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[Nightmare Files] Kapitel 6 - Der lachende Tod


Der Läuterer
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Der Kapitän sieht Deinen besorgten Blick. "Machen Sie sich keine Sorgen, Fräulein... Der Mann, dieser echte Arzt, ist jetzt in Les Pieux an der westlichen Küste der Normandie, soweit ich weiss."
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"Nun ja, Fräulein. Mittlerweile wird dieser Doktor Andrews, wie Sie ihn nennen, wohl eine Holzkiste bewohnen. Denn den wenigsten Menschen bekommt es, wenn sie Wasser in den Lungen haben... Und als er nach fünf Tagen, wie in den Zeitungen zu lesen stand, in Frankreich an den Strand gespült wurde... sie wissen schon... Krabben und Fische. Ich würde ihn an Ihrer Stelle so in Erinnerung behalten, wie Sie ihn kannten."
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"Was soll das denn wieder heißen ... dieser echte Arzt?" Mein Gesicht beginnt sich unter der Sonnenbräune dunkel zu färben... und die Andeutungen von Krabben und Fischen haben damit nicht das geringste zu tun. "Das Meer hält viel mehr für Dich bereit, als nur Feuerquallen, Freundchen ...", setze ich in Gedanken hinzu.

 

"Nun wenn die Leiche in einem derart schlechten Zustand war, könnte es irgendjemand gewesen sein... Wer hätte den Toten auch eindeutig als Dr. Andrews identifizieren sollen?

 

Vielleicht können Sie uns freundlicherweise sagen, wo wir diesen Mr. Seaman finden können."

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"Was weiss denn ich, Herr DOKTOR. Bin ich etwa die POLIZEI? Vielleicht hatte der Mann ein Namensschild in seiner Kleidung? Was auch immer. Der Mann ist tot und Kapitän Seaman lebt in Plymouth."

 

"Aber ich verstehe jetzt, weshalb die Ärzte nicht wollen, dass wir mit den Verrückten reden..."

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Betroffen sehe ich die Contessa an. Vor dem Fremden erscheint es mir jedoch nicht angemessen, Fragen zu diesem Mord zu stellen. Darum versuche ich, das Gespräch wieder in eine andere Richtung zu lenken.

 

"Nun, wenn es sich tatsächlich um die Leiche von Dr. Andrews handeln sollte, wird eine Untersuchung der Todesumstände unumgänglich sein... Aber ich stimme zu: Dafür ist die Polizei zuständig."

 

Mit einem Zucken meiner Augenbraue deute ich der Contessa an, dass ich das Gesagte nicht unbedingt so meine, wobei ich ihr mein Gesicht zuwende, so dass der Seemann es nicht sieht. Dann wende ich mich wieder dem Seemann zu:

 

"Nun, für mich gilt die Einschränkung ja nicht, Herr KAPITÄN. Und ich als ARZT habe keinerlei Einwände dagegen, dass Sie mit diesen beiden Patienten reden.

 

Wohin sollten Sie denn Dr. Warner eigentlich bringen? Wollte er zum Festland übersetzen oder nach England?"

 

Unverhohlen skeptisch blicke ich in Richtung des alten Kutters. Ich stelle mir die Frage, ob ein "echter Kapitän" sein Leben einem solchen Kahn anvertrauen würde.

Edited by Joran
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Bei Matildes Information runzle ich die Stirn. Cole? Plant er etwas oder war es ein Versehen? Vielleicht sollten wir später darüber reden.

 

Wieder besehe ich den Kapitän. Mir kommt in den Sinn, in was für eine Gefahr er sich begibt, wenn er mit Dwight umherfährt ... Aber was soll's. Er würde mir ohnehin nicht glauben ... DIe Wellen rauschen ans Ufer. Monoton - auf ewig.

 

Ich schaue auf meine Uhr, habe das Gefühl wir sollten eigentlich woanders sein. Und was haben wir von ihm schon erfahren?

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Nur für Clive

"Was es kostet, wenn ich Ihnen davon berichte, fragen Sie?" Der Käpitän lacht ein heiseres Lachen. "Einen Schilling und einen Sixpence würde ich meinen."

Der Käpitän lacht. Er lacht aus vollem Halse. Es ist ein raues, heiseres Lachen. Und er hakt noch einmal nach. "Hören Sie, DOKTOR, weshalb sind SIE so sicher, dass Seaman NICHT verrückt ist? Immerhin scheinen Sie seinen Geschichten Glauben zu schenken und SIE sind HIER... HIER im Sanatorium. Sie sind hier, weil SIE verrückt SIND, oder?" Ein wenig spricht der Alkohol aus dem Mann.

