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[Nightmare Bites] Kap.1: BÜHNE AUF EIS


Der Läuterer
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Teestube n°14

 

"Ich glaube du spinnst! Er ist allein hingegangen, und ich habe ihn schon einmal im Stich gelassen. Das mache ich nicht nochmal. Wenn es sie sind, kann ich ihn da unmöglich allein lassen" zichte ich, und stehe ich wieder auf.

Ich umkreise den Tisch.

Alexander lasse ich auf den Sitzbank neben ihm.

"Ich kann auf mich gut aufpassesn, das sagst du immer!"

Ich laufe dann schnell zu der Tür.

Edited by Nyre
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25 Riding House

Ich trete rasch auf den Mann zu, versuche zu erkennen, ob eine äußere Einwirkung für seinen Zustand verantwortlich sein kann. Ich suche nach einer Schlinge an seinem Hals oder ähnlichen Ursachen für die offensichtlichen Atmungsschwierigkeiten.

 

"Ganz ruhig. Ich bin Arzt. Ich werde versuchen, Ihnen zu helfen!"

Edited by Joran
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Noch immer weht Dir ein warmer Lufthauch entgegen. Doch als Du den Mann ansprichst, siehst Du, wie Dein Atem sichtbar wird und der Hauch in der Kälte kondensiert.

 

Obwohl Du den Mann ansprichst, reagiert er nicht. Und noch immer bewegen sich seine Finger wie auf einem unsichtbaren Klavier, während seine Arme reglos herab hängen.

 

Du betrachtest den Mann näher. Er ist gross gewachsen. Mit schwarzem Haar. Er ist modisch gekleidet. Und bis auf das weisse Hemd, trägt er ansonsten nur dunkle Kleidung. Gedeckte Farben. Einen dunkelgrauen oder schwarze Anzug, sowie einen langen Mantel mit breitem, hochgestellten Kragen. Ein Umhang liegt ihm über den Schultern. Eine Art Überwurf oder eine Decke. Es sieht schwer aus. Wie teurer Brokatstoff? Oder wie billiges verfilztes Fell? Der untere Saum wirft ausladende Falten. Der Stoff des Umhangs ist gelblich bis beige. Mal dunkler, mal heller. Er wirkt wie ein viel zu grosser Kamelhaarmantel. Und die feinen Härchen bewegen sich leicht, wenn der Lufthauch sie umspielt.

 

Seitlich von Dir, links vom Durchgang ist ein Stöhnen zu hören. "Aaahhhhh." Jemand oder etwas grosses windet sich auf dem Fussboden. Etwas hartes wird über den Boden geschoben oder gezogen. Dann fällt etwas um.

 

Der Mann vor Dir öffnet seinen Mund. Zuerst ist es nicht mehr als ein nach Luft schnappen. Wie bei einem Fisch auf dem Trockenen. Dann sickert ihm etwas Schleim oder Speichel aus einem Mundwinkel. Er versucht zu sprechen. Undeutlich. Unartikuliert. Bruchstückhaft. Unverständlich. Mehr ein Gurgeln denn ein Sprechen. Gutturale Laute. Zögerlich. Gedämpft. Wie aus grosser Entfernung. Der Speichel wirft Blasen beim Sprechen. Dann sagt der Mann die zwei einzigen, verständlichen Worte. "Geeeeeh weeeeeg." Die Worte bringen jedoch keinen Hauch hervor. Sein Atem kondensiert nicht, im Gegensatz zu Deinem.

Edited by Der Läuterer
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25 Riding House

 

"Wie Sie wünschen! Dann brauchen Sie meine Dienste wohl nicht mehr? Ihre Anrufe sehe ich als gegenstandslos an!"

 

Ich zögere kaum merklich.

 

"Irgendetwas stimmt hier überhaupt nicht! In was für einen Konflikt bin ich hier hereingeraten? Und wie viele Parteien spielen hier mit? Die herabhängende Hörmuschel, der einzelne Schuh und die Stimme des kalten Fisch-Mannes sind deutliche Belege dafür, dass nicht dieser Mann mich angerufen hat. Im Gegenteil: Er arbeitet gegen den Anrufer ... möglicherweise konkurriert er mit ihm im Streben nach den gleichen Informationen ... oder will ihre Aufdeckung gerade verhindern?

