem damit, meine Spieler durch Blood & Guts zu schicken und zu schocken. Da kann ich mich auch hinein fallen lassen, um das dann blumig blutig auszuformulieren. Und je roter die Formulierungen desto besser. Es darf nur nicht zur Gewohnheit werden, sonst wird es gewöhnlich und platt; das schockt dann niemanden mehr. [...]

Ein Horror Rollenspiel ist ein Horror Rollenspiel [...]. Man sollte Beklemmungen bekommen und unruhig auf dem Stuhl herumrutschen, mit feuchten Händen und mit trockenem Mund. Das macht es doch aus, wenn so ein Gefühl rüberspringt. Man sollte Grenzen ankratzen, vielleicht auch überschreiten. [...]

 

Und Political correctness ist mir eigentlich verhasst, da es nichts anderes ist als eine Zensur. Das hat nichts damit zu tun, jemanden absichtlich kränken oder beleidigen zu wollen.

 

In die Schublade des Perverslings würdest Du nur gehören, wenn Dich das beschriebene Szenario selbst erregt oder fasziniert.

 

Trotzdem muss ich sagen, dass mich die detaillierte Beschreibung von 'blood and guts' bisher noch nie wirklich beeindrucken konnte und die von Dir gewünschten Spieler-Reaktionen bei mir ausgelöst hat. Ich finde das dann eher unappetitlich, lächerlich oder geschmacklos als grauenerregend.

 

Mich persönlich packt viel mehr das, was unausgesprochen bleibt, was man ahnt oder befürchtet, was man nicht versteht und doch zu glauben bereit ist. Ich liege wohl eher auf der Schiene Psychothriller als Horrorgemetzel.

 

Um zurück zum Thema zu kommen: Political correctness ist eine Sache, denn diese setzt wohl auf einer sehr niedrigen Stufe ein. Aber es billigend in Kauf zu nehmen, Mitspieler - auch unabsichtlich - persönlich zu kränken oder zu beleidigen ginge mir zu weit. Das würde ich als SL immer ausgeschlossen sehen wollen. Und da bin ich persönlich als Spieler auch nicht sehr duldsam. Ich will als Spieler Spaß haben und mich nicht 'angepisst' fühlen.

 

Bei dem Einsatz von Tabu-Themen habe ich als SL daher immer in der Darstellung eine Grenze eingehalten, die solche Übergriffe auf eine persönliche Ebene ausgeschlossen hat ... hoffe ich jedenfalls und mir ist nichts gegenteiliges bekannt.

 

Den Einsatz von Tabu-Themen um ihrer selbst Willen, in der Hoffnung alleine durch den Tabubruch eine Schockeffekt zu erreichen, halte ich für ärmlich. Wenn Tabu-Themen sich hingegen logisch und authentisch, also fast zwingend ein eine Szenerie/Geschichte einfügen, stelle ich mir auf der zweiten Ebene die Frage, wie drastisch die Darstellung erfolgen muss, damit sie nicht zum effekthascherischem Selbstzweck verkommt. Nach meiner Meinung und nach meinem Geschmack gilt auch dann in aller Regel der alte Grundsatz: Weniger ist mehr!

 

In der Nautilus Nr. 135 gab es vor kurzem einen kurzen Beitrag über Kindertöter im Film ('Unschuld und Tod'). Ich habe mir einfach noch einmal die dort aufgelisteten 'promineten' Titel* durchgelesen und überlegt, welche der Filme, die ich kenne, mich persönlich gepackt und bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Dabei habe ich festgestellt, dass das gerade nicht die brutaleren waren.

 

Aber das ist sicherlich auch eine Frage des Geschmacks.

