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[Nightmare Bites] Kap.1: SCHÖNE AUSSICHTEN ODER STEILES KARRIEREENDE


Der Läuterer
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Clive

 

Ein Anflug von Misstrauen erfasst mich, als uns die Anweisung erteilt wird, in die Suite zurückzukehren.

 

"Was bleibt uns schon anderes übrig?", denke ich achselzuckend, drücke Mr. Eklund wieder die beiden Bände mit den Reiseberichten in die Hand und gehe zurück ins Bad, um weiter Wasser  zu schöpfen.

 

Das aus dem Becken und der Wanne überlaufende Wasser strömt schon eine Weile in den Salon der Suite und hat den Teppich durchnässt. Das schmatzende Geräusch unter meinen Füßen verursacht mir eine Gänsehaut. Jeder Schritt erscheint mir wie ein Echo meiner Erinnerungen. Fast meine ich, den Geruch von Blut wahrzunehmen, den eisernen Geschmack auf der Zunge zu schmecken. "Das ist Wasser, kein Blut!", ermahne ich mich, aber die Bilder aus der Änderungsschneiderei wollen nicht weichen. Die Gifte in meiner Lunge benebeln meinen Geist. Ich lege meinen improvisierten Atemschutz wieder an, bevor ich mit dem nächsten Gefäß Wasser schöpfe. Aber während ich stumm vor mich hin arbeite, flackern wirr Bilder der scheinbar zusammenhanglosen Ereignisse der letzten Tage in mir auf. Fast meine ich eine Ordnung erkennen zu können, doch sie entgleitet meinem benebelten Geist wieder, bevor ich sie wirklich begreifen kann ...

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Vor dem Hotel ist die Menschenmenge sehr an Eurem Schicksal interessiert und alle dort hoffen mit Euch mit...

 

Eigentlich nicht...

Die Leute sind schlicht und ergreifend sensationsgeil. Sie hoffen darauf, etwas Besonderes zu sehen und beten dafür, dass etwas noch spektakuläreres geschieht, als nur ein Hausbrand.

Es ist die pure Geilheit, etwas noch Schlimmes zu sehen, das einem zum Glück nicht selbst widerfahren ist...

Vielleicht eine, um Hilfe rufende, Mutter mit einem Baby auf dem Arm?

Vielleicht auch jemand, der sich abzuseilen versucht und dabei abstürzt?

Vielleicht auch ein brennender, aus dem Haus rennender Mensch?

Vielleicht der Teileinsturz des Gebäudes?

... aber wer weiss das schon...

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Ich verhalte mich so ruhig ich noch kann, aber es wird schwierig.

Der Rauch fängt an, mich zu belasten, und mir wird etwas schwindelig.

Ich bleibe aber neben Clive, und beobachte die Feuerwehr unten uns.

 

Wir haben keine Ruhe, es ist einen Schlag nach dem anderen.

Das war ja kein Zufall.

Vielleicht sollten wir wirklich Cainnech rausholen, und nach Ireland abreisen...

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Ihr schaut aus den geschlossenen Fenstern auf die Strasse. Überall werden Schläuche auf dem Asphalt verlegt, die mit Pumpen von den Motoren der Fahrzeuge betrieben werden.

 

Zum Glück ist es nicht länger so kalt, wie noch die Tage zuvor, sonst würden sicherlich einige Ventile und Pumpen einfrieren. Feuerwehrmänner steigen die Leitern hoch, um Eingeschlossene aus ihren Zimmern zu retten. Andere Feuerwehrleute spannen Sprungtücher auf, um einer Frau aus ihrer misslichen Lage zu helfen.

 

Und immer wieder treffen weitere Feuerwehrautos ein, die Männer springen von den Fahrzeugen, nehmen ihre Arbeit auf und leiten weitere Rettungsmassnahmen ein.

 

Männer an den Schläuchen versuchen den Brand einzudämmen.

 

Schliesslich richtet ein Drehleiterwagen seine Leiter in Eure Richtung nach oben aus. Die Rettung ist nahe.

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An der Seite zur Hauptstrasse der Suite platzt eine Fensterscheibe. Auch die Situation in den Zimmern wird ungemütlicher. Die Hitze nimmt immer mehr zu und an einigen Stellen dringt, zwischen Wand und Fussboden, Qualm in die Zimmer.
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Clive

 

Ich zucke zusammen, als ich das Zerspringen der Scheibe höre.

 

Als Matilde zu mir ins Bad kommt, rate ich ihr, die Kleidung mit Wasser aus der Wanne zu befeuchten. Ich verfahre ebenso.

 

Dann eile ich zum Fenster und blicke herab zur Feuerwehr.

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Ich zucke auch zusammen, und schaue Clive an.

Ich bin am Ende, wir  kämpfen gegen Geiste, und man weisst jetzt nichtmal ob alles passiert nur weil es passiert.

Oder ist doch alles gegen uns?