 

Aber ist der Feind meines Feindes automatisch mein Freund? Soll ich das glauben, nur weil mich dieser ... Mann ... unbehelligt gehen lässt? Kaum!

 

Und was ist das überhaupt? Ein Mensch? Oder eines jener finsteren Wesen, die ihren Weg die verseuchte Themse herauf durch die Kanalisation in die Eingeweide dieser Stadt gefunden haben? Ein poikilothermes Wesen aus den Tiefen des Meeres, das die Kälte des Wassers und der Luft auf seinem Weg hier her in die Schneiderei mitgebracht hat? Was verbirgt sich unter diesem aufgestellten Mantelkragen? Welche abartigen Merkmale sollen vor den Blicken der Menschen verborgen werden?"

 

Bilder von Kiemen, wabernden Barteln oder polypenartigen Auswüchsen wechseln einander in meiner von der Atmosphäre dieses düsteren Raumes angeregten Phantasie.

 

Ohne lange nachzudenken, beuge ich mich herab und greife nach dem stöhnenden ETWAS links neben mir. Ich spüre Stoff in meiner Hand. Während ich rückwärts gehe, zerre ich es mit mir in Richtung Ausgang. ... Kurz fühle ich mich in den Krieg zurückversetzt, höre das Stöhnen der Verwundeten ihm Feld, zerre das stöhnende Bündel wie einen unserer Soldaten über den weichen Boden der Schneiderei.

 

"Wenn ich ein Mitglied der Organisation mit mir schleife, wird Matilde sich über das Mitbringsel freuen. Wenn hingegen der kalte Fisch der Organisation zuzuordnen ist, sollte ich dem armen Teufel hier helfen und hören, was er uns möglicherweise über die Organisation sagen kann. Dem Schneider wird man wohl kaum soviel Aufmerksamkeit widmen."

 

Während ich meine Last in Richtung Ausgang schleife, lasse ich den Fisch-Mann nicht aus den Augen. Ich rechne damit, dass er den Abtransport eines Opfers nicht reaktionslos hinnehmen würde.

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Du ziehst und zerrst an der Kleidung und schleifst den widerspenstigen Körper, wie einen schweren Kartoffelsack mit Dir. Der Geruch von frischer Erde liegt in der Luft. Erneut ist ein Stöhnen zu hören. "Aaahhhh."

 

Du schaust kurz auf, als Du Dich streckst, um den schweren Körper über den Boden zu ziehen.

 

Der Blick des Mannes in dem dunklen Anzug und dem hochgestellten Kragen trifft Deinen.

Er beugt sich zu Dir vor und zu Dir herunter, bis sein Oberkörper fast waagerecht zum Boden ist.

Seine Beine stehen derweil parallel und sind gerade durchgestreckt.

Der Rücken ist zum Hohlkreuz durchgebogen. Den Kopf erhoben, blickt der Mann Dich an. Er mustert Dich.

Dir erscheint es, als würde er wie ein Hund eine Fährte erschnüffeln, oder wie eine Schlange sein Opfer fixieren.

 

Seine Augen blicken Dich genau an. Der Mann hat blaue Augen. Dann verdreht der Mann seine Augen, bis nur noch das Weisse zu sehen ist. Trotz der schwachen Beleuchtung erkennst Du die Äderung der Augäpfel, die leicht lumineszierend erscheinen.

Blut sickert aus dem Tränenkanal eines Auges.

Und widerum tropft Schleim aus seinem Mund.

Ein Blubbern ist zu hören, als der Sabber Blasen produziert und der Mann zu sprechen versucht. "Hilf mir. Hilf mir."

 

Dann streckt Dir der Mann die Hand entgegen, den linken Arm ausgestreckt.

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Ich fühle mich entblößt, in meinen tiefsten Empfindungen beschmutzt.

 

"Diese Augen haben nichts flehendes, nichts aufrichtiges. Dieser Blick enthält keine Furcht. Nicht wie IHRE Augen

 

Das ist der misslungene Versuch einer Kopie dessen, was Du in meinen Gedanken gelesen hast ... Du monströses Ungeheuer!"