 

*dortige Auswahl: M - Eine Stadt sucht einen Mörder 1931, Es geschah am hellichten Tag 1958, Don't Torture a Duckling 1972, The Child - Die Stadt wird zum Alptraum 1972, Nightmare on Elm Street 1984-2010, Das Ritual 1987, Lady in White 1988, Stephen Kings Es 1990, Ermordet am 16. Juli 1994, Der Totmacher 1995, Es geschah am hellichten Tag 1997 Jenseits der Träume 1999, The Green Mile 1999, The Spreading Ground 2000, Das Versprechen 2001, Doctor Sleep 2002, Der fluch von Darkness Falls 2003, Suspect Zero - Im Auge des Mörders 2004, Evilenko 2004, Die Vergessenen 2004, Antikörper 2005, Der Kindermörder 2007, An American Crime 2007, Der fremde Sohn 2008, Alphabet Killer 2008, In meinem Himmel 2009, Das Haus der Verfluchten - The Haunting at the Beacon 2009, Verblendung 2009, Die Frau in Schwarz 2012, Sinister 2012, Devil's Knot - Im Schatten der Wahrheit 2013

Edited by Joran
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Nur darum kann es meines Erachtens eigentlich gehen: WARUM, also aus welchem Motiv heraus, können bzw. sollten solche Themen eingesetzt werden und WIE soll man mit ihnen umgehen (sie beschreiben etc.).

 

Die Frage ist nicht universell zu beantworten. Aus der Diskussion heraus wird ja schon klar das ein und dasselbe Thema ein Tabu sein kann oder eben nicht. Die beschriebene Vergewaltigung ist (möglicherweise) ein Tabu, der Zeitungsbericht darüber evt. der Arztbericht dazu wieder nicht.

 

Letzteres kann ein Stilmittel sein um das Abenteuer einzuleiten, z.Bsp. im Fall von zwangsweisem Beischlaf von Wesen der Tiefe. Aber steht dann die Vergewaltigung durch ein Wesen der Tiefe im Vordergrund oder einfach das daraus resultierende Kind oder die Erkenntnis das es diese Praktik überhaupt gibt? Ist das überhaupt ein Tabu im Sinne von "Hey das ist Cthulhu und nicht my little Pony, da muss man damit rechnen das sowas passiert..." usw.

 

Mir fällt kein Grund ein, ein Tabu-Thema einzusetzen, im obigen Beispiel, also die beschriebenen Vergewaltigung an einem NSC oder als Steigerung an einem SC.

 

Weder das Spiel noch der Spieler wird der Szene noch den selbstzerstörerischen Folgen gerecht werden, also warum es dann einsetzen. Das gleiche gilt für die Beschreibung. 8mm ist ein gutes Beispiel, der Film macht es sich leicht. Er spielt zwar in dem Umfeld von Pornografie und Snuff-Filmen, zeigt aber keine lebenden Opfer. Es wird vornehmlich die Täterseite beleuchtet und die nur sehr oberflächlich in Form der Tat selbst. Da stellt sich dann wieder die Frage ist das ein Tabu oder ein Stilmittel. Ich denke letzteres, folglich kommt der Film ohne Szenen aus die zu sehr in die Tiefe gehen und macht das gut. Das ist dann aber kein Tabu mehr, würde also in meinen Augen nicht in diese Diskussion gehören.

 

So verhält sich das bei mir irgendwie mit allen bereits genannten Tabu Themen. Wenn ich sie nutze aber nicht beschreiben kann, so dass es ein Tabu ist, wozu sie dann nutzen. Da gibt es elegantere Methoden das Thema im Abenteuer einzusetzen. Wenn ich aber etwas so detailliert beschreibe das es ein Tabu wird und man sich Gedanken darüber machen muss wer aus meiner Gruppe kann damit umgehen und wer nicht, dann lass ich das doch gleich weg ich kann damit nichts erreichen was ich nicht auch auf andere Art und Weise erreiche.

 

8mm wäre kein besserer Film wenn er die Szenen in der Direktheit und Qualität aus A Serbian Film nutzen würde, die Story und die Botschaft funktioniert ohne sehr gut, wenn nicht besser.

 

Ein anderes Beispiel ist Nyres fluchender Mönch. Er ist sicherlich eine Bereicherung für die Story aber sollte es für einige Spieler ein Tabu darstellen kann man ihn auch gut weglassen unabhängig von der Beschreibung, so wie Nyre es Gruppen- Spielerabhängig auch gemacht hat.

 

Lange rede kurzer Sinn (für mich):  Kann ich ein Thema so beschreiben das es ein Tabu wird kann man es auch sein lassen und kann ich ein Tabu nicht einsetzen ohne es detailliert zu beschreiben sollte ich es weglassen.