Ich mache die Augen zu.

Mir ist schwindelig, der Rauch, die Wärme.

Ich falle auf den Knien.

 

Und da bin ich wieder. Der Zug, in Norwegien, wo es alles angefangen hatte. Hat.

Die Flammen. Ich bin gekniet. Gleiche Position.

-click-

Ich hebe den Kopf.

Nordgren lächelt mich an, böse.

Er hat seine Pistole in der Hand.

"Der Spaziergang endet hier, kleine Hure"

Er drückt die Waffe gegen meinen Kopf, und drückt ab.

Die Kugel geht durch meinen Kopf, zäh.

Ich spüre es.

Ich spüre alles.

Ich falle auf den Boden, die Augen sind noch auf.

Doch ich sterbe nicht.

"Was ist das für ein Schicksaal, Matilde?"

Diese Stimme habe ich schonmal gehört, aber ich weiss nicht mehr, wem es gehört.

Alles wird schwarz.

Edited by Nyre
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Clive

 

Ich höre hinter mir ein dumpfes Geräusch ... den Aufprall eines Körpers. Ich wende mich abrupt um und sehe Matilde am Boden liegen.

 

"Nicht jetzt, Matilde! Nicht jetzt! ... Wir kommen hier heraus. ... Ihr beiden kommt hier heraus!"

 

Ich laufe die wenigen Schritte zu ihr zurück und hebe ihren Kopf an, bette ihn in meinen Schoß. Dann löse ich das nasse Handtuch um meinen Kopf, kühle damit zuerst Matildes Nacken, reibe ihr Gesicht ab und lege es dann vorsichtig einlagig vor ihren Mund.

 

Der Boden ist unerträglich warm. "Was soll ich tun?"

 

"Kohlendioxid und Kohlenmonoxid sind schwerer als Luft, oder?", versuche ich mich zu besinnen. Aber meine Gedanken fließen träge ... die letzten Tage haben mich ausgebrannt ... Ich betrachte die vielen kleinen Rauchfäden, die aus den Spalten zwischen Wänden und Boden in die Suite lecken. Viele kleine todbringede Schlote. ... Ich erinnere schwefelfarbenen Nebel aus unzähligen Öffnungen in einer geraden Linie ströhmen und sich zu einer Wand aus beißendem Nebel vereinen. In der schwachen Morgendämmerung zieht sie über einen von Granaten zerfurchten Acker ... ein totbringender Atem aus Bis(2-chlorethyl)sulfid. Ich sehe, wie er den Graben erreicht und einer lautlose Meereswoge gleich über den kleinen Wall schwappt, der die Menschen dahinger schützen sollte. Ich höre das Schreien, als das Senfgas die Haut der Männer umspielt und die Nebelfäden sich in eiserne Klauen des Todes verwandeln. Ich höre die Schreie aus tausend Kehlen und das Geräusch, mit dem sich die Männer die Kleidung vom Körper reißen. ...

 

"Ich muss sie hochheben!", besinne ich mich. Weil mir nichts besseres einfällt, greife ich Matilde unter den Achseln und ziehe sie in das Bad. Das scheint mir im Moment der sicherste Ort. Ich mobilisiere die mir verbleibenden Kräfte und hebe Matilde über das vergleichsweise kühl wirkende Wasser der Wanne. Ein gewaltiger Schwall von Wasser schwappt über den Wannenrand, als ich Matildes Körper hineingleiten lasse. Auf dem nassen Boden verliere ich den Halt und schlage mit einem Knie heftig auf die Fliesen. Der Wannenrand trifft hart meinen Brustkorb. "Den Kopf über Wasser!", sage ich und hebe Matilde sofort wieder an. Das Handtuch ist von Matildes Mund gerutscht. Dann beginnt Matilde zu husten und Wasser spritzt ihr aus Mund und Nase. Ich halte ihren Kopf über Wasser und warte darauf, ob sie die Augen öffnet.

 

"Matilde!", flüstere ich mit einer Stimme, die sich nicht wie die meine anhört. "Wach auf, Matilde!"

 

"Wenn ich die Besinnung verliere, wird sie ertrinken", denke ich. Schweren Herzens greife ich mit der anderen Hand nach der Kette des Abflussstopfens. Er entgleitet meinen nassen Fingern. Nach mehrere Versuchen gelingt es mir und ich höre das Gurgeln. Langsam, ganz langsam sinkt der Pegel, während das Wasser schneller aus der Wanne strömt, als es nachfließt.

 

Ich bezweifle, dass ich aus eigener Kraft noch eine Leiter herabklettern kann. "Wie soll Matilde das nur schaffen? Ob die Feuerwehr Leinen mitbringen wird, damit man sie abseilen kann? ... Ob die Feuerwehr überhaupt in diese Hölle kommen wird? ... Ist das die Hölle ... oder ein reinigendes Feuer. ... Viele Völker glauben an die reinigende Kraft des Feuers."