 

"Da gibt es keine Hilfe, die ich Dir geben könnte, kein Trost, den ich Dir spenden könnte! Du bist befleckt durch die, denen Du dienst!

 

Kehre zurück in Dein Meer oder das finstere Loch aus dem Du stammst! In meinem Ozean ist kein Platz für Dich!"

 

Ich werfe mich mit aller Kraft zurück, um sicher aus der Reichweite dieses surreal verbogenen Körpers zu gelangen.

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Einer Schlange gleich kommt Dir der Mann hinterher. Fast scheint er langsam über den Boden zu gleiten. Der Oberkörper neigt sich dabei immer weiter herab. Auf Höhe der Knie beugen sich die Oberschenkel nach vorne, als hätte der Körper dort keine Knochen und Gelenke.

Dann richtet er sich langsam auf und steht vor Dir. Noch immer ist nur das Weisse der Augen sichtbar. Erneut öffnet er den Mund um zu sprechen. Gurgelnde Laute dringen aus seinem Hals. Langsam streckt er Dir nun auch den rechten Arm einladend entgegen. "Komm. Hilf mir. Komm zu mir. Komm."

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Du fühlst eine Sehnsucht in Dir erwachen. Eine tiefe Sehnsucht. Und das Willkommen des Mann ist überaus einladend. Auch wenn es vielleicht die einzige Wahl ist, die Du hast, und es auch die falsche Entscheidung sein könnte, so ist sie doch nicht wirklich falsch. Es ist vielleicht einfach nur Schicksal.
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Ich merke, dass sich etwas in mir verändert. Meine Gedanken sind wie von Nebelschleiern verhangen. Das ETWAS in meinen Händen entgleitet erst meinem Bewusstsein und dann meinem Griff. Wie welkes Laub fält es herab, um sich mit dem Humus zu vereinen. Den gedämpften Laut auf dem weichen Boden nehme ich nicht mehr wahr. Kein Geräusch durchdringt die Stille. Hier stockt die Zeit; das Leben muss draußen bleiben, vor der Tür. Die Kälte meiner feuchten Kleidung verschwindet. Kein Gedanke an den Schlüssel in meiner Tasche, kein Gedanke an die Uhr in meiner Weste.

 

Stattdessen spüre ich eine verlockenden Sog von jenseits des Meeres, nicht aus Vernunft geboren, sondern mit einem urtümlichen Instinkt erwacht. Die Erinnerung an ein Gefühl meiner primitiven Ahnen, von der Evolution in einen finsteren Winkel verdrängt und doch nicht getilgt, beginnt mich zu erfüllen. Ich weiß, dass es trügerisch ist. Ich weiß, dass es eine Lüge ist. Ich weiß, dass es Verderben bringt ... weil ich das Meer überqueren muss, um dem Sog zu folgen, dorthin, wohin schon so viele gegangen sind ...

 

Das Meer selbst ist wild und aufgepeitscht, begehrt auf, weil es mich nicht freigeben will, weil es selbst mich verschlingen will. Es will mich aufhalten, es brüllt mir seinen Zorn entgegen im Tosen des Windes und im Brechen der Wellen ... aber es erreicht mich nicht ... diesmal nicht.

 

Bedauernd werde ich mir der Verantwortung bewusst, die ich  trage ... weil ich seit jener finsteren Nacht in den Urwäldern des Kongo nicht mehr alleine bin ... Ich weiß, dass ich dieser Verantwortung nicht gerecht werde, wenn ich dem Sog folge ... aber dieser Gedanke ist nichts im Vergleich zu der Verlockung, jenseits des Meeres das Ende meines Weges zu erreichen. Ich habe diese Bürde schon so lange getragen ... zu lange getragen ... ich bin alt und schwach ... ich habe ein Recht, mich unter dieser Last zu beugen ... und mich schließlich von ihr zu befreien. SIE hätte mich schützen können ... SIE hat mich im Stich gelassen, nicht umgekehrt ... jetzt, in dem Moment meiner Schwäche, hätte ich SIE gebraucht ... aber SIE ist nicht gekommen ... hält mich nicht ab ... gibt mich somit wohl schweigend frei ...