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Ich habe ehrlich gesagt überhaupt kein Problem damit, meine Spieler durch Blood & Guts zu schicken und zu schocken. Da kann ich mich auch hinein fallen lassen, um das dann blumig blutig auszuformulieren. Und je roter die Formulierungen desto besser.

 

Ich finde das vollkommen in Ordnung - in einem Spiel sollten die Mitwirkenden das tun, was Spass macht. Und wenn es Splatter ist - na dann ist es doch vollkommen ok! Ich habe auch niemand gefunden, der dich dafür angegriffen hat?

 

Es wurde hier ja schon geschrieben, dass wir nicht My Little Pony spielen. Dem stimme ich voll und ganz zu. Ein Horror Rollenspiel ist ein Horror Rollenspiel ist ein Horror Rollenspiel. Man sollte Beklemmungen bekommen und unruhig auf dem Stuhl herumrutschen, mit feuchten Händen und mit trockenem Mund. Das macht es doch aus, wenn so ein Gefühl rüberspringt.

 

Der erste Satz ist herabwürdigend - denn spitz formuliert bedeutet das, dass jeder, der kein Nazi-Splatter-Rape vokommen lässt, auch gleich mit bunten Plastik Pferden spielen sollte.

Ich dachte wir reden über Form und nicht Inhalt. Es ist meine ganz persönliche Meinung (und das hat nix mit konservativem Mainstream zu tun), dass in einem Cthulhu Rollenspiel idealerweise das gleiche Feeling wie beim Lesen eines Lovecraft Romans aufkommen sollte. Aber: er und seine Kollegen konnten das eben ohne Splatter Orgien. Für mich persönlich ist das höchste Ziel, im Cthulhu Rollenspiel ein Abenteuer zu erfahren, bei dem Lovecraft gerne mitgespielt hätte.

Es ist auch etwas, das dieses Rollenspiel ein wenig "besonders" macht. Für Kettensägen-Massaker haben wir in unserer Gruppe andere Rollenspiele.

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Es wurde hier ja schon geschrieben, dass wir nicht My Little Pony spielen. Dem stimme ich voll und ganz zu. Ein Horror Rollenspiel ist ein Horror Rollenspiel ist ein Horror Rollenspiel. Man sollte Beklemmungen bekommen und unruhig auf dem Stuhl herumrutschen, mit feuchten Händen und mit trockenem Mund. Das macht es doch aus, wenn so ein Gefühl rüberspringt.

 

Der erste Satz ist herabwürdigend - denn spitz formuliert bedeutet das, dass jeder, der kein Nazi-Splatter-Rape vokommen lässt, auch gleich mit bunten Plastik Pferden spielen sollte.

 

nein, ich meinte eher, dass es bei Cthulhu als horrorollenspiel, eigenermassen NORMAL ist mit wahnsinn, psychos, Monster oder whatever in Berührung zu kommen wird. Und wenn einer das ALLES nichts ist, dann sollte besser die Finger von solch einen Setting lassen. :)

 

selbstverständlich kommt man auch ohne Splatter/Nazi und vor allem RAPE (!!!) klar. Ich persönlich liebe es, die SC thrillermässig (also kein Blut, aber psychologisch gemeint) "fertig" zu machen.

 

Anderseit ist auch irgendwie komisch wenn bei einer Szene ich sagen sollte "Ja, also der böslig sollte dich jetzt eigentlich, wie jede seine frühere Opfern, erdrosseln, aber hach, lassen wir es, du bist ihm sympatisch, sonst wird es zu gewalttätig" :)

Edited by Nyre
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Kann ich ein Thema so beschreiben das es ein Tabu wird kann man es auch sein lassen und kann ich ein Tabu nicht einsetzen ohne es detailliert zu beschreiben sollte ich es weglassen.

Ich muss hier einhaken, denn ganz so einfach ist das m.M.n. leider nicht.

Ich denke jeder kennt die Szene aus 'Evil Dead' (alt oder neu) mit der Frau und den dämonisch beseelten Wurzeln?

Eine solche Szene kann man entweder plakativ, mit vielen Adjektiven, umschreiben.

Man kann aber auch nur eine verstörte Frau in verschmutzter und zerrissener Unterwäsche umherirren lassen.