 

Ich merke, wie meine Sinne schwächer werden. Wiederholt reiße ich Matilde im letzten Moment hoch, als ihr Kopf im Wasser zu versinken droht. Dann lege ich meine Stirn müde an ihre: "In meinen Armen ...", flüstere ich, "... ich lasse Dich nicht allein ... Was Hartmut wohl zu dieser Szene sagen würde?" Ein heiseres, kaum hörbares Lachen entströmt meiner Kehle.

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Eine weitere Glasscheibe in Richtung Strasse zerspringt, bleibt aber im Rahmen, ohne heraus zu fallen... wie bereits das andere Fenster zuvor...
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Clive

 

Das Geräusch der zerspringenden Scheibe lässt mich hochschrecken. Ich lausche auf Geräusche neben den Sirenen, dem Krachen im Haus, dem Prasseln des Feuers, die auf die Feuerwehr hindeuten könnte. Aber da ist nichts zu hören. Kein Zertrümmern der Scheibe, um einsteigen zu können. Keine Anweisungen an uns. "Nicht die Feuerwehr", denke ich. "Nur eine zerspringende Scheibe ... als hätte jemand durch das Glas geschossen." Ich muss an den Pfeifenraucher denken. Erneut frage ich mich, ob diese Menschen seelenruhig unserer Rettung zusehen werden. Auf der Leiter würden wir ein leichtes Ziel abgeben ... und der Leiterwagen selbst bietet ein leichtes Ziel für Anschläge.

 

Ich spritze mir Wasser ins Gesicht und versuche bei Bewusstsein zu bleiben. Dann fische ich das nasse Handtuch aus der Wanne und lege es so über Matildes Mund und Nase, dass sie noch Luft bekommt.

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Ich spüre etwas aufs Gesicht, und schlage die Augen auf.

"Kalt..." sage ich mit unsicherer Stimme.

Dann sehe ich Clive neben mir.

Oh, wir sind noch da. Komm Matilde, steh auf. Mach was.

"Das..danke, das tut mir Leid"

Ich schaue mich um.

"Sind die andere noch da? Ove bist du da?"

Ich steige aus der Wanne aus.

"Wo bleiben die Feuerwehr?"

Ich schaue mich dann um.

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Die Balkontür. Edited by Der Läuterer
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"Jemand schiesst auf uns" sage ich halb benommen.

"Wenn wir rausgehen, werden wir angeschossen, wenn nicht schlimmes...wahrscheinlich wollen sie sicher sein, dass wir draugehen"

Ich stehe auf, und nehme meine Pistole.

"Ich werde sie nie treffen. Aber ich kann was machen. Ich kann euch Schutzfeuer geben, wenn ihr anfängt runterzugehen"

Ich laufe neben das fenster, und stelle mich, wo die feuerwehr mich hören können.

"HEY! JEMAND SCHIESST AUF UNS! JEMAND SCHIESST AUF UNS!" schreie ich, laut aber paniklos.

Eine Schiesserei, das war schon immer mein Element.

Ich musst lächeln.

Ich werde lieber erschossen, als verbrennen, soviel ist sicher.

Ich kann schon die Adrenalin spüren.

Ich entsichere die Waffe.

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Clive

 

Ich wende mich um, so dass ich mit dem Rücken an der Wand der Badewanne lehne. Mit fahrigen Händen nestle ich die Lightning aus der einen und die Patronen aus der anderen Tasche. Ich wickle die Patronen aus dem Tuch, das längst wieder trocken ist. Es fällt mir schwer, die Patronen in die Kammern der Trommel zu führen.

 

Dann bleibe ich einen Moment sitzen und blicke auf die die glänzende Waffe auf meinem Schoß. "Da sitzen wir beiden mal wieder beisammen", huste ich leise. Ich streiche sanft über das Metall. In der Spiegelung der Trommel rede ich mir ein, das verzerrte Gesicht meines Vaters zu sehen. Aber ich weiß, es ist nur meines.

 

Ich bin schrecklich müde. Nach diesen Tagen der Hatz bin ich wieder müde. Das Gefühl des Triumpfes, das mich nach der Flucht aus der Schneiderei erfasst hatte, ist verschwunden. Es fühlt sich an, als wäre ich wieder ich selbst. Ich lausche in mich hinein. Ich horche nach Stimmen. Ich sehne mich nach ihrer Rückkehr. Sie könnten mir jetzt helfen, die eine könnte mir Leben versprechen, die andere mich auf die andere Seite des Ozeans bringen. Mir ist es gleich, solange ich nicht alleine bin.

 

Mir ist schwindelig. Mein Kopf schmerzt. Das Atmen fällt mir immer schwerer. Mir ist klar was das bedeutet. Ich beschließe, sitzen zu bleiben, nicht mehr aufzustehen, mich einfach treiben zu lassen ... in mein Schicksal zu fügen.

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