 

Ich bin selbst erstaunt, als ich begreife, dass ich gehen darf ... endlich gehen darf. Auch das NICHTS ist besser als das Leben. Ich habe alles gegeben, was ich zu geben hatte. Die Hartmuts dieser Welt sollen es haben, dieses Leben voller Leid und Verlust. Mein Frieden ... er ist ein Gewinn für alle ...

 

Keinen Moment zweifle ich daran, dass diese blasphemische Kreatur vor mir mich einläd, von ihm den Tod zu empfangen. Aber was bedeutet das schon? Wen kümmert es schon, ob er durch ein sauberes oder ein schmutziges Messer den Tod empfängt. Es macht keinen Unterschied, ob man in einem schlammigen Schützengraben in Flandern seinen letzten Atem aushaucht oder in einem Bett von weißem Linnen. Oh nein, die Gesellschaft in den Schützengräben war eine bessere, als ein sterbender König in seinem Bett. Ich lächle dem fremden Wesen entgegen.

 

Es ist gut, dass ich hier bin und nicht Matilde ... nicht das unschuldige Kind in ihrem Leib. Es ist gerecht ... es ist richtig ... es wiegt alles, was nun kommen mag, mehr als auf ...

 

Der Tod hat mich noch nie geschreckt. Ich fühle mich erleichtert. Diese arme Kreatur enthebt mich der Sünde wider mich selbst. Der Tod ist ein Geschenk, keine Drohung. Ich hoffe, dass ich auf der anderen Seite einige Freunde wiedersehen werde ... und wenn nicht, wird mich ein alle Traurigkeit auslöschendes Nichts verschlingen ... das soll mir ebenso Recht sein. Ja, ich glaube, wenn es den christlichen Gott gibt, wird er so gnädig sein, den Menschen ein weiteres Leben nach dem Tod zu ersparen.

 

Cainnech wird meinen Leib in die Heimat bringen. Er kennt die Stelle. Meine Überreste werde unter sattem Gras liegen und wenn der Wind durch das Gesträuch weht, wird es wispernd meine Geschichte erzählen. Für die, die solche Stimmen noch hören können, weit abseits des Lärms der Fabriken und Motoren. So wird es sein ... so sollte es immer sein ...

 

Ich bin bereit. Ich gebe mich der Verlockung dankbar hin. Ich ergreife ohne Furcht die todbringede Hand, die das Wesen mir reicht ...

Edited by Joran
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Du ergreifst die Hände des Mannes und drückst sie. Wie zur Begrüssung. Du nimmst Dein Schicksal an. Die Hände und die Finger fühlen sich weich und warm an. Sehr unnatürlich. Sehr falsch. Zu warm und zu weich. Fast so, als wäre kein Knochen in den Händen. Sie fühlen sich an, wie mit Haut bedeckte, heisse Gelatine...

 

Dann geht alles sehr schnell. Kein Geräusch. Kein Geruch.

Die Welt wird schwarz um Dich herum.

Keine Schmerzen. Keim Leiden. Nur Frieden.

Edited by Der Läuterer
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Ich erreiche schnaufend nummer 25.

Da ist die Tür nicht richtig zu.

Ich schupse die Tür und sobald ich einen Fuss reingetan habe, hole ich meine Pistole raus.

"Clive?" rufe ich.

"Wo bist du? CLIVE?"

 

Mich interessiert micht, ob sie mich hören, ob mich überhaupt jemanden hört.

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Die Türglocke läutet.

 

Ein helles, fröhliches Läuten eines kleinen Glöckchens.

So wie zu Weihnachten, als Alexander unter dem Weihnachtsbaum seine Geschenke öffnete...

Alexander

 

Draussen. Hinter Dir. Im fallenden Schnee. Eine Männerstimme. Savages Stimme. "Manchmal ist Flucht die bessere Alternative."

Alexander

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Die Strasse hinter Dir ist menschenleer.

 

Die einzelnen, dicken Flocken haben sich zu einem kräftigen Schneetreiben vereinigt, so dass kaum noch etwas von der Umgebung zu sehen ist. Alles nur weiss und kalt. Feindlich und undurchdringlich.

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