Oder man lässt einen Arzt auftreten, der nur das Wort "Vergewaltigung" fallen lässt.

Aber egal was davon auch immer am Tisch beschrieben wird, es KANN IMMER Assoziationen triggern, egal wie sensibel man auch vorgehen mag. Leider!

Edited by Der Läuterer
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Kann ich ein Thema so beschreiben das es ein Tabu wird kann man es auch sein lassen und kann ich ein Tabu nicht einsetzen ohne es detailliert zu beschreiben sollte ich es weglassen.

Ich muss hier einhaken, denn ganz so einfach ist das m.M.n. leider nicht.

[...]

Aber egal was davon auch immer am Tisch beschrieben wird, es KANN IMMER Assoziationen triggern, egal wie sensibel man auch vorgehen mag. Leider!

 

 

Das scheint mir eine Relativierung, die als Ausrede / Rechtfertigung für Grenzüberschreitungen herhalten könnte. Jedenfalls als Argument in der vorliegenden Diskussion überzeugt mich das nicht.

 

Natürlich kann man nie ausschließen, Assoziationen bei den Spielern zu triggern. Das ist aber eine Selbstverständlichkeit und kann schon durch vermeintlich ganz belanglose Äußerungen erfolgen, die man selbst gar nicht in den Zusammenhang mit einem Tabuthema gebracht hätte. Es ist ja gerade das Wesen von Assoziationen, dass jeder Mensch individuell mehrere ursprünglich isolierte psychische Inhalte miteinander verknüpft, eine individuelle Gedächtnisleistung, bei der die Assoziationskette u.a. von der Intensität der früheren Erfahrung abhängt. Wenn ich als SL eine Situation in einer verlassenen Unterführung schildere und den SC Geräusche hören lasse, ist das zunächst kein Tabu-Thema. Wenn eine Spielerin allerdings eine Erfahrung wie in 'Irreversibel' durchleben musste, kann das Assoziationen 'triggern', die ich überhaupt nicht beabsichtigt und vorhergesehen habe, die ich überhaupt nicht vorhersehen konnte. Auch dadurch wird die Beschreibung einer verlassenen Unterführung nicht zum 'Tabu-Thema', sondern weckt nur unvorhersehbare Assoziationen bei einem Spieler. Niemand wird vor einer Spielrunde Frage: "In meinem Abenteuer könnte eine verlassene Unterführung vorkommen ... hat damit jemand ein Problem?"

 

Solche Umstände sind nicht vermeidbar und sozialadäquat. Das Opfer muss damit umgehen können bzw. umgehen lernen, dass andere von Unterführungen reden oder in der Zeitung von Verbrechen in Unterführungen geschrieben wird. Wenn ich es weiß, kann ich solche Schilderungen vermeiden; sonst nicht, ohne dass mir daraus ein Vorwurf gemacht werden kann.

 

Hier geht es aber doch um die Frage, ob und wie ich ein als solches erkennbares Tabuthema gezielt im Spiel einsetzen soll, um eine Horror-/Thriller-Atmosphäre zu erschaffen, ob ich dann eine Verantwortung gegenüber den Spielern übernehmen muss und als SL dafür zu Sorgen habe, dass aus der gewollten Gruselatmosphäre nicht eine Grenzüberschreitung gegenüber einem Spieler wird. Das liegt weit jenseits des Risikos unvorhersehbarer Assoziationen.

 

Wir bewegen uns immer noch in einem Spiel. Und da bin ich persönlich der Ansicht, dass der SL Verantwortung gegenüber seinen Spielern trägt und solche Überschreitungen der persönlichen Grenzen seiner Spieler nicht um den Reiz eines vermeintlichen Grusels (oder doch eher nur Ekels?) in Kauf nehmen darf. Das heißt nicht, dass Gewalt / Sexualtität etc. nicht vorkommen dürfen. Aber dort, wo ich den allgemeinen Konsens (systemtypische Kampfszenen, von denen die Spieler ausgehen müssen etc.) verlasse und den Bereich naheliegender persönlicher Grenzen der Spieler erreiche, sollte man meines Erachtens als Spielleiter eher Verzicht üben (es sei denn, es ist mit den Spielern vorher im Sinne eines individuellen Konsens abgesprochen) und sich ein bisschen mehr anstrengen, andere Möglichkeiten zu finden, eine Gruselatmosphäre zu schaffen.