 

"Und noch etwas... Wenn DAS... das ALLES stimmt, was der gute, alte Seaman so erzählt, WESHALB weiss dann sonst NIEMAND von derartigen Dingen? Weshalb existieren KEINE... FOTOS? Fotos von SOLCHEN Wesen? ALLE Reporter dieser Welt würden sich doch auf so ein Thema stürzen, ODER? DAS gäbe doch Schlagzeilen. RIESIGE Schlagzeilen. Die Zeitungen würden sich wie warme Semmeln verkaufen und der Reporter, der DIESE Geschichte bringen würde, wäre auf einen Schlag weltberühmt. REICH! Und ein gemachter Mann."

 

"Soll ICH Ihnen sagen weshalb?"

 

"Wollen Sie es WISSEN?"

 

"Soll ich IHNEN... dieses GEHEIMNISS offenlegen?"

 

"Ja? SOLL... ICH... DAS... WIRKLICH... TUN?"

 

"DAS Geheimniss an diesem GEHEIMNISS ist, dass es gar KEIN Geheimnis gibt." Er tippt sich an die Stirn und zeigt dann mit einer Handbewegung über die Insel.

 

"Und WENN... so ein Ding WIRKLICH existiert und eine SOOO grosse Gefahr darstellt, wie Sie meinen, weshalb schickt dann der König nicht seine SCHIFFE und macht das VERDAMMTE Vieh platt? HMMM? Wir haben es bei den Krauts geschafft, dann doch wohl auch bei einem ELENDEN Kraken."

 

Dann fängt der Seebär zu singen an. Laut und aus vollem Halse.

"When BRITAIN first at Heav’n’s command

Arose from out the AZURE MAIN

Arose, arose, arose from out the azure main

This was the CHARTER, the charter of the LAND

And guardian angels sang THIS STRAIN

RULE, BRITANNIA! BRITANNIA RULE THE WAVES! BRITONS NEVER, NEVER, NEVER SHALL BE SLAVES..."

 

"The NATIONS not so blest as thee

Must in their turns to TYRANTS FALL

MUST in their turns to tyrants fall

While thou shalt FLOURISH, shalt flourish great and free

The DREAD and ENVY of them ALL

RULE, BRITANNIA! BRITANNIA RULE THE WAVES! BRITONS NEVER, NEVER, NEVER SHALL BE SLAVES..."

Edited by Der Läuterer
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"Mein Herr, ich habe nicht gesagt, dass ALLES STIMMT, was Seaman erzählt. Ich tue es nur nicht vorschnell als Unsinn ab, sondern versuche es zu überprüfen.

 

Ich sagte: WENN das wahr ist, was Mr. Seaman berichtet, dann sind wir hier in großer Gefahr. Ich sprach von der Möglichkeit, dass zumindest ein FÜNKCHEN WAHRHEIT in den Aussagen des Mr. Seaman steckt.

 

Und die Frage, warum hier kein Reporter auftaucht, haben Sie sich doch selbst schon beantwortet: Weil niemand Mr. Seaman glauben schenken würde, ob er sich das alles nur ausgedacht hat oder nicht.

 

Wenn Sie Mr. Seaman keinen Glauben schenken, verstehe ich Ihre Sorge von vorhin nicht und auch nicht Ihre düsteren Andeutungen und die ganze Geheimniskrämerei. Sind es vielleicht Sie, der inzwischen 'Land riecht wo keines ist'?", stelle ich verärgert den fortwährenden Kränkungen des Seemanns mit Melvilles Worten die düstere Prophezeiung des Elias entgegen, wenngleich sie bei diesem ungehobelten Fremden nicht auf fruchtbaren Boden fallen wird ...

 

"Nebenbei möchte ich als amerikanischer Staatsbürger anmerken, dass wir Britannien in der Vergangenheit deutlich gezeigt haben, dass es NICHT die Welt regiert. Und wenn sie schon von Sklaven singen, so ist es noch nicht lange her, dass England eine äußerst unrühmlichen Rolle im Sklavenhandel eingenommen hat. Offenbar weil es den Text Ihres Liedes sehr wörtlich nahm und Freiheitsrechte alleine für Britannien und die Briten in Anspruch nimmt." 

 

Ich spüre eine ungezügelte Wut in mir aufkommen und mit Inbrunst werfe ich dem Ausdruck britischer Arroganz entgegen:

 

"Amazing grace, how sweet the sound,

That saved a wretch like me!