 

Über eine Vergewaltigung in der Zeitung zu lesen ist okay. Zu erfahren, dass der/die 'Gegner' Vergewaltigungen / Kindstötungen etc. begangen haben ist für mich auch noch in Ordnung, weil die Spieler versuchen können, diese Taten zu sühnen. Dass es in der Welt Vergewaltigungen gibt wissen auch die Opfer von Vergewaltigungen, dieser Erkenntnis können sie in ihrem weiteren Leben nicht aus dem Wege gehen, man liest es immer wieder in Zeitungen. (Ich selbst war vor ein paar Jahren entsetzt, als in den normalen Radionachrichten am Nachmittag recht detailreich der wiederholte Missbrauch und die Tötung eines in einer Kiste gefangen gehaltenen Kindes geschildert wurde. Meine Kinder saßen im Auto. Ich war auf den Verkehr konzentriert, als ich merkte, worüber geredet wurde, war es schon zu spät.) Die SCs und damit die Spieler sind dann nicht persönlich betroffen. Ich greife nicht in ihre Intimsphäre ein.

 

Eine detaillierte Beschreibung einer Vergewaltigung ist für mich bereits grenzwertig. Zwar habe ich die Beobachtung einer Vergewaltigung bereits einmal einer Spielerin zugemutet, die ich sehr gut kenne, aber ich habe diese nicht detailliert geschildert und die Spielerin hätte eingreifen können, hat dies jedoch aus Furcht nicht getan (nebenher: Fantasy, nicht Horror-Setting). Das war damals in Ordnung und in der Situation plausibel, eigentlich sogar einen kurzen Zeitraum davor vorhersehbar. Die Spielerin hätte ihren SC also auch einfach vorher abhauen lassen können, wenn sei gemeint hätte, den Anblick nicht ertragen zu können. Weiter wäre ich nicht gegangen.

 

Die SCs selbst zu Opfern von Vergewaltigungen zu machen, käme für mich persönlich als SL absolut nicht in Betracht, wohl nicht einmal in angedeuteter Form. Dabei würde ich mich selbst nicht wohl fühlen. Für mich wäre das auch vermutlich nicht mit Horror, sondern mit Ekel verbunden. Was ich noch vorstellen könnte, wäre die offene Frage, ob möglicherweise eine Vergewaltigung des SCs stattgefunden haben könnte, weil dann ein Ausweg bleibt und es nicht um den Akt selbst, sondern um die Furcht vor der Möglichkeit eines Missbrauchs geht. Was ich mir auch vielleicht noch vorstellen könnte, wäre die Konfrontation mit dem Angriff eines Vergewaltigers, der jedoch im Ergebnis nicht erfolgreich ist; auch dann geht es um die Furcht davor, nicht um den Akt selbst. Beides habe ich als SL allerdings noch nicht versucht. Weil die vorherige Einholung des Einverständnisses die Szene eigentlich bereits entkräftet, würde ich vermutlich auch hierauf verzichten.

 

Abseits von one-shots wünsche ich, dass sich meine Spieler mit ihren SCs identifizieren und an ihnen hängen, sie möglichst über einen längeren Zeitraum spielen. (Eine solche Identifikation eröffnet bereits hinreichende Möglichkeiten, die Spieler in Furcht zu versetzen.) Wenn ich meine Spieler dazu bringe, mit ihren SCs Ekel zu assoziieren, erreiche ich das kaum. Ich habe es ohnehin schon schwer genug, meine Spieler statt Fantasy auch mal für Cthulhu zu interessieren.

 

Meine Erfahrungen mit 'geschmacklichen' Grenzsituationen sind bei den mir zur Verfügung stehenden Spielern auch nicht sehr gut. Ein Spieler ist zum Beispiel zu seinem SC schon spürbar auf Distanz gegangen, als er lediglich durch Andeutungen zu der Erkenntnis kam, dass in seinem Stammbaum Tiefere Wesen auftauchen könnten...

 

Ich räume ein, dass die Situation in einer Gruppe aus eingefleischten, abgehärteten Splatterpunk-Horror-Fans anders sein kann. Ich habe Zweifel, ob ich in einer solchen Gruppe gut aufgehoben wäre und eine sich steigernde Spiralbewegung hin zu immer härterer Gewalt, um des Thrills wegen, mitmachen wollte. Aber das ist hier ja nicht die Frage. Es geht in dieser Diskussion ja nicht darum, ob sich z.B. Leute, denen es nicht blutig und brutal genug zugehen kann, selbst beschränken sollen. Bei der vorliegenden Diskussion geht es um die Fälle, in denen eine Überforderung der Spieler für den Spielleiter aufgrund eines Themas und seiner Darstellung als möglich vorhersehbar ist.

 

Die Pauschalaussage, man könne immer irgendwelche Assoziationen auslösen, hilft da nicht weiter. Diese Aussage - so wie ich sie lese - legt die Annahme nahe, man dürfe alles machen, weil man sonst ja gar nichts machen dürfe. Damit würde man es sich dann meines Erachtens zu einfach machen.

Edited by Joran
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Es gab in der Nightmare-Forenrunde einige harte Szenen, mit denen die Chars konfrontiert wurden und auch Aktionen, NSC gegen Char und andersrum. Da war schon viel von dem dabei, was jetzt hier diskutiert wird. Ist das Horror? Mit Sicherheit. Vielleicht ist es aber manchmal etwas mehr King oder Barker als Lovecraft. Aber das ist okay für mich. Ich gehe da gerne mit der Zeit.

Mein Char in der Forenfunde von Blackdiablo ist z.B. von einem Mitspieler übel gefoltert worden. Das empfand ich als Spieler äusserst hart und sehr unangenehm, weil ich mich mit diesem Char ein Stück weit identifiziert habe. Aber es war auch sehr spannend. Ich habe das durchgezogen und ausgespielt. Ich habe mir dabei immer überlegt, wie ich mich wohl würde rächen können...

Ich hätte aber jederzeit STOP sagen können, wenn es mir zu viel geworden wäre. Weshalb sollen das nicht auch andere Spieler können? Wenn mir ein Film nicht gefällt, schalte ich doch auch aus. Den muss ich ja nicht zu Ende sehen. Aus dem Grund sehe ich auch kein so grosses Problem im Umgang mit heiklen Situationen. Ein einfaches "STOP" genügt.

Edited by Der Läuterer
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Alles in Ordnung, solange alle einverstanden waren. Und ich glaube die Forenrunde von Black, die Du ansprichst, war nach NiN. Da konnte man (insbesondere Black, aber vielleicht auch der andere Spieler) vermutlich davon ausgehen, dass Du hart im nehmen bist. ;)

 

Wie gesagt: Solche Dinge sind Geschmacksache. Ich glaube auch nicht, dass subtiler Horror / Thriller etc. aus der Mode oder nicht mehr zeitgemäß sind.

 

Ich habe nur Zweifel, ob diejenigen, die mit einer Situation tatsächlich ein Problem haben, tatsächlich immer rechtzeitig STOP rufen oder zunächst einmal versuchen, das durchzuziehen, um sich nicht outen zu müssen oder den anderen nicht den 'Spaß' zu verderben. Schließlich hat man sich ja auf ein Horror-Rollenspiel eingelassen.

 

Wenn ich einen Film nicht zuende schaue, interessiert das keinen anderen außer mich. Das ist schwer vergleichbar.

 

Darum finde ich einfach: Als SL sollte man die Finger solchen Dingen lassen, hinsichtlich derer der SL nicht sicher sein kann, dass die Spieler damit auch umgehen können und wollen (z.B. sexuelle Gewalt gegen SCs, explizite Darstellung sexueller Gewalt, übermäßig explizite Darstellung von Gewaltexzessen etc.).

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Kann ich ein Thema so beschreiben das es ein Tabu wird kann man es auch sein lassen und kann ich ein Tabu nicht einsetzen ohne es detailliert zu beschreiben sollte ich es weglassen.

Ich muss hier einhaken, denn ganz so einfach ist das m.M.n. leider nicht.