I once was lost, but now I am found,

Was blind, but now I see.  

 

'Twas grace that taught my heart to fear,

And grace my fears relieved;

How precious did that grace appear,

The hour I first believed!  

 

Through many dangers, toils and snares,

I have already come;

'Twas grace that brought me safe thus far,

And grace will lead me home.  

 

The Lord has promised good to me,

His word my hope secures;

He will my shield and portion be,

As long as life endures.  

 

Yes, when this flesh and heart shall fail,

And mortal life shall cease;

I shall possess, within the veil,

A life of joy and peace.

 

The earth shall soon dissolve like snow,

The sun forbear to shine;

But God, who call'd me here below,

Will be forever mine."

 

Und ich ergänze ganz bewusst auch die zusätzliche Strophe nach Harriet Beechler Stowe:

 

"When we've been there ten thousand years,

Bright shining as the sun,

We've no less days to sing God's praise

Than when we'd first begun."

 

Und um für den abergläubischen Alten noch eins draufzusetzen, füge ich auch eine Strophe von Isaac Watts ein:

 

"Shall I be wafted through the skies,

on flowery beds of ease,

where others strive to win the prize,

and sail through bloody seas."

 

"Wer hätte das gedacht, dass mich ein unfreundlicher Seemann wieder zum Singen eines Kirchenliedes bringt?", denke ich und fühle mich plötzlich innerlich befreit und um Jahrzehnte zurückversetzt.

Edited by Joran
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"Sie, ein Yankee, tadeln einen Briten wegen der Sklaverei?" Der Kapitän lacht.

 

"Sie sind wahrhaftig verrückt." Der Kapitän scheint in seinem erblühenden Zorn schlagartig nüchtern geworden zu sein.

 

"Eine Kolonie von Sträflingen ist dieses Amerika, das nur wegen der Muskelkraft der Neger überhaupt etwas geschafft hat. Ein Land voller kriminellem Abschaum. Der Bodensatz der guten, englischen Gesellschaft... Und der Iren, die noch schlimmer sind als Abschaum. Nichts weiter."

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"Sie sagen es: Ich bin ein YANKEE aus NEUENGLAND. Und wir verachten die Sklaverei von jeher. Vor allem wir Iren, die wir nicht mehr denn Leibeigene und Lohnsklaven des britischen Adels waren.

 

Ich bin kein verfluchter Dixie und wir haben das Geschwür der Sklaverei selbst aus unserem Unterleib geschnitten!

 

Wissen Sie eigentlich, dass Großbritannien früher über die größte Flotte von Sklavenschiffen weltweit verfügte? Jedes vierte Schiff, das von Liverpool aus in See stach, war früher ein Sklaventransporter. Es sind Städte wie Liverpool und Bristol, die ihren Wohlstand dem Blutgeld des Sklavenhandels verdanken. Vor gut hundert Jahren hat der ehrenwerte britisch KAPITÄN Luke Collington mehr als einhundertdreißig geschwächte und erkrankte Sklaven über Bord werfen lassen, um die Versicherungsprämie zu kassieren. Und die britischen Gerichte haben ihn wegen des Vorwurfs des Betruges verantwortet. Des BETRUGES!", speie ich dem Seemann entgegen.

 

"Erzählen Sie mir nichts! Auch nachdem die Sklaverei und der Sklavenhandel in Britannien verboten wurden, hat sich in den Kolonien und Besatzungsgebieten nichts an der Haltung der Briten geändert. England hat seelenruhig zugesehen, wie Millionen von Iren verhungert oder emigriert sind. Kennen Sie die Geschichte von Bridged O'Donnel? Erst der Mut und das Herz einzelner Journalisten hat das Elend der Iren und die Schande der Briten weltweit publik gemacht.

 

Waren Sie jemals in Indien? Kennen Sie die Not, die die Engländer dort zu verantworten haben?

 

Haben Sie schon einmal etwas von dem Zulu-Aufstand 1906 in Südafrika gehört und wie die militärisch weit überlegenen Briten mit unglaublicher Gewalt den Aufstand im Juli 1906 brutal niederschlugen?

 

Die Engländer haben aus einem kleinen Inselstaat ein Weltreich gemacht und zwar einzig und alleine mittels Blut und Gewalt!

 

In was für einer Traumwelt leben Sie eigentlich?