Ich denke jeder kennt die Szene aus 'Evil Dead' (alt oder neu) mit der Frau und den dämonisch beseelten Wurzeln?

Eine solche Szene kann man entweder plakativ, mit vielen Adjektiven, umschreiben.

Man kann aber auch nur eine verstörte Frau in verschmutzter und zerrissener Unterwäsche umherirren lassen.

Oder man lässt einen Arzt auftreten, der nur das Wort "Vergewaltigung" fallen lässt.

Aber egal was davon auch immer am Tisch beschrieben wird, es KANN IMMER Assoziationen triggern, egal wie sensibel man auch vorgehen mag. Leider!

 

 

Damit hast du meine obige These doch genau bestätigt. Um mal bei der Vergewaltigung zu bleiben:

 

1. Eine solche Szene kann man entweder plakativ, mit vielen Adjektiven, umschreiben. -> Das könnte der Tabubruch sein, die gezielte, detaillierte Beschreibung in allen Einzelheiten.

 

2. Man kann aber auch nur eine verstörte Frau in verschmutzter und zerrissener Unterwäsche umherirren lassen.

Oder man lässt einen Arzt auftreten, der nur das Wort "Vergewaltigung" fallen lässt. -> Das wäre ja nach der Meinung einiger kein Tabu mehr, da die Vergewaltigung nur als Stilmittel eingesetzt wird und nicht wie unter 1. zu sehr und ausufernd beschrieben wird. Jeder weiß was passiert ist. Punkt. Das reicht.

 

Du könntest das Thema also so beschreiben das es ein Tabu wird, aber du hast andere Möglichkeiten aufgezeigt die Szene zu Verwenden, der Tabubruch ist also nicht notwendig. Da du nicht gezwungen bist die Vergewaltigung in deinem Beispiel beschreiben zu müssen damit die Szene funktioniert kannst du das Tabuthema (Vergewaltigung) als Stilmittel nutzen und brauchst es nicht weglassen. Das passt eins zu eins in meine Definition.

 

@ Läuterer Bzgl. BiW wer Wind sät wird Sturm ernten...

 

Da muss ich Joran schon rechtgeben, du hast mehr als genug ausgeteilt, da muss man auch einstecken können.

 

 

Ich habe mir dabei immer überlegt, wie ich mich wohl würde rächen können...

 

Wenn bei der Szene Rachegedanken aufkommen weil es zu persönlich wird und du dich sehr mit dem Char identifiziert hast war das evt. dein Tabu (ausgeliefert sein, hilflos zu sein) und evt. hättest du besser STOP gesagt. Wie man sieht ist das nicht immer so einfach...

Edited by -TIE-
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Vielleicht hätte ich, in der von mir zuvor angesprochenen Szenerie, wirklich Stop sagen SOLLEN. Ich glaube aber nicht, dass ich habe Stop sagen WOLLEN. Ich habe mich als Spieler dabei unwohl gefühlt und mit meinem Char mitgelitten.

Der SL hat davon aber nichts mitbekommen; wir haben genau diese Situation erst kürzlich noch einmal erörtert.

Die Frage ist, ob so etwas in einem Rollenspiel, oder im Speziellen einem Horror Rollenspiel, okay ist.

 

ICH wollte es austesten.

Wie weit geht der andere Spieler, wenn er meinen Char foltert?

Lässt der SL das zu? Wieviel lässt der SL zu? Oder noch zu?

Wie fühle ich mich in einer so beklemmenden Situation?

 

Ganz wichtig ist jetzt aber noch eines.

Nämlich, dass ich mich unwohl gefühlt und mit meinem Char mitgelitten habe, WEIL ich in Charakter war und nicht weil ich damit irgendetwas Unangenehmes assoziiere. Wenn man die Rolle annimmt und sich mit dem Char im Spiel identifiziert, dann wird das schnell auch mal emotional. Zumindest bei mir.

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Ganz wichtig ist jetzt aber noch eines.

Nämlich, dass ich mich unwohl gefühlt und mit meinem Char mitgelitten habe, WEIL ich in Charakter war und nicht weil ich damit irgendetwas Unangenehmes assoziiere. Wenn man die Rolle annimmt und sich mit dem Char im Spiel identifiziert, dann wird das schnell auch mal emotional. Zumindest bei mir.

 

Genau! Dann wird es aber mitunter auch persönlich und die Trennung zwischen Spielern und Spiel kann fließend werden. Deshalb scheue ich mich, da zu weit zu gehen. Schließlich sollen letztendlich alle Spaß haben und Freunde bleiben.

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Kurz als EInschub:

 

Als mein Charakter in NiN gefoltert wurde, fand ich das ziemlich cool, weil ich die Distanz hatte, dass es mehr oder weniger einen kausalen Zusammenhang zu den Ereignissen hatte und neue interessante Charakterwendungen ermöglichen würde - ich bekam quasi eine Begründung meinen Charakter später noch intensiver ausspielen zu können (was ich immer fantastisch finde :wub: ). In dem Fall war es mir wichtiger, in extremen Situationen zu rollenspielen, als dass mein Charakter ohne Kratzer davon kommt. Mitgefühl, wie es in besagter Szene in BiW bei dir der Fall war, hatte ich nicht in allzu großem Maße.

Lange Rede, kurzer Sinn: Die Erfahrungen mit solchen Folterszenen sind relativ, wie so viele andere Erfahrungen auch, und ich hätte nicht gedacht, dass dir das so an die Nieren geht, Läuterer, weil ich es aus meiner Erfahrung nicht kannte. Ich war durchweg davon ausgegangen, dass du dich der Extreme des Storyverlaufs so erfreust, wie ich es damals auch hatte - teilweise scheint das ein Irrschluss gewesen zu sein, der aber offenbar nicht viel geschadet hat. Zumindest machtest du nicht den Eindruck, als seist du auf ewig gezeichnet. ;)

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Das ist evt. der gefährliche Punkt an den Tabuthemen. Egal wie sehr vorher beteuert wird, das dieses oder jenes in Ordnung ist, kein SL kann (oder nur sehr schwer) einschätzen wieviel persönliches der Spieler in seinen Charakter steckt. Wenn der Spieler das vorher evt. unbewusst garnicht wahrnimmt kann ihn die Szene viel härter treffen als er selbst es gedacht hätte.

 

Ich finde immer mehr Punkte, bzw. Hinweise das der Einsatz von Tabus eigentlich nur in´s Auge gehen kann und der Umgang damit sehr sensibel gehandhabt werden sollte.

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Das ist evt. der gefährliche Punkt an den Tabuthemen. Egal wie sehr vorher beteuert wird, das dieses oder jenes in Ordnung ist, kein SL kann (oder nur sehr schwer) einschätzen wieviel persönliches der Spieler in seinen Charakter steckt. Wenn der Spieler das vorher evt. unbewusst garnicht wahrnimmt kann ihn die Szene viel härter treffen als er selbst es gedacht hätte.

 

Ich finde immer mehr Punkte, bzw. Hinweise das der Einsatz von Tabus eigentlich nur in´s Auge gehen kann und der Umgang damit sehr sensibel gehandhabt werden sollte.

Das sehe ich sehr ähnlich, auch wenn ich nicht aus eigener Erfahrung sprechen kann.

 

 

Zum Thema STOP:

Ich glaube nicht dass man ein STOP in einer Forenrunde mit einem STOP unter Spieltisch-Bedingungen vergleichen kann. In Forenrunden ist die Distanz größer, man kann sich in Ruhe überlegen, ob es zu weit geht und ggf kennt man die Mitspieler nicht persönlich. Man kann diesen unliebsamen oder quälenden "Kram" abbrechen wie einen Film. Aber selbst das scheint nicht ganz leicht zu sein. Man will ja auch kein Spielverderber sein.

Am Spieltisch geht alles schneller, man kennt sich, man kennt sich aber vielleicht nicht gut genug und kann schnell als prüde oder weich angesehen werden, wenn man sagt "Nee, das reicht!".

Außerdem kann es dann auf Grund der schnelleren Entwicklung (Gesprochenes Wort gegen geschriebenes Wort, das man ggf noch übertrieben kann) schon zu spät sein.

 

Pauschal lässt sich das Thema wohl nicht beantworten. Man muss also sehr vorsichtig sein und sich bewusst sein, dass man unerwartet und ungewollt Schäden anrichten kann.

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