 

Wären Sie ein echter KAPITÄN und nicht lediglich ein saufender KLEINER FISCHER, der hier mit seinem altersschwachen Kutter am Strand herumlungert, um sich eine Aufbesserung seines kargen Einkommens zu verschaffen, dann wüssten Sie, wie es sich in Wahrheit für die allermeisten Menschen unter britischer Regentschaft lebt!"

 

Meine Wut hat sich in Verachtung gewandelt und ich begreife, dass es keinen Sinn macht, mit diesem Trunkenbold zu diskutieren. Ohne auf eine Reaktion zu warten, wende ich dem Kutterfahrer den Rücken und gehe in Richtung Hafengebäude. Ich muss nun erst einmal zur Ruhe kommen. All die aufgestauten Aggressionen werden meine Selbstbeherrschung sonst hinwegspülen, wie das Meer den Sand.

 

 

Nach einigen Schritten beginne ich wieder, Amazing Grace zu summen. ... Die innere Ruhe ergreift Schritt für Schritt wieder Besitz von mir ...

Edited by Joran
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"Pioneers, oh pioneers", murmle ich mit einem angedeutetem Salut und gehe Savage eiligen Schrittes hinterher. Dass die Situation derart eskaliert, hätte ich nicht für möglich gehalten. Es erinnert mich an Hans - wie ich ihn zur Schnecke gemacht habe - und ich empfinde langsam aber sicher tiefe Sympathie für den missverstandenen Arzt. In seinem Innern brodelt und gärt zischt und speit Zorn und langsam aber sicher bahnt sich dieser seinen Weg ins Freie.

 

Als ich ihn erreicht habe, lege ich ihm eine Hand auf die Schultern. "Er ist ignorant. Viele Menschen sind das. Sie sollten versuchen, damit zu leben. Auch ich musste diese harte Lektion lernen. Ich bin mir sicher, wenn ich das geschafft habe, dann schaffen Sie das auch." Ich lächle schief. "Und meine Defizite waren fraglos unbekömmlicher als die Ihren und überhaupt gönnen Sie solchen Typen dann bloß Genugtuung. Mich persönlich hat das immer am rasendsten gemacht." 

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Es tut gut, Andersons Hand auf meiner Schulter zu spüren. Verständnis und Wärme eines anderen Menschen.

 

"Das ist es, warum ich hier bin.", sage ich traurig. "Genau aus diesem verfluchten Grund bin ich hier: Um zu versuchen, damit zu leben. ... nachdem ich Jahrzehnte gekämpft habe ... Aber es fühlt sich so verdammt falsch an ... so schrecklich falsch!"

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"Jetzt mischt sich auch noch der junge Schnösel ein. Kann denn der verrückte Arzt nicht auf sich selbst aufpassen?"

 

Er schnaubt verächtlich, räuspert sich und zieht Schleim hoch. "Aber eines muss ich Ihnen lassen, DOKTOR. Ihre Schulbildung hat was."

 

"Sehr beeindruckend."

 

"Hat Ihnen sicher viel eingebracht."

 

"Und die Mädels stehen auf langweilige Gespräche mit bleichen Bücherwürmern, oder?"

 

"Sie scheinen die Bücher ja geradewegs reihenweise gefressen zu haben..."

 

Der Kapiän spuckt in das trübe, faulige Wasser des Hafenbeckens. "...und Sie können gut reden."

 

"Aber ich habe keinen blassen Schimmer, ob etwas von dem stimmt, was Sie da gerade von sich gegeben haben." Er lächelt herausfordernd und nimmt noch einen Schluck. "Aber das ist mir auch alles völlig gleich... Sie wollten etwas von mir wissen... Ihre ganzen, wundervollen Geschichtskenntnisse, was auch immer, sind mir... sagen wir es frei von der Leber... scheiss egal, Yank."

 

"Es ist doch so. Das, was Sie von mir wissen wollten, behalte ich für mich und alles, was Sie wissen, ist für'n Arsch und hilft Ihnen hier und jetzt mal überhaupt nicht weiter."

 

Wieder grinst er breit. "Und wenn hier ein Monster ist, vor dem Sie sich fürchten sollten, dann... viel Glück..." Der Käpitän wirft belustigt den Kopf in den Nacken und lacht. "...denn SIE müssen hier bleiben. Denn SIE sind verrückt. Und SIE dürfen auch herausfinden, was denn nun der Wahrheit entspricht."

 

"Und ich... ich ungebildeter, armer Seemann... ich werde jetzt meinen Kutter besteigen und dies ungastliche Eiland verlassen. Ob mit, oder ohne Doktor Warner."

 

Mit diesen Worten klettert er an Bord der Seagull und stopft sich seine Pfeife